Читать книгу: «Lustige, legendäre, skurrile und unvergessliche BEGEGNUNGEN zwischen Sokrates, Schopenhauer, Mephisto, Paganini, Hesse, Kafka und dem Zeitgeist»

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Inhaltsverzeichnis

Impressum 2

Zitat 3

Vorwort 4

Kapitel 1 6

Prolog am Himmel: Gott und Mephistopheles

Kapitel 2 12

Twittero ergo sum

Essayistische Annäherung an den Zeitgeist

Kapitel 3 18

Niki Lauda trifft Günther Anders

Technik – Segen oder Fluch

Kapitel 4 30

Der Philosoph Arthur Schopenhauer mit seinem Pudel trifft auf die genderbeauftragten Damen des österreichischen Parlaments

Kapitel 5 40

Ist der Mensch gut oder böse, frei oder unfrei?

Jean-Jacques Rousseaus Auftreten beim Treffen der EU-Bildungs- und Unterrichtsminister in Brüssel

Kapitel 6 48

Sokrates beim G20-Gipfeltreffen in Rom

Der Schierlingsbecher für Donald Trump und Boris Johnson

„Was du auch tust, du wirst es bereuen“

Kapitel 7 58

Leander reist in 99 Tagen rund um die Welt

Auf der Suche nach dem tieferen Sinn des Lebens und der großen „göttlichen Wahrheit“

Kapitel 8 91

Franz Kafka reist auf Einladung von Top-Managern zu einem Symposion von Prag ins Kongresszentrum Toscana nach Gmunden

Der Versuch einer Annäherung an eine „kafkaeske“ Verwandlung

Kapitel 9 102

Was haben Johann Sebastian Bach in Weimar und Niccolo Paganini in Genua gemein?

Kapitel 10 109

Sind wir innerlich gespalten?

Hermann Hesse und C. G. Jung stellen sich den Fragen nach Schizophrenie versus innerer Ausgeglichenheit

Kapitl 11 117

Wolfgang Amadeus Mozart beschwert sich darüber, als Rassist bezeichnet zu werden

Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus

Kapitel 12 124

Warum und wofür es sich zu leben lohnt – trotzdem

Die 12. Aufgabe des Herakles

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2022 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99131-129-4

ISBN e-book: 978-3-99131-130-0

Lektorat: Melanie Dutzler

Umschlagfoto: Franz Doppelbauer

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Zitat

Ein modernes Sprachbild ermöglicht sowohl dem Zeitgeist als auch dem Leser, innerhalb eines Augenblickes auf eine Weltreise zu gehen, denn der gelungene Schwenk zwischen Vergangenheit und Gegenwart könnte zügiger nicht geschehen. Man versinkt in der Geschichte und wie aus dem Nichts steht man den Kausalitäten des Heute gegenüber.

Rujul Nyima; Lyriker und Prosaist

Vorwort

Dieses Buch zu schreiben, ist in mehrfacher Weise eine Hommage an die mein Denken und Leben nachhaltig prägenden, ganz großen „Alten Meister“ – um es mit einem Begriff von Thomas Bernhard auszudrücken.

Sokrates, Augustinus, Thomas von Aquin, Schopenhauer, Feuerbach, Nietzsche, … einerseits und Hesse, Kafka, Thomas Bernhard, … andererseits sind jahrzehntelang zu philosophischen und literarischen Wegbegleitern und „Freunden“ geworden, denen für ihren Mut, ihre Kritik, ihren ethischen Anspruch und ihre Anregungen gedankt werden soll.

Ein Schelm, wer meint, man würde sich über diese „Großen“ lustig machen.

Ganz im Gegenteil. Die Intention ist gewiss, sie zur und in der Gegenwart Stellung nehmen zu lassen – Aggiornamento, um vor allem auch junge und jung, neugierig und offen gebliebene Leserinnen und Leser für die Faszination mit Philosophie, Ethik, Religion und Literatur zu begeistern und auch dem heutigen Zeitgeist einen Spiegel vorzuhalten, um so manch zeitgeistigen Unsinn kritisch zu hinterfragen.

Mit den teils witzigen, polemischen und auch ernsten fiktiven Dialogen mit Politikern, Stars und Sternchen ins Gericht zu gehen, wissend, dass auch viele von uns unreflektiert zu Konsumenten der zeitgeistigen Angebote neigen, war aufregend, fordernd, berührend und auch humorvoll.

Unzählige Beobachtungen, Erfahrungen, Begegnungen und Gespräche aus den letzten Jahrzehnten sind in dieses Buch eingeflossen, für die Danke gesagt werden soll. Hinter allen zuweilen pointierten, zynischen und polemischen Bemerkungen blickt ein wohlwollendes Auge in die persönliche und berufliche Vergangenheit, aber auch in die Zukunft.

Wenn Sokrates im 21. Jahrhundert beim G20-Gipfel in Rom auf gegenwärtige Politiker wie den amerikanischen oder britischen Regierungschef trifft, erübrigt sich der Hinweis darauf, dass dieses Buch nicht den Anspruch stellt, wissenschaftlich zu sein, wohl aber dass monatelang sehr redlich und genau recherchiert worden ist.

Das Buch will nicht moralisieren und belehren, sondern unterhalten und für die großen Denker, geistigen Väter und kritischen Mahner begeistern.

Kapitel 1

Prolog am Himmel: Gott und Mephistopheles

An einem der schönsten Plätze Wiens, nahe Grinzing, dem wunderschönen Aussichtspunkt „Am Himmel“, genau beim Baumkreis unweit des Oktogons, mit großartiger Aussicht auf den Cobenzl einerseits und das urbane Highlight – die lebenswerteste, man sagt auch, sündige Stadt – Wien, umgeben von nach Süden ausgerichteten Weinbergen oberhalb des Cottageviertels im 19. Bezirk, treffen nach etwa 200 Jahren zum ersten Mal wieder Gott und Mephistopheles zusammen.

Bei der letzten Begegnung, bei der es um des Doktors Seele ging, verlief der Disput ja recht friedvoll, hatte doch Mephisto mit schelmischer Häme die wohlgemeinte Äußerung des Herrn, ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich seines rechten Weges wohl bewusst, zum Anlass genommen, diesem Altvorderen eines auszuwischen und mittels genussvoller Versuchungen den stets Zweifelnden, Strebenden und Unzufriedenen mit bedächtiger Schnelle vom Himmel durch die Welt hinab zur Hölle zu führen.

Wie jeder weiß, hat sich am Ende nicht er das Lachen abgewöhnt, sondern Mephisto. Nach Gretes „Heinrich! Mir graut’s vor dir“ und „Ist gerettet“, also nachdem die Wette verloren war, hat es Mephisto im wahrsten Sinn des Wortes das Herz und die Seele aus dem Leib gerissen, welche geradewegs in die Hölle fuhren.

Mit der festen diabolischen Überzeugung, es dem weisen Alten da oben zu zeigen, die abgrundtiefe Schlechtigkeit dessen zu beweisen, „der’s Vernunft nennt“ und sie missbraucht, „nur tierischer als jedes Tier zu sein“, will er ihm gegenübertreten. Ihm, dem Hass fremd ist, der Angst hat, dass des Menschen Tätigkeit allzu leicht erschlaffen würde und Ruhe einkehre, der sich seiner Tollheit halb bewusst sei, der irrt, solang er strebt, ihm werde es Mephistopheles zeigen, dass er diesmal selber irrt, der Altvater. So manchen Bösen sind sie los, doch die Bösen sind geblieben.

Zwei Bänke werden in der Mitte des Baumkreises zurecht gestellt und man setzt sich mit entsprechendem Abstand eines Babyelefanten gegenüber, das weite Land und die große Stadt überblickend.

Gott: Ein wahrlich schönes Plätzchen hier, eine von meinen Wienern, denen man nachsagt, ständig zu raunzen, voller Missgunst zu sein, sich auf den Straßen hektisch hupend fortzubewegen, in der Tat wunderbar gestaltete Symbiose von Natur und Kultur. Sprechende Bäume mit der Stimme von Klaus Maria Brandauer, jenem großartigen Ausseer Schauspieler, welcher auch dem Teufel in Klaus Manns Mephisto vor etlichen Jahren seine sonore Stimme lieh, wachsen hier in Ruhe fernab jeder urbanen Hektik. Diese sprechenden Bäume also geben Auskunft über ihre weltweite Herkunft, ihre heilende Kraft und wichtige Bedeutung für die Astrologie. Du siehst also, mein bedauernswerter Diabolus, du gehst den Menschen noch immer nicht aus dem Kopf. Hast auch eine für dich erfolgreiche Arbeit geleistet, du, die Menschheit völlig durcheinander bringender Ungeist, bei dieser in Braunau geborenen Höllengeburt und seiner braunen Brut, oder in Sarajewo, in Mauthausen, in Auschwitz, Bergen-Belsen, bei den Twin Towers und bei dem Norweger Andres Breivik, in Christchurch, im Bataclan und beim Wiener Judenplatz, um nur einige anzuführen.

Mephisto: Ich bin nicht schuld, ich habe sie alle nicht dazu gezwungen! Freiwillig taten sie’s! In jedem deiner humanen Geschöpfe steckt ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft, jener Kraft, die stets verneint, jener Kraft, die will, dass alles zugrunde geht. Die Freiheit, mein lieber alter Mann, die Freiheit, die du ihnen gabst, nehmen sie als Begründung, um sich gegen dich, gegen die Mitwelt und gegen sich selbst zu stellen. War’s nicht gewagt, kühn und frivol von dir, so hoch von jemandem zu denken, der’s nicht verdient? Ihm die Freiheit nicht zu geben, hättest du doch spätestens nach Kain, Babylon und Noah erkennen müssen, es wäre noch nicht zu spät gewesen!

Gott: Nein, ohne Freiheit gibt es keine Erkenntnis, keinen Fortschritt, kein Gewissen! Ohne Freiheit ist er verdammt, ohne Vernunft und Einsicht leben zu müssen – so wie du! Der Mensch ist frei geboren und dennoch liegt er – wegen dir – überall in Ketten; seine Freiheit liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern dass er nicht tun muss, was er nicht will. Zwar sind zwei Seelen, ach, in seiner Brust, aber sich für das Lebenserhaltende, nicht das Zerstörende, die Liebe, nicht die Missgunst, den Frieden, nicht die Vernichtung, die Selbstkritik und nicht das Abschieben von Verantwortung und Schuld zu entscheiden, das macht seine Würde, seine ethische Verantwortung und seine Größe aus. „Ich bin nicht schuld, die anderen waren es“, sagte schon deine Muhme, die Schlange, als sie noch zufrieden und in glücklicher Eintracht im Paradies lebten. Alles hat so gut begonnen, wenn du nicht … Du bist ein gefährlicher Ratgeber und ein schlechtes Vorbild für die, welche wenig Rückgrat und Selbstbewusstsein haben und humor- und gewissenlos leben. Du machst es dir leicht, du hast alles zu leugnen versucht; oh, niederreißen ist leicht, aber aufbauen! Und selbst niederreißen scheint leichter, als es ist. Sie sind anfällig für einfältige Antworten, du bedienst ihre niedrigsten Instinkte, missbrauchst ihr vertrauensvolles Gemüt und ihre unkritische Hörigkeit gegenüber Autoritäten. Und: Sie sind anfällig für die in der letzten Zeit in Politik und Gesellschaft moderne Selbstverliebtheit und Respektlosigkeit gegenüber Andersdenkenden in Religion, Kunst und Politik. Gib ihnen ihre Größe, ihr Selbstbewusstsein zurück, lass sie mein Abbild sein, so wie bei den kleinen Kindern. Blick um dich herum, so viele spielende, lustige Kinder auf der Bellevue-Wiese, sie lernen von den Bäumen, Harmonie soweit das Auge reicht. Zurück zu den Bäumen und zur Natur, wie mein Freund Jean Jack schon sagte. Den Kids ist das Lachen noch nicht vergangen, sie können noch staunen, sie freuen sich über Kleinigkeiten, ziehen den Besuch der Schule dem Homeschooling vor, nützen die Zeit zum Spielen.

Mephisto: Und trotzdem verstehen sie die Erwachsenen nicht und stellen viele Fragen. Sie fragen: Warum sind so viele Kriege? Warum das einsame Sterben in Altenheimen und Krankenhäusern? Warum die Armut auf der Welt? Warum Terror?

Gott: Diese Fragen, diese Verzweiflung verstehe ich sehr gut. Sie sollen diese Fragen in die Welt hinaus schreien, sie sollen die Verantwortlichen anklagen, vor dem UNO-Sicherheitsrat das Wort ergreifen – wie Greta und Fridays for Future den korrupten Mächtigen dieser Welt einen Spiegel vorhalten, sie sollen sich nichts mehr gefallen lassen, sich wehren, sollen einander zuhören und für die gerechte Verteilung der Güter kämpfen, den Schutz der Flüchtlinge und Minderheiten einfordern, friedliche Lösungen von Konflikten durchsetzen, die Zerstörer der Mitwelt und CO2-Emittenten in die Schranken weisen, diesen nichts mehr abkaufen, sie boykottieren, das Recht auf ein würdevolles Leben und Sterben in Ethikkommissionen und Kinderparlamenten erzwingen – Kinder an die Macht! Die spießigen Witzfiguren aus Politik und Wirtschaft fallen ohnedies wie Schachfiguren und Fliegen von ihren Thronen – die Vögel twittern es aus aller Herren Länder. Man nehme ihnen die machtgeilen Einflüsterer, welche sich wie eh und je bloß das Streben nach Macht, Genuss, Geld und Ausbeutung auf die Fahnen schreiben, weg. Sie haben ihre Chancen vertan, ihre demokratischen Vertrauensvorschüsse verspielt, ihre innersten Werte verraten – auf Videos und auf Twitter. Wie zum Teufel – oh, pardon – kann es denn sein, dass sie gegeneinander hetzen? Hat denn niemand die Ringparabel gelesen und verstanden? Im Namen der Religionen – in meinem Namen – Kriege führen? Unfassbar! Die einen haben ihre Lektion aus den mittelalterlichen Verfehlungen in Hexen- und Kreuzzügen, von schändlichen Übergriffen auf Kinder abgesehen, hoffentlich gelernt, die anderen nicht, noch nicht. Ihr Gott sind das Schwert, die Sprengstoffgürtel und das Maschinengewehr. Es schmerzen mich die vielen unschuldig Verletzten und sinnlos Verstorbenen allerorts. Angesichts dieser Verbrechen muss ich den Satz „Es reut mich, den Menschen geschaffen zu haben“ in Erinnerung rufen. Als ob eine Sintflut nicht gereicht hätte – sie lernen nichts, nichts aus den bildhaften, mythischen, lehrreichen Erzählungen, nichts aus dem Leid und Elend, das sie Tag für Tag sich selbst und den anderen zufügen. Nichts lernen sie von den Weisheitslehrern, den Märtyrern, von Gandhi, M. L. King, Bonhoeffer, den napalmverbrannten Krüppeln in Hiroshima und Vietnam, nichts von den Millionen unschuldig hingerichteten Juden, nichts von den Tausenden im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlingen, auch nichts von den einsam Sterbenden und nicht würdevoll Begrabenen, in den Lüften nicht eng Liegenden, niemand außer einer mit der Fuge des Todes ehrt sie. Blumen und Kränze niederzulegen – einmal im Jahr – ist zu spät, zu wenig. Jetzt, und nicht erst morgen, sollen sie die Welt so gerecht gestalten, dass kein Mensch mehr über das Meer oder über Mauern mit Stacheldraht flüchten muss, heute sollen sie die Mitwelt so behandeln, dass ihr Wasser nicht verschmutzt, die Luft nicht verpestet, der Ackerboden nicht zubetoniert wird und die Seelen nicht verrohen. Ich habe keinen Mund, nur ihren Mund, um das zu sagen, ich habe keine Hände, nur ihre Hände, um das zu tun. Als ob sie alle die Erzählungen von der Schlange, vom Brudermord und der Sintflut, vom Turmbau zu Babel nicht verstanden haben. Was sie da treiben, ist Schwester- und Brudermord! Sie bauen Türme, welche ihre und die Sprache der Völker verwirren! Ich leide mit den Unschuldigen mit, wie vor 2000 Jahren ob der römischen Hybris; wer’s nicht fühlt, wird’s nicht erjagen! Mögen sie anbeten, wen sie wollen, aber sie sollen die kurze Zeit, die ihnen geschenkt ist, nützen, um einander aufzurichten und nicht niederzumachen, ihre Lebensgrundlagen nicht zu zerstören, sondern für ihre Nachkommen zu bewahren.

Mephisto: Du bist ein alter Moralist! Die Botschaft hör’ ich wohl, allein …

Gott: … nein, mir fehlt er nicht! Gretchen und Greta lassen mich hoffen. Wär’s nicht endlich an der Zeit, du mein Widersacher, dass wenigstens wir beide unseren Zwist beenden und mit gutem Beispiel vorangehen? Schließlich bist du schon einmal hier auf der Insel der Seligen und dazu noch am Himmel! Schlag ein, topp die Wette …

Mephisto: Dann hätten sie niemanden mehr, den sie als Sündenbock, Lückenbüßer und Ausrede benützen können, um ihre schäbigen Taten zu rechtfertigen. Ich vermute, dass sie dich ohnedies schon vergessen und für „tot“ erklärt haben und in ihrem Wohlstand wegrationalisieren.

Ob es zu dieser historisch einzigartigen Versöhnung kam, ist nicht überliefert.

Wir wissen aus politisch gewöhnlich gut informierten Kreisen der Pest- und Coronaleugner und Impfgegner, Mephisto sei im Anschluss an eine ORF ZIB 2-Aufzeichnung mit Armin Wolf nach der Bemerkung „homo homini lupus“ letzten Augenzeugenberichten zufolge in der Himmelpfortgasse unweit des Wiener Pestpredigers Abraham a Santa Clara, akkurat in der Goethegasse, mit Faust zusammengetroffen und an Corona gestorben.

Während die Krone und der Kurier am nächsten Tag auf der Titelseite über das Wetter schrieben, berichteten der Standard und die Presse auf ihren Titelseiten von dieser epochalen Begegnung. Der Standard titelte: „Wolf vertrieb den Teufel aus Wien“; die Presse: „Gipfelkonferenz der einflussreichsten Mächte in Wien – was wird die Welt daraus lernen?“.

Kapitel 2

Twittero ergo sum

Essayistische Annäherung an den Zeitgeist

Von Sokrates, Jesus und anderen Denkern und Religionsgründern wissen wir, dass sie nie ein Wort aufgeschrieben haben. Ihnen war es wichtig, Erkenntnisse, Weisheiten, religiöse und ethische Grundkompetenzen – welch zeitgeistiger Begriff – durch Gespräche, Dialoge und Polyloge – wie der Philosoph Franz Martin Wimmer sagen würde –, durch Streitgespräche und mittels Bildersprache – Metaphern – den Schülern, Pharisäern und Freunden zu vermitteln.

Sie haben sich damals dem neuen Medium – der Schrift – verweigert, weil sie das Gespräch gesucht haben, da sie im Denken und Nach-Denken, auf der Suche nach der Wahrheit, einen lebendigen Prozess sahen, der sich weder in Steine meißeln noch auf Lettern fixieren lasse. Konrad Paul Liessmann fragt hypothetisch, ob sie sich wohl heute der modernen Massenmedien wie Smartphones und PC bedienen würden oder ebenso wie damals auf Marktplätzen wie der SCS nahe Wien, im SEP Einkaufspark Gmunden oder der VARENA Vöcklabruck, in der Getreidegasse in Salzburg oder am Speakers’ Corner beim Hyde Park in London mit den Interessierten disputierten; sie würden bestimmt nicht auf tausende Likes der Follower aus aller Welt warten und ihre Wichtigkeit auf diese Weise demonstrieren und zur Schau stellen, sondern face to face ihre Thesen begründen.

Leider wissen wir aus der Geschichte, dass solch freches Kritisieren und Hinterfragen mit dem Schierlingsbecher mit Gift, dem Kreuz, der Guillotine oder dem Nervengift Nowitschok endet. Sie alle waren auf der Suche nach Wahrheit.

„Am Anfang war das Wort (…). Alles ist durch das Wort geworden (Joh, 1–3), erst dann kamen die Zeichen und ganz zum Schluss die Schrift – auf der Zeitstrecke der menschlichen Entwicklung wenige Sekunden vor dem Jetzt. Durch die Kunst des geschickten Fragens und Hinterfragens – die Mäeutik – versuchte Sokrates, die im Gesprächspartner inhärenten, richtigen Antworten und Einsichten herauszufinden und – wenn nötig – ihm zu suggerieren, dass seine bisherigen Antworten falsch oder zu einfältig waren. Sein didaktisch neuer und einzigartiger Ansatz war, dass jemand selber erkannte, zu kurzsichtig gedacht zu haben oder gar im Unrecht zu sein. Oder bei Jesus, der seine Kritiker und Gegner – die Pharisäer – meist mit den eigenen unüberlegten Positionen konfrontierte, bei denen sie sich widersprachen. Sie mussten sich in Folge geschlagen geben und zogen beschämt von dannen.

Die Methode dieser beiden war pädagogisch klug und zielführend.

Man stelle sich vor, wir würden heute unseren sogenannten Besserwissern, Influencern, Bloggern und YouTubern, den Meinungsführern mit Millionen Followern, mit dieser Methode auf den Zahn fühlen, um die Wahrheit herauszufinden! Was bliebe da noch bestehen?

Wahrheit – was ist das? Wer kann schon behaupten, die Wahrheit zu kennen?

Philosophen suchten redlich nach der Wahrheit – oft unter vollem Einsatz der körperlichen und geistigen Kräfte. Ebenso Religionen mit ihren Offenbarungsschriften, geistlichen Oberhäuptern und Märtyrern. Gleichgültig, wer oder wie – auf jeden Fall aber bedarf es eines ehrlichen, langen, durch ständiges Hinterfragen begleiteten Suchens, das ein ganzes Leben andauern kann. Wer für sich diese Wahrheit, den Sinn seines Lebens, diese allumfassende kreative Kraft zur Gestaltung des eigenen, nicht immer ganz konfliktfreien, patscherten Lebens also gefunden hat, darf sich wahrlich glücklich schätzen. Wohlgemerkt: Hier ist die Entfaltung und Vertiefung des Bonum humanum gemeint, nicht die „Aus-Bildung“ als Mittel zur Qualifikation für den nicht unwichtigen Arbeitsprozess, was heute gemeinhin als Bildung verkauft und in Schulen gelehrt wird. Wer also meint, die Antwort auf diese Fragen sei eindimensional und einfach – von welcher politischen oder religiösen Seite auch immer, den würde Sokrates eines Besseren belehren.

Genau dazu neigt man heute in vielen Bereichen. Wer hätte je gedacht, dass am Beginn des 21. Jahrhunderts als Erklärung und Lösung des Flüchtlingsproblems, der Corona-Pandemie, der Frage nach Globalisierung, … Verschwörungstheorien wie im und aus dem Mittelalter hervorgezaubert werden, wo wir doch dachten, nie mehr zu der Zeit vor der Aufklärung zurückzukehren? Wir meinten, Toleranz gegenüber Andersdenkenden, Freiheit, Gleichheit der Geschlechter, … verinnerlicht zu haben. Es scheint wohl so zu sein, dass Ludwig Wittgensteins Worte „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“ mehr denn je gelten. Er sagt weiter, dass wir durch das Denken den Fallen entgehen, die uns die Sprache stellt. Die Enge und Borniertheit des Denkens, die Fallen durch Ressentiments und Vorurteile, die Grenzen durch den Nationalismus, den Fundamentalismus und den Radikalismus verengen anstatt erweitern die zeitgeistigen Einstellungen des so hoch gelobten Fortschritts des aufgeklärten, weltgewandten, weit gereisten Menschen. „Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel der Sprache“, sagt Wittgenstein. Der sich einerseits kosmopolitisch dünkende und daher durch Weltoffenheit und Toleranz auszeichnende Weltenbürger äußert sich andererseits ständig spießiger, wortkarger und gehässiger.

Die Summe genau solcher kurz und unbündig verfassten Tweets des amerikanischen Präsidenten Donald Trump beweist diese These hinreichend, gepaart mit einer recht unethischen und modernen Art, die Lüge für die als dumm verkaufte Öffentlichkeit salonfähig gemacht zu haben. Laut Patrick Gensig, Redakteur beim ARD-Faktenfinder, habe Trump in seiner vierjährigen Amtszeit nicht weniger als „22000 irreführende oder falsche Behauptungen verbreitet.“ Die Folgen sind für einen demokratisch denkenden Menschen in Amerika und Europa, aber auch in den Ländern, die zur sogenannten „Achse des Bösen“ gehören, katastrophal. Man erkennt die Lügen nicht mehr als solche; fast 50 Prozent der Amerikaner glauben diese Verdrehungen der Tatsachen mit Worten und unterstellen folglich den anderen Wahlbetrug. Wenn Wittgenstein – quasi den Menschen entschuldigend – sagt, dass „(…) die Probleme auf dem Missverständnis der Logik unserer Sprache beruhen“, dann muss man – so unglaublich bedeutend und richtig dieser Satz ist – leider konstatieren, dass bei Trump (man bedenke, dass er über 80 Millionen Follower auf seinem Twitter-Account hat) und der Menge seiner Anhänger Vorsatz und Absicht dahinter stehen. Die Lüge hat sich wahr gelogen, die Wirklichkeit formt sich nach ihrem Bilde. Man verweigert den Dialog und das für Sokrates in einer Demokratie so wichtige Reflektieren und Hinterfragen.

Amerika, quo vadis?

Man braucht aber nicht so weit in die Ferne schweifen, denn die Verdrehung der Wörter ist so nah.

Wer in den vergangenen Wochen und Monaten die Sitzungen des Österreichischen Parlamentes aufmerksam verfolgt hat, der kann nur fassungslos zusehen, wieviel Wortverdrehung, Sprachverrohung und hinterhältige, absichtlich gehässig herbeigeführte Sprachzerstörung geschieht – nicht aus Missverständnis, sondern in voller Absicht. Das alles im Namen von „lebendiger parteipolitischer Diskussion“, von „parlamentarischem Diskurs“. Hohn, Spott und Niedertracht kennzeichnen manche dieser Sitzungen in unserem sogenannten „Hohen Haus“. Vor lauter Schande über diese unsere gewählten Volksvertreter wäre es ethisch unvertretbar, Jugendlichen in dem Fach „Politische Bildung“ oder im Fach Deutsch unter dem Fachgebiet „Rhetorik“ Passagen von diesen Sitzungen zu zeigen, in denen – die Videoaufzeichnungen und Sitzungsprotokolle beweisen es – Kraftausdrücke wie „Sauerei“, „Sie sind wohl komplett verblödet“, „scheißegal“, „verarscht“, „betäubtes Faultier“, „Heuchelei“, „Lüge“, „jüngster Demenzpatient Österreichs“ (gemeint ist der Finanzminister), „Was das für Beidl sind“ usw. verwendet werden. Oder noch schlimmer: Ein Foto mit nachweislich gefälschtem Datum wird absichtlich von einer Parlamentarierin der FPÖ am Rednerpult dem Plenum gezeigt, um dem politischen Mitbewerber – in diesem Fall aber Hassobjekt – zu schaden. Nach sofortiger Aufdeckung dieser Lüge folgt weder eine Entschuldigung noch Einsicht und – was nur in Österreich durchgeht – kein Rücktritt. Geht’s noch? Die offen zur Schau gestellte Lüge und bösartige Unterstellung wird dem sachlichen, fairen, offenen, harten Dialog vorgezogen – des politischen Kleingeldes vor Wahlen wegen.

Tausende bemühte Lehrer unterrichten unzählige Schüler, welche Grundregeln des Zusammenlebens und des richtigen Dialoges und auch Grundwerte wie Anstand, würdevollen Umgang mit Andersdenkenden und Respekt in einem zivilisierten Land wie Österreich gelehrt und vorgelebt bekommen sollen. Dafür legen diese Lehrer den Amtseid ab; bei Zuwiderhandeln kommt es zu einem Disziplinarverfahren durch die Republik Österreich.

Ein Schüler irgendeiner österreichischen Schule würde mindestens ein „Wenig zufriedenstellend“ – wenn nicht sogar einen Schulverweis – bekommen, wenn er so mit Lehrern und Pädagogen spräche.

Quo vadis, Austria?

Gemessen daran scheint es ja geradezu harmlos zu sein, welche verbalen Ausdrucksweisen Jugendliche und auch zum Teil Erwachsene mit ihrer Zeitgenossenschaftsprosa in Mails und SMS pflegen.

Im Reich der „eingenetzten Wortfetzen“, wie das Daniel Glattauer zu nennen pflegt, üben E-Mailer an ihren Deutschlehrern Rache für die schikanösen, stilistisch perfekt zu schreibenden Aufsätze, hochsprachlichen Erörterungen und die Pflicht, schöne, ganze Sätze schreiben zu müssen. Die Revolte des Schreibens, zu formulieren, wie eben der Schnabel gewachsen ist, des emailisierten Wortfetzenkonstruierens ohne Prädikate, Adjektive und Konjunktionen mit anschließendem Emoji, dem Gefühlsausdruck mit Tränen, Herzerl oder dem Mittelfinger – oder wenn’s gut geht – einem grr, äh, gähn oder einem Smiley, diese Revolte des Verfassens dieses Silbenirrwitzes durch unsere jungen Alltagssprechkosmopoliten ist niemals – wie in den vorigen Beispielen geschildert – gegen jemanden gerichtet, höchstens gegen die bemühten, pflichtbewussten, sprachästhetischen und „eh ganz ok-en“ Deutschlehrer; sie sind ein Ausdruck ihres sozialen Umfeldes und altersadäquaten Formulierens. Das alles ist nicht gemeingefährlich; Anlass zur Sorge höchstens, wenn es – wie man doch zu hoffen wagt – darum geht, einmal einen gefühlvollen und emotionalen Liebesbrief oder eine Einladung zu einem Rendezvous zu schreiben. Was mehr zu denken gibt, ist die Tatsache, dass wir heute unter einem permanenten Erreichbarkeitsstress leiden, wobei die Begründungspflicht bei dem liegt, der einmal nicht abhebt. Diese von uns gar nicht mehr wegzudenkende Dauerpräsenz mit dem Smartphone hat uns unwillkürlich und unverhofft in ein Abhängigkeitsverhältnis manövriert, in dem vor langer, langer Zeit nur die Tag und Nacht unentwegt erreichbaren Dienstboten standen. Wir sind die modernen – längst obsolet geglaubten – Dienstboten des 21. Jahrhunderts geworden; permanent erreichbar für Dienstgeber, Partner, Kinder und Schüler im Homeschooling. Wem das zu viel wird, der läuft Gefahr, sich im Burnout wiederzufinden. Das ist für immer mehr Menschen der persönliche Preis für die neue Technokratie. Wenn René Descartes behauptet, dass nur der ein Mensch ist, der denke, so ist man heute nur wer, wenn man auf dem letzten Stand der Technik ist.

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