Читать книгу: «Quentin Durward», страница 5
Als aber das Boot am hintern Ende seines Gartens anhielt, und er mit Hilfe Peters das Land gewonnen hatte, da schien es, als hätte die Berührung seiner eigenen vier Pfähle auf einmal jene Gefühle verletzter Eigenliebe und Eifersucht zerstreut, und den mißvergnügten und verdunkelten Demagogen in den ehrlichen, freundlichen und gastfreien Wirth verwandelt. Er rief laut nach Trudchen, welche sogleich erschien; denn Furcht und Besorgniß hatten in dieser ereignißschweren Nacht Wenigen in Lüttich den Schlaf vergönnt. Sie ward beauftragt, der schönen und halb ohnmächtigen Fremden die größte Aufmerksamkeit und Sorgfalt zu widmen, und Gertrud versah, während sie die persönlichen Reize der Fremden bewunderte und ihr Mißgeschick bedauerte, die Pflicht der Gastfreundschaft mit der Liebe und dem Eifer einer Schwester.
So spät es jetzt war, und so ermüdet der Syndicus schien, so hatte Quentin gleichwohl die größte Mühe, einer Flasche erlesenen und köstlichen Weins, so alt wie die Schlacht bei Azincourt, zu entgehen, und er hätte sein Theil, obwohl ungern, daran nehmen müssen, wäre nicht die Hausfrau erschienen, welche Pavillons lauter Ruf nach den Kellerschlüsseln aus ihrem Schlafgemach gebracht hatte. Sie war eine dicke, kleine, flinke Frau, die zu ihrer Zeit hübsch gewesen, deren Haupteigenheiten aber schon seit verschiedenen Jahren in einer rothen spitzen Nase und einer schrillen Stimme bestanden, wozu noch der Grundsatz kam, daß der Syndicus, in Betracht des Ansehens, welches er auswärts besaß, daheim unter gebührender Zucht bleiben müsse.
Sobald sie die Natur des Streites zwischen ihrem Gemahl und seinem Gaste begriff, erklärte sie rund heraus, daß der Erstere, statt noch mehr Wein trinken zu dürfen, bereits mehr als genug getrunken habe; und weit entfernt, sich, wie er verlangte, des großen Schlüsselbundes, welcher an einer silbernen Kette an ihrer Seite hing, zu bedienen, kehrte sie ihm ohne Umstände den Rücken zu und führte Quentin nach dem netten und traulichen Gemach, wo er die Nacht zubringen sollte, und welches mehr Mittel zur Ruhe und Erholung bot, als er bis diesen Augenblick wahrscheinlich gesehen hatte; so sehr übertrafen die reichen Flamänder nicht nur die armen und rohen Schotten, sondern selbst die Franzosen, in allen Bequemlichkeiten des häuslichen Lebens.
Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Die Flucht.
– – – – Nun heißt mich eilen,
Und das Unmögliche will ich vollbringen,
Ja, mehr und Beß'res noch.
– – – – Wohlan, beginnt;
Mit frischem kühnem Muthe folg' ich Euch,
Zu thun, was es auch sei.
Julius Cäsar.
Trotz einer Mischung von Freude und Furcht, Zweifel, Besorgniß und anderen aufregenden Leidenschaften, waren doch die erschöpfenden Anstrengungen des vorigen Tages mächtig genug, um den jungen Schotten in einen tiefen Schlaf zu versenken, welcher bis spät auf den folgenden Tag anhielt; da trat sein würdiger Gastfreund mit sorgenvoller Stirn in's Gemach.
Er setzte sich an des Gastes Bett nieder und begann eine lange und complicirte Rede über die häuslichen Pflichten des ehelichen Lebens, und vorzüglich über die ehrfurchtgebietende Macht und das gehörige Supremat, welches verheirathete Männer in allen Meinungsverschiedenheiten mit ihren Weibern behaupten müßten. – Quentin hörte mit Besorgniß zu. Er wußte, daß Ehemänner, gleich andern kriegführenden Mächten, zuweilen geneigt waren, Te Deum zu singen, mehr um eine Niederlage zu verheimlichen, als einen Sieg zu feiern; und er beeilte sich, der Sache näher auf den Grund zu kommen, indem er sagte, er hoffe, ihre Ankunft habe der guten Hausfrau keine Unbequemlichkeit verursacht.
»Unbequemlichkeit; – nein,« antwortete der Bürgermeister, »kein Weib läßt sich weniger stören, als Mutter Mabel – stets freut es sie, ihre Freunde zu sehen – hält stets für sie ein hübsches Zimmer und ein gutes Mahl bereit, mit Gottes Segen auf Bett und Tisch. – Kein Weib auf Erden ist so gastfrei – 's ist nur Schade, daß ihr Temperament etwas eigen ist.«
»Mit einem Wort, unser Aufenthalt hier ist ihr unangenehm,« sagte der Schotte, indem er aufstand und sich eilig anzukleiden begann. »Wüßt' ich nur gewiß, ob die Gräfin Isabelle nach den Schrecken der letzten Nacht zu reisen im Stande ist, so wollten wir durch längern Aufenthalt Euch nicht mehr im mindesten belästigen.«
»Nein,« sagte Pavillon, »das ist es eben, was die junge Dame selbst zu Mutter Mabel sagte; und wirklich, ich wollte, Ihr hättet gesehen, wie ihr das Blut in's Gesicht stieg, als sie das sagte – ein Milchmädchen, das fünf Meilen weit gegen den Ostwind Schlittschuh gelaufen ist, sieht wie eine Lilie, mit ihr verglichen – mich wundert nicht, daß Mutter Mabel ein bischen eifersüchtig ist, die arme gute Seele.«
»Hat Gräfin Isabelle ihr Zimmer schon verlassen?« fragte der Jüngling, indem er die Arbeiten seiner Toilette eifriger als vorher fortsetzte.
»Ja,« erwiederte Pavillon; »und sie erwartet Eure Gegenwart mit Ungeduld, um über den Weg zu berathen, den Ihr nehmen wollt – da Ihr einmal zu gehen entschlossen seid. – Aber ich hoffe, Ihr werdet ein Frühstück einnehmen?«
»Warum sagtet Ihr mir das nicht eher?« fragte Durward ungeduldig.
»Ruhig – ruhig,« sagte der Syndicus; »ich habe es Euch zu früh gesagt, glaub' ich, wenn es Euch so sehr in Hast bringt. Nun hätt' ich Euch aber noch etwas zu vertrauen, wenn Ihr nur Geduld hättet, mich anzuhören.«
»Sagt es, werther Herr, so bald und so schnell Ihr könnt – ich höre andächtig zu.«
»Wohlan denn,« fuhr der Bürgermeister fort, »ich habe nur ein Wort zu sagen, und das ist, daß Trudchen, die so sehr bedauert, von jener artigen Dame scheiden zu müssen, als wäre sie ihre Schwester, für Euch eine Verkleidung für nöthig hält; denn es geht die Rede in der Stadt, daß die Damen von Croye das Land in Pilgerkleidern durchreisen, begleitet von einem französischen Leibgardisten der schottischen Bogenschützen; und es heißt, eine von ihnen sei durch einen Zigeuner in letzter Nacht nach Schönwald gebracht worden, nachdem wir es verlassen hatten; und weiter heißt es, derselbe habe Wilhelm von der Mark die Versicherung gegeben, daß Ihr mit keiner Botschaft, weder an ihn, noch an die guten Leute von Lüttich beauftragt wäret, und daß Ihr die junge Gräfin gestohlen hättet und mit ihr als ihr Liebhaber reiset. Und alle diese Neuigkeiten sind heute Morgen von Schönwald gekommen; und so sind sie uns und den andern Rathsmitgliedern berichtet worden, die nicht recht wissen, was zu thun sei; denn obwohl unsere eigene Meinung ist, daß Wilhelm von der Mark ein klein wenig zu rauh mit dem Bischof und mit uns selber umgegangen, so herrscht doch immer der Glaube, daß er von Herzen ein gutmüthiger Mensch sei – das heißt, wenn er nüchtern ist – und daß er der einzige Anführer in der Welt sei, der uns gegen den Herzog von Burgund befehligen könne; – und, fürwahr, wie die Sachen stehen, es ist zum Theil meine eigene Meinung, daß wir Eins mit ihm bleiben müssen, denn wir sind zu weit gegangen, um zurück zu können.«
»Der Rath Eurer Tochter ist gut,« sagte Quentin Durward, der sich aller Vorwürfe und abwehrenden Vorstellungen enthielt, da er sah, daß dies völlig unnütz sein würde, um die würdige Magistratsperson von einem Entschlusse abzulenken, der eben so im Einklange stand mit den Vorurtheilen seiner Partei, wie mit dem Willen seines Weibes – »der Rath Eurer Tochter ist ganz gut. – Wir müssen verkleidet abziehen, und das sogleich. Wir dürfen, hoff' ich, auf Euch rechnen, daß Ihr die Sache geheim haltet und uns die Mittel zur Flucht verschafft?«
»Von ganzem Herzen gern,« sagte der ehrliche Bürger, der, mit der Würde seines eigenen Benehmens nicht sehr zufrieden, eifrig wünschte, etwas zur Vergütung zu thun. »Ich muß mich nothwendig erinnern, daß ich Euch mein Leben in verwichener Nacht verdankte, sowohl durch das Oeffnen des verwünschten Stahlkleides, als auch dadurch, daß Ihr mir aus der andern, noch schlimmern Klemme halft; denn jener Eber und seine Brut sahen eher aus wie Teufel, denn wie Menschen. Treu will ich Euch daher sein, wie die Klinge dem Heft, wie unsere Waffenschmiede sagen, die die besten in der Welt sind. Wohlan, da Ihr fertig seid, so kommt mit mir, – Ihr sollt sehen, wie weit ich Euch trauen kann.«
Der Syndicus führte ihn aus dem Gemach, wo er geschlafen hatte, nach seinem Schreibzimmer, wo er seine Geschäftsangelegenheiten in Ordnung zu bringen pflegte; und nachdem er die Thür verriegelt und sich vorsichtig und sorgfältig umgeschaut hatte, öffnete er ein verborgenes, gewölbtes Gemach hinter der Tapete, wo mehr als ein eiserner Kasten stand. Er öffnete den einen, welcher voll Gulden war, und stellte ihn zu Quentins Verfügung, um daraus eine so große Summe zu nehmen, als ihm für seiner Begleiterin und für seine eigenen Reisekosten nöthig schien.
Da das Geld, womit Quentin versehen ward, als er Plessis verließ, jetzt fast ganz ausgegeben war, so trug er kein Bedenken, die Summe von zweihundert Gulden anzunehmen; und damit nahm er eine große Last von Pavillons Herzen, welcher diese verzweifelte Zahlung, wo er freiwillig zum Gläubiger ward, als eine Buße für den Bruch der Gastfreundschaft ansah, zu welchem ihn verschiedene Rücksichten gewissermaßen zwangen.
Nachdem er seine Schatzkammer sorgfältig verschlossen hatte, führte der reiche Flamänder seinen Gast zunächst in's Sprechzimmer, wo er im vollen Besitz ihrer Geistes- und Körperkräfte, obwohl blaß nach den Scenen der vorigen Nacht, die Gräfin nach Art eines flämischen Mädchens aus dem Mittelstande gekleidet fand. Niemand als Trudchen war gegenwärtig, welche emsig bemüht war, den Anzug der Gräfin zu vervollständigen und dieser Anweisung zu geben, wie sie sich zu benehmen habe. Sie reichte ihm ihre Hand, die er ehrerbietig küßte, worauf sie zu ihm sagte: »Herr Quentin, wir müssen unsere Freunde hier verlassen, sonst würde ich einen Theil des Unglücks auf sie bringen, welches mich seit meines Vaters Tod verfolgt hat. Ihr müßt Eure Kleidung wechseln und mit mir gehen, wenn Ihr nicht auch müde seid, einem so unglücklichen Wesen Freundschaft zu erweisen.«
»Ich! – ich müde Euer Diener zu sein! – Bis an's Ende der Welt will ich Euch schützen! Aber Ihr – Ihr selbst – seid Ihr im Stande auszuführen, was Ihr unternehmt? – Könnt Ihr nach den Schrecken der letzten Nacht –«
»Ruft sie mir nicht in's Gedächtniß,« antwortete die Gräfin; »ich entsinne mich ihrer nur wie eines verworrenen fürchterlichen Traumes. – Ist der treffliche Bischof entkommen?«
»Ich hoffe, er ist frei,« sagte Quentin, indem er Pavillon ein Zeichen gab, still zu sein, denn dieser schien im Begriff, die Erzählung zu beginnen.
»Ist es für uns möglich, zu ihm zu kommen? – hat er eine Macht gesammelt?« fragte die Gräfin.
»Seine einzige Hoffnung ist der Himmel,« sagte der Schotte; »aber wohin Ihr auch gehen wollt, ich stehe Euch zur Seite, entschlossen Euer Führer und Beschützer zu sein.«
»Wir wollen überlegen,« sagte Isabelle; und nach kurzem Nachsinnen fuhr sie fort: »ein Kloster würde meine Wahl sein, nur fürchte ich, es würde mir keinen hinreichenden Schutz gegen meine Verfolger gewähren.«
»Hm! hm!« sagte der Syndicus; »im Gebiete von Lüttich könnt' ich eben kein Kloster empfehlen; denn der Eber der Ardennen, obwohl er im Allgemeinen ein tapferer Anführer, ein zuverlässiger Verbündeter und ein Freund unserer Stadt ist, hat trotzdem einen rauhen Charakter und zollt den Mönchs- so wie den Nonnenklöstern wenig Achtung. Man sagt, es wären da ein halb Schock Nonnen – das heißt, gewesene Nonnen – die mit seiner Compagnie allerwegen marschiren.«
»Macht Euch schnell bereit, Herr Durward,« sagte Isabelle, diese Erzählung unterbrechend, »da ich mich ja doch allein auf Eure Treue verlassen darf.«
Kaum hatte der Syndicus und Quentin das Zimmer verlassen, als Isabelle vielerlei Fragen, in Bezug auf die Wege und dergleichen, an Gertrud zu richten begann, und dies mit so vieler Fassung und Aufmerksamkeit, daß die Letztere nicht umhin konnte, auszurufen: »Gräfin, ich bewundere Euch! – Ich habe von männlicher Seelenstärke gehört, aber die Eurige erscheint mir als übermenschlich.«
»Nothwendigkeit,« antwortete die Gräfin, »Nothwendigkeit, meine Freundin, ist die Mutter des Muths und der Erfindungsgabe. Noch vor Kurzem wär' ich fast ohnmächtig geworden, wenn ich einen Tropfen Bluts einem kleinen Messerschnitt entfließen sah – seitdem aber hab' ich um mich Blut, ich kann sagen in Strömen, fließen sehen, und ich habe meine Besinnung und Geistesgegenwart dabei behalten. – Glaubt nicht, daß mir das leicht geworden ist,« fuhr sie fort, auf Gertruds Arm ihre zitternde Hand legend, wiewohl noch mit fester Stimme: »die kleine Welt in mir gleicht einer Besatzung, von tausend Feinden belagert, welche nichts als die äußerste Entschlossenheit jener abhalten kann, sie jeden Augenblick und von allen Seiten zu bestürmen. Wäre meine Lage nur um etwas minder gefährlich, als sie ist – wüßte ich nicht, daß ich nur durch Fassung und Geistesgegenwart einem Schicksal, gräßlicher als Tod, entgehen kann, – Gertrud, ich würde mich dann diesen Augenblick Euch in die Arme werfen, und mein banges volles Herz durch einen Thränenstrom und Schmerzenserguß erleichtern, wie dessen nur je ein brechendes Herz fähig war!«
»Thut es nicht, Gräfin!« sagte die mitfühlende Flamänderin; »faßt Muth, sprecht Euer Gebet und überlaßt Euch der Sorge des Himmels; und gewiß, wenn je der Himmel einer zum Tode Bereiteten einen Befreier sandte, so muß dieser kühne und unternehmende junge Herr zu dem Euren bestimmt sein. Es gibt noch Jemand,« fügte sie, tief erröthend hinzu, »über den ich viel vermag. Sagt meinem Vater nichts; aber ich habe meinem Bräutigam, Hans Glover, befohlen, am östlichen Thore auf Euch zu warten, und mir nie wieder vor's Gesicht zu kommen, wofern er mir nicht Gewißheit bringt, daß er Euch sicher bis über das Weichbild geleitet hat.«
Ein zärtlicher Kuß war das Einzige, wodurch die junge Gräfin dem offnen und gutmüthigen Bürgermädchen ihren Dank ausdrücken konnte, und letztere erwiderte herzlich die Umarmung, indem sie lächelnd sagte: »Wahrhaftig, wenn zwei Mädchen und ihre verlobten Bräutigame eine Verkleidung und Flucht nicht glücklich bewerkstelligen, so ist die Welt nicht mehr so, wie sie mir bisher geschildert ward.«
Ein Theil dieser Rede färbte der Gräfin bleiche Wangen wieder roth, und Quentins plötzliches Eintreten verminderte diese Gluth nicht. Er trat ein, vollständig gekleidet wie ein flämischer Bauer der bessern Klasse in dem Sonntagsanzug Peterkins, welcher seine Theilnahme dem jungen Schotten durch die Bereitwilligkeit bewies, mit welcher er ihm das Kleid überließ; zugleich schwur er, daß, werde man ihn auch schlimmer gerben, denn je eine Ochsenhaut, man nichts aus ihm herausbringen solle, was die jungen Leute verrathen könne. Zwei starke Pferde hatte die Thätigkeit der Mutter Mabel besorgt, die wirklich der jungen Gräfin und ihrem Begleiter kein Leid zuzufügen wünschte, wenn sie nur ihr eigen Haus und ihre Familie vor den Gefahren sicherte, welche jener Beherbergung zur Folge haben könnte. Mit großer Zufriedenheit sah sie sie aufsteigen und davonreiten, nachdem sie ihnen gesagt hatte, sie würden den Weg nach dem östlichen Thore finden, wenn sie Peter im Auge behielten, welcher auf diesem Weg als ihr Wegweiser gehen werde, ohne scheinbar in Verbindung mit ihnen zu stehen.
Gleich nachdem die Gäste geschieden waren, nahm Mutter Mabel Gelegenheit, Trudchen eine lange Vorlesung über die Thorheit des Romanlesens zu halten, wodurch die zierlichen Damen am Hofe so kühn und abenteuernd geworden wären, daß sie, anstatt daheim etwas von tüchtiger Haushaltung zu lernen, nun durch's Land als irrende Dämchen ritten, ohne einen bessern Begleiter dabei zu haben, als einen eiteln Knappen, einen liederlichen Pagen oder einen gottlosen Bogenschützen aus fremden Ländern, und das Alles auf Gefahr ihrer Gesundheit, ihres Vermögens und ihres guten Rufes.
Alles dies hörte Gertrud schweigend und ohne Erwiderung an; doch ihrem Charakter zu Folge möchte es zweifelhaft sein, ob sie dieselben Ergebnisse, wie ihre Mutter, daraus folgerte.
Unterdessen hatten die Reisenden, zahlreiche Volksschaaren durchkreuzend, die zum Glück zu sehr mit politischen Ereignissen und Tagesneuigkeiten beschäftigt waren, um ein, im Aeußern so wenig auffälliges Paar zu beobachten, das Ostthor erreicht. Sie passirten die Wachen mittelst eines von Pavillon ausgewirkten, aber mit dem Namen seines Kollegen Rouslaer bezeichneten Erlaubnißscheines, und verabschiedeten sich von Peterkin Geislaer mit einem freundlichen, wiewohl kurzen Austausch guter Wünsche von beiden Seiten. Unmittelbar nachher gesellte sich ein starker junger Mann, einen tüchtigen grauen Hengst reitend, zu ihnen und stellte sich sogleich selbst als Hans Glover, Trudchens Bräutigam, vor. Er war ein junger Bursch mit gutmüthigem flämischem Gesicht, welches allerdings nicht besondere Verstandeskräfte, aber um so mehr Frohsinn und Gutmüthigkeit verkündigte; gleichwohl konnte sich die Gräfin des Gedankens nicht erwehren, daß er kaum würdig scheine, des edelsinnigen Trudchens Bräutigam zu sein. Doch schien er sehr gern bereit, die Pläne, die jene zu der Gräfin Gunsten ersonnen, zu fördern; denn nach ehrerbietigem Gruße fragte er die Gräfin auf Flämisch, auf welchem Wege sie geführt zu sein verlange.
»Führt mich,« sagte sie, »nach der nächsten Stadt an den Gränzen Brabants.«
»Ihr seid also über das Ziel und den Zweck Eurer Reise im Klaren?« sagte Quentin, indem er nahe zu Isabellen ritt und Französisch sprach, welches ihr Wegweiser nicht verstand.
»Allerdings,« erwiderte die junge Gräfin; »denn so wie meine Verhältnisse nun sind, würde es mir zu großem Nachtheil gereichen, eine Reise zu verlängern, und wenn ihr Ende gleich ein strenges Gefängniß ist.«
»Ein Gefängniß!« sagte Quentin.
»Ja, mein Freund, ein Gefängniß; aber ich will Sorge tragen, daß Ihr es nicht theilen dürft.«
»Sprecht nicht so – denkt nicht so von mir,« sagte Quentin. »Seh' ich Euch nur sicher, so kommt mein Geschick weiter nicht in Betracht.«
»Sprecht nicht so laut,« sagte Gräfin Isabelle; »Ihr werdet unserm Führer auffällig werden – Ihr seht, er ist uns bereits vorausgeritten;« – denn wirklich hatte der gutmüthige Flamänder, indem er handelte, wie er es für sich auch von Andern gewünscht hätte, in dem Augenblick, als sich Quentin der Dame näherte, sie von der Last einer dritten Person befreit. – »Ja,« fuhr sie fort, als sie bemerkte, daß sie nicht beobachtet würden, »Euch, mein Freund, mein Beschützer – warum sollte ich mich scheuen, Euch so zu nennen, da der Himmel Euch mir so gab? – Euch muß ich sagen, daß ich den Entschluß gefaßt habe, in meine Heimath zurückzukehren, und mich selbst der Gnade des Herzogs von Burgund zu übergeben. Es war ein verfehlter, wenn auch gutgemeinter Rath, der mich verleitete, seinem Schutze zu entfliehen und mich in den des falschen und hinterlistigen Ludwig von Frankreich zu begeben.«
»Und also seid Ihr entschlossen, die Braut des Campobasso, des unwürdigen Günstlings Karls, zu werden?«
So sprach Quentin mit einer Stimme, die den innern Kampf und zugleich das Verlangen einen gleichgiltigen Ton anzunehmen, bekundete, gleich der des armen verurtheilten Verbrechers, wenn er mit angenommener Festigkeit, von der sein Herz nichts weiß, fragt, ob die Bestätigung der Hinrichtung schon eingetroffen?
»Nein, Durward, nein,« sagte die Gräfin Isabelle, indem sie sich im Sattel aufrichtete, »einer so verhaßten Bedingung unterwirft Burgunds ganze Macht eine Tochter des Hauses Croye nicht. Burgund kann meine Ländereien und Güter einziehen und mich in ein Kloster sperren; aber das ist auch das Schlimmste, was ich zu erwarten habe; und Schlimmeres noch, als dies, will ich erdulden, eh' ich meine Hand dem Campobasso gebe.«
»Das Schlimmste!« sagte Quentin; »und was kann da schlimmer sein als Raub und Gefangenschaft? O, bedenkt, so lange Euch noch Gottes freie Luft umweht und ein Mann Euch zur Seite ist, der sein Leben daran setzen will, Euch nach England, nach Deutschland, ja selbst nach Schottland zu führen, wo Ihr überall großmüthige Beschützer finden werdet – o, während dies noch der Fall ist, entschließt Euch nicht so vorschnell, den Mitteln der Freiheit zu entsagen, der besten Gabe, die der Himmel gibt! – O, trefflich hat ein Dichter meiner Heimath gesungen:
Ja, Freiheit ist ein edel Wesen –
Von jedem Leid läßt sie genesen –
Freiheit kann jede Lust erheben –
Wer frei lebt, führt ein glücklich Leben.
Gram, Mangel, Leid, was nur mag drohn,
Liegt in dem Worte Sklave schon.«
Sie hörte mit einem traurigen Lächeln der Lobrede ihres Führers auf die Freiheit zu, und nach kurzer Pause antwortete sie: »Freiheit ist nur für Männer – Frauen müssen stets einen Beschützer suchen, da sie die Natur unfähig machte, sich selbst zu vertheidigen. Und wo sollte ich einen finden? – in dem vergnügungssüchtigen Eduard von England? in dem trunkenen Wenceslaus von Deutschland? in Schottland? – Ach, Durward, wär' ich Eure Schwester, und könntet Ihr versprechen, mich in einem jener Bergthäler zu schirmen, die Ihr so gern beschreibt, wo ich aus Menschenliebe oder für die wenigen Juwelen, die ich bewahrt habe, ein ruhiges Leben führen dürfte, vergessend des Looses, zu dem ich geboren ward. – Könntet Ihr mir den Schutz einer würdigen Matrone des Landes versprechen – eines Freiherrn, dessen Herz so zuverlässig wie sein Schwert – das wäre in der That eine Aussicht, werth, mich dafür dem fernern Vorwurfe des Weiterwanderns auszusetzen.«
Es lag so viel Zartgefühl in der bebenden Stimme, mit welcher Isabelle dies aussprach, daß es Quentin zugleich mit Freude erfüllte und ihm doch auch durch's Herz schnitt. Er zögerte einen Augenblick, eh' er antwortete, indem er hastig bei sich zu Rathe ging, ob es nicht möglich sei, ihr in Schottland Schutz zu verschaffen; aber es drängte sich ihm eine traurige Wahrheit auf, daß es eben so schlecht als grausam sein würde, ihr eine Aussicht zu eröffnen, zu deren Verwirklichung ihm Macht und Mittel gänzlich fehlten. »Fräulein,« sagte er endlich, »ich würde ganz gegen meine Ehre und Ritterpflicht handeln, wenn ich zugäbe, daß Ihr einen Plan auf den Gedanken bautet, als sei ich im Stande, Euch in Schottland einen andern Schutz zu gewähren, denn den des geringen Armes, der jetzt an Eurer Seite ist. Kaum weiß ich, ob mein Blut noch in den Adern irgend Jemandes fließt, der in meiner Heimath lebt. Der Ritter von Innerquharity stürmte unser Schloß zur Nacht, und brachte Alles um, was meinen Namen trug. Käm' ich wieder nach Schottland, so wären meine Erbfeinde zahlreich und mächtig, ich ein schwacher Einzelner; und wollte mir auch der König Gerechtigkeit widerfahren lassen, er dürfte nicht wagen, um einer einzigen armen Person das angethane Unrecht zu vergüten, einen Häuptling zu reizen, der mit fünfhundert Rossen zu Felde zieht.«
»Ach!« sagte die Gräfin, »also ist kein Winkel auf der Welt vor Unterdrückung sicher, da sie selbst so ungezügelt unter jenen rauhen Bergen wüthet, die der Habsucht so wenig bieten, als in unsern reichen und fruchtbaren Niederlanden!«
»Es ist eine traurige Wahrheit, und ich wage sie nicht zu läugnen,« sagte der Schotte, »daß fast nur die Lust an Rache und Blutvergießen unsere feindlichen Clans veranlaßt, gegenseitig zu Henkern an einander zu werden; und die Ogilvier und ihres Gleichen lassen in Schottland dieselben Auftritte sehen, wie von der Mark und seine Räuber in diesem Lande.«
»Also nichts mehr von Schottland,« sagte Isabelle mit einem Tone der Gleichgiltigkeit, die vielleicht ächt, vielleicht erkünstelt war, »nichts mehr von Schottland, – welches ich wirklich nur im Scherz erwähnte, um zu sehen, ob Ihr es wagen würdet, mir das unruhigste Reich Europa's als Ruheplatz zu empfehlen. Es war nur eine Probe Eurer Aufrichtigkeit, und ich freue mich zu sehen, daß sie zuverlässig ist, selbst wenn Eure Parteilichkeit am meisten rege gemacht wird. Also, noch einmal, ich will an keinen andern Schutz denken, als den mir der erste ehrenwerthe Ritter, der Herzog Karl dient, gewähren kann, denn diesem mich selbst zu ergeben, bin ich nun entschlossen.«
»Und warum begebt Ihr Euch nicht lieber nach Euren eigenen Besitzungen, nach Eurem festen Schlosse, wie Ihr doch andeutetet, als wir bei Tours waren?« sagte Quentin. »Warum bietet Ihr die Vasallen Eures Vaters nicht auf, und schließt lieber einen Vertrag mit Burgund, statt Euch ihm zu unterwerfen? Gewiß gibt es viele kühne Herzen, die Eure Sachen verfechten würden; und ich kenne zum mindesten Einen, der gern sein Leben ließe, ein Beispiel zu geben.«
»Ach!« sagte die Gräfin, »dieser Plan, die Eingebung des schlauen Ludwig, die, wie Alles, was er je anrieth, mehr seinen eignen als meinen Vortheil bezweckte, ward unausführbar, seit er durch den zweideutigen Verräther Zamet Maugrabin an Burgund verrathen ward. Mein Verwandter ward damals gefangen genommen und meine Schlösser besetzt. Ein Versuch von meiner Seite würde meine Untergebenen nur der Rache des Herzogs Karl aussetzen; und warum sollte ich mehr Blutvergießen verursachen, als schon um eine so unwürdige Sache stattgefunden hat? Nein, ich will mich als pflichtschuldiger Vasall meinem Souverain unterwerfen, und zwar in Allem, was die persönliche Freiheit meiner Wahl ungeschmälert läßt; um so mehr, da ich hoffe, daß meine Verwandte, die Gräfin Hameline, die mir zuerst zur Flucht rieth und dazu drängte, diesen weisen und ehrenvollen Schritt bereits gethan hat.«
»Eure Verwandte!« wiederholte Quentin, indem Erinnerungen an Scenen in ihm erwachten, die der jungen Gräfin noch fremd geblieben waren, und welche die rasche Aufeinanderfolge gefahrvoller und aufregender Ereignisse, als Gegenstände von geringerem Belang, bisher aus seinem Gedächtniß verbannt hatte.
»Ja – meine Verwandte – die Gräfin Hameline von Croye – wißt Ihr etwas von ihr?« sagte Gräfin Isabelle, »ich hoffe, sie befindet sich jetzt unter burgundischem Schutz – Ihr schweigt! Wißt Ihr etwas von ihr?«
Die letzte Frage, im Tone ängstlicher Forschung vorgelegt, nöthigte Quentin, Einiges, was er von der Gräfin Schicksal wußte, zu berichten. Er erwähnte, daß er aufgerufen worden war, sie auf der Flucht von Lüttich zu begleiten, an welcher, wie er nicht gezweifelt habe, die Gräfin Isabelle theilnehmen sollte – er erwähnte die Entdeckung, die er machte, nachdem der Wald erreicht war – und endlich berichtete er seine eigne Rückkehr zum Schlosse, und die Umstände, in welchen er es gefunden hatte. Aber er sagte nichts von den Absichten, mit welchen offenbar Dame Hameline das Schloß Schönwald verließ, und eben so wenig von dem umgehenden Gerücht, daß sie in die Hände Wilhelms von der Mark gefallen sei. Zartsinn verhinderte ihn, das erstere anzudeuten, und Rücksicht auf die Gefühle seiner Begleiterin, für welche Kraft und Anstrengung jetzt vorzüglich nöthig waren, hielt ihn ab, auf das letztere anzuspielen, welches überdies nur als Gerücht zu ihm gedrungen war.
Diese Erzählung machte, obwohl jener wichtigen Einzelnheiten beraubt, einen heftigen Eindruck auf die Gräfin Isabelle, die, nachdem sie schweigend eine Zeit lang geritten war, endlich im Tone kalten Mißfallens sagte: »Und so verließt Ihr meine unglückliche Verwandte im wilden Walde, der Gnade eines schlechten Zigeuners und einer verrätherischen Dienerin anheimgegeben? – Arme Verwandte, du warst gewohnt, dieses Jünglings Treue zu rühmen!«
»Hätte ich nicht so gehandelt, Fräulein,« sagte Quentin, der sich mit Recht beleidigt fühlte, daß man sein tapferes Benehmen so auslegte, »was wäre das Schicksal derjenigen gewesen, zu deren Dienst ich weit mehr verpflichtet bin? Hätte ich nicht die Gräfin Hameline der Obhut derjenigen überlassen, die sie selbst sich zu Rathgebern erlesen hatte, so wäre nun bereits die Gräfin Isabelle die Braut des Wilhelm von der Mark, des wilden Ebers der Ardennen.«
»Ihr habt Recht,« sagte Gräfin Isabelle in ihrem gewöhnlichen Tone; »und ich, die die Früchte Eurer unerschrockenen Ergebenheit genießt, habe Euch auf niedrige und undankbare Weise gekränkt. Doch ach, meine unglückliche Verwandte! und die elende Marthon, die so viel Vertrauen genoß und so wenig verdiente – sie war es, die bei meiner Verwandten den schlechten Zamet und Hayraddin Maugrabin einführte, welche, durch ihre vorgebliche Kenntniß des Wahrsagens und Sterndeutens, viel über ihr Gemüth vermochten; sie war es, die, jene Vorhersagungen bekräftigend, sie aufmunterte zu – wie soll ich es nennen? – dem Glauben an Täuschungen, die sich auf Heirathen und Liebhaber bezogen, die das Alter meiner Verwandten theils unziemlich, theils unwahrscheinlich erscheinen ließ. Ich zweifle nicht, daß wir vom Anfang mit solchen Schlingen durch Ludwig von Frankreich umgeben waren, um uns zur Flucht an seinen Hof zu vermögen, oder vielmehr um uns in seine Gewalt zu bringen; und wie unköniglich, unedel und unritterlich, nach jener vorschnellen That von unsrer Seite, er sich gegen uns benahm, das könnt Ihr, Quentin Durward, bezeugen. Doch ach! meine Verwandte! was glaubt Ihr wohl, daß ihr Schicksal sein werde?«
Im Bemühen, Hoffnungen einzuflößen, die er kaum fühlte, antwortete Durward, daß die Habsucht jener Leute stärker als jede andere Leidenschaft wäre; daß Marthon, eben als er sie verließ, sich vielmehr als Beschützerin der Gräfin benahm; und endlich, daß sich nicht leicht ein Grund denken ließe, der jene Elenden veranlassen könnte, die Gräfin zu mißhandeln oder zu morden, da sie doch durch ihre gute Behandlung nur gewinnen und ein Lösegeld auswirken könnten.
Um der Gräfin Isabelle Gedanken von diesem traurigen Gegenstande abzulenken, erzählte ihr Quentin offen die Verrätherei Maugrabins, die er in dem Nachtquartier bei Namur entdeckte, und die als das Resultat einer Uebereinkunft zwischen dem König und Wilhelm von der Mark erschien. Isabelle schauderte vor Abscheu, und dann rief sie, sich sammelnd: »Ich bin beschämt, und habe mich versündigt, da ich so sehr am Schutze der Heiligen zweifeln konnte, als ob sie nur einen Augenblick die Ausführung eines so äußerst grausamen, schlechten und ehrlosen Planes begünstigen könnten, da es doch noch barmherzige Augen im Himmel gibt, die auf das menschliche Elend herniedersehen. Es ist ein Plan, an den man nur mit Furcht und Abscheu denken kann, den man aber auch für eine so unglaubliche Verrätherei und Schurkerei erklären muß, daß es Gottlosigkeit wäre, zu glauben, er hätte je ausgeführt werden können. Aber nun seh' ich auch deutlich ein, warum die heuchlerische Marthon stets den Samen kleiner Unzufriedenheit oder Eifersucht zwischen meiner Verwandten und mir zu nähren schien, während sie stets gegen diejenige von uns, die gerade anwesend, der Schmeichelei voll war, und Alles anwandte, was dieser gegen die abwesende Verwandte Vorurtheile einflößen konnte. Doch nimmer träumte mir, daß sie meine mir sonst so zugethane Verwandte dahin bringen könnte, mich den Gefahren in Schönwald zu überlassen, während sie selber entfloh.«
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