Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten

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Из серии: Fragen der Zeit #4
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Internationale Normsetzung

Relativ unabhängig von solchen Diskursen zu den nationalen Rechtskulturen setzt sich der transnationale Verrechtlichungsprozess fort und bringt gerade auch in Menschenrechtsfragen zu beachtende Maßgaben ins Spiel, hier vor allem das Verbot rassistischer Diskriminierung. Vom Statut der Vereinten Nationen über regelmäßige VN-Resolutionen (z. B. in den 70er Jahren zur Apartheid in Südafrika) bis hin zur Antirassismuskonvention („Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung“) gibt es eine weltweit gültige Verpflichtung, rassistische Diskriminierung zu unterbinden oder zu bestrafen (Zimmer 2001, S. 37 ff., S. 212 ff.). Wann ist hier ein strafrechtliches Verbot von rassistisch diskriminierenden Äußerungen im nationalen Rahmen gefordert? Zimmer betont – mit Verweis auf die als ‚ethnischen Säuberungen‘ deklarierten Verbrechen in Ruanda und Jugoslawien – ausdrücklich: „Hinsichtlich strafrechtlicher Sanktionen ist in der Antirassismuskonvention kein Ermessensspielraum vorgesehen. Rassendiskriminierende Äußerungen und Handlungen können den Beginn einer rassistischen Bewegung innerhalb eines Staates darstellen“ (Zimmer 2001, S. 219). Das „Wehret den Anfängen“ findet sich somit auch in der Logik der internationalen Konventionen. „Art. 4 der Konvention zwingt die Staaten zum Erlass von Strafgesetzen, durch die sowohl die Verbreitung von rassistischen Ideen als auch die Aufreizung zum Rassenhass mit Sanktionen belegt werden“ (Zimmer 2001, S. 269). Navi Pillay, Menschenrechtskommissarin der Vereinten Nationen, erinnerte die Unterzeichner der Erklärung der Genfer Antirassismuskonferenz erst jüngst wieder an diese Verpflichtung. Im Abschlussdokument der Durban-II-Konferenz gegen Rassismus (2009) heißt es dazu unter Artikel 59: „The conference invites Governments and their law enforcement agencies to collect reliable information on hate crimes in order to strengthen their efforts to combat racism, racial discrimination, xenophobia and related intolerance“ (Durban Review Conference 2009). Bemerkenswert ist dabei die positive Interpretation der Meinungsfreiheit unter Artikel 58 des Dokumentes: „… that the right to freedom of opinion and expression constitutes one of the essential foundations of a democratic, pluralistic society and stresses further the role these rights can play in the fight against racism, racial discrimination, xenophobia and related intolerance worldwide“ (Durban Review Conference 2009).

Nun wird man die entsprechenden Strafandrohungen im deutschen StGB als Erfüllung dieser Verpflichtungen verstehen können. Im Falle der Verfolgung von Holocaust-Leugnung geht das StGB sogar noch darüber hinaus. Dennoch gibt es weitere Anforderungen an die deutsche Rechtspolitik: Im Bericht der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (European Monitoring Center on Racism and Xenophobia – EUMC) werden seit Jahren Studien über die legislativen Maßnahmen in diesem Politikfeld erstellt (Winkler 2002, S. 270). Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat in einer Stellungnahme zum Nationalen Aktionsplan, der sich auch auf die EUMC-Studien bezieht, der Bundesregierung einen Maßnahmeplan vorgeschlagen, der allerdings insgesamt strafrechtliche Verschärfungen nicht für nötig hält (Follmar-Otto/Cremer 2007). Dennoch kehrt die Aufforderung „Rassismus härter bestrafen“ immer wieder, allerdings mit einer Akzentverschiebung von Meinungsäußerungen auf Tatmotive: „Verschärfung“ ist der Tenor, mit dem die ECRI-Ergebnisse (European Comission on Racism and Intolerance) vor dem Europarat im Dezember 2008 präsentiert wurden. Die Bundesregierung wird darin dringend aufgefordert, rassistische Motive bei allgemeinen Verbrechen im Strafrecht besonders zu erwähnen und strafverschärfend zu berücksichtigen (ECRI 2008). Gegenüber dieser Forderung hatte schon Silvia Seehafer in ihrer vergleichenden Untersuchung von 2003 folgende skeptische Überlegung formuliert:

„Im bundesdeutschen Strafrecht existieren keine speziellen und ausdrücklich die rechtsextremistische / fremdenfeindliche Motivation bei Gewaltdelikten berücksichtigenden Regelungen, wie sie in den USA oder einigen europäischen Staaten anzutreffen sind. Der Ruf nach einer schärferen Ahndung entsprechender Taten beinhaltet die Forderung nach einer besonderen ‚hate crime‘-Regelung, die von politischer Seite bereits an den Gesetzgeber erhoben wurde. Strafverschärfungen sind auch durch eine Änderung des Strafzumessungsrechts durchsetzbar. Grundsätzlich könnte für eine besondere Behandlung dieser Taten sprechen, dass ihnen tatsächlich ein besonderer Unrechtsgehalt innewohnt. Zusammenfassend lässt sich als Ergebnis der Untersuchungen festhalten, dass eine Berücksichtigung der Gesinnung des Täters im Tatbestand die gesetzliche Grundkonzeption, die zwischen Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld und Strafzumessung unterscheidet, verwischen würde. Es besteht die Gefahr, dass emotionale Entrüstung zum Qualifizierungsmaßstab wird …“ (Seehafer 2003, S. 16).

Nun ist die besondere Verwerflichkeit einer Tat ja durchaus schon Teil richterlicher Strafzumessung. Rassistische Motive können darunter fallen. Dennoch verbietet sich wohl eine zusätzliche gesetzliche Festlegung, die den Richter zur Untersuchung und Feststellung einer bestimmten Motivationslage zwingen würde. Damit wären die Gerichte letztlich zu Gesinnungs-Befunden gezwungen, die sie nur mit Erkenntnissen aus der geschützten Privatsphäre gewinnen könnten.

Holocaust-Leugnung

In Deutschland wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung (der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art und Weise) öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost. Diese Handlung muss als eine Störung des öffentlichen Friedens gewertet werden können (§ 130 Abs. 3 StGB). Den Tatbestand einer Volksverhetzung definiert § 130 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs: „Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, 1. zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder 2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“ In Österreich ist Holocaustleugnung seit 1945 strafbar, inzwischen haben rund 20 Länder einen vergleichbaren Straftatbestand (Israel und die meisten vom nationalsozialistischen Deutschland besetzten Staaten Europas).

Im Jahr 2003 betonte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in seinem Urteil über die Beschwerde des französischen Philosophen Roger Garaudy, der in Frankreich wegen Leugnung des Holocaust verurteilt worden war, dass die Rechtfertigung einer pro-nationalsozialistischen Politik nicht den Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) genießt: „Es gibt eine Kategorie von historischen Tatsachen, darunter den Holocaust, deren Leugnung oder Infragestellung nach Art. 17 EMRK nicht unter den Schutz von Art. 10 EMRK fällt“ (NJW 2004/51, S. 3691). Es ist daran zu erinnern: „Die Leugnung des Holocaust war von Anfang an ein internationales Phänomen“ (Zarusky 2001, S. 65). Beginnend mit Paul Rassinier, dem pazifistisch-kommunistischen Häftling in Buchenwald, über den – von namhaften Liberalen verteidigten – Robert Faurisson bis hin zum Philosophen Roger Garaudy gibt es zum Beispiel eine starke französische „Tradition“, der der Publizist Lothar Baier auf der Spur geblieben ist und über die er in Deutschland immer kritisch berichtet hat (Baier 1985).

Das internationale Netz der „Negationisten“ ist gerade im Internet inzwischen kaum noch zu überblicken. Die unterschiedliche juristische Entwicklung der Verfolgung der „Auschwitzlüge“ zeigt wiederum die Spannung zwischen dem Verständnis von Meinungsfreiheit in angelsächsischen Ländern und der Bereitschaft zu ihrer Einschränkung in Zusammenhang mit NS-Propaganda auf dem europäischen Festland. So wurde der britische Holocaust-Leugner David Irving 2006 in Wien zu drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Die Befürworter der Strafverfolgung stellen die Wirkung bestimmter Aussagen auf die Opfer, also deren Persönlichkeitsrecht und Achtungsanspruch, in den Mittelpunkt: „Bei der justiziellen Ahndung der Holocaust-Leugnung geht es … um die Verhinderung von Hass und nicht um den Schutz eines verbindlichen Geschichtsbildes“ (Zarusky 2001, S. 81). Dennoch: Der Holocaust ist zuerst eine historische Tatsache, seine Leugnung ist eine Behauptung, die nicht den Schutz der Meinungsfreiheit genießt (Urteil des BVerfG vom 13.4.1994, Az. 1 BvR 23/94). Zu dieser Tatsache gehören die Existenz eines Plans zur Ermordung der Juden durch die NS-Institutionen in ihrem Machtbereich und der Einsatz von Gaskammern zu diesem Zweck (Neander 2006, S. 277).

Lernprozesse am Beispiel unterschiedlicher Rechtskulturen

Die österreichische Journalistin Eva Menasse hat den Prozess beobachtet, den Irving 1999 in London gegen seine Kritikerin Deborah Lipstadt angestrengt hatte. Es ging ihm um seine Ehre und seinen Ruf (Menasse 2000, S. 12). Aber der Richter stellte fest, dass Irving weiterhin „ein Rassist, ein Antisemit, ein Holocaust-Leugner und ein absichtlicher Fälscher historischer Fakten“ genannt werden darf (Menasse 2000, S. 157). Sie schließt ihren Essay „Der Holocaust vor Gericht“ mit einem Vorschlag für das hier verhandelte Problem, der mir plausibel erscheint: „Zum juristischen Umgang ‚mit den Irvings und Co‘ sind noch viele Fragen offen. Doch scheinen verschiedene Systeme mehr Chancen zu eröffnen als eine einheitliche Lösung. Dass Irving in Deutschland und Österreich seine Parolen nirgends äußern, ja, dass er nicht einmal mehr einreisen darf, scheint aufgrund der historischen Lasten und Pflichten richtig, vielleicht nicht für immer, aber noch eine gute Zeit lang. Dass er in den Vereinigten Staaten predigen und hetzen darf und dafür von der Macht der Zivilgesellschaft bestraft wird, ist nur gerecht und vielleicht die beste Lösung unter vielen schlechten. Dass Irving in seiner Heimat Großbritannien sogar die Möglichkeit hat, zu seiner ‚Ehrenrettung‘ den Gerichtshof der Königin anzurufen, muss im Sinne von Aufklärung und demokratischer Konfrontation nicht falsch sein“ (Menasse 2000, S. 178).

 

In der politischen Bildungsarbeit besteht neben einer „antifaschistischen Rechtsmoral des Nie wieder“ eine – der pädagogischen Logik angemessene – Skepsis gegenüber Maßnahmen, gar juristischen Zwangsmaßnahmen und gegenüber dem Strafrecht. Und die Skepsis, ob das trockene juristische Argumentieren der Moral gerade in Menschenrechtsfragen gerecht werden kann, ist bei Bildungsveranstaltungen gerade mit Jugendlichen oft spürbar. Dennoch halte ich es für zwingend, die hier vorgetragenen Themen in die politische Bildungsarbeit und die Menschenrechtsbildungsarbeit einzubringen. Denn: Auch Rechtsverständnis will gelernt sein, gerade wenn in Bildungsveranstaltungen immer häufiger rechtsextremistisch Geschulte mit ihrem Recht auf Meinungsfreiheit, auf Wissenschaftsfreiheit, auf ergebnisoffenen Diskurs usw. argumentieren. Diejenigen, die „Gegen Rechts“ das Banner „Aktive Demokratie“ hochhalten, sollten sich auch mit dem Menschenrecht auf Meinungsfreiheit aktiv auseinandersetzen. Wer andererseits die Menschenrechte in historischer Perspektive als Reaktion auf den Nationalsozialismus analysiert und zum Bestandteil der Bildungsarbeit macht, muss sich mit dem Stand der Erfahrungen derjenigen befassen, die sich in der aktiven Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus befinden.

Literatur

L. Baier, Französische Zustände. Berichte und Essays. Frankfurt/Main 1985.

Ders., Alte Klamotten und neue Fähnchen. Kostümfest bei der Nouvelle Droite, in: H.-M. Lohmann (Hrsg.): Extremismus der Mitte. Vom rechten Verständnis deutscher Nation. S. 29–259.

Bayerischer Jugendring. Wi(e)derworte. Zum Umgang mit Rechtsextremen bei demokratischen Veranstaltungen. München 22009.

H. Bielefeldt, Rassismusbekämpfung im Streit der internationalen Menschenrechtspolitik, Policy Paper No. 13 des Deutschen Instituts für Menschenrechte, 2009.

J. Butler, Hass spricht: Zur Politik des Performativen. Frankfurt/Main 2006. W. Brugger, Hate Speech in den USA: Eine Betrachtung des Juristischen Diskurses und darüber hinaus, in:

www.stiftung-sozialgeschichte.de/…/Hassrede%20in%20den%20USA%2030.11.05.pdf?

Bundeszentrale für Politische Bildung, Menschenrechte – Dokumente und Deklarationen, Berlin 1999.

A. Callamard, Dem freien Wort Raum geben. Die Meinungsfreiheit ist in vielen Ländern gesetzlich eingeschränkt. Doch die Demokratie könnte mehr an Unsinn und Widersprüchen aushalten, in: Le Monde Diplomatique 13.4.2007.

H. Cremer, „… und welcher Rasse gehören Sie an?“ Zur Problematik des Begriffs „Rasse“ in der Gesetzgebung, Policy Paper No. 10 des Deutschen Instituts für Menschenrechte, 2008.

Durban Review Conference 2009: http://www.un.org/durbanreview2009/pdf/Durban_Review _outcome_document_En.pdf

ECRI-Bericht zu Deutschland, verabschiedet am 19.12.2008, http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/ecri/Country-by-country/Germany/DEU-CbCIV-2009-019-DEU.pdf [aufgerufen am 20.6.2009].

P. Follmar-Otto/H. Cremer, Der Nationale Aktionsplan der Bundesrepublik. Deutschland gegen Rassismus – Stellungnahme und Empfehlungen, Policy Paper Nr. 9 des Deutschen Instituts für Menschenrechte, 2009.

A. Hamburger, „Die Landplage. Fast jede Woche versuchen Nazis, irgendwo in Deutschland aufzumarschieren“, in: Jüdische Allgemeine Wochenzeitung, 30. April 2009, S. 3.

R. Huhle, „Wie weit geht die Meinungsfreiheit? Ein Rückblick aus Anlass des 60-jährigen Bestehens der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in: Zeitschrift für Menschenrechte, Heft 2/2008, S. 132–145.

B. Kammerer/A. Prölß-Kammerer (Hrsg.), recht extrem.de. Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Rechtsextremismus – Konzepte und Projekte der politischen und historischen Bildung. Nürnberg 2002.

M. Kohlstruck, Thesen unter: www.zfa.kgw.tu-berlin.de/lehrmaterial/dateien/Kommunaltagung_Thesen.pdf [aufgerufen am 14.5.2009].

J. Lange, „‚Nie wieder‘ als normativer Maßstab des Grundgesetzes?“, unv. Manuskript, 2010.

H. Löllhöfel, Rechte für Rechte, in: in Blick nach Rechts http://www.bnr.de/content/Ausgabe24/2003 [aufgerufen am 25.5.2009].

E. Menasse, Der Holocaust vor Gericht: Der Prozess um David Irving. Berlin 2000.

W.-D. Narr, Demokratie und Demonstration. Notizen zur unendlichen Demonstrationskontroverse. www.CILIP.de/ausgabe2/2002-72/demo.htm [aufgerufen am 12.5.2009].

Ders., Statt Verbote – öffentliche Auseinandersetzungen. www.grundrechtekomitee.de/ub_showarticle.php?articleID=149 (Komitee für Demokratie und Grundrechte 2005) [aufgerufen am 12.5.2009].

J. Neander, Mit dem Strafrecht gegen die „Auschwitz-Lüge“: Ein halbes Jahrhundert § 130 Strafgesetzbuch „Volksverhetzung“, in: http://aps.sulb.unisaarland.de/theologie.geschichte/inhalt/2006/19.html [aufgerufen am 22.5.2009].

Praxis Politische Bildung, Materialien, Analysen, Diskussionen, Themenheft Rechtsextremismus 2/01.

T. Sager, Grenzen der Meinungsfreiheit, in: Blick nach Rechts 03. 08. 2004, Ausgabe 17/2003. http://www.bnr.de/content/grenzen-der-meinungsfreiheit-0 [aufgerufen am 12.5.2009].

S. Seehafer, Strafrechtliche Reaktionen auf rechtsextremistisch/fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten – Das amerikanische „hate crime“ Konzept und seine Übertragbarkeit auf das deutsche Rechtssystem. Berlin 2003. http://edoc.huberlin.de/disertationen/Seehafersilvia-2003-04-28 /HTML/front.html [aufgerufen am 20.5.2009].

O. Trisch, Der Schutz vor Diskriminierung: ein Strukturprinzip der Menschenrechte. Unterrichtsmaterialien zur Menschenrechtsbildung, herausgegeben vom Deutschen Institut für Menschenrechte, Ausgabe 2/2006.

B. Winkler, Bestrebungen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Europäischen Union, in: G. v. Arnim u.a. (Hg.), Jahrbuch Menschenrechte 2002. Frankfurt/Main, S. 262–270.

J. Zarusky, Die Leugnung des Völkermords. „Revisionismus“ als ideologische Strategie, in: W. Benz, Auf dem Weg zum Bürgerkrieg? Rechtsextremismus und Gewalt gegen Fremde in Deutschland. Frankfurt/Main 2001, S. 63–86.

A. Zimmer, Hate Speech im Völkerecht. Rassendiskriminierende Äußerungen im Spannungsfeld zwischen Rassendiskriminierungsverbot und Meinungsfreiheit. Frankfurt/Main, Berlin u. a. 2001.

B. Zypries, Reden http://www.bmj.bund.de, (Reden 2005, 2006) [aufgerufen am 12.5.2009].

Michael Krennerich
Menschenrechtsförderung in der Entwicklungszusammenarbeit – Weit mehr als Sanktionen!1

Als Mitglied des Runden Tisches Menschenrechte freut sich das Nürnberger Menschenrechtszentrum (www.menschenrechte.org), dass es den Veranstaltern gelungen ist, eine internationale Konferenz zur Lage der Menschenrechte in Guinea zu organisieren. Das Thema ist zweifelsohne wichtig, obwohl es nicht die Schlagzeilen beherrscht. Nun verfügt das Nürnberger Menschenrechtszentrum über keine ausgewiesene Expertise für die Menschenrechtslage in Guinea. Gleichwohl wurde ich gebeten, allgemein etwas zum Thema Entwicklungspolitik und Menschenrechte zu sagen. Das tue ich gerne und in der gebotenen Kürze.

In den Mittelpunkt meines Impulsreferats möchte ich gleich von Beginn an die politisch brisante Grundfrage stellen: Wie kann die Entwicklungszusammenarbeit dazu beitragen, dass die Menschenrechte in Entwicklungsländern geachtet, geschützt und gewährleistet werden?

Politische Konditionalisierung der Entwicklungszusammenarbeit

Eine erste Antwort könnte lauten: Zunächst einmal sollten wir mit unseren Entwicklungsgeldern keine Regime unterstützen, die massiv Menschenrechte verletzen. Im Sinne einer negativen politischen Konditionalisierung der Entwicklungszusammenarbeit hieße dies, keine Entwicklungshilfe an menschenrechtsverachtende Regime zu leisten. Oder die bereits bestehende Entwicklungszusammenarbeit einzuschränken oder auszusetzen, wenn es zu massiven staatlichen Menschenrechtsverletzungen kommt. Diese Forderung ist legitim: Es ist gewiss unser aller Anliegen, menschenrechtsverletzende Regime nicht auch noch finanziell zu (unter)stützen. Kein Mensch möchte, dass Entwicklungsgelder in die Schatullen brutaler Gewaltherrscher und korrupter Herrschercliquen fließen, die sich auf Kosten der Bevölkerung und deren Menschenrechten bereichern.

Andererseits kann sich die Entwicklungshilfe nicht nur auf Länder beschränken, die Menschenrechte vollumfänglich umsetzen, denn sonst wäre der Kreis der Partnerländer doch sehr überschaubar. Viele Entwicklungsländer weisen Menschenrechtsprobleme auf, auch weil die Menschenrechts- und die Entwicklungsproblematik miteinander verquickt sind. Zudem muss eine menschenrechtlich orientierte Entwicklungszusammenarbeit, sofern sie etwas bewirken will, auch in Staaten mit Menschenrechtsproblemen aktiv werden. Entscheidend ist dann aber die Frage, ob Mindestbedingungen für eine sinnvolle Entwicklungszusammenarbeit (fort)bestehen, welche Kooperationspartner innerhalb dieser Länder ausgewählt werden und wie die Kooperation ausgestaltet wird. Hier gilt es Reformkräfte und Institutionen zu unterstützen, die menschenrechtliche Anliegen voranbringen können. Zugleich kann die Entwicklungszusammenarbeit – etwa über Bildungs- und Gesundheitsförderung – dazu beitragen, Bedingungen zu schaffen, die es den Menschen erleichtern, ein selbstbestimmtes Leben in Gemeinschaft mit anderen zu führen und für ihre Rechte selbständig und nachhaltig einzutreten.

Das Einfrieren jeglicher Entwicklungshilfe ist daher ein Instrument, das nur sparsam und nach sorgfältiger Abwägung zu nutzen ist und das in seiner praktischen Bedeutung in der öffentlichen Debatte leicht überschätzt wird. In der Regel kommt es nur in besonders schweren Fällen zum Tragen, etwa bei schweren Menschenrechtsverbrechen oder wenn sich die Regierenden zu skrupellosen Gewaltpotentaten entwickeln, wie etwa der späte Mugabe in Simbabwe. Obwohl die Einstellung von Entwicklungshilfe also im Einzelfall angebracht sein kann, sollte man sich insgesamt nicht allzu sehr auf das Instrument der negativen Konditionalisierung der Menschenrechte verlassen – zumal es in der Anwendung anfällig ist für „doppelte Standards“ bei der Auswahl der Partner und dem Umgang mit diesen.

Praktisch bedeutsamer als die Aussetzung der Entwicklungshilfe sind hingegen Versuche einer – nennen wir es – „steuernden“ Konditionalisierung. Die Entwicklungszusammenarbeit wird demnach an Bedingungen geknüpft, die nicht nur als Ausschlusskriterien verwandt werden, sondern den Entwicklungsprozess menschenrechtskonform mitsteuern sollen, indem dort menschenrechtliche Normen und Prinzipien (wie Nicht-Diskriminierung, Partizipation und Rechenschaftspflicht) zur Geltung gebracht werden. Im Idealfall dienen solche Vergabekriterien einer kontinuierlichen Bewertung und Einforderung der Entwicklungs- und Menschenrechtsorientierung von Partnerländern, etwa im Rahmen eines kritischen bilateralen oder multilateralen Regierungsdialogs. Solche Vergabekriterien können auch die Grundlage für Anreize sein, Fortschritte im Bereich der Menschenrechte und Demokratie zu erfassen und über eine verstärkte Entwicklungszusammenarbeit zu belohnen.

 

Für die Vergabe der bilateralen deutschen Entwicklungshilfe wurden bereits im Jahre 1991 unter dem damaligen CSU-Entwicklungsminister Carl-Dieter Spranger Kriterien entwickelt, die auch die Beachtung der Menschenrechte einschlossen. Diese Kriterien wurden 2007 nochmals grundlegend überarbeitet. Ob und vor allem in welcher Form Deutschland mit einem Land entwicklungspolitisch zusammenarbeitet, hing demnach – und hängt noch heute – auch von der Beachtung der Menschenrechte ab. Freilich waren und sind noch eine Reihe weiterer Kriterien für die Entscheidung relevant, mit welchen Ländern die Bundesrepublik entwicklungspolitisch kooperiert. Die aktuelle Bundesregierung berücksichtigt hierbei Eigenangaben zufolge: die entwicklungspolitische Notwendigkeit; die Entwicklungsorientierung und die Art der Regierungsführung der Partnerregierung; ökologische und politische Ziele; die Bedeutung des deutschen Beitrags im Vergleich zu anderen bilateralen und multilateralen Gebern sowie regionale Aspekte und gewachsene Bindungen.

So verwundert es nicht, dass unter den gegenwärtig 58 Partnerländern der bilateralen deutschen Entwicklungszusammenarbeit nicht nur lupenreine Demokratien mit weißer Menschenrechtsweste sind. Vielfach handelt es sich um Staaten, die autoritär regiert werden und ein schlechtes oder zumindest kein gutes Menschenrechtsprofil aufweisen. Neben Post-Konfliktstaaten wie Afghanistan, der Demokratischen Republik Kongo und dem (Süd-)Sudan wären hier etwa asiatische Autokratien wie Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan, Laos, Mongolei, Nepal oder Vietnam zu nennen. Oder in Nordafrika und im Nahen Osten Staaten wie Ägypten, Marokko, Tunesien, der Jemen oder Syrien, die ebenfalls nicht demokratisch regiert werden und erhebliche Menschenrechtsprobleme aufwerfen. Unter den zahlreichen afrikanischen Partnerländern ist etwa Äthiopien hervorzuheben, das seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Empfängerländern internationaler Hilfsleistungen gehört und ein Schwerpunkt deutscher Entwicklungspolitik ist, obwohl die dortige Menschenrechtslage alles andere als gut ist. Auch in Guinea fördert die Bundesrepublik Deutschland seit Ende der 1980er Jahre Projekte technischer Entwicklungszusammenarbeit, obschon das westafrikanische Land stets autoritär und lange Zeit mit eiserner Hand regiert wurde. Guinea ist freilich gegenwärtig eingebunden in ein Programm „Fragile Staaten Westafrikas“, das auch Côte d’Ivoire, Sierra Leone und Liberia umfasst.

Auch für die Bundesrepublik Deutschland wird man also feststellen können, dass die Beachtung der Menschenrechte nicht allein und vorrangig darüber entscheidet, mit wem wir zusammenarbeiten. Wie gesagt, kann es entwicklungspolitisch und auch menschenrechtspolitisch angebracht sein, auch mit solchen Entwicklungsländern zu kooperieren, die noch gravierende Menschenrechtsprobleme aufweisen. Entscheidend ist dann allerdings die Frage, ob es gelingt, menschenrechtliche Normen und Prinzipien bei der Ausgestaltung der Entwicklungszusammenarbeit geltend zu machen und entsprechende Reformbemühungen vor Ort zu stärken.

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