Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten

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Из серии: Fragen der Zeit #4
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Wer sind diese Menschen, die in Käfigen leben und die bereit waren, sich für die Ausstellung fotografieren zu lassen?

Beginnen wir mit Chung Yuk-chun. Als das Foto von ihr aufgenommen wird, ist sie 78 Jahre alt. „Ich fühle mich wie ein kaputtes Boot, das das andere Ufer des Flusses nicht erreichen kann,“ sagt sie und dass sie „eine Verliererin“ sei. Ursprünglich aus einer wohlhabenden Familie stammend, kommt sie in den 1950er Jahren nach Hongkong. Sie möchte am Wohlstand der aufstrebenden Stadt teilhaben. Doch sie findet nur schlecht bezahlte Arbeit in einer der vielen Fabriken der Stadt. So wie ihr geht es damals abertausend chinesischen Einwanderern.


Thomas Antkowiak im Gespräch vor einem Original Käfig aus Hongkong. Ausstellungseröffnung „Cage People“ im Caritas-Pirckheimer-Haus am 18.11.2010, Bildernachweis: Pressestelle Kath. Stadtkirche Nürnberg – Elke Pilkenroth

Chung Yuk-chun hat in ihrem Käfig viele Fotos von Buddha angebracht. Das hilft der alten Frau, ihren Lebensmut nicht völlig zu verlieren. Jeden Morgen beim Aufwachen betet sie eines der Grundgebete des Buddhismus: dass alle fühlenden Wesen von ihrem Leid erlöst werden mögen.

Mit Hilfe von SoCO hat Chung Yuk-chun inzwischen tatsächlich eine Sozialwohnung bekommen. Nach über 35 Jahren im Käfig tut sie sich schwer, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Und noch ist sie nicht ganz geheilt von den Depressionen, die sie immer wieder einholen. Doch sie hält Kontakt nach außen und hilft nun selbst denjenigen, die den Sprung in ein menschenwürdiges Zuhause noch nicht geschafft haben. Auch sie sollen den Mut nicht verlieren.

Lee Cheung ist 71 Jahre alt. Er hat sich an das Leben im Käfig und an die, die dieses Schicksal schon viele Jahre mit ihm teilen, so sehr gewöhnt, dass er sich etwas anderes nicht mehr vorstellen kann und will. Eine staatliche Rente erhält er nicht. Er lebt von dem wenigen Ersparten, das er als selbständiger Dreirad-Fahrer in Hongkong zurücklegen konnte. Und als Gelegenheitsarbeiter verdient er sich seit seiner Pensionierung vor drei Jahren immer mal wieder ein paar Euro dazu. Die spart er – für seine Beerdigung. Es ist sein fester Wille, in Würde von dieser Welt zu gehen.

Ho Tim ist zum Zeitpunkt der Aufnahme erst 41 Jahre alt. Seine Frau und seine Kinder leben noch auf dem chinesischen Festland. Eine Zeit lang arbeitete er in der Küche eines der vielen Restaurants in Hongkong. Doch dann löste sich die Netzhaut von seinem rechten Auge ab. Geld für einen Arzt hatte er nicht. So verlor er durch die Krankheit seinen Job. Seitdem wohnt er in einem Verschlag – ohne Fenster, direkt gegenüber der sogenannten Küche. Überall riecht es nach Gas. Ho Tim teilt sich die Etage mit 24 anderen Bewohnern. Sieben Ventilatoren hat er in seinem Mini-Zuhause installiert. Sonst sind die Hitze und die stickige Luft im Sommer nicht auszuhalten. „Für mich sieht das hier eher aus wie ein Sarg, nicht wie ein Zuhause,“ sagt er.

Joan und Jason mit ihren beiden Kindern haben es inzwischen geschafft: Sie konnten – auch mit Hilfe von SoCO – in eine Sozialwohnung umziehen. Und Jason hat eine Arbeit gefunden, bei der er genug verdient, um die Familie zu ernähren. Joan arbeitet stundenweise. Und das wichtigste für die beiden: die Kinder gehen zur Schule.

Jedes Jahr hilft SoCO Tausenden Menschen, dem Leben im Käfig zu entkommen. Inzwischen ist die Zahl der Käfigheimbewohner von etwa 270000 in den 1980er Jahren auf 100000 gesunken. Neben der Hilfe für einzelne Menschen und Familien ist es SoCO auch gelungen, strukturelle Veränderungen durchzusetzen. So sind die Auflagen für das Betreiben von Käfigheimen inzwischen strenger. Das mag Außenstehenden nicht als Erfolg erscheinen, für die Menschen, die unter diesen Bedingungen leben müssen, bringt es jedoch große Erleichterung, wenn beispielsweise aus Sicherheitsgründen inzwischen nur noch zweistöckige, statt wie früher dreistöckige Käfigbetten erlaubt sind. Und seit 1985 können nun endlich auch Alleinstehende und alte Menschen einen Antrag auf eine kleine Ein-Raum-Sozialwohnung stellen. Der Kreis derer, die überhaupt eine Chance haben, dem Käfig zu entkommen, ist damit erheblich erweitert worden. Auch das ist ein Erfolg von SoCO.

Und mehr noch als das: Einen großen Teil der Zeit verbringen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von SoCO bei und mit den „Käfigmenschen“ selbst. Das Mitgefühl, die Offenheit und die Akzeptanz, mit denen sie ihnen begegnen, geben ihnen das Gefühl der eigenen, unveräußerlichen Menschenwürde zurück. So haben diese Menschen auch den Mut gefunden, die in der Ausstellung gezeigten Fotos aufnehmen zu lassen und öffentlich über ihr Schicksal zu sprechen. SoCO unterstützt und ermutigt sie, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen und für ihre Rechte beharrlich einzustehen.

Nur dort, wo die Menschenrechte geachtet, geschützt und gefördert werden, kann auch Entwicklung stattfinden. Die Bekämpfung der Armut, der Kampf gegen „Hunger und Krankheit in der Welt“ ist in vielen Fällen nichts anderes als konkrete Menschenrechtsarbeit. Auch in Armut lebende Menschen haben Rechte, einschließlich des Rechts auf einen menschenwürdigen Platz zum Wohnen.

„Jeder Mensch hat Anspruch auf eine Lebenshaltung, die seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlbefinden, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztlicher Betreuung und der notwendigen Leistungen der sozialen Fürsorge gewährleistet“ – so heißt es in Artikel 25 Absatz 1 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“.

Mit der Ausstellung „Daheim auf zwei Quadratmetern – Vom Leben im Käfig“ will Misereor einen Beitrag dazu leisten, dass dieses Menschenrecht Wirklichkeit werden kann – Wirklichkeit für rund 80 000 Erwachsene und 20 000 Kinder in Hongkong, die in Käfigen und Verschlägen von etwa 2 qm Größe nach wie vor unter unsäglichen Bedingungen leben müssen. Daran wollen wir und daran können wir etwas ändern.

Die Käfigmenschen von Hongkong sind stolz darauf, dass ihr Schicksal nun im Rahmen der Ausstellung auch in Deutschland Aufmerksamkeit erlangt. Es gibt ihnen Mut und Hoffnung, zu wissen, dass sie nicht allein gelassen sind.

Internationale Aufmerksamkeit und Solidarität können mehr als ein Zeichen setzen. Sie können helfen, für viele tausend Menschen in Hongkong ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Wolfgang Bährle
Zur Lage der Menschenrechte in der Republik Guinea 1

Die Republik Guinea ist sehr reich an Bodenschätzen. Wissenschaftler sprechen von einer geologischen Sensation. Eine makroökonomische Studie durch ein europäisch-amerikanisches Konsortium ergab einen Lebensstandard auf dem Niveau von Kuwait, wenn die Ressourcen vernünftig genutzt werden. Tatsächlich sind die derzeitigen Lebensverhältnisse jedoch katastrophal.

Die Menschenrechte definieren sich nicht nur als das Recht des Menschen auf bürgerliche und politische, sondern auch auf den Bereich der sozialen Rechte. Gerade die sozialen Rechte sind es, die die Bürger eines Landes als eine Errungenschaft oder aber als den größten Rechtsmangel wahrnehmen.

Die Bevölkerung Guineas hat in Folge dessen ein Recht auf sauberes Trinkwasser, ein Recht auf Bildung, ein Recht auf bestmögliche medizinische Versorgung, ein Recht auf soziale Absicherung, ein Recht auf elektrischen Strom, ein Recht auf funktionierende Kommunikationssysteme, kurz gesagt, ein Recht auf den Nutzen des vorhandenen Reichtums zum eigenen Wohle.

Wenn man die Situation Guineas objektiv analysiert, so kommt man zu dem Resultat, dass unter Beibehaltung der vorhandenen Wirtschaftsstrukturen Guinea niemals in der Lage sein wird, diese Rechte den Bürgern zu gewähren. In Anbetracht dieser Erkenntnis hat S. E. Präsident Lansana Conté dem Präsidenten des Wirtschafts- und Sozialrates, Michel Kamano, den Auftrag erteilt, ein alternatives Konzept zu den vorhandenen ökonomischen Strukturen zu entwickeln, welches es dem Lande ermöglicht, sich auf allen vorgenannten Bereichen zu entwickeln und den Anschluss an die Weltwirtschaft zu erreichen.


Dr. Abdoulayé Diallo, Vorsitzender des Euro Guinée e. V., im Kreise von Vertretern der Menschenrechte aus der Republik Guinea-Menschenrechtskonferenz zur Lage der Menschenrechte in der Republik Guinea im Caritas-Pirckheimer-Haus am 2. Oktober 2010, Nürnberg. Bildrechte: Matthias Fetzer

Wir haben in Zusammenarbeit mit dem Präsidenten des Wirtschafts- und Sozialrates, Michel Kamano, die unterschiedlichsten Konzeptstudien entwickelt. Letztendlich führte nur eine, welche zusammen mit einer europäisch-amerikanischen Finanz- und Projektentwicklungsgruppe entwickelt wurde, zu dem gewünschten Ergebnis.

Dieses Konzept entspricht nicht den traditionellen merkantilen Vorstellungen, sondern folgt einem progressiven, an die Internationale Finanz-Community angelehnten Konzept, das darauf fußt, Rohstoffe – über die Guinea zu Genüge verfügt – zum ausschließlichen Nutzen des Landes mit Leverage-Effekt zu monetarisieren und den Profit im vollen Umfang für Projekte im Lande zu verwenden.

Der Name des Projektes ist STABDEV und bedeutet Stabilisation und Development. Im ersten von fünf Schritten war eine Investition von 20,6 Milliarden US-Dollar geplant. Neben dem Bau von Infrastruktur-projekten war uns der Aufbau eines Sozialsystems von eminenter Bedeutung. Mit diesem Sozialsystem sollte erreicht werden, dass ältere Menschen eine Art Grundversorgung in Form einer Grundrente erhalten.

 

Ein weiterer herausragender Punkt war die Exploration der Bodenschätze. Zur Zeit liegen dem Minenministerium keine korrekten Unterlagen über die Bodenschätze des Landes vor. Ein Land, das seinen Wohlstand auf das Vorhandensein von Rohstoffen aufbauen will und keine Übersicht über seine Bodenschätze hat, kann keine nachhaltige Rohstoffpolitik betreiben. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover sollte die Untersuchungen durchführen.

Allein für diesen Auftrag war eine Summe von 400 Millionen US-Dollar vorgesehen. Diese neutrale Ausarbeitung hätte die Regierung in die Lage versetzt, kompetente Entscheidungen bezüglich der Rohstoffpolitik zu treffen. Damit wäre man nicht mehr von Konzernen abhängig, die ihre eigenen Interessen verfolgen und dem Minenministerium falsche Angaben über Lagerstätten geben. So aber gehen mit den derzeitigen Lieferungen von Bauxit auch andere wertvolle Rohstoffe außer Landes, ohne dass Guinea davon profitiert.

Lassen Sie mich einen kurzen Blick zurück werfen, wie das Projekt entstanden ist: Als vor Jahren eine chinesische Firma angekündigt hatte, für die Lieferung von zwei Milliarden Tonnen Bauxit ein Wasserkraftwerk für eine Milliarde US-Dollar zu bauen, empfand ich das als sehr unausgewogen. Die Verantwortlichen in Guinea konnten mir keine Auskunft über den Wert der geforderten Bauxitlieferung geben. Meine Recherchen ergaben, dass diese 2 Milliarden Tonnen Bauxit einen realen Wert von mindestens 60 Milliarden US-Dollar darstellten (Stand 2008). An diesem Beispiel kann man ersehen, wie das Land von ausländischen Investoren ausgeraubt wird.

Hier sollte also ein Wasserkraftwerk vom ausländischen Investor zu einem angeblichen Wert von 1 Milliarde USD gebaut werden und der Investor erhält dagegen mindestens 60 Milliarden USD als Gegenwert. Man kann davon ausgehen, dass die Fachleute in Guinea den reellen Wert eines Wasserkraftwerkes nicht beurteilen können, so kann eventuell das Kraftwerk auch nur einen reellen Wert von 500 Millionen USD darstellen, zumal die Fachleute im Minenministerium noch nicht einmal in der Lage sind, den Wert einer Bauxitlieferung zu bewerten. Die Verträge waren unterschriftsreif und sind zum Glück durch Intervention des Präsidenten des Wirtschafts- und Sozialrates verhindert worden.

In Anbetracht dieser Diskrepanz habe ich nach einer fairen Alternative gesucht. Das Ergebnis war das Projekt STABDEV. Das Ziel von STABDEV war:

– Sämtliche Bauvorhaben (Hafen, Flughafen, Wasserkraftwerke, Eisenbahn, Straßen, Aluminiumschmelzen, etc.) hätten sich von Anfang an zu einhundert Prozent im Besitz der Republik Guinea befunden und wären ohne jegliche Belastung gewesen.

– Alle Gewinne, wie zum Beispiel aus der Aluminiumproduktion sollten zu einhundert Prozent Guinea gehören.

– Guineische Bürger sollten auf sämtlichen Bereichen ausgebildet und geschult werden, um alle Projekte selbst warten und betreiben zu können. Dafür war ein Ausbildungszentrum für 4000 Ingenieure vorgesehen.

Die Vorteile von STABDEV sind:

– Guinea wäre nicht mehr von den Minenkonzernen und Organisationen abhängig gewesen.

– Die Wertschöpfung wäre im Land geblieben.

– Eine große Anzahl von Arbeitsplätzen sollte geschaffen werden.

– Der Wohlstand wäre drastisch angestiegen.

– Ein schonender, verantwortungsvoller Umgang mit wertvollen Ressourcen war vorgesehen.

– Nachfolgenden Generationen wären große Mengen an Ressourcen erhalten geblieben.

Im Mai 2008 habe ich zusammen mit S. E. M. Kamano den Parlamentspräsidenten Somparé über das Projekt STABDEV informiert. Er hat seine volle Unterstützung zugesichert. M. Kamano und Parlamentspräsident Somparé haben den Staatspräsidenten Lansana Conté über das Konzept des Projektes informiert, der ebenfalls seine Zustimmung gab. Leider war der Staatspräsident Conté zu diesem Zeitpunkt schon so krank, dass die Regierungsmitglieder keine Anweisungen des Präsidenten mehr befolgten. STABDEV wurde damals von Finanzminister Ousman Doré und dem Premierminister Souaré wegen eigener Interessen blockiert.

Nach dem Tode des Staatspräsidenten Lansana Conté habe ich im Rahmen einer persönlichen Audienz in Camp Alpha Yaya mit dem Präsidenten Moussa Daddis Camara sehr ausführlich über das Projekt gesprochen. Der Präsident war von den Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten für Guinea überzeugt und sagte seine uneingeschränkte Unterstützung zu. Präsident Moussa Daddis Camara wurde jedoch schon am nächsten Tag vom Minenminister Mahmoud Thiam überzeugt, von dem Projekt STABDEV Abstand zu nehmen.

Der Minenminister Thiam hatte von einer Investorengruppe bereits Schmiergeld erhalten, so dass er diesen „Investoren“ gegenüber verpflichtet war und er keinerlei Interesse an einer Bearbeitung des Projektes STABDEV zeigte. Zu dieser Zeit gab es erstaunlicherweise Informationen über Verhandlungen mit einer chinesischen Firma über ein Investitionsvolumen von 23 Milliarden US-Dollar, zwar augenscheinlich mit den gleichen Inhalten, im Detail jedoch mit großen Unterschieden zu STABDEV.

Guinea sollte durch das Projekt STABDEV zu einem Vorbild für sämtliche westafrikanische Staaten aufgebaut werden, welches sogar das Potenzial hat, seine Nachbarländer mit elektrischer Energie zu versorgen.

Leider ist das Projekt STABDEV trotz seiner großartigen Perspektive für Guinea immer wieder auf Grund von Eigeninteressen einiger Minister in der Vertragsphase blockiert worden. Die verantwortlichen Direktoren der europäisch-amerikanischen Finanz- und Projektentwicklungsgruppe haben strikt jegliche Zahlung von Schmiergeldern abgelehnt und sich dadurch den Unwillen einiger Minister zugezogen. Regierungsmitglieder haben Ihr Eigenwohl über die Interessen des Landes gestellt und wegen lächerlicher Summen Schmiergeldes das Wohl eines ganzen Landes geopfert.

Neben dem Minenminister Thiam hat hauptsächlich der Premierminister Kabiné Komara das Projekt STABDEV blockiert, auch der Finanzminister Mamadou Sandé, den ich mehrmals persönlich getroffen habe, hat aus diversen Gründen keine Unterstützung gegeben.

Tief enttäuscht wurde ich auch vom Auswärtigen Amt in Berlin: Unsere Vertragspartner haben verlangt, dass die Regierung in Berlin und die US-Regierung über das Projekt informiert werden. Da ich über keine Kontakte zur US-Regierung verfügte, haben die Vertragspartner das State Department und diverse Senatoren informiert. Ich meinerseits habe via dem ehemaligen Bundespräsidenten und Afrikafreund Horst Köhler einen entsprechenden Verweis zum Auswärtigen Amt bekommen. Auf Grund des Verweises des Herrn Bundespräsidenten habe ich das zuständige Referat des Auswärtigen Amtes sehr detailliert über STABDEV informiert. Auch dahin gehend, dass ich gegebenenfalls um logistische Unterstützung bei den Verhandlungen und der Abwicklung von Projekten bitte, da ich schon im Vorfeld bei Kontakten zu deutschen Firmen auf eine gewisse Zurückhaltung gestoßen bin, wenn es um Aufträge in Guinea ging. Ich habe klar zum Ausdruck gebracht, dass Guinea bei dem Projekt STABDEV um keinerlei finanzielle Unterstützung nachsucht, sondern dass durch das Projekt Aufträge an deutsche Firmen vergeben werden sollten. Außerdem könnte man in einem gewissen Rahmen die Lieferung von Rohstoffen wie Bauxit, Eisenerz, div. Sondermetalle und natürlich auch Erdöl sowie Erdgas sicherstellen. Nach ca. drei Monaten Bearbeitungszeit durch das Auswärtige Amt erhielt ich die Mitteilung, ich sollte mich bitte an die deutsche Botschaft in Conakry wenden. Hier habe ich keinen Handlungsbedarf gesehen, da die Auseinandersetzungen zwischen dem Staatspräsidenten Camara und dem Deutschen Botschafter Prinz sehr kontraproduktiv waren. Wir alle wissen, wie sich die Situation weiter entwickelt hat. Der 28. September 2009 ist das bisher dunkelste Kapitel in der Geschichte Guineas und auch der Grund für unsere heutige Veranstaltung.

Nur wenige Tage später besuchte die Delegation einer chinesischen Firma Conakry, um ein Abkommen über Bodenschätze zu unterzeichnen. Diesmal war das Investitionsvolumen nur noch 7 Milliarden US-Dollar. Ganz nach dem Motto des Finanzinvestors Dr. Mark Mobius aus Singapur, der in dem Film „Let’s make money“ von Erwin Wagenhofer gesagt hat: „Am besten investiert man dann, wenn das Blut auf der Straße klebt, dann ist der Gewinn an größten.“ Dieselben Personen, die sich gegen STABDEV ausgesprochen hatten, waren nun für eine Zusammenarbeit mit einem Investor in sämtlichen Minenprojekten Guineas. Damit wollten die Herren auch für die Zukunft ihren persönlichen Anteil sichern.

Im Dezember 2009 erfolgte ein Wechsel im Amt des Staatspräsidenten von Moussa Daddis Camara zu S. E. General Sekouba Konaté. Der neue Präsident hat es geschafft, Guinea wieder zurück an den Tisch der Weltgemeinschaft zu führen. Am 2. Juni 2010 habe ich den Präsidenten in Paris getroffen und über STABDEV informiert.

Der Präsident S. E. General Sekouba Konaté war in Übereinstimmung mit den Initiatoren des Projektes STABDEV der Meinung, mit diesem Projekt allein kann man ein Land wie Guinea nicht von einem unterentwickelten Drittweltland zu einem Land, das dem Standard eines europäischen Landes entspricht, aufbauen. Die Initiatoren von STABDEV sind immer davon ausgegangen, dass Guinea eine Vielzahl von Investoren für den Aufbau des Landes benötigt. Das Projekt STABDEV sollte einen Kristallisationsschwerpunkt in der Entwicklung des Landes darstellen, so dass das Land für andere Investoren noch interessanter wird und somit ein Multiplikatoreffekt erzielt wird. Es war unser Bestreben, mit diesem Projekt ein leuchtendes Signal in die Welt zu senden und der Staatengemeinschaft zu zeigen, dass sich ein Land auch aus eigener Kraft entwickeln und in der Neuzeit ankommen kann, ohne dass Entwicklungshilfe oder sonstige Unterstützungszahlungen von anderen internationalen Institutionen notwendig sind.

Der Präsident hat der Durchführung des Projektes STABDEV zugestimmt und seine volle Unterstützung zugesagt. Er beauftragte per Präsidentenorder den Minister Lucien Beindou Guilao, alle notwendigen Schritte in die Wege zu leiten, damit das Projekt starten kann. Leider war Minister Guilao mit dieser Aufgabe total überfordert und er war nicht in der Lage, die ihm vorgelegten wenigen Dokumente zu verstehen und zu bearbeiten.

Zu allen negativen Umständen wurden nun auch noch Forderungen nach Schmiergeld in Höhe von 10 000 US-Dollar durch den Gouverneur der Zentralbank, Alhassane Barry, bekannt.

Minister Guilao und der Gouverneur der Zentralbank Alhassane Barry beschuldigen sich heute noch gegenseitig, die Verzögerungen in der Bearbeitung des Projektes verursacht und die Schmiergeldforderung gestellt zu haben. Nachdem wir alle nach den geltenden internationalen Regeln der Compliance arbeiten, ist ein derartiges Vorgehen nicht akzeptabel. Dementsprechend wurde STABDEV am 18. August 2010 von unseren Partnern schriftlich gekündigt.

Nach jahrelangen Versuchen, Guinea zu einer besseren Zukunft zu verhelfen, komme ich zu dem Ergebnis, dass alle bisherigen Bemühungen an korrupten Personen gescheitert sind. Wegen weniger Dollars für die eigene Tasche verschwinden großartige Projekte in der Schublade. Dabei verhält sich der Minenminister Thiam wie ein kleiner Junge, der mit Goldbarren spielt, die er im Tausch gegen ein paar Bonbons verschenkt.

Drei Staatspräsidenten, der damalige Parlamentspräsident Somparé und der Präsident des Wirtschafts- und Sozialrates, Michel Kamano, sind, ohne die Hand aufzuhalten, für STABDEV mit ganzem Engagement eingetreten. Umso bedauerlicher ist es, wenn dann untergeordnete Personen im Regierungsapparat Eigeninteressen über die Interessen des Landes stellen. Die Bevölkerung wird so um ihr Recht auf ein würdevolles Leben betrogen. Diese korrupten Personen müssen einfach begreifen, dass es sich lohnt, uneigennützig zu arbeiten. Der Gewinn für jeden Einzelnen im Land ist bei einer Entwicklung wie mit STABDEV vorgesehen wesentlich größer als 10 000 Dollar für die eigene Tasche. Guinea muss sich entscheiden, welchen Weg es gehen möchte. Will man nur Rohstofflieferant der restlichen Welt bleiben oder will man auf Augenhöhe mit Industrieländern an einem Tisch verhandeln?

Die Möglichkeiten sind gegeben. Um ein Land aufzubauen, benötigt man hunderte Milliarden von US-Dollar. Diese Gelder bekommen wir sicher nicht von Konzernen und sicher nicht von Ländern, die bei ihren Investitionen keine Fragen zur Regierungsführung stellen. Eines Tages sind die Rohstoffe eines jeden Landes zu Ende. Dann stellt sich heraus, wer für die Zukunft geplant hat. Ansonsten verharrt das Land in Armut und Rückständigkeit. Wer möchte das seinen Nachfahren zumuten?

 

Der Reichtum Guineas ist sein Fluch. Solange es Guinea nicht aus eigener Kraft schafft, sich von den Fesseln der großen Konzerne und der Industrieländer zu befreien, gibt es keinen Wohlstand für die Bevölkerung. Die Industrienationen sind nicht an einem wirtschaftlich starken Guinea interessiert, ein armes Land kann man viel leichter am Gängelband führen. Das Wohl der Menschen zu fördern und die Wahrung der Menschenrechte ist bei vielen Politikern nur ein Lippenbekenntnis, in Wirklichkeit wird nur daran gearbeitet, die Menschen in Guinea als Sklaven der Industrienationen zu halten und den Zugang zu billigen Rohstoffen sicherzustellen.

Präsident Barack Obama rief in seiner Rede beim UN-Millenniumsgipfel in New York die Entwicklungsländer zu mehr Eigenverantwortung auf. Wörtlich sagte er: „Für Ihre eigene Führungsverantwortung gibt es keinen Ersatz: Nur Sie selbst können jene schwierigen Entscheidungen treffen, die den Weg für eine dynamische Entwicklung Ihrer Länder öffnet.“

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