Читать книгу: «Das große Hochstapeln», страница 6

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11. Kapitel

Eine wichtige geheimdienstliche Mitteilung und eine freche, überzeugende Schi Tot

Der Pharao hat seine Staatsgeschäfte unterbrochen und zieht sich in den Teil seines Palastes zurück, in dem sich seine Privatgemächer befinden. Auf dem Weg dahin bestätigt er seinem Privatsekretär die Reihenfolgeliste der für heute Abend vorgeschlagenen Damen aus seinem Harem. So wichtig ist ihm das heute nicht, denn sein Bauprojekt nimmt ihn voll und ganz in Beschlag. Er betritt sein Arbeitszimmer und befiehlt den Wachen, niemandem Zutritt zu gewähren.

Cheops setzt sich an seinem Schreibtisch und beginnt seine Gedanken zu ordnen. Er hat sich frische Früchte und einen Minze-Cocktail kommen lassen. Im Palast ist es ruhig. Die Handwerker nebenan, die die Bibliothek renovieren, frühstücken gerade. So kann er sich gut konzentrieren. Seine Stimmung schwankt zwischen Skepsis und Euphorie. Kann er dieser wunderbaren Idee trauen? Sein Bauchgefühl sagt, ja. Die Idee der besoffenen Bauleute, den Wüstenwürfel sinnvoll als Grabanlage für den Pharao zu nutzen, findet er genial. Die Idee wurde ihm von einem Hofschmeichler zugetragen. Der gehört am Hofe der Brigade der geheimdienstlichen Mitarbeiter an und hat beste Beziehungen zur Fahrdienstabteilung des Baustabes. Cheops ruft sich nochmal in Erinnerung, dass nach seiner Kenntnis die Bestattungsanlagen seiner Vorgänger Djoser und Snofru im Vergleich zu seinem jetzigen Projekt eher winzig ausgefallen. Flache instabile pyramidenähnliche Steinhaufen, gebaut in unbedeutender Höhe über den eigentlichen Bestattungsstätten, den tief gelegenen Mastabas, sind nun wirklich keine Renner mehr. Die toten Regierungschefs wurden nach den damals gängigen Totenzeremonien nach unten in den Keller getragen und den Göttern überlassen. Mastabieren nannte man diese Staatsbegräbnisse damals. Schrecklich.

Jetzt scheint sich für Cheops eine völlig neue Dimension seiner eigenen Grabanlage zu eröffnen. Er wird an seinen letzten Ruheort hinaufgetragen, stellt er sich begeistert und bildhaft vor. Hinaufgetragen in Richtung Gestirne und nicht hinabgetragen in Richtung des Reiches der Finsternis. Das ist dann sein Markenzeichen. Fest steht, dass er damit in die Geschichte eingehen würde und genau das fasziniert ihn.

Er hat jetzt richtig gute Laune und lässt den Streitwagenfahrer zu sich kommen, der die Trinkgemeinschaft an dem betreffenden Abend betreut hat. Der hat gerade dienstfrei und erscheint sofort, wirft sich demütig in den Staub und wirkt dabei eingeschüchtert. Cheops verlangt vom Dienstleister nochmals die Darlegung der offen gelallten Grabanlagenspinnereien seines Bauleitungspersonals. Jetzt erfährt der Pharao aus erster Hand, dass die oberen zwei Hohlräume im Würfel als Grabkammern für den Pharao und seine Gemahlin dienen könnten. Dass weiterhin die angedachten engen und schrägen Kanäle der betreffenden Hohlräume nicht zur Entrauchung verwendet werden sollten, sondern als Wege der Totenseelen zu den Göttern, die in den Gestirnen wohnen. Abgerundet werden könnte die Wüstenwürfelanlage mit zwei Tempeln, einmal am Nilufer als Taltempel und zum anderen am Fuße des Bauwerks als Totenopfertempel. Beide Tempelanlagen sind mit einem prunkvollen aufsteigenden Weg (5) verbunden, auf dem die einbalsamierte Leiche des Pharao mittels feierlicher Prozession hinaufgetragen werden soll. Der Untertan beendet seinen Bericht. In seinen verunsicherten Augen ist der schmähliche Verrat sichtbar und er bittet um Gnade für die Indiskretion. Doch das Gegenteil ist der Fall. Cheops amüsiert weiter gut gelaunt die Untergebenheit und er bedeutet dem Streitwagenfahrer, dass er eine gute Nachricht überbracht hat, für die er sich großzügig zeigen wird. Der Informant solle sich in der Küche ein Stück Kuchen geben lassen, vom Blech für den Pharao versteht sich.

Cheops bestellt seinen Wesir für Städtebauangelegenheiten zu einer Blitzbesprechung. Als dieser nicht gleich kommt, schickt er zwei kräftige Diener los, die den Wesir suchen und umgehend herbeizubringen haben. Es dauert nicht lange. Der eine Diener drückt nachhaltig den Wesir in den Raum. Der andere Diener hat eine junge schöne Frau unter den Arm geklemmt. Diese fuchtelt mit Händen und Beinen und protestiert mit ziemlich großen Rabatz. Der Wesir spielt ewig geübte Unterwürfigkeit und bittet um Vergebung, weil diese junge Frau es wagte, in den Palast ohne Terminvereinbarung vorzudringen. Aufgeregt berichtet der Wesir, keinem Untertan sei es gelungen, die junge Frau mit ihrem Begehren, Cheops sprechen zu wollen, aufzuhalten. Alle seien geblendet von ihrer göttlichen Schönheit und ihrem verführerischen Gang. Zwei Wachmänner wären fast in Ohnmacht gefallen, berichtet der Wesir und bittet um Gnade für dieses herrliche Geschöpf.


Mit einer Handbewegung bedeutet Cheops den beiden Dienern und dem Wesir, den Raum zu verlassen, nur die junge Frau soll bleiben. Mit neugierigem Blick mustert er die junge Frau. Irgendwie kann er seine Untertanen verstehen. Diese Frau ist von unbeschreiblicher Schönheit. Ein vollendeter weiblicher Körper in perfekter Kleidung, mit einem hervorstechenden Schmuck und einer Frisur, wie sie nur große Haarstilisten erschaffen können, steht nun vor ihm. Sie ist noch atemlos vom Kampf mit seinen Dienern. Cheops Blick konzentriert sich auf ein zentrales Symbol im Zentrum Ihres Brustschmuckes. Gleiches kann er auf dem großen goldenen Siegelring an ihrer rechten Hand entdecken. Es ist eine wundervoll proportionierte Pyramide von herausragend schlichter Ästhetik. Cheops lässt sich nicht anmerken, dass er angespannt und neugierig ist. Sein Zögern bedeutet für Schi Tot das Zeichen, das Wort zu ergreifen. Ihre Atmungsorgane haben sich erholt und sie stellt sich als bescheidene Künstlerin aus Memphis vor. „Ein älterer Mann mit dem Namen Albert hat mich zur dir geschickt, oh göttlicher Herr, um dich zu überzeugen, dass eine Pyramide um ein Vielfaches großartiger sein wird als der geplante Wüstenwürfel.“ Sie deutet dabei auf ihren Schmuck und den Siegelring. Cheops ist über diese Unverfrorenheit amüsiert, lächelt Schi Tot an und fragt: „Wer ist bitte schön Albert?“

12. Kapitel

Ein Arbeitsgrillen

Es ist später Nachmittag in Gizeh. Die Sonne brennt noch unbarmherzig. Echt-Natron hat vom Pharao ein hübsches Wassergrundstück am Nil zur Nutzung überlassen bekommen. Er bewohnt sozusagen ein Dienstgrundstück. Es liegt etwas abseits von anderen privaten Grundstücken und ist durch den üppigen Bewuchs von Pflanzen und Sträuchern kaum zu finden. Hier kann der Projektleiter bis zur Vollendung des Auftrages arbeiten, wohnen und auch grillen. Die Temperaturen sind durch den kühlenden Wind, der über den Fluss weht, etwas angenehmer als in der Stadt. Also alles bestens, um der Einladung zu einem Arbeitsgrillen zur Vorbereitung der Grundsteinlegung auf Echt-Natrons Grundstück zu folgen.

Eingeladen sind Frau Notvertrete mit Ihrem Mann, der Architekt mit seinem Hund und ich mit Durst und Hunger. Ja, genau in dieser Reihenfolge. Bei der Begrüßung des Gatten seiner Chefsekretärin ist mir eine gewisse Kühle beim Handschlag meines Chefs aufgefallen. Frau Notvertrete begrüßt Echt-Natron hingegen mit einer sehr herzlichen und langen Umarmung. Den Hund des Architekten begrüßt mein Chef mit intensivem Durchwuscheln seines dichten Fells. Der Hund quittiert diese Zuneigung mit heftigem Schwanzwedeln, was nun wiederum die Zufuhr angenehm kühlerer Luft verstärkt. Mich begrüßt er gar nicht. Ich schließe daraus, dass ich bereits zu seinem Inventar gehöre.

Echt-Natron hat eingeladen, um mit uns in angenehmer Umgebung die Modalitäten der beabsichtigten Grundsteinlegung zu besprechen. Der Wesir für Städtebauangelegenheiten meint, dass dieser traditionelle Brauch der Bauleute durchaus die Dimensionen eines Staatsaktes haben könnte. Da seien uns keine Grenzen gesetzt. Wir treffen uns deshalb in angenehmer Atmosphäre, um einen Vorschlag an den Bauherrn zu erarbeiten.

Im Moment sind wir alle etwas aufgewühlt. Wir benötigen dringend Ablenkung von den schlaflosen Nächten und der Ungewissheit zur Höhe der zu erwartenden Strafe. Weiß Cheops von den gedanklichen Auslassungen während des Trinkgelages, oder weiß er es noch nicht? Frau Notvertretes Herz schlägt immer bis zum Anschlag, wenn der Postbote die tägliche Post bringt. Heute jedenfalls war wieder keine Post von Cheops oder der Projektsteuerung in der Sendung. Keine Kündigung, keine wüsten Beschimpfungen, nichts. Eine ungeheure Quälerei, diese Ungewissheit. Im Nachhinein bereuen wir unsere Unbeherrschtheit und Fahrlässigkeit, denn es gilt als lebensgefährlich, sich über die historischen Bestattungsrituale der ägyptischen Pharaonen vor Cheops lustig zu machen. Das sind Nationalheiligtümer und ein Beschädigen derer Würde ist durch nichts zu entschuldigen. Es geht bergab mit den Toten, hinab in die Finsternis. Das klingt nun überhaupt nicht mehr lustig. Und Cheops sollte als Verstorbener in Richtung Gestirne ein Stück getragen werden und dann noch die Idee mit der Seele, die durch die Entrauchung zu den Göttern gelangt … Furchtbar, diese Gewissensbisse.

Also versuchen wir, dieses Martyrium des Gewissens mittels gutem Essen und ein paar kühlen Getränken zu erleichtern. Gegrillt wird von Echt-Natron persönlich mariniertes Nilmöwenfleisch. Nur die besten Stücke dieser wertvollen Tiere hat er für uns vorbereitet. Es sind die saftigen Flügel. Die Flügel haben durch die starke Flugmuskulatur einen hohen Fleischgehalt, denn die Ägypter haben mit der Entwicklung eines alternativ besseren Kommunikationssystems angefangen, diese Tiere zu Briefmöwen auszubilden. Zu Beginn dieser postalischen Epoche hat man versucht, die allgegenwärtigen Tauben für dieses Nutzungssegment zu trainieren. Da die meisten Briefe jedoch aus schweren Tontafeln bestanden, scheiterten die Flugversuche mit Brieftauben kläglich. Man suchte Alternativen und fand heraus, dass das Traglastvermögen der Nilmöwen immens höher ist. Die Tiere bestanden die Eignungstests und vollbringen seither wertvolle Kurierdienste. Am Ende ihrer Briefmöwenkarriere stehen sie dann mit ihrem saftigen Fleisch den Anhängern des Grillens zur Verfügung. Zu den gegrillten Briefmöwenflügeln wird Brot, getrockneter Fisch und Gänsefett angeboten. Kleine Schälchen mit geschnittenem und gesüßtem Obst ergänzen den opulenten Schmaus. Frau Notvertrete hat ihre vorzüglichen Plätzchen mitgebracht. Alle wollen den späten Nachmittag genießen und das drohende Ärgernis mittels Grillparty verdrängen. Wir plaudern und tauschen uns darüber aus, ob die gegenwärtigen Spannungen an der Staatsgrenze zum Reich der Hethiter eine kriegerische Konsequenz haben könnte. Wir diskutieren, ob denn die früheren Waffenexporte der modernen Kriegsgeräteindustrie Ägyptens zu diesem Nachbarn sich jetzt nicht rächen würden. Wir tauschen uns aus, welche Trainer unserer höchsten Fußballstaatsliga als nächster beurlaubt werden würde und machen uns lustig über die ägyptischen Kandidaten für den demnächst bevorstehenden internationalen Sängerwettbewerb.

Echt-Natron unterbricht mit einem Räuspern die lockeren Unterhaltungen und erinnert, dass jetzt die Grundsteinlegung zu besprechen wäre. Frau Notvertrete solle ein Gedankenprotokoll zur Vorlage beim Bauherrn anfertigen. Echt-Natron verliest die Gästeliste, die er vom Wesir für Städtebauangelegenheiten erhalten hat. Die Gäste sind fein säuberlich nach Rang und Bedeutung aufgelistet. Ganz oben auf der Liste stehen die Herrschaften der Oberschicht. Cheops und sein Hofstaat, dazu die Wesire und der Heerführer. Es folgen der Mittelstand mit den Hohen Priestern der Projektsteuerung, Hofärzten, einem Vertreter des Wehrbeauftragten, Eventmanagern, dem Staatsekretär für Kostengruppenangelegenheiten am Finanzministerium und mit den Journalisten der überregionalen Presse für Ober- und Unterägypten. Auch die Sterneköche des Pharaos stehen in der Mitte der Gästeliste. Am Ende der Liste schließlich sind die Journalisten der Lokalpresse, die Mitarbeiter der Bauabteilung und des Architekten, 150 Mann Sicherheitsdienst, Vertreter der beauftragten Firma und die Luftzuwedler für die VIP-Bereiche der Ehrentribüne als Unterschicht aufgeführt. Wir fragen uns, warum keine seriösen Geschichtsschreiber eingeladen sind. Über die Presse erhält die Öffentlichkeit in der Regel nur geschönte Berichte. Die journalistischen Interpretationen höriger Hofschreiber bergen die Gefahr, dass die Nachwelt von diesem Staatsakt nur unscharf Kunde erhält. Das verwundert.

Die Erfahrungen bisher vollzogener Grundsteinlegungen von Regierungsgebäuden fließen nun zügig in die Vorschläge zum Verlauf ein. Eine komplette Überdachung der Festarena, als Sonnenschutz für die Gäste, ziehen wir nicht in Erwägung. Lediglich die Sitzflächen für die Eliten im VIP-Bereich bekommen eine Sonnenschutzüberdachung. Den Festrednern soll ein gewisser inhaltlicher Rahmen und eine begrenzte Sprechzeit vorgegeben werden. Eröffnen soll der Wesir für Städtebauangelegenheiten und die göttlichen Eingebungen des Cheops herausstellen. Seine Anweisung zu dieser großartigen Tangentialbebauung der Hauptstadt Memphis wird einen architektonischen Glanzpunkt erschaffen. Heerscharen von Ägyptern und Touristen aus aller Welt werden dieses Monument besuchen und der einheimischen Fremdenverkehrsindustrie zu neuer Blüte verhelfen. Das Bauwerk ist eine Investition in eine strahlende Zukunft Ägyptens. Dafür werden die Menschen diesen Pharao für die Ewigkeit danken und gottgleich verehren. Danach soll als zweiter Redner der Staatssekretär für Kostengruppenangelegenheiten aus dem Finanzministerium vom Stand der Bemühungen um die Finanzierung berichten und so vorgeben, als könne dieses gewaltige Werk nur mit geringen und vernachlässigbaren Steuererhöhungen gestemmt werden. Das ist ein typischer Reflex von Finanzpolitikern, der Verlässlichkeit suggerieren soll.

Als dritter und letzter Redner soll der Architekt den Bauherrn ob seiner präzisen und scharf umrissenen Aufgabenstellung huldigen und sich vor dem großen Auftrag in Demut verneigen. Er soll der Ausführungsfirma Mut zusprechen, große Energie und gutes Wetter wünschen und nochmal darauf hinweisen, dass der Endtermin und die Kostenobergrenze mit astrophysikalischen Konstanten vergleichbar sind. Also, eine lockere Ermahnung an die Adresse der Ausführung, wenn denn eine Unterwanderung dieser Ziele beabsichtigt sein sollte. Zum Ende der Rede soll der Architekt eine freudige Überraschung verkünden. Cheops hat angewiesen, dass alle am Bau Beteiligten über die gesamte Bauzeit in Maßen Freibier ausgeschenkt bekommen, wobei hier nicht die Bierkruggröße gemeint sei. Wir schauen San-Rah an und bemerken in seinen Augen diese abwesende Traurigkeit. Ich will ihn aufmuntern und zeichne sinnbildlich mit bunten Bildern die Mienen der Kollegen der Sicherheit- und Gesundheitsschutzkoordination zum freien und unbegrenzten Ausschank des Freibiers. Die dürfen da nichts machen. Anweisung von Cheops. San-Rah quält sich zu einem Lächeln. Er sieht sich nicht als Schlussredner. Eher wird wohl seine Todesanzeige verlesen, gibt er sich pessimistisch. Es bleibt schwer, unseren Architekten aufzulockern.

Wir kommen zu einem schwierigen Thema. Wo und wie platzieren wir die Kartusche mit den traditionellen Beigaben einer ordnungsgemäß durchgeführten Grundsteinlegung. Die Grundsteinkartusche wird aus gehämmertem Kupferblech gefertigt. Während der feierlichen Zeremonie werden vom Moderator des Events die aktuellen Tageszeitungen der Regionalpresse, die Pläne des Architekten, die Baubeschreibung und die gültigen und anerkannten Zahlungseinheiten, in dem Fall die standardisierten Goldgewichte mit dem Hieroglyphensymbol des Cheops, in die Kartusche eingeführt und vor aller Augen mit einem Deckel fest verschlossen. Dieser Akt soll sich besonders feierlich vollziehen. Ein Chor mit 100 jungen musisch ausgebildeten Frauen und 50 Knaben vor Stimmbruch singt dazu die extra für diesen Anlass komponierte Hymne „Marmor, Stein und Eisen bricht – aber dieser Steinhaufen nicht“. Dazu sollen zehn gehisste Flaggen des Pharaonenreiches wehen. Bei Windstille sollen die Frischluftspender von der Ehrentribüne beim Intonieren der Hymne kurz einspringen und die Flaggen durch heftiges Wedeln in die Horizontale bringen.

Und wo platzieren wir den Grundstein? Fundamente gibt es nicht. Der Grundstein soll so untergebracht werden, dass es schwierig sein wird, ihn zu finden und zu bergen. Die verschlüsselten Nachrichten sollen tausende Jahre verborgen bleiben. Wir sollten konzeptionell dafür sorgen, dass das auch klappt. Unsere Aufgabe wird sein, eine eigens für den Grundstein vorgesehene Kammer, in 57 Königsellen (2) Tiefe unter der Basishöhe der Pyramide errichten zu lassen. Diese soll den Anforderungen einer geheimen Lagerung genügen. Dem Architekten schwebt hier eine Kammergröße von 30 x 15 x 9,5 Königsellen (2) vor. Das ist gewaltig, denn die Kammer muss über einen steilen Gang erreichbar sein und all diese Anlagen unter der Geländehöhe 0.00 sind in den Fels zu schlagen. Ein irrer Aufwand, aber dem Anlass angemessen. Die 3 Hammerschläge auf die Abdeckplatte der Kartusche mit den Wünschen zum guten Gelingen sollen von den Rednern der Grundsteinlegungszeremonie dann in 57 Königsellen Tiefe durchgeführt werden. Zur Verwirrung der Nachwelt soll diese Kammer den Namen „unvollendete Kammer“ bekommen. Auch weil bewusst Schuttmassen aufgehäuft werden, die diesen unfertigen Eindruck vermitteln werden. Niemand soll einfach herausfinden, dass da der Grundstein mit erheblichem Informationsgehalt liegt.

Die Grillparty ist im vollen Gange, wir lassen uns die Köstlichkeiten schmecken. Das ist das Signal für den vielleicht wichtigsten Punkt der Besprechung. Es geht um die Bewirtung der Gäste der Grundsteinlegung. Echt-Natron will die Entwürfe der Speise- und Getränkekarte gerade vortragen, als plötzlich starker Lärm aus Richtung Grundstückszufahrt zu vernehmen ist. Drei prächtig geschmückte Streitwagen mit ebenso geschmückten Kampfrossen wirbeln mit rasanter Geschwindigkeit den Zufahrtsstaub hoch in die Luft. Wir erkennen sofort, dass diese Gefährte direkt aus dem Fuhrpark des Pharao stammen. Die gleichzeitig von den Streitwagenlenkern gerufenen Stoppsignale an die feurigen Rosse dröhnen wie Unheil ahnende Fanfaren aus tausend Posaunen. Wir zucken zusammen und erstarren. Der Offizier der Abordnung, in frisch gereinigter Kampfkleidung, stellt sich mit breiten Beinen und mit der linken Hand an der gepanzerten Brust vor uns hin und fordert uns auf, alles stehen und liegen zu lassen und im Streitwagen widerstandslos Platz zu nehmen. Wir hätten sofort beim Pharao zu erscheinen. Der Offizier kündigt Gewalt bei Nichtbefolgen dieses pharaonischen Befehls an. Die Blicke des Offiziers und das Gelächter der ihn begleitenden Mannschaften machten die zaghafte Frage von Frau Notvertete, ob wir noch aufessen dürfen, zunichte. Auf unsere zurückhaltende Frage, ob ein Haftbefehl vorliegt, wird harsch mit „nee, schlimmer“ geantwortet.

13. Kapitel

Vom Kindergeburtstag zur klassischen griechischen Philosophie

Die Bibliothek ist mäßig besetzt. Vereinzelt sind ältere Mitarbeiter der hohen Ebene in die Lektüre alter klassischer Literatur vertieft. Sie genießen es offensichtlich, in dieser altehrwürdigen Fundstätte des Wissens in alten verstaubten Büchern zu blättern und sich das Wissen ihrer Vorfahren auf diesem traditionellen Weg anzueignen. Die jüngeren Mitarbeiter verlassen sich gegenwärtig mehr auf schnelle und kurze Informationen, die meist oberflächlich auf verschiedenen elektronischen Wissensplattformen angeboten werden. Albert hat sich heute einen freien Tag genommen. Er steckt in den Vorbereitungen zum Geburtstag seiner kleinen Tochter. Er geht gern in alte Bibliotheken, denn sie besitzen den besonderen Charme traditioneller Wissensvermittlung in historischem Ambiente. An den Wänden im großen Lesesaal sind deckenhoch Regale angeordnet, in denen sich alte Bücher mit faszinierend gestalterischem Zierrat befinden. Er liebt es, diese antiquarischen Stücke in der Hand zu halten und vorsichtig darin zu blättern. Es sind dann diese Zeitreisen der besonderen Art, die ihm klar machen, welch überaus wertvolles Kulturgut ein gedrucktes Buch darstellt und wieviel Fleiß und handwerkliches Können hier dokumentiert sind. Man nannte früher die Autoren der gebundenen Sprache Schriftsteller. Albert lässt sich gern von deren Prosa fesseln. Es begeistert ihn, wenn durch geschliffene Sprache Sachverhalte in seiner Fantasie vorstellbar werden. Die Ausschweifung ist das Gut der erzählenden Literatur, ganz im Gegensatz zu seinen nüchternen technisch brillanten Aufsätzen, die zu seiner Berufung als Wissenschaftler geführt haben.

Er sucht in den alten Büchern eine Spielanleitung für ein konvex gewölbtes Schachspiel mit einer Figurenbesetzung, die ihre Züge nur gekrümmt vollziehen können. Das ideale Geschenk für Alberts jüngste Tochter. Sie hat sich so eine Spielanleitung zum 4. Geburtstag von ihm gewünscht. Sie wird Su-Shi gerufen, weil sie immer ihre Augen zusammenkneift. Ihr wurde schon von den Augenärzten eine Sonnenbrille empfohlen, doch die Eltern wissen, dass sie meist angestrengt nachdenkt und deshalb die Augen so schlitzähnlich macht. Mit ihrem Freund Vektor will sie ihren Kindergeburtstag ausrichten. Vektor ist ein niedlicher kleiner dreieinhalbjähriger Kerl, der ein bisschen neunmalklug daherkommt. Er sagt nicht, ich bin der Sohn meiner Eltern. Nein, nicht doch. Vektor empfindet sich als das Produkt seiner Eltern. Das ist natürlich eine Masche und besonders, wenn er sich in eine Ecke stellt, sich gesteckt nach vorn beugt und dabei die Arme und Hände streng an die Hosennaht legt. So will er alle beeindrucken und schafft das in der Regel auch. Bei Alberts Tochter insbesondere. Sie liebt diese Performance der Darstellung eines Vektorproduktes.

Jaja, der Kindergeburtstag. Diese lästigen Kinderpartys sind auf der hohen Ebene bei den Kollegen aller Fachausschüsse beliebt und kommen immer mehr in Mode. Die Kinder sind die Stars, werden mit Geschenken vollgehängt und die Eltern sind dann vorher immer von Versagensängsten geplagt. Das ist richtig stressig, immer besser sein zu müssen als die Vorgängergeburtstagsfamilie. Zumal es selbstverständlich ist, nicht nur die Freundkinder einzuladen, sondern neuerdings natürlich auch deren Eltern – Oma und Opa noch dazu. Die kriegen dann Weinchen und Schnittchen und üben sich in sinnlosem Small Talk. In der Regel beginnen die Small-Talk-Runden nach Abschluss des traditionellen Kaspertheaters einer hierfür ausgelosten Elternpartei. Anschließend wird über das dargebotene Stück debattiert. Voriges Jahr wurde das Kaspertheaterstück „die Befriedigungsstrategien der Rolling Stones im Kontext zur Instrumentenlautstärke“ aufgeführt. Es kam zu einem heftigen Eklat. Der Kasper hatte seinen ersten Auftritt mit „Tri Tra Trullala“ begonnen. Richtig musste es aber „Tri Tra Trallala“ heißen, stellten aufmerksame und kritische Elternteile empört fest. Diese Verletzung des bekannten klassischen Textes verlange lückenlose Aufklärung, zumal die seelische Zerstörung der armen Kinderhirne sofort erkennbar wurde, denn die Kinder rannten anschließend durch die Räume und schrien den falschen Kaspertext. Für die vielen Verfechter der reinen Lehre der Verteidigung historischer Texte war dies eine Katastrophe.

Albert hat die historische Spielanleitung gefunden und will aufbrechen. Eine Hand legt sich auf seine Schulter. Die Hand gehört zu Phidias, dem alten Bilderklopfer aus der Arbeitsgruppe Griechenland. Die Begrüßung ist herzlich, beide mögen und respektieren sich. Phidias schlägt Albert vor, in das Kaminzimmer der Bibliothek zu gehen, um dort ein wenig bei einer guten Zigarre und altem Whisky zu plauschen. Albert willigt ein und bald fallen beide in rustikale und überaus bequeme Ledersessel. Albert will sich gern etwas Zeit nehmen, denn er interessiert sich sehr für die Pläne von Phidias. Der berichtet sogleich, dass er es zum gegebenen Zeitpunkt bei König Perikles durchsetzen werde, dass die besten Baumeister Athens von Iktinos bis Kallikrates gewonnen werden sollen, um auf das Hochplateau des Felsens der Altstadt von Athen eine Tempelanlage mit Erechtheion, Nike-Tempel (6) und dem Pantheon zu Ehren unserer verehrten Kollegin Athene zu erschaffen. Und Phidias erhält die große Chance, mittels seines unglaublichen Talentes in nie da gewesener Schönheit Skulpturen der Göttergeschichte der Erdenbewohner in Marmor zu hauen, den Tempel mit dieser Ornamentik auszustatten und damit in die Einzigartigkeit zu erheben. Das Modellstehen hat er bereits mit Athene vereinbart. Ihm schwebt eine Monumentalskulptur im Zentrum des Tempels vor, reich mit Gold und Elfenbein geschmückt. Ruhmreich wird es für Phidias ausgehen, dass seine Tempelanlage eine großartige Kulisse für die gezielt geplanten Denkumbrüche der Erdenbewohner sein wird. Hier an diesem Ort werden die Erdenbewohner das erste Mal in ihrer Entwicklungsgeschichte fundamentale Fragen zu ihrer Existenz stellen. Sie werden beginnen, ein naturphilosophisches Weltbild als Bruch ihrer mythischen Weltwahrnehmung zu entwickeln. Es werden in der Reihenfolge Sokrates, Platon und Aristoteles erscheinen, die den Erdenbewohnern in philosophischen Leitsätzen offerieren, dass sie wissen sollen, dass sie nichts wissen. Das ist das Tor zur Erkenntnis und führt zum richtigen Handeln. „Ach, diese Erdenbewohner, die werden noch ewig brauchen, um das zu kapieren“, seufzt Phidias. „Wie geht es dir, was machst du denn so den Tag über“, fragt nun Phidias Albert. Albert zögert mit der Antwort und setzt dann lächelnd an: „Ich habe einen wichtigen Erfolg erzielen können. Ich bin dem Ziel, den Erdenbewohnern zeitgemäß wissenschaftliches Denken zu vermitteln, einen großen Schritt nähergekommen. Sie werden bald versuchen eine geometrisch und ästhetisch akkurate Pyramide zu bauen, die alle bisherigen Maßstäbe sprengen wird. Die Pyramide von Gizeh wird, gemeinsam mit den geplanten späteren Ergänzungsbauten, eine ungeheure Mystik erzeugen. Wir beabsichtigen, in dieses Bauwerk knifflige Verschlüsselungen einzufügen, die die Erdbewohner noch tausende Jahre herausfordern werden. Wir werden dann Spaß haben, an den im Laufe der Erdenjahrhunderte entwickelten und veröffentlichen Theorien zur Bedeutung und zum Bau dieses Monumentalwerks. Doch jetzt gilt es erstmal, den Bau zu realisieren. Wir wissen, dass die entscheidenden Leute, nämlich die Baumeister, keine Ahnung haben, wie die Pyramide gebaut werden soll. Sie tappen noch völlig im Dunkeln und fürchten sich vor der Offenbarung ihrer technischen Ahnungslosigkeit gegenüber dem Auftraggeber. Das ist, lieber Phidias, genau die von dir entwickelte sokratische Situation, sie wissen, dass sie nichts wissen und doch behaupten sie nach außen genau das Gegenteil. Klar, dass sie angespannt sind. Naja, der erste Schritt ist gelungen. Mit Hilfe einer vorzüglichen, von uns erwählten technischen Muse konnte Cheops überzeugt werden, dass eine Pyramide seinen historischen Ruf deutlich steigern würde. Seine ersonnene Würfelform ist vom Tisch. Das haben wir clever eingefädelt.“ Verschmitzt lächelnd fügt Albert noch hinzu, dass er diese technische Muse, mit dem Namen Schi Tot, durchaus gern wiedersehen möchte und sie für die weiteren Zwecke der hohen Ebene einzuspannen beabsichtigt. Überhaupt kann er sich nun vorstellen, dass Frauen in der ägyptischen Geschichte eine größere Rolle einnehmen könnten. „Mensch Meier, Phidias, du hättest dieses Weib auf dem Weg zu Cheops sehen sollen. Kein Wunder, dass sich ihr alle Türen öffneten.“ Albert unterbricht und macht ein fragendes Gesicht. „Sag mal, mein Freund Phidias, habe ich gerade Mensch gesagt?“ Phidias bejaht mit einem Kopfnicken. „Pardon, so ein Quatsch, diesen Begriff müssen die sich erst noch verdienen“, stellt Albert klar. Die Zigarre ist aufgeraucht, der Whiskey ausgetrunken, das Geburtstagsgeschenk für das Töchterchen erfolgreich recherchiert. Das Leben ist schön.

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