Читать книгу: «Der Einzige und sein Eigentum», страница 5
Auch als »Grundsatz, Prinzip, Standpunkt« u. dergl. läßt sich die fixe Idee vernehmen. Archimedes verlangte einen Standpunkt außerhalb der Erde, um sie zu bewegen. Nach diesem Standpunkte suchten fortwährend die Menschen, und jeder nahm ihn ein, so gut er vermochte. Dieser fremde Standpunkt ist die Welt des Geistes, der Ideen, Gedanken, Begriffe, Wesen usw.; es ist der Himmel. Der Himmel ist der »Standpunkt«, von welchem aus die Erde bewegt, das irdische Treiben überschaut und – verachtet wird. Sich den Himmel zu sichern, den himmlischen Standpunkt fest und auf ewig einzunehmen, wie schmerzlich und unermüdlich rang danach die Menschheit.
Es hat das Christentum dahin gezielt, uns von der Naturbestimmung (Bestimmung durch die Natur), von den Begierden als antreibend, zu erlösen, mithin gewollt, daß der Mensch sich nicht von seinen Begierden bestimmen lasse. Darin liegt nicht, daß er keine Begierden haben solle, sondern daß die Begierden ihn nicht haben sollen, daß sie nicht fix, unbezwinglich, unauflöslich werden sollen. Was nun das Christentum (die Religion) gegen die Begierden machinierte, könnten wir das nicht auf seine eigene Vorschrift, daß uns der Geist (Gedanke, Vorstellungen, Ideen, Glaube usw.) bestimmen solle, anwenden, könnten verlangen, daß auch der Geist oder die Vorstellung, die Idee uns nicht bestimmen, nicht fix und unantastbar oder »heilig« werden dürfe? Dann ginge es auf die Auflösung des Geistes, Auflösung aller Gedanken, aller Vorstellungen aus. Wie es dort heißen mußte: Wir sollen zwar Begierden haben, aber die Begierden sollen uns nicht haben, so hieße es nun: Wir sollen zwar Geist haben, aber der Geist soll uns nicht haben. Scheint das Letztere eines rechten Sinnes zu ermangeln, so denke man z.B. daran, daß bei so manchem ein Gedanke zur »Maxime« wird, wodurch er selbst in dessen Gefangenschaft gerät, so daß nicht er die Maxime, sondern diese vielmehr ihn hat. Und mit der Maxime hat er wieder einen »festen Standpunkt«. Die Lehren des Katechismus werden unversehens unsere Grundsätze und ertragen keine Verwerfung mehr. Der Gedanke derselben oder der – Geist hat die alleinige Gewalt, und keine Einrede des »Fleisches« wird weiter gehört. Gleichwohl aber kann ich nur durch das »Fleisch« die Tyrannei des Geistes brechen; denn nur, wenn ein Mensch auch sein Fleisch vernimmt, vernimmt er sich ganz, und nur, wenn er sich ganz vernimmt, ist er vernehmend oder vernünftig. Der Christ vernimmt den Jammer seiner geknechteten Natur nicht, sondern lebt in »Demut«; darum murrt er nicht gegen die Unbill, welche seiner Person widerfährt: mit der »Geistesfreiheit« glaubt er sich befriedigt. Führt aber einmal das Fleisch das Wort und ist der Ton desselben, wie es nicht anders sein kann, »leidenschaftlich«, »unanständig«, »nicht wohlmeinend«, »böswillig« usw., so glaubt er Teufelsstimmen zu vernehmen, Stimmen gegen den Geist (denn Anstand, Leidenschaftlosigkeit, Wohlmeinung u. dergl. ist eben – Geist), und eifert mit Recht dagegen. Er müßte nicht Christ sein, wenn er sie dulden wollte. Er hört nur auf die Sittlichkeit und schlägt die Sittenlosigkeit aufs Maul, er hört nur auf die Gesetzlichkeit und knebelt das gesetzlose Wort: der Geist der Sittlichkeit und Gesetzlichkeit hält ihn gefangen, ein starrer, unbeugsamer Herr. Das nennen sie die »Herrschaft des Geistes« –, es ist zugleich der Standpunkt des Geistes.
Und wen wollen nun die gewöhnlichen liberalen Herrn frei machen? Nach wessen Freiheit schreien und lechzen sie denn? Nach der des Geistes! Des Geistes der Sittlichkeit, Gesetzlichkeit, Frömmigkeit, Gottesfurcht usw. Das wollen die antiliberalen Herren auch, und der ganze Streit zwischen beiden dreht sich um den Vorteil, ob die letzteren das Wort allein haben oder die ersteren einen »Mitgenuß desselben Vorteils« erhalten sollen. Der Geist bleibt für beide der absolute Herr, und sie hadern nur darum, wer den hierarchischen Thron, der dem »Statthalter des Herrn« gebührt, einnehmen soll. Das Beste an der Sache ist, daß man dem Treiben ruhig zusehen kann mit der Gewißheit, daß die wilden Tiere der Geschichte sich ebenso zerfleischen werden, wie die der Natur; ihre verwesenden Kadaver düngen den Boden für – unsere Früchte.
Auf manchen andern Sparren, wie den des Berufes, der Wahrhaftigkeit, der Liebe usw., kommen wir später zurück.
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Wenn das Eigene dem Eingegebenen entgegengestellt wird, so will der Einwurf nichts verschlagen, daß wir Isoliertes nicht haben können, sondern alles im Weltzusammenhange, also durch den Eindruck des um uns Befindlichen empfangen, mithin als ein »Eingegebenes« haben; denn es ist ein großer Abstand zwischen den Gefühlen und Gedanken, welche durch anderes in mir angeregt, und denen, welche mir gegeben werden. Gott, Unsterblichkeit, Freiheit, Menschlichkeit usw. werden uns von Kindheit an als Gedanken und Gefühle eingeprägt, die kräftiger oder flauer unser Inneres bewegen, und entweder unbewußt uns beherrschen, oder in reicheren Naturen zu Systemen und Kunstwerken sich darlegen können, immer aber nicht angeregte, sondern eingegebene Gefühle sind, weil wir an sie glauben und an ihnen hängen müssen. Daß ein Absolutes sei und dieses Absolute von uns aufgenommen, gefühlt und gedacht werden müsse, stand als Glaube bei denen fest, die alle Kraft ihres Geistes darauf verwandten, es zu erkennen und darzustellen. Das Gefühl für das Absolute besteht da als ein eingegebenes und kommt fortan nur zu den mannigfaltigsten Offenbarungen seiner selbst. So war in Klopstock das religiöse Gefühl ein eingegebenes, das sich in der Messiade nur künstlerisch verkündete. Wäre hingegen die Religion, welche er vorfand, für ihn nur eine Anregung zu Gefühl und Gedanke gewesen, und hätte er sich ganz eigen dagegen zu stellen gewußt, so ergab sich statt religiöser Begeisterung eine Auflösung und Verzehrung des Objektes. Dafür setzte er im reifen Alter nur seine kindischen, in der Kindheit empfangenen Gefühle fort und verpraßte die Kräfte seiner Mannheit in dem Aufputz seiner Kindereien.
Der Unterschied ist also der, ob mir Gefühle eingegeben oder nur angeregt sind. Die letzteren sind eigene, egoistische, weil sie mir nicht als Gefühle eingeprägt, vorgesagt und aufgedrungen wurden; zu den ersteren aber spreize ich mich auf, hege sie in mir wie ein Erbteil, kultiviere sie und bin von ihnen besessen. Wer hätte es niemals, bewußter oder unbewußter gemerkt, daß unsere ganze Erziehung darauf ausgeht, Gefühle in uns zu erzeugen, d.h. sie uns einzugeben, statt die Erzeugung derselben uns zu überlassen, wie sie auch ausfallen mögen. Hören wir den Namen Gottes, so sollen wir Gottesfurcht empfinden, hören wir den der fürstlichen Majestät, so soll er mit Ehrfurcht, Ehrerbietung, Untertänigkeit aufgenommen werden, hören wir den der Moral, so sollen wir etwas Unverletzliches zu hören meinen, hören wir von dem und den Bösen, so sollen wir schaudern usw. Auf diese Gefühle ist's abgesehen, und wer z.B. die Taten der »Bösen« mit Wohlgefallen vernähme, der müßte durch die Zuchtrute »gezüchtigt und erzogen« werden. So mit eingegebenen Gefühlen vollgestopft, erscheinen wir vor den Schranken der Mündigkeit und werden »mündig gesprochen«. Unsere Ausrüstung besteht aus »erhebenden Gefühlen, erhabenen Gedanken, begeisternden Grundsätzen, ewigen Prinzipien« usw. Mündig sind die Jungen dann, wenn sie zwitschern wie die Alten; man hetzt sie durch die Schule, damit sie die alte Leier lernen, und haben sie diese inne, so erklärt man sie für mündig.
Wir dürfen nicht bei jeder Sache und jedem Namen, der uns vorkommt, fühlen, was wir dabei fühlen möchten und könnten, dürfen z.B. bei dem Namen Gottes nichts Lächerliches denken, nichts Unehrerbietiges fühlen, sondern es ist uns vorgeschrieben und eingegeben, was und wie wir dabei fühlen und denken sollen.
Das ist der Sinn der Seelsorge, daß meine Seele oder mein Geist gestimmt sei, wie andere es recht finden, nicht wie ich selbst möchte. Wie viele Mühe kostet es einem nicht, wenigstens bei dem und jenem Namen endlich sich ein eigenes Gefühl zu sichern und manchem ins Gsicht zu lachen, der von uns bei seinen Reden ein heiliges Gesicht und eine unverzogene Miene erwartet. Das Eingegebene ist uns fremd, ist uns nicht eigen, und darum ist es »heilig«, und es hält schwer, die »heilige Scheu davor« abzulegen.
Heutigestags hört man auch wieder den »Ernst« anpreisen, den »Ernst bei hochwichtigen Gegenständen und Verhandlungen«, den »deutschen Ernst« usw. Diese Art der Ernsthaftigkeit spricht deutlich aus, wie alt und ernstlich schon die Narrheit und Besessenheit geworden ist. Denn es gibt nichts Ernsthafteres als den Narren, wenn er auf den Kernpunkt seiner Narrheit kommt: da versteht er vor großem Eifer keinen Spaß mehr. (Siehe Tollhäuser.)
§ 3. Die Hierarchie
Die geschichtliche Reflexion über unser Mongolentum, welche ich an dieser Stelle episodisch einlegen will, gebe ich nicht mit dem Anspruch auf Gründlichkeit oder auch nur auf Bewährtheit, sondern lediglich darum, weil mich dünkt, sie könne zur Verdeutlichung des übrigen beitragen.
Die Weltgeschichte, deren Gestaltung eigentlich ganz dem kaukasischen Menschenstamm angehört, scheint bis jetzt zwei kaukasische Weltalter durchlaufen zu haben, in deren erstem wir unsere angeborene Negerhaftigkeit aus- und abzuarbeiten hatten, worauf im zweiten die Mongolenhaftigkeit (das Chinesentum) folgte, dem gleichfalls endlich ein Ende mit Schrecken gemacht werden muß. Die Negerhaftigkeit stellt dar das Altertum, die Zeit der Abhängigkeit von den Dingen (vom Hahnenfraß, Vögelflug, vom Niesen, von Donner und Blitz, vom Rauschen heiliger Bäume usw.); die Mongolenhaftigkeit die Zeit der Abhängigkeit von Gedanken, die christliche. Der Zukunft sind die Worte vorbehalten: Ich bin Eigner der Welt der Dinge, und ich bin Eigner der Welt des Geistes.
Ins negerhafte Weltalter fallen die Züge des Sesostris und die Bedeutsamkeit Ägyptens und Nordafrikas überhaupt. Dem mongolenhaften Weltalter gehören die Hunnen- und Mongolenzüge an, bis herauf zu den Russen.
Der Wert meiner kann unmöglich hoch angeschlagen werden, solange der harte Demant des Nicht-Ich so gewaltig im Preise steht, wie dies sowohl mit dem Gotte als mit der Welt der Fall war. Das Nicht-Ich ist noch zu körnig und unbezwinglich, um von mir verzehrt und absorbiert zu werden; vielmehr kriechen die Menschen nur auf diesem Unbeweglichen, d.h. auf dieser Substanz mit außerordentlicher Geschäftigkeit herum, wie Schmarotzertierchen auf einem Leibe, von dessen Säften sie Nahrung ziehen, ohne ihn darum aufzuzehren. Es ist die Geschäftigkeit des Ungeziefers, die Betriebsamkeit der Mongolen. Bei den Chinesen bleibt ja alles beim alten, und nichts »Wesentliches« oder »Substanzielles« unterliegt einer Veränderung; desto rühriger arbeiten sie an dem Bleibenden, welches den Namen des »Alten«, der »Vorfahren« usw. führt, herum.
Sonach ist in unserem mongolischen Weltalter alle Veränderung nur eine reformatorische oder ausbessernde, keine destruktive oder verzehrende und vernichtende gewesen. Die Substanz, das Objekt bleibt. All unsere Betriebsamkeit war nur Ameisentätigkeit und Flohsprung, Jongleurkünste auf dem unbeweglichen Seile des Objektiven, Frohndienst unter der Herrschaft des Unveränderlichen oder »Ewigen«. Die Chinesen sind wohl das positivste Volk, weil ganz in Satzungen vergraben; aus dem Positiven ist aber auch das christliche Weltalter nicht herausgekommen, d.h. aus der »beschränkten Freiheit«, der Freiheit »innerhalb gewisser Schranken«. Auf der vorgeschrittensten Bildungsstufe verdient diese Tätigkeit den Namen der wissenschaftlichen, des Arbeitens auf einer unbewegten Voraussetzung, einer unumstößlichen Hypothese.
In ihrer ersten und unverständlichsten Form gibt sich die Sittlichkeit als Gewohnheit. Nach seines Landes Sitte und Gewohnheit handeln – heißt da sittlich sein. Darum wird ein reines sittliches Handeln, eine lautere, unverfälschte Sittlichkeit am schlichtesten in China geübt: man bleibt bei der alten Gewohnheit und Sitte, und haßt als todeswürdiges Verbrechen jegliche Neuerung. Denn die Neuerung ist der Todfeind der Gewohnheit, des Alten, der Beharrlichkeit. Es unterliegt auch in der Tat keinem Zweifel, daß der Mensch sich durch Gewohnheit gegen die Zudringlichkeit der Dinge, der Welt, sichert und eine eigene Welt gründet, in welcher er allein heimisch und zu Hause ist, d.h. sich einen Himmel erbaut. Hat ja doch der »Himmel« keinen andern Sinn, als den, daß er die eigentliche Heimat des Menschen sei, worin ihn nichts Fremdes mehr bestimmt und beherrscht, kein Einfluß des Irdischen mehr ihn selbst entfremdet, kurz worin die Schlacken des Irdischen abgeworfen sind und der Kampf gegen die Welt ein Ende gefunden hat, worin ihm also nichts mehr versagt ist. Der Himmel ist das Ende der Entsagung, er ist der freie Genuß. Dort versagt sich der Mensch nichts mehr, weil ihm nichts mehr fremd und feindlich ist. Nun ist aber die Gewohnheit eine »andere Natur«, welche den Menschen von seiner ersten und ursprünglichen Natürlichkeit ablöst und befreit, indem sie ihn gegen jede Zufälligkeit derselben sichert. Die ausgebildete Gewohnheit der Chinesen hat für alle Vorfälle gesorgt, und für alles ist »vorgesehen«; was auch kommen mag, es weiß der Chinese immer, wie er sich zu verhalten hat, und er braucht sich nicht erst nach den Umständen zu bestimmen: aus dem Himmel seiner Ruhe stürzt ihn kein unvorhergesehener Fall. Der sittlich eingewohnte und eingelebte Chinese wird nicht überrascht und überrumpelt: er verhält sich gegen alles gleichmütig, d.h. mit gleichem Mute oder Gemüte, weil sein Gemüt, durch die Vorsicht seiner althergebrachten Sitte geschützt, nicht außer Fassung kommt. Auf der Stufenleiter der Bildung oder Kultur besteigt die Menschheit mithin durch die Gewohnheit die erste Sprosse, und da sie sich vorstellt, im Erklimmen der Kultur zugleich den Himmel, das Reich der Kultur oder zweiten Natur, zu erklimmen, so besteigt sie wirklich die erste Sprosse der – Himmelsleiter.
Hat das Mongolentum das Dasein geistiger Wesen festgestellt, eine Geisterwelt, einen Himmel geschaffen, so haben die Kaukasier Jahrtausende mit diesen geistigen Wesen gerungen, um ihnen auf den Grund zu kommen. Was taten sie also anders, als daß sie auf mongolischem Grund bauten? Sie haben nicht auf Sand, sondern in der Luft gebaut, haben mit dem Mongolischen gerungen, den mongolischen Himmel, den Thiän, gestürmt. Wann werden sie diesen Himmel endlich vernichten? Wann werden sie endlich wirkliche Kaukasier werden und sich selber finden? Wann wird die »Unsterblichkeit der Seele«, die sich in letzter Zeit noch mehr zu sichern glaubte, wenn sie sich als »Unsterblichkeit des Geistes« präsentierte, endlich in die Sterblichkeit des Geistes umschlagen?
Im industriösen Ringen der mongolischen Rasse hatten die Menschen einen Himmel erbaut, als die vom kaukasischen Menschenstamme, solange sie in ihrer mongolischen Färbung es mit dem Himmel zu tun haben, die entgegengesetzte Aufgabe, die Aufgabe, jenen Himmel der Sitte zu stürmen, die himmelstürmende Tätigkeit übernahmen. Alle Menschensatzung zu unterwühlen, um über dem aufgeräumten Bauplatz eine neue und – bessere zu schaffen, alle Sitte zu verderben, um immer neue und – bessere Sitten an die Stelle derselben zu setzen usw., darauf beschränkt sich ihre Tat. Ist sie so aber schon rein und wirklich das, was sie zu sein trachtet, und erreicht sie ihr letztes Absehen? Nein, sie ist in diesem Erschaffen eines »Besseren« mit dem Mongolentum behaftet. Sie stürmt den Himmel nur, um wieder einen Himmel zu machen, sie stürzt eine alte Gewalt nur, um eine neue Gewalt zu legitimieren, sie – verbessert nur. Gleichwohl ist der Zielpunkt, so oft er auch bei jedem neuen Ansatz aus den Augen verschwinden mag, der wirkliche, vollendete Sturz des Himmels, der Sitte usw., kurz des nur gegen die Welt gesicherten Menschen, der Isolierung oder Innerlichkeit des Menschen. Durch den Himmel der Kultur sucht sich der Mensch von der Welt zu isolieren, ihre feindselige Macht zu brechen. Diese Himmelsilosierung muß aber gleichfalls gebrochen werden, und das wahre Ende des Himmelsstürmens ist der – Himmelssturz, die Himmelsvernichtung. Das Verbessern und Reformieren ist das Mongolentum des Kaukasiers, weil er dadurch von neuem wieder setzt, was vorher schon war, nämlich eine Satzung, ein Allgemeines, einen Himmel. Er hegt die unversöhnlichste Feindschaft gegen den Himmel und baut doch täglich neue Himmel: Himmel auf Himmel türmend erdrückt er nur einen durch den andern, der Himmel der Juden zerstört den der Griechen, der der Christen den der Juden, der der Protestanten den der Katholiken usw. – Streifen die himmelstürmenden Menschen des kaukasischen Blutes ihre Mongolenhaut ab, so werden sie den Gemütsmenschen unter dem Schutt der ungeheuren Gemütswelt begraben, den isolierten Menschen unter seiner isolierten Welt, den Verhimmelnden unter seinem Himmel. Und der Himmel ist das Geisterreich, das Reich der Geistesfreiheit.
Das Himmelreich, das Reich der Geister und Gespenster, hat in der spekulativen Philosophie seine rechte Ordnung gefunden. Hier wurde es ausgesprochen als das Reich der Gedanken, Begriffe und Ideen: der Himmel ist von Gedanken und Ideen bevölkert, und dies »Geisterreich« ist dann die wahre Wirklichkeit.
Dem Geiste Freiheit erwerben wollen, das ist Mongolentum, Geistesfreiheit ist mongolische Freiheit, Gemütsfreiheit, moralische, sittliche Freiheit usw.
Man nimmt das Wort »Sittlichkeit« wohl für gleichbedeutend mit Selbsttätigkeit, Selbstbestimmung. Allein das liegt nicht darin, und es hat sich der Kaukasier vielmehr nur selbsttätig bewiesen trotz seiner mongolischen Sittlichkeit. Der mongolische Himmel oder die Sitte blieb die feste Burg, und nur dadurch, daß der Kaukasier unaufhörlich gegen diese Burg anstürmte, bewies er sich sittlich; hätte er's gar nicht mehr mit der Sitte zu tun gehabt, hätte er nicht an ihr seinen »unbezwinglichen, fortwährenden Feind« gehabt, so hörte die Beziehung zur Sitte auf, mithin die Sittlichkeit. Daß also seine Selbsttätigkeit noch eine sittliche ist, das ist eben das Mongolenhafte an ihr, ist ein Zeichen, daß er in derselben nicht zu sich selbst gekommen. Die »sittliche Selbsttätigkeit« entspricht ganz der »religiösen und rechtgläubigen Philosophie«, der »konstitutionellen Monarchie«, dem »christlichen Staate«, der »Freiheit in gewissen Schranken«, der »beschränkten Preßfreiheit«, oder in einem Bilde dem ans Krankenlager gefesselten Helden.
Erst dann hat der Mensch das Schamanentum und seinen Spuk wirklich überwunden, wenn er nicht bloß den Gespensterglauben, sondern auch den Glauben an den Geist abzulegen die Kraft besitzt, nicht bloß den Geisterglauben, sondern auch den Geistesglauben.
Wer an einen Spuk glaubt, nimmt nicht mehr das »Hereinragen einer hohem Welt« an, als wer an den Geist glaubt, und beide suchen hinter der sinnlichen Welt eine übersinnliche, kurz sie erzeugen und glauben eine andere Welt, und diese andere Welt, das Erzeugnis ihres Geistes, ist eine geistige Welt: ihre Sinne fassen und wissen ja nichts von einer anderen, unsinnlichen Welt, nur ihr Geist lebt darin. Der Fortgang von diesem mongolischen Glauben an das Dasein geistiger Wesen dahin, daß auch des Menschen eigentliches Wesen sein Geist sei, und daß auf diesen allein, auf sein »Seelenheil« alle Sorgfalt gerichtet werden müsse, ist nicht schwer. Damit wird die Einwirkung auf den Geist, der sogenannte »moralische Einfluß« gesichert.
Es springt daher in die Augen, daß das Mongolentum die vollkommene Rechtlosigkeit der Sinnlichkeit, die Unsinnlichkeit und Unnatur repräsentiere, und daß die Sünde und das Sündenbewußtsein unsere Jahrtausende lange mongolische Plage war.
Wer aber wird auch den Geist in sein Nichts auflösen? Er, der mittels des Geistes die Natur als das Nichtige. Endliche, Vergängliche darstellte, er kann allein auch den Geist zu gleicher Nichtigkeit herabsetzen: Ich kann es, es kann es jeder unter euch, der als unumschränktes Ich waltet und schafft, es kann's mit einem Worte der – Egoist.
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Vor dem Heiligen verliert man alles Machtgefühl und allen Mut: man verhält sich gegen dasselbe ohnmächtig und demütig. Und doch ist kein Ding durch sich heilig, sondern durch meine Heiligsprechung, durch meinen Spruch, mein Urteil, mein Kniebeugen, kurz durch mein – Gewissen.
Heilig ist alles, was dem Egoisten unnahbar sein soll, unberührbar, außerhalb seiner Gewalt, d.h. über ihm: heilig mit einem Worte jede – Gewissenssache, denn »dies ist mir eine Gewissenssache« heißt eben: »dies halte ich heilig«.
Für kleine Kinder, wie für Tiere, existiert nichts Heiliges, weil man, um dieser Vorstellung Raum zu geben, schon so weit zu Verstand gekommen sein muß, daß man Unterschiede wie: »gut und böse, berechtigt und unberechtigt« usw. machen kann; nur bei solchem Grade der Reflexion oder Verständigkeit – dem eigentlichen Standpunkte der Religion – kann an die Stelle der natürlichen Furcht die unnatürliche (d.h. erst durch Denken hervorgebrachte) Ehrfurcht treten, die »heilige Scheu«. Es gehört dazu, daß man etwas außer sich für mächtiger, größer, berechtigter, besser usw. hält, d.h. daß man die Macht eines Fremden anerkennt, also nicht bloß fühlt, sondern ausdrücklich anerkennt, d.h. einräumt, weicht, sich gefangen gibt, sich binden läßt (Hingebung, Demut, Unterwürfigkeit, Untertänigkeit usw.). Hier spukt die ganze Gespensterschar der »christlichen Tugenden«.
Alles, wovor ihr einen Respekt oder eine Ehrfurcht hegt, verdient den Namen eines Heiligen; auch sagt ihr selbst, ihr trüget eine »heilige Scheu«, es anzutasten. Und selbst dem Unheiligen gebt ihr diese Farbe (Galgen, Verbrechen usw.). Es graut euch vor der Berührung desselben. Es liegt etwas Unheimliches, d.h. Unheimisches oder Uneigenes darin.
»Gälte dem Menschen nicht irgend etwas als heilig, so wäre ja der Willkür, der schrankenlosen Subjektivität Tür und Tor geöffnet!« Furcht macht den Anfang, und dem rohesten Menschen kann man sich fürchterlich machen; also schon ein Damm gegen seine Frechheit. Allein in der Furcht bleibt immer noch der Versuch, sich vom Gefürchteten zu befreien durch List, Betrug, Pfiffe usw. Dagegen ist's in der Ehrfurcht ganz anders. Hier wird nicht bloß gefürchtet, sondern auch geehrt: das Gefürchtete ist zu einer innerlichen Macht geworden, der ich mich nicht mehr entziehen kann; ich ehre dasselbe, bin davon eingenommen, ihm zugetan und angehörig: durch die Ehre, welche ich ihm zolle, bin ich vollständig in seiner Gewalt, und versuche die Befreiung nicht einmal mehr. Nun hänge ich mit der ganzen Kraft des Glaubens daran, ich glaube. Ich und das Gefürchtete sind eins: »nicht ich lebe, sondern das Respektierte lebt in mir!« Weil der Geist, das Unendliche, kein Ende nehmen läßt, darum ist er stationär: er fürchtet das Sterben, er kann von seinem Jesulein nicht lassen, die Größe der Endlichkeit wird von seinem geblendeten Auge nicht mehr erkannt: das nun zur Verehrung gesteigerte Gefürchtete darf nicht mehr angetastet wurden: die Ehrfurcht wird verewigt, das Respektierte wird vergöttert. Der Mensch ist nun nicht mehr schaffend, sondern lernend (wissend, forschend usw.), d.h. beschäftigt mit einem festen Gegenstande, sich vertiefend in ihn, ohne Rückkehr zu sich selber. Das Verhältnis zu diesem Gegenstande ist das des Wissens, des Ergründens und Begründens usw., nicht das des Auflösens (Abschaffens usw.). »Religiös soll der Mensch sein«, das steht fest; daher beschäftigt man sich nur mit der Frage, wie dies zu erreichen, welches der rechte Sinn der Religiosität usw. Ganz anders, wenn man das Axiom selbst fraglich macht und in Zweifel zieht, und sollte es auch über den Haufen stürzen. Sittlichkeit ist auch eine solche heilige Vorstellung: sittlich müsse man sein, und müsse nur das rechte Wie, die rechte Art es zu sein, aufsuchen. An die Sittlichkeit selbst wagt man sich nicht mit der Frage, ob sie nicht selbst ein Truggebilde sei: sie bleibt über allem Zweifel erhaben, unwandelbar. Und so geht es fort mit dem Heiligen, Stufe für Stufe, vom »Heiligen« bis zum »Hochheiligen«.
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Man teilt mitunter die Menschen in zwei Klassen, in Gebildete und Ungebildete. Die ersteren beschäftigten sich, soweit sie ihres Namens würdig waren, mit Gedanken, mit dem Geiste, und forderten, weil sie in der nachchristlichen Zeit, deren Prinzip eben der Gedanke ist, die Herrschenden waren, für die von ihnen anerkannten Gedanken einen unterwürfigen Respekt. Staat, Kaiser, Kirche, Gott, Sittlichkeit, Ordnung usw. sind solche Gedanken oder Geister, die nur für den Geist sind. Ein bloß lebendiges Wesen, ein Tier, kümmert sich um sie so wenig wie ein Kind. Allein die Ungebildeten sind wirklich nichts als Kinder, und wer nur seinen Lebensbedürfnissen nachhängt, ist gleichgültig gegen jene Geister; weil er aber auch schwach gegen dieselben ist, so unterliegt er ihrer Macht, und wird beherrscht von – Gedanken. Dies ist der Sinn der Hierarchie.
Hierarchie ist Gedankenherrschaft, Herrschaft des Geistes!
Hierarchisch sind wir bis auf den heutigen Tag, unterdrückt von denen, welche sich auf Gedanken stützen. Gedanken sind das Heilige.
Immer aber stoßen beide aneinander, der Gebildete an den Ungebildeten, wie umgekehrt, und zwar nicht bloß im Anrennen zweier Menschen, sondern in ein und demselben Menschen. Denn kein Gebildeter ist so gebildet, daß er nicht auch an den Dingen Freude fände, mithin ungebildet wäre, und kein Ungebildeter ist ganz ohne Gedanken. Bei Hegel kommt endlich zutage, welche Sehnsucht gerade der Gebildetste nach den Dingen hat, und welchen Abscheu er vor jeder »hohlen Theorie« hegt. Da soll dem Gedanken ganz und gar die Wirklichkeit, die Welt der Dinge, entsprechen, und kein Begriff ohne Realität sein. Dies verschaffte Hegels System den Namen des objektivsten, als feierten darin Gedanke und Ding ihre Vereinigung. Aber es war dies eben nur die äußerste Gewaltsamkeit des Denkens, die höchste Despotie und Alleinherrschaft desselben, der Triumph des Geistes, und mit ihm der Triumph der Philosophie. Höheres kann die Philosophie nicht mehr leisten, denn ihr Höchstes ist die Allgewalt des Geistes, die Allmacht des Geistes15.
Die geistlichen Menschen haben sich etwas in den Kopfgesetzt, was realisiert werden soll. Sie haben Begriffe von Liebe, Güte u. dergl, die sie verwirklicht sehen möchten; darum wollen sie ein Reich der Liebe auf Erden errichten, worin keiner mehr aus Eigennutz, sondern jeder »aus Liebe« handelt. Die Liebe soll herrschen. Was sie sich in den Kopf gesetzt haben, wie soll man das anders nennen als – fixe Idee? Es »spukt ja in ihrem Kopfe«. Der beklemmendste Spuk ist der Mensch. Man denke des Sprichwortes: »Der Weg zum Verderben ist mit guten Vorsätzen gepflastert.« Der Vorsatz, die Menschlichkeit ganz in sich zu verwirklichen, ganz Mensch zu werden, ist von so verderblicher Art; dahin gehören die Vorsätze, gut, edel, liebevoll usw. zu werden.
In dem sechsten Hefte der Denkwürdigkeiten S. 7 sagt Br. Bauer: »Jene Bürgerklasse, die für die neuere Geschichte ein so furchtbares Gewicht erhalten sollte, ist keiner aufopfernden Handlung, keiner Begeisterung für eine Idee, keiner Erhebung fähig: sie gibt sich für nichts hin, als für das Interesse ihrer Mittelmäßigkeit, d.h. sie bleibt immer auf sich selbst beschränkt und siegt endlich nur durch ihre Massenhaftigkeit, mit welcher sie die Anstrengungen der Leidenschaft, der Begeisterung, der Konsequenz zu ermüden wußte, durch ihre Oberfläche, in welche sie einen Teil der neuen Ideen einsaugt.« Und S. 6: »Sie hat die revolutionären Ideen, für welche nicht sie, sondern uneigennützige oder leidenschaftliche Männer sich aufopferten, sich allein zugute kommen lassen, den Geist in Geld verwandelt. – Freilich nachdem sie jenen Ideen die Spitze, die Konsequenz, den zerstörenden und gegen allen Egoismus fanatischen Ernst genommen hatte.« Diese Leute sind also nicht aufopfernd, nicht begeistert, nicht ideal, nicht konsequent, keine Enthusiasten; sie sind im gewöhnlichen Verstande Egoisten, Eigennützige, auf ihren Vorteil bedacht, nüchtern, berechnend usw.
Wer ist denn »aufopfernd«? Vollständig doch wohl derjenige, der an eins, einen Zweck, einen Willen, eine Leidenschaft usw. alles andere setzt. Ist der Liebende, der Vater und Mutter verläßt, der alle Gefahren und Entbehrungen besteht, um zu seinem Ziele zu kommen, nicht aufopfernd? Oder der Ehrgeizige, der alle Begierden, Wünsche und Befriedigungen der einzigen Leidenschaft darbringt, oder der Geizige, der sich alles versagt, um Schätze zu sammeln, oder der Vergnügungssüchtige usw.? Ihn beherrscht eine Leidenschaft, der er die übrigen zum Opfer bringt.
Und sind diese Aufopfernden nicht etwa eigennützig, nicht Egoisten? Da sie nur eine herrschende Leidenschaft haben, sorgen sie auch nur für eine Befriedigung, aber für diese um desto eifriger: sie gehen in ihr auf. Egoistisch ist ihr ganzes Tun und Treiben, aber es ist ein einseitiger, unaufgeschlossener, bornierter Egoismus: es ist Besessenheit.
»Das sind ja kleinliche Leidenschaften, von denen sich im Gegenteil der Mensch nicht knechten lassen soll. Für eine große Idee, eine große Sache muß der Mensch Opfer bringen!« Eine »große Idee«, eine »gute Sache« ist etwa die Ehre Gottes, für die Unzählige in den Tod gingen, das Christentum, das seine bereitwilligen Märtyrer gefunden hat, die alleinseligmachende Kirche, die sich Ketzeropfer gierig gelangt hat; die Freiheit und Gleichheit, der blutige Guillotinen zu Diensten standen.
Wer für eine große Idee, eine gute Sache, eine Lehre, ein System, einen erhabenen Beruf lebt, der darf kein weltliches Gelüste, kein selbstsüchtiges Interesse in sich aufkommen lassen. Hier haben wir den Begriff des Pfaffentums, oder wie es in seiner pädagogischen Wirksamkeit auch genannt werden kann, die Schulmeisterlichkeit; denn die Idealen schulmeistern uns. Der Geistliche ist recht eigentlich berufen, der Idee zu leben und für die Idee, die wahrhaft gute Sache, zu wirken. Deshalb fühlt das Volk, wie wenig es ihm anstehe, einen weltlichen Hochmut zu zeigen, ein Wohlleben zu begehren, Vergnügen, wie Tanz und Spiel, mitzumachen, kurz ein anderes als ein »heiliges Interesse« zu haben. Daher schreibt sich auch wohl die dürftige Besoldung der Lehrer, die sich allein durch die Heiligkeit ihres Berufes belohnt fühlen und sonstigen Genüssen »entsagen« sollen.
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