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5. Fragen allgemeiner Natur, die sich an den Morphinismus knüpfen.

Der Morphinismus ist ein gefährlicherer geistiger Zwangszustand als der Alkoholismus. Was für diesen in Bezug auf die Einordnungsmöglichkeit des Individuums in verantwortliche Stellungen bekannt ist und geübt wird, muss, wie ich dies schon vor Jahrzehnten und nach mir andere gefordert haben, in erhöhtem Maße für den Morphinisten gelten. Ein Morphinist ist ein geistig Kranker, in höherem Grade noch als der Säufer. Einen solchen darf man nicht als Examinator, Richter, Offizier usw., kurz, nicht in Stellungen belassen, in denen er auf das Wohl und Wehe seiner Mitmenschen einen Einfluss auszuüben vermag. Nicht nur die Veränderungen [90] im psychischen Verhalten, sondern auch körperliche Minderwertigkeit sollten es verbieten, morphinistische Arbeiter in verantwortlichen Stellungen zu belassen, z. B. Lokomotivführer, Blockbeamte, Streckenwärter usw.

In einem vorgerückten Stadium des Morphinismus besteht nicht einmal mehr die Dispositionsfähigkeit. Das Gift macht eine tiefgehende Veränderung der Persönlichkeit, die sich durch beharrliches Wollen und Handeln kundgeben, denen nach allgemein menschlicher Auffassung nicht nur der Charakter des ethisch und moralisch gewöhnlich Zulässigen fehlt, sondern die auch in mancher Hinsicht gegen das Gesetz verstoßen, sobald man die für den Alkoholisten juristisch gültigen Auffassungen auf den Morphinisten überträgt. Es war deshalb ein durch Weltfremdheit entstandenes Fehlurteil eines französischen Gerichts, das Testament eines Morphinisten, der durch Morphin Selbstmord begangen, nachdem er seine Mätresse zur Universalerbin eingesetzt hatte, für gültig zu erklären, mit der auch sonst wohl benutzten törichten Begründung, dass, da der Morphinismus im Strafrecht nicht die Verantwortlichkeit aufhebe, er auch die zivilrechtliche Verfügungsfähigkeit nicht ausschließe. Die Rechtsprechung, die den Alkoholisten mit Hemmnissen und Strafen in mannigfaltigen Gestaltungen umhüllt hat, ging bisher an dem Morphinisten und Kokainisten und anderen Narkomanen vorüber, weil Juristen noch immer nicht gewillt sind, dem Mediziner Fassung, sachliche Begründung und Lösung medizinischer Probleme zu überlassen, die eine Beziehung des Individuums zur öffentlichen Ordnung haben.42 Sieht man doch wieder, dass sogar für die Kommission des Völkerbundes, die sich mit der Weltfrage der Narkomanie beschäftigt, meines Wissens kein sachverständiger Mediziner hinzugezogen [91] worden ist. Hier sollten die Ärzte aller Länder geschlossen gegen die Macht medizinisch Immuner Einspruch erheben.

Jetzt findet sich in dem Entwurf eines „Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs“ vom Jahre 1925 ein Abschnitt der als „Missbrauch von Rauschgiften“ betitelt ist und in seinem § 341 von dem „Überlassen berauschender Gifte“ handelt:

„Wer unbefugt einem anderen Opium, Morphium, Kokain oder ähnliche berauschende oder betäubende Gifte überlässt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Dieser Paragraph, der wahrscheinlich keinem Mediziner entstammt, ist in dieser Fassung unmöglich. Nach ihm könnte sich z. B. derjenige, der einem anderen Alkohol, Hoffmannstropfen, Äther, Benzin, Ligroin „überlässt“, strafbar machen. Der Verlangende darf ja solche Stoffe, die frei verkäuflich sind, ohne jede Einschränkung nach seinem Belieben auch als „berauschende oder betäubende Gifte“ verwenden.

Nicht nur dispositionsunfähig sollte der Morphinist gemacht, sondern auch, so forderte man, zwangsweise in einer Heilanstalt untergebracht werden. Die Entmündigung43 kann dadurch begründet werden, dass er infolge seines Gehirnzustandes seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag, dass er in vielen Fällen durch Verschwendung in Morphinanschaffung seine Familie der Gefahr des Notstandes aussetzt. Er ist dem beharrlichen Trunkenbolde gleichzusetzen.44 Der Morphinismus sollte auch die Ehetrennung gestatten. Ein Morphinist leidet in späteren Stadien an einem Gebrechen, welches den Zweck der Ehe verhindert. Wenn er heiratet, betrügt er das junge Weib in jeder Beziehung um ihr Lebensglück. Sie hat auch das Recht auf Erfüllung ihrer physiologischen Bestimmung. In solchen Ehen gerade verführt der Mann in seinem Schuldbewusstsein das Weib zum Morphinismus.

In Bezug auf die Unzurechnungsfähigkeit der Morphinisten, Kokainisten usw. haben die deutschen Gerichte eine verschiedene Praxis geübt, so z. B. Morphinisten, die Rezeptfälschungen vorgenommen hatten, um zu dem Mittel zu kommen, bestraft, dagegen einen Notar, der Opiophag war und unterschlagen hatte und einen infolge schwerer Kriegsverletzungen morphinistisch gewordenen Mann, der immer wieder kleine Diebstähle und Fälschungen beging, um sich Morphin kaufen zu können, freigesprochen. Die Unzurechnungsfähigkeit muss in dem überwiegenden Teil der von Morphinisten begangenen Delikte ausgesprochen werden. Es geht toxikologisch nicht an, die moralisch defekten, „intellektuell jedoch intakten“ Morphinisten differenziert unter das Strafgesetz fallen zu lassen. Das eine bedingt das andere, wennschon dem Uneingeweihten die Intelligenz solcher Menschen ungestört erscheint. Das krankhafte Zwangstriebleben schafft eine krankhafte Veränderung der Persönlichkeit, auf die in vielen Fällen der § 52 des jetzigen Strafgesetzbuches anwendbar ist.

Den mannigfachsten Gesetzesverletzungen wurde als Ursache bestehender Morphinismus untergelegt. So verlangte kürzlich ein Räuber, freigesprochen zu werden, weil er nicht bei klarem Bewusstsein, unter dem Einflusse von Morphin, die Tat begangen habe. Ein Chemiker, der aus einer Heilanstalt, wo er zwecks einer Entziehungskur von Morphin untergebracht worden und entwichen war, benutzte die Freiheit zur Begehung eines Lustmordes. Er legte ein Geständnis ab, versicherte aber, das Verbrechen im Morphinrausch begangen zu haben. Die Annalen der Rechtsprechung künden immer wieder, wie Morphinisten das Gesetz gebrochen haben, wie sie, vor allem, um sich von den Qualen des Morphinhungers, dem Hungerzustand ihrer Großgehirnganglien zu [93] befreien, Einbrüche in Apotheken, Drogenhandlungen, in Arzneibehältnisse von Krankenhäusern vollzogen, Diebstahl oder Betrug begingen, Morphinrezepte fälschten – was einmal, milde, mit sechs Wochen Gefängnis bestraft wurde – oder sich an Menschen vergriffen, wie sie aber auch, selbst wenn ihnen Morphin nicht fehlt, dazu gelangen können, gegen ihre Mitmenschen sich so zu vergehen, dass der Richter zur Beurteilung von Schuld oder Nichtschuld angerufen werden muss.

Im Bereiche der bereits geschilderten Gehirnbetriebsstörungen kommen – was manche derartige Taten zu erklären vermag – auch Psychosen vor, seltener im normalen Verlauf des Morphinismus als bei der akuten Entziehung. Solche Kranke, die meistens schon die Fähigkeit verloren haben, zwischen Recht und Unrecht, wahr und falsch zu unterscheiden, auch das ängstliche Bestreben zeigen, gewisse Unebenheiten ihres neuen Wesens zu verhüllen und einen besonders gesteigerten Impuls, zu täuschen, erkennen lassen, können, wenn sie dafür prädisponiert sind, in der Enthaltungsnot Psychosen bekommen, die in Symptomen und Verlauf den Charakter der Amentia tragen und sich von den Erschöpfungspsychosen nicht abgrenzen lassen. In anderen Fällen trägt die Erkrankung den Charakter der Paranoia. Die angeführte Vielfältigkeit in den Erscheinungsformen der funktionellen Gehirnveränderungen – für die bis jetzt kein positiver anatomischer Befund als Erklärer dienen kann – drängen die Stellungnahme auf, die ich oben zum Ausdruck brachte.

Der § 17 des Entwurfs eines neuen Strafgesetzbuchs – entsprechend dem § 52 des bisherigen – will bei verminderter Zurechnungsfähigkeit infolge von krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche die Strafe mildern, nimmt aber hierfür die Bewusstseinsstörungen aus, die auf selbstverschuldeter Trunkenheit beruhen. Hier sind andere gehirnstörende Betäubungsstoffe als der Alkohol nicht erwähnt. Ob aber Richter „selbstverschuldeten“ Morphinismus ausnehmen würden, ist fraglich.

[94]

6. Die Hilfe gegen den wachsenden Morphinismus.

In leitenden Kreisen aller zivilisierten Länder ist man sich der wachsenden Gefahr bewusst, die in der Zunahme des Gebrauchs von Morphin, Kokain und anderen betäubenden Mitteln liegt. Ein Weltregen von Verordnungen ist die Folge davon gewesen. Es sind fast durchweg Vorschriften, die am grünen Tisch volkswohlfahrtlicher Amtsstuben von Beamten, die das Leben in dieser Beziehung nicht genügend kennen, ersonnen worden sind. Manche von ihnen sind schon vor Jahrzehnten wirkungslos empfohlen worden und verklungen. Alle streben nach dem einen Ziel, den Bezug des Mittels für nicht rein arzneiliche Zwecke zu unterbinden, die Erlaubnis des Bezuges nur durch eine zentrale Behörde möglich sein zu lassen und den Apotheker einer scharfen Kontrolle der Verabfolgung zu unterziehen. Nach dem „Opiumgesetz“ sind alle ärztlichen Verordnungen von Opium, Morphin, Kokain, Heroin, wenn die betreffende Arznei ohne erneute schriftliche Anweisung nicht wiederholt werden darf, in der Apotheke zurückzubehalten. Die Anweisungen bzw. Abschriften sind geordnet wenigstens drei Jahre lang aufzubewahren. Eine preußische Verordnung enthält auch eine Strafandrohung für Ärzte in Krankenanstalten, die es an der nötigen Sorgfalt in der Überwachung von Krankenschwestern und sonstigem Pflegepersonal bei der Verabfolgung von Betäubungsmitteln fehlen ließen. Wie leicht bei mangelhafter Überwachung unter Umständen Morphinisten geschaffen werden können, legte ich in meinem Gutachten in dem Höfle-Prozess dar. Es stellte sich nämlich heraus, dass damals in dem Lazarett des Untersuchungsgefängnisses so leichtfertig stärkste Narkotika von untergeordneten Organen ohne Kontrolle verabfolgt wurden, dass ich dieses Tun als eine Art von Marketendertum mit so gefährlichen Stoffen zu bezeichnen genötigt war. Die Folgen blieben nicht aus.

[95] In außerdeutschen Ländern, z. B. in England, bestehen scharfe Kontrollen für Apotheken, in denen unter anderem ein immer zurückzuhaltendes und zu buchendes Rezept über Morphin usw. gewöhnlich nur ein Mal und auf besondere Anordnung des Arztes nur bis zu drei Malen angefertigt werden darf. Dort wird der ungesetzmäßige Gebrauch und Besitz von Morphin und Kokain, die also nicht von einem Arzt verschrieben worden sind, mit Gefängnis bestraft. In den britischen Malaienstaaten wird durch das „Deleterious Drugs-Enactment“ vom September 1925 dem Obersten Medizinalbeamten die ausschließliche Befugnis zur Ein- und Ausfuhr der im Gesetze genauer bezeichneten Betäubungsmittel erteilt. Ärzte und Apotheker können ihren Bedarf nur mit Bewilligung der Medizinalbehörde und durch deren Vermittlung decken. Das Gesetz verbietet, ohne besondere Bewilligung, die Herstellung von Morphin und Kokain und ihren Salzen sowie den Besitz von irgendwelchen Betäubungsmitteln in Mengen von über zwölf amtlichen Dosen oder von Zubereitungen für innerlichen Gebrauch oder Injektion, welche mehr als zwölf amtliche Dosen enthalten.

Alle bisherigen Maßnahmen für die Unterbindung des Übels können umgangen werden und werden es. Es ist notwendig, sie zu erlassen, aber sie lassen alle nicht auf volle Erfüllung hoffen. Die Leidenschaft des Erlangenwollens und die Gewinnsucht der Händler, auch insoweit damit offiziell handelnde Staaten in Frage kommen, durchbricht alle Wehre. Dies ist für den Kundigen der Erkenntnis letzter Schluss. In unerhört dreister Weise werden seit Jahren offenkundig Spezialitäten verkauft, die, wie z. B. das Trivalin, nicht nur Morphin, sondern auch mit ihm Kokain enthalten. Mit jedem tausendstel Gramm des letzteren steigt unverhältnismäßig hoch die Gefahr der Mischung. Unbewusst der Tragweite ihrer Verordnung machen sich Ärzte zu Mitschuldigen solcher Gewinner. Andere Morphiumbesitzer verkaufen an gut Zah[96]lende Morphin en gros. Die Verschwiegenheit beider Teile ergibt sich aus den Umständen. Vieles andere ließe sich anführen, um zu zeigen, wie schwer, ja fast unmöglich es ist, helfend gegenüber dem Übel einzugreifen.

Ob selbst eine international geregelte Verstaatlichung solcher Stoffe, die in Erwägung gezogen werden könnte, ein klein wenig dem wachsenden Unheil und der Brutalität des Nutzenziehens aus ihm entgegenzuwirken vermöchte, ist schwer zu beantworten.

Prophylaktisch soll nun der Völkerbund in Genf helfen. Nach den bisherigen Verhandlungen45 seiner Opiumkonferenz wird jedoch die Hoffnung, die man an eine erfolgreiche Hilfe durch internationale Regelung von Produktion und Vertrieb von Opium geknüpft hat, sehr getrübt. Amerika, das sich merkantiel an dieser Frage für unbeteiligt hält, stellte den Antrag, jede Produktion von Rohopium und Kokablättern in den Ursprungsländern auf die medizinischen und wissenschaftlichen Bedürfnisse zu beschränken, da das Ziel sein müsse, „einen Sonnenstrahl von Hoffnung in Millionen von Familien leuchten zu lassen, welche an den schrecklichen Folgen des Missbrauchs von Opium und anderen Betäubungsmitteln litten“. Diese Beschränkungsformel fand nicht die Billigung Indiens, dessen Stellungnahme zur Opiumpolitik der Vorwurf gemacht wurde, von geschäftlichen und finanziellen Interessen beeinflusst zu sein. Auch Japan stellt bezüglich des Opiums Forderungen auf, die Indien nicht bewilligen will. In Aussicht genommen war ein stufenweiser Abbau des Opiumhandels und damit des Verbrauchs in fünfzehn Jahren. Aber auch dieser vermittelnde Vorschlag fand keine Zustimmung. Die Opiumkonferenz ist fast gesprengt. Napoleon sagte einst im Staatsrat: „Le commerce n’a pas de patrie.“46 Viel Schlimmeres könnte man dem Handel nach[97]sagen, wenn man seine Betätigung auf dem Gebiete der Betäubungsmittel richtig, ungeschminkt charakterisieren wollte!

Ich kann es letztens als völlig sicher bezeichnen, dass es keinen Ersatzstoff irgendwelcher Art gibt, der – ohne selbst Opium, Opiumbestandteile oder Morphin oder Morphinabkömmlinge zu enthalten – Opium- bzw. Morphingebraucher von ihrer Leidenschaft abzubringen oder sie nur zu vermindern imstande wäre. Was hierfür angepriesen und für hohe Preise bisher vertrieben wurde, beruht entweder auf Irrtum oder bewusstem Betrug. Vor Jahren wurde ein solches Mittel amerikanischer Herkunft, das Piscidia erythrina enthalten sollte, unter einem irreführenden Namen reichlich verkauft. Es enthielt Morphin und verschwand, nachdem ich diesen Betrug aufgedeckt hatte.

Weder Combretum sundaicum noch Mitragyna speciosa oder Mitragyna parvifolia, deren Blätter als „Anti-Opium“ in Perak gebraucht werden, noch Blumea laciniata können auch nur selbst entfernt Ähnliches als Seelenberuhigungsmittel hervorrufen, wie morphinhaltige Stoffe oder gar eine bestehende Leidenschaft für solche niederkämpfen.

Segen und Fluch verknüpft sich mit Morphin. Der Segen strömt von der göttlichen Kraft dieses Stoffes, den nur die Hand des Arztes spenden soll. Wer schmerzdurchwühlt auf seinem Lager wachend die Nächte zubringt, wem wegen eines unheilbaren, Körper und Geist in dauerndes Beben versetzenden Leidens jeder nächste Tag und die weite Zukunft schwarz, trostlos, hoffnungslos verhangen ist, wer dem Leben flucht, weil der Tod nicht kommen will, wer ein lebensunwertes Leben führt, weil zerstörende Kräfte in ihm mitleidlos, aus Naturnotwendigkeit, dauernd, mit der sicheren Aussicht der Todesfolge an der Arbeit sind – ihnen allen nahe der Arzt als Segenbringer, Leidensversöhner oder auch [98] Sterbenserleichterer. Nicht als Todbeschleuniger, obschon durch dasselbe Leben und Tod ineinanderfließen! Hierzu fehlt ihm die Berechtigung. Er gebe Morphin, weil er bei allen jenen Duldern den erzeugten Morphinismus im Vergleiche zu dem Leiden als belanglos ansehen darf. Aber er hüte sich, das Mittel wahllos als Schmerztilger zu verteilen. Daraus werden die Morphinisten, denen dann ein moralischer Makel anhaftet, wenn sie über die augenblicklich erforderlich gewesene Schmerzstillung hinaus noch Vergnügen an dem Mittel fanden und deswegen es weitergebrauchten oder nur zur Erlangung von Lustgefühlen sich dem Mittel ergeben haben. Sie haben nicht das Anrecht, nachsichtig beurteilt zu werden, trotzdem zugegeben werden muss, dass sie schließlich unter einem Zwange, nämlich dem der stets wieder morphinhungrigen Gehirnzellen stehen, die einen nicht sehr festen Willen zu brechen vermögen. Nur den anderen, denen das Leben zu einer Marter geworden ist, in die nur das Morphin als Wunderbalsam dringt, gebührt Mitleid. Was einst von ihm ein deutscher Dichter und Arzt, dem die Muse die Molltöne tiefsten menschlichen Empfindens in die Brust gelegt, sang, ist wahr:

Pflücket den Veilchenstrauß, die ihr den Mai ersehnt,

Die ihr geliebt euch wisst, schmückt euch mit Rosenpracht.

Aber des Unglücks Sohn, der nichts sich wünscht als Vergessen,

Wähle den Mohn sich zum Labsall

Wenn ihn die lange Nacht quälet mit bitterem Schmerz,

Wenn er sich schlaflos wälzt, stöhnend im Folterbett,

Da lang alles entschlief und der Zeiger der pickenden Wanduhr

Stocket im schläfrigen Kreislauf.

O, wie segnet er dich, der Gequälten Trost,

Den heilkundig ein Freund in des Vergessens Trank

Darreicht, wenn ihm das Leid an dem brennenden Auge sich

Und die beglückende Gottheit schließet.

[99] Naht auf dem Wagenthron, den ein Eulenpaar

Ohne Geräusch bewegt! Träufle, o träufle ihm

Huldvoll perlenden Tau, dass die schmachtende Seele sich labe,

Herrlicher König der Traumwelt!

Zaubre die Jugend vor seinen entzückten Geist,

Lass ihn noch einmal schaun glücklicher Tage Glanz,

Maiduft hauch’ ihm gelind in die schmerzverdunkelte Seele,

Hoffnung der besseren Zukunft!

[100]

Kodein und Derivate, Dionin, Heroin, Eukodal, Chlorodine als Genussgifte.

Alle Stoffe, die, unter irgendeinem Namen gehend, Opium bzw. Morphin enthalten, wie Pantopon, Holopon, Glykopon, Laudopan, Nealpon, Eumekon, Trivalin – von dem letzteren wurden schon vor Jahren Vergiftungen amtlich mitgeteilt – , sowie alle diejenigen, die direkt dem Morphin entstammen, die den „Morphinkern“ enthalten, sind an sich geeignet, das leidenschaftliche Verlangen nach Fortgebrauch zu erwecken. Diese Wirkung mag im ganzen nicht so schlimm in den Folgen sich zeigen wie die Ausgangsprodukte, die Sucht nach dem Mittel nicht ganz so stürmisch sein – dadurch erzeugte Wesenheitsänderungen des Individuums an sich, einschließlich der körperlichen Störungen, sowie die Erscheinungen bei der aufgezwungenen Enthaltung davon sind die gleichen wie bei den Ursprungsprodukten.

Kodein.

Eine Morphinverbindung, das viel gebrauchte Kodein, chemisch Methylmorphin, das im Opium vorkommt, bestätigt dies. Es ist ein Irrtum, dass bei Menschen, die dasselbe gebrauchen, der Organismus die gesteigerte Fähigkeit erlangt, das Mittel zu zerstören. Bei Hunden wird es zu 8o % durch den Harn ausgeschieden. Daraus ist der völlig abwegige Schluss gezogen worden, dass keine Gewöhnung an dasselbe stattfinden könne, weil seine Zerstörung im Körper in kaum nennenswertem Umfange bei fortgesetzter Einverleibung zustande käme. Statt einer Gewöhnung träte [101] eine erhöhte Empfindlichkeit ein. Dieser Schluss lehrt, wie große Vorsicht erforderlich ist, um pharmakologische und toxikologische Versuchsergebnisse an Tieren ohne weiteres auf Menschen zu übertragen. Dies gilt ganz allgemein, besonders aber in Hinsicht auf die Wirkungen von narkotischen Stoffen.

Es gibt Kodeinisten mit den artgleichen abnormen Trieben, Empfindungen und Leiden, wie sie Morphinisten aufweisen. Ihre Zahl ist gegenüber den letzteren klein, aber immerhin bemerkenswert. Ein solcher Mensch, ein schwer neuropathischer junger Mann, erhielt wegen seiner seelischen Erregung Kodeinpillen verschrieben, von denen dreimal täglich je eine mit 0,03 g Kodein genommen werden sollte. Euphorie empfand er erst, als er eine größere Menge von ihnen auf einmal verschluckt hatte. Von nun an stieg er mit den Dosen bis zu 50 Pillen täglich, also fast bis zu 2 g Kodein. Ohne dies konnte er nicht mehr auskommen. Der Versuch, es auszusetzen, schuf Verstimmung, Unruhe, Lebensüberdruss. Nach einem Jahr kam er nicht mehr mit fünf Pillen ein- bis zweistündlich aus. Seine Unrast wuchs. Er fuhr zwecklos auf Straßenbahnen und Eisenbahnen umher, wenn er das Bett verließ. Zuletzt gebrauchte er täglich bis zu hundert Kodeinpillen, etwa 3 g Kodein gleichkommend. Schließlich verschaffte er sich auch noch Opiumpillen, nahm auch das teure Betrugspräparat „Antimorphin“, das Morphin enthält und andere Narkotika. Er magerte ab, bekam eine fahle Hautfarbe, eine langsam stotternde Sprache u.a.m. Die Entziehung schuf neben Kodeinhunger Unruhe, Verstimmung, Reizbarkeit, Lebensüberdruss und körperliche Störungen. Der verlorene Mann hatte sein Vermögen von 10.000 M. dieser kostspieligen Leidenschaft geopfert.

Es liegt auf der Hand, dass auch an andere Kodeinverbindungen Gewöhnimg stattfinden kann und zwar in einem gewissen Verhältnisse zu der in ihnen enthaltenen Kodeinmenge. Dies gilt z. B. für das Parakodin, dem eine [102] im Vergleich zum Kodein stärker beruhigende Wirkung zugeschrieben wird, ferner für das Eukodin, dem Kodeinbrommethylat, auch für das Kodeonal und andere.

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9783940621771
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