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Am Stillen Ozean

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Der Kapitän hielt sich an einem der laufenden Taue und hatte die Seetrompete ergriffen. Nur ihr scharfer schneidigschriller Ton vermochte es, das entsetzliche Chaos des uns umtobenden Stimmengewirres zu durchdringen. Seine Kommandos wurden verstanden und trotz der herkulischen Anstrengung, welche dabei erforderlich war, schnell vollzogen. Eine Handvoll braver Topgasten oder Vorkastellmänner warf sich immer auf einen der bedrohten Punkte, und man muß in solchen Augenblicken diese starken, todesmutigen Leute gesehen haben, um zu begreifen, welchen Wert ein jeder einzige von ihnen besitzt. Drei Männer standen am Steuer und vermochten trotz aller ihrer Anstrengung nicht, dasselbe zu regieren; sie mußten die Taue zu Hilfe nehmen.

Die Wogen gingen so schwer, daß sie unter ihrer Wucht das Schiff zu zermalmen drohten; von Minute zu Minute brach eine hohe See über uns her, und der Hauptmast, an dem ich befestigt war, bog sich wie eine Schilf – oder Weidengerte. Das Sturmloch hatte sich verschlossen, und wir befanden uns in vollständiger Nacht, durch deren Finsternis nur der sprühende Schaum der Wogenkämme gespenstig leuchtete. So wütete der Orkan zwei, drei, vier Stunden lang. Ich hatte mich bisher keinem noch so fürchterlichen Prairiebrande, keinem noch so gefährlichen Thiere der Wildnis, keiner noch so drohenden Naturerscheinung gegenüber hilflos gefühlt; jetzt aber durchbebte mich die ganze Erkenntnis menschlicher Schwäche, die uns zu den Füßen des Allmächtigen in den Staub darniederwirft. Ich dachte an jenen Sturm auf dem See Genezareth und an den Hilferuf des gläubig vertrauenden Jüngers: »Herr, hilf uns; wir verderben!« Und ist das Schiff noch so fest und sicher gebaut, klopft in der Brust des Kapitäns ein noch so mutiges und erfahrenes Herz, und thuen die Mannen alle ihre Schuldigkeit, es bleibt doch jedem Augenblick die Macht vorbehalten, das Fahrzeug mit allem darauf wohnenden Leben zu verderben. Und dann —

 
»Dann sitzet an dem frühen Morgen
Das Wrack am öden, fernen Strand;
Dann ruhet alles, tief geborgen,
Dort unten in des Meeres Sand;
Da liegt der Mensch mit seinem Hoffen,
Mit all dem Glück, das ihm gelacht,
In seiner besten Kraft getroffen
Von einer einz’gen Wettersnacht.«
 

Ich hatte noch niemals einen solchen Aufruhr der Elemente erlebt und erwartete alle Sekunden, von meinem Haltpunkte losgerissen und in die kochende See geschleudert zu werden. Eine Regeling um den Bord herum gab es bereits nicht mehr, sie war zerschmettert worden von denjenigen Gegenständen, welche der wütende Sturm von ihren Plätzen gelöst und in das Meer geworfen hatte. Da trat mit einemmale eine minutenlange, lautlose Stille ein, während welcher man das laute, angestrengte Klopfen des Pulses zu hören vermocht hätte.

»Achtung, Jungens; jetzt kommt es doppelt!«

Kaum waren diese Worte des Kapitäns verklungen, so zuckte ein blendender Blitzstrahl hernieder, es erfolgte ein Donnerschlag, unter dem die ganze See erkrachte und die Erde zu bersten schien, und dann wühlte sich der Teifun in das Wasser, daß dieses die Spitzen unserer Masten zu überspringen schien; wir wurden von dem Wogenstrudel gepackt und um unsre eigne Achse gedreht – ein allgemeiner Schrei der Todesangst, ein entsetzliches Krachen und Prasseln und Schmettern, dann schwiegen die Lüfte so plötzlich wie auf den Taktschlag eines allmächtigen Dirigenten, und nur das Branden der Wogen gegen unsere Planken ließ sich vernehmen.

»Der Fock über Bord!« schrie der Kapitän mit Donnerstimme. »Kappt die Taue, schnell, kappt, kappt um Gottes willen!«

Alle Hände bewaffneten sich mit den Beilen. Das Schiff lag nach Starbord hinüber; eine Reihe von kräftigen, dumpfen Schlägen erfolgte – es rauschte und stürzte in den Fluten; das Schiff wankte und bog sich vorn tiefer, während eine Sturzsee nach der andern über das Deck rollte und uns in ihrem Wasser völlig begrub.

»Rascher, rascher, Jungens, sonst geht’s hinab mit uns!« schrie Turnerstick.

»Ahoi, Kapt’n!« rief der Bootsmann. »Spriet auch vom Bug – hängt am Fock!«

»Kappt, kappt auch dieses!« erklang die Antwort.

Zu gleicher Zeit griff er sich an mir vorüber nach vorn, um sich selbst vom Stande der Dinge zu überzeugen. Wieder ertönten die Schläge, dann spritzte es vor uns hoch empor, und der Bug hob sich in die Höhe.

»Ahoi, Maate, steht’s hinten gut?«

»Aye, aye, Sir!«

»Well! Zieht ein Reff auf, Jungens! Wir brauchen es, denn der Teifun ist vorüber.«

Er kam zu mir zurück.

»Ah, Charley, lebt Ihr noch?«

»Ein wenig!«

»Also ganz nicht? Glaube es. Werdet ein gutes Teil Salzwasser verschluckt haben, und das ist nicht jedermanns Sache. Wollt Ihr los?«

»Denke es, Sir. Ist diese Luft wirklich vorüber?«

»Natürlich. Der Teifun kommt plötzlich und nimmt ebenso rasch Abschied. Hat uns noch einen tüchtigen Fußtritt gegeben! Die See wird noch einige Stunden hoch gehen; Fock und Spriet samt Klüver sind fort, aber wenn wir unten noch heil sind, so will ich Gott danken, so gut davongekommen zu sein.«

Er band mich los, und ich hatte bei dem aufgeregten Wogengang, der nach und nach in eine erst schwere und dann leichte Deining überwechselte, alle Mühe, mich auf den Füßen zu erhalten. Die Wolkenhülle öffnete sich an mehreren Stellen; es wurde wieder Tag, und endlich rang sich auch der erste Sonnenstrahl wieder zu uns herab.

Auf dem Decke sah es fürchterlich aus, doch ging mich das jetzt nichts an, sondern ich stieg mit dem Kapitän hinab in den Raum, um dort nachzusehen. Im Frachtenraum herrschte eine wahrhaft heillose Verwirrung. Fässer, Ballen, Pakete und Kisten lagen wirr und ordnungslos durcheinander, und wir konnten uns erst nach langer Anstrengung eine Bahn durch dieses Chaos erzwingen. Kaum aber war dies geschehen, so schob mich der voransteigende Kapitän beiseite und eilte wieder empor.

»Was giebt’s, Kapt’n?«

»Wasser im Raum. Wir haben ein großes, ein gefährliches Leck!«

Er stieg an Deck, um die Leute an die Pumpen zu kommandieren, und ich gab mir Mühe, so schnell wie möglich das Schlauchwerk in Ordnung zu bringen. Bereits nach zwei Minuten begann die Arbeit, während der Schiffszimmermann das Leck aufzufinden und zu verstopfen suchte. Dies war eine harte Arbeit, gelang aber doch wenigstens so weit, daß wir uns für den Augenblick in Sicherheit befanden.

Die andern waren beschäftigt, das Verdeck von Splittern und Tauschlissen zu säubern, und dann wurde ein Interimsspriet vorgeschoben und auch einstweilen ein Hilfsmast an dem Fockstumpfe aufgerichtet. Auch die Reiling wurde so viel wie möglich wieder hergestellt, und dann hieß der Kapitän den Maate, grad nach Nord abzufallen.

»Jetzt wird es gehen bis Port Lloyd,« meinte er.

»Wie weit ist es noch bis dahin?«

»Habe bereits nachgesehen,« antwortete er. »Dieser Teifun hat uns im Kreise herumgetrieben. Ihr müßt nämlich wissen, Charley, daß dieser Kerl nicht etwa ein ehrlicher Sturm ist, der aus einer Richtung bläst, wie manche Seeleute und Gelehrten annehmen, sondern meist beschränkt er sich auf ein sehr kleines, scharf abgegrenztes Gebiet und bläst dann aus allen möglichen Himmelsbacken auf einmal hernieder. Es ist leicht möglich, daß wir uns im Teifun befinden, während einige Meilen davon ein anderes Schiff bei kleinem Winde vorübergeht, ohne etwas von dem Orkane zu bemerken, höchstens daß es sich über die an seinem Buge auslaufende Deining wundert, die es sich nicht erklären kann. Also der Orkan hat uns beinahe im Kreis herumgeführt, und wir können trotz unsers schlechten Segelwerkes noch heute vor Nacht in Port Lloyd sein.«

»Das ist herrlich, obgleich diese Bonin-Eilande im Teifun eine sehr gefährliche Nähe für uns bildeten.«

»Deshalb schlug ich andern Kurs ein, bin aber froh, daß wir nicht weiter weg sind. Das Leck ist nur einstweilen verstopft, die Masten sind fort, und wie es da unten ausschaut, nämlich im Raum, ist es leicht möglich, daß wir einige Zeit in Port Lloyd bleiben müssen, um uns wieder seetüchtig zu machen. Bin nur froh, daß ich mein eigener Rheder bin und dergleichen Dinge nur vor mir selbst zu verantworten habe! Aber Euch wird die Zeit lang werden, Charley?«

»Meine es nicht, Master Turnerstick.«

»0 doch! Es giebt dort keine Konzerts und Theater, keine Zeitungen und Bibliotheken, wie Ihr sie als Büchermacher gern habt. Und als Nimrod haben wir dort auch kein Pläsir, denn es giebt weder wilde Rinder noch Leoparden und– – «

»Aber wilde Ziegen und wild gewordene Schweine, Schildkröten und Wasservögel giebt es in Menge, Kapt’n.«

»Ist’s wahr?«

»Natürlich; ich sage es ja!«

»Huzza, das ist prächtig! Dann werde ich einige Dutzend Ziegen, einige Mandel Schweine, einige Schock Schildkröten und einige Hundert von Pinguinen totschießen!«

Ich lachte.

»Wollt Ihr in diesen Breiten wirklich Pinguinen schießen?«

»Warum nicht, wenn sie da sind! Die Kerls sind außerordentlich fett und dabei so dumm, daß man sie mit Knüppeln totschlagen muß, ehe sie zu der Einsicht kommen, daß es ihnen an den Kragen geht.«

Der gute und ehrenwerte Master Frick Turnerstick war nämlich ein gar gewaltiger Jäger; er fürchtete sich weder vor irgend einem Menschen noch vor irgend einer wilden Kreatur; aber er litt an der sehr störenden Eigentümlichkeit, daß seine Faustschläge stets dahin trafen, wohin sie gerichtet waren, seine Kugeln aber stets nach West bei Süd hinüberschwenkten, wenn er auf Ost bei Nord gezielt hatte. Eine Pinguinjagd, bei welcher man lieber nach dem Knüppel, statt nach der Flinte greift, schien ihm also die interessanteste Jagdbeschäftigung zu sein, und darum bedauerte ich es, daß die Bonin-Inseln nicht das Einsehen gehabt hatten, sich etwas näher hinauf, nach dem Pole zu, zu plazieren.

Gegen Abend sahen wir Peel-Island, die südlichste der drei größten Bonin-Inseln, auf welcher auch der Haupthafen liegt, vor uns auftauchen, und eine halbe Stunde später gingen wir in Port Lloyd vor Anker. Hier war die See vollständig ruhig, und man hatte, wie wir später erfuhren, keine Spur von dem für uns so furchtbar gewesenen Teifun bemerkt. Der Kapitän schien mit seiner Erklärung, daß dieser Orkan sich oft auf einen streng abgeschlossenen Kreis beschränkt, also doch das Richtige getroffen zu haben. Wir hatten einen echten, richtigen Teifun gehabt und konnten natürlich nicht dagegen sein, wenn man auch andere in diesen Gegenden auftretende Orkane oder Stürme mit ganz demselben Namen bezeichnet.

 

Der anderswo beim Landen üblichen Formalitäten bedurfte es nicht. Wir hielten so weit wie möglich an das Land und ließen dann die Anker fallen. Ein anderes Schiff gab es nicht, und so zogen wir nur den Unions-Jack (***** Eine kleine, blaue Flagge mit den Sternen der Vereinigten Staaten. Wenn das Schiff in Parade in den Hafen läuft, muß auch die große Flagge aufgezogen werden.) auf und gaben einen Schuß ab, um unsere Ankunft und Nationalität zu melden.

Wir hatten während des Sturmes zwei Boote verloren. Der Kapitän ging in der kleinen Jolle an das Land, und es verstand sich ganz von selbst, daß ich ihn dabei begleitete. Wir wurden von den Ansiedlern mit vieler Herzlichkeit aufgenommen und hatten das Vergnügen, auf dem festen Boden ein frisch bereitetes und ganz vorzügliches Nachtmahl einzunehmen. Während desselben konnte Turnerstick sich nicht enthalten, eine höchst wichtige und notwendige Frage auszusprechen:

»Sagt doch einmal, Gentlemen, wie steht es denn hier eigentlich mit der Jagd?«

»Sehr gut,« lautete die tröstliche Antwort.

»Was giebt es hier für Wild? Pinguine?«

»Nein.«

»Seehunde?«

»Nein.«

»Seelöwen?«

»Auch nicht.«

Der gute Kapitän schien es wirklich ganz besonders auf eine Knüppeljagd abgesehen zu haben. Leider hatte er seine Rechnung ohne – das Wild gemacht und fragte also weiter:

»Was giebt es sonst?«

»Schweine, Ziegen, Schildkröten, Wasservögel und fliegende Bären.«

»Alle Wetter! Ist das richtig? Habe all’ mein Lebtag noch nichts davon gehört, daß die Bären auch in der Luft herumflattern! Oder ist diese Art von Viehzeug vielleicht ein ganz anderes Geschöpf als dasjenige, welches man sonst einen Bären zu nennen pflegt? Kenne nur den Eisbären, den grauen, braunen und schwarzen Bären, den Waschbären und die Sorte von Bären, die man anbindet oder einem andern aufheftet. Heraus, Charley; Ihr seid ja der Naturforscher unsrer berühmten »The wind« – Expedition!«

»Pteropus ursinus,« antwortete ich mit einer höchst wichtigen Miene.

»Perotus purgilus! Was ist das für eine Rede? Sprecht doch, wie Euch der Schnabel gewachsen ist!«

»Well, so will ich sagen »Fledermaus«, wenn Ihr es besser versteht.«

»Fledermaus? Hm, komische Mode, eine Fledermaus zu einem Bären zu machen! Wie groß ist denn dieses Riesentier?«

»Acht bis neun Zoll lang und mit ausgebreiteten Flughäuten etwa drei Fuß breit. Es lebt vorzugsweise auf den Fächerpalmen und ist einer von denjenigen wenigen Flatterern, welche bei Nacht schlafen und während der hellen Mittagsstunden ihrer Nahrung nachgehen.«

»Ist auch meine Art und Weise, gehöre also auch mit zu den Peroques purgatus, oder wie Ihr die Sippe vorhin genannt habt. Mag ihnen also nichts zu leide thun, und werde mich mehr an die andern halten, Ziegen, Schweine und Schildkröten. Aber eine Ziege zu schießen ist keine Heldenthat, nicht wahr, Charley?«

»Hm, eine Heldenthat eben nicht, oft aber sehr gefährlich. Denkt einmal an die Gemsen! Und die hiesigen Ziegen sind wild, während die Berge sehr schroff und steil aufsteigen.«

»Bin kein Freund vom Klettern und kentere dabei immer nach Starbord herüber oder nach Larbord hinüber. Bin ich dreißig Faden hinaufgesegelt, so rutsche ich ganz sicher fünfzig Faden wieder herunter. Wie steht es mit den Schildkröten? Kann man hier zu einer echten Mock-Turtle-Suppe kommen?«

»Wird schwer sein, Kapt’n,« lächelte ich.

»Warum? Sagtet Ihr nicht, daß es hier Schildkröten die schwere Menge gebe!«

»Allerdings, und daher könnt Ihr wohl Turtle-Suppe, aber keine Mock-Turtle-Suppe haben.«

»Das verstehe der Kuckuck! Erklärt es einmal deutlicher!«

»Mock-Turtle wird im gewöhnlichen Sprachgebrauche falsch angewandt. Turtle-Suppe heißt Schildkrötensuppe, Mock-Turtle-Suppe aber heißt nachgemachte Schildkrötensuppe.«

»Well, Charley, ich gebe Euch das Zeugnis, daß Ihr ein sehr gelehrter Natur – und Suppenforscher seid. Wenn man sich nur gleich noch heut eine echte Turtle fangen könnte!«

Rasch erklärte sich einer der Ansiedler, ein früherer Bewohner der Marquesas-Inseln, bereit, uns an einen Ort zu führen, wo wir vielleicht eines der Tiere finden könnten. Der Mond schien hell, der Abend war wirklich paradiesisch zu nennen, und so folgten wir ihm auf einem Wege, der durch einen prächtigen Palmenwald nach einer kleinen, einsam gelegenen Bucht führte.

Hier gab es ein Gebüsch von tahitischen Tamanus[19], Catappen und Feigenbäumen, vor welchem ein breiter, weißglänzender Sandstreifen langsam nach der Küste abfiel. Gleich als wir unter den Maulbeeren hervortraten, bemerkten wir zwei der Tiere, welche langsam vom Wasser her herbeigekrochen kamen. Wir hatten uns jeder mit einem Stocke versehen und wendeten sie um, so daß sie auf den Rücken zu liegen kamen und sich also nun vollständig in unserer Gewalt befanden. Dies war allerdings keine sehr leichte Arbeit, denn das größere Tier mochte wohl über dreihundert Pfund und das kleinere nicht viel weniger wiegen.

»Was nun?« fragte Frick Turnerstick.

Der Insulaner, welcher sich ganz leidlich englisch auszudrücken vermochte, meinte:

»Laßt sie liegen bis morgen früh. Sie können nicht fliehen und Ihr werdet sie dann holen lassen.«

»Fällt mir gar nicht ein!« antwortete der Kapitän, der trotz seiner rauhen Außenseite ein sehr weiches Gefühl besaß. »Dann müßten ja diese armen Kreaturen die ganze Nacht hindurch eine Todesangst ausstehen, die ich selbst so einem Tier nicht wünschen mag. Schade, daß Ihr Eure Büchsen nicht mit habt, sonst könntet Ihr ihnen eine Kugel geben!«

»Wäre sehr mutig von mir gehandelt,« meinte ich. »Giebt es kein Messer hier?«

Der Ansiedler zog das seinige hervor, und mit zwei kräftigen Streichen hatte er den Schildkröten die Köpfe abgetrennt.

»Jetzt tragen wir sie nach Hause!« bestimmte der Kapitän.

Er faßte die größere an und brachte sie auch wirklich empor; nach zwei Schritten aber warf er sie wieder in den Sand.

»Bei allen Masten und Stengen, das Ding hat ja ein Gewicht wie unser Stoppanker! Wir müssen sie wahrhaftig liegen lassen!«

Der Insulaner schien nun anderer Meinung zu sein. Er schnitt einige Feigenstangen ab, verband sie mit Schlingranken und bildete auf diese Weise eine Schleife, auf welche wir die schweren Tiere wälzten. Wir spannten uns dann zu dritt vor und brachten sie auf diese Weise ganz gut nach der Ansiedlung.

Hier sollten sie in unsere Jolle geschafft werden. Das Licht einer Fackel fiel dabei auf den Rücken des größeren Tieres.

»Stopp!« kommandierte der Kapitän. »Was ist denn das? Diese Turtle-Suppe hat ja den Suppenteller bereits auf dem Rücken!«

Ich bog mich nieder und ließ mir leuchten. Wirklich war der harten Schale des Tieres eine elliptisch runde Platte aufgeschlagen, welche durch das Wachstum der Schildkröte am Rande emporgerichtet worden war und infolgedessen die Gestalt einer kleinen, ovalen Schüssel angenommen hatte.

»Und hier ist eine Inschrift,« meinte Turnerstick. »Aber wer soll das Zeug lesen! Das ist weder englisch noch sonst etwas. Charley, beißt Ihr Euch einmal die Zähne aus!«

Die Platte war von jener Bronze gefertigt, welche nie vom Wasser angegriffen wird und deren Fabrikation nur die Chinesen und Japanesen verstehen. ich versuchte, die Inschrift zu lesen. Sie bestand aus zwei japanischen Namen, welche untereinander standen.

»Sen-to und Tsifourisima.«

»Was ist das, Charley?«

»Tsifourisima ist eine Insel, welche zu dem eigentlichen Japan gehört. Zuweilen wird auch die ganze, siebenundsiebenzig Inseln und Inselchen zählende Oki-Gruppe so genannt.«

»Horribel, wer so viel Zeit hat, sich solche Dinge zu merken!«

»Sen-to ist der hundertundzwanzigste Dairi von Japan; er regierte von 1780 bis 1817, wenn ich mich nicht irre.«

»Und was hat dieser Kerl mit meiner Mock – — wollte sagen, mit meiner Turtle-Suppe zu thun?«

»Die Schildkröten haben ein sehr langes Leben, dessen Dauer man oft dadurch zu erforschen gesucht hat, daß man einer gefangenen ein gewisses Zeichen giebt und sie dann wieder frei läßt. Sie scheinen ganz merkwürdig genaue und regelmäßige Wanderungen vorzunehmen und stets einen und denselben Ort wieder zu besuchen. Diese Turtle hier ist jedenfalls einmal auf Tsifourisima gefangen und, um eine Zeitangabe zu gewinnen, mit dem Namen des damals regierenden Dairi versehen worden. Wie alt sie ist, könnt Ihr Euch also wenigstens annähernd ausrechnen.«

»Fällt mir gar nicht ein, denn ich könnte dabei zu der unappetitlichen Erkenntnis kommen, daß ich mir eine siebenzigjährige Turtle-Suppe gefangen habe, und Ihr werdet zugeben, Charley, daß dies keine sehr erfreuliche Aussicht eröffnet. Werft sie in das Boot! Sie wird geschlachtet und verzehrt, und wenn ich einmal hier oder da mit diesem sogenannten Dairio oder Domino zusammenkomme, so soll er in den Besitz seiner tschifirigimilikischen Schüssel kommen!«

»Wollt Ihr nicht lieber mir die Platte überlassen, Sir? Ich möchte sie gern als Andenken mit nach Hause nehmen.«

»Als Andenken? Absonderlicher Kauz! An wen denn? An den Diarius oder an die Kröte?«

»An beide zugleich.«

»So nehmt sie immerhin! Ihr könnt meinetwegen die ganze Schildkrötschale mitsamt diesem Diarius bekommen, denn mir ist es nur um die Suppe zu thun.« —

Am andern Morgen gab es sehr viel auf unserem braven »The wind« zu schaffen. Das Leck konnte nur von außen vollständig beseitigt werden, und da auf Peel-Island von einem Dock keine Rede war, so waren Taucherarbeiten erforderlich, denen ich mich großenteils unterzog, weil sich von den Mannen keiner lang genug unter Wasser halten konnte. Es ist eine beinahe unglaubliche Thatsache, daß die meisten Seeleute, natürlich diejenigen, welche eine Seemannsschule besucht haben, ausgenommen, sehr schlechte oder wohl auch gar keine Schwimmer sind. Man trifft Hunderte von Matrosen, welche sich auf einem alten, halb wracken Dreimaster vollständig sicher fühlen, von einer flotten Boots – oder Kahnfahrt aber nicht das Mindeste wissen wollen.

Am Mittage, als wir uns die Turtlesuppe schmecken ließen, wurde ich für meine Anstrengung von dem Kapitän belohnt, indem er mir einen sehr acceptablen Vorschlag machte:

»Was meint Ihr, Charley; werden diese wilden Ziegen gut zu verdauen sein?«

»Jedenfalls.«

»So nehmt Eure Büchse und macht mit! Wir wollen uns eine holen.«

»Ich bin dabei, schlage aber vor, nicht hier, sondern drüben auf Stapleton-Island zu jagen.«

»Warum?«

»Ich ließ mir gestern abend sagen, daß dort mehr und besseres Wild zu finden ist.«

»Well, so rudern wir uns da hinüber!«

»Nehmen wir noch jemand mit?«

»Ist nicht notwendig. Was verstehen diese Kerls von der Jagd? Sie würden uns nur das Wild vertreiben. Kommt in die Jolle!«

Ich hatte einmal gelesen, daß dieses Stapleton-Island sehr felsig sei, und wußte aus meinen Alpenwanderungen, welche Dienste bei Besteigung steiler Höhen ein Strick und ein Bergstock zu leisten vermögen. Mein Lasso war auf alle Fälle besser als jeder Strick; ich suchte ihn hervor, fand auch eine Bambusstange, die ich mit Hilfe des Schiffsschmiedes schnell in einen Bergstock verwandelte – oben ward ein alter Eisenhaken angenagelt und unten ein Stift eingeschlagen. Master Frick sah mich erstaunt an, als ich mit dieser seltsamen Ausrüstung erschien.

»Was sind denn das für Kinderlitzen, Charley, he? Will der Kerl mit einem Bambusstock und einem Lederriemen Ziegen schießen!«

»Pshaw! Ich bin Alpenjäger, Sir!« antwortete ich stolz.

»Alpenjä – — macht Euch nicht lächerlich und werft die Geschichte über Bord!«

»Abwarten!«

Ich stieg voran in die Jolle, und er folgte mir. Dann ergriffen wir die Ruder. Wir hatten allerdings eine Strecke von vier Stunden zurückzulegen, doch war die See ruhig und der Wind günstig. Wir passierten mehrere pittoresk geformte Felsen westlich von Peel – und Buckland-Island, hielten immer gerade nach Nord und erreichten Stapleton-Island bei einer Bucht, welche sich tief in steil emporstrebende Felsen hineinzog. Der Kapitän lachte mit dem ganzen Gesicht, deutete nach oben und meinte:

 

»Schaut, Charley, auf jeden Schuß wenigstens zwei!«

Wirklich sah ich die Spitzen und Vorsprünge der Berge förmlich mit wilden Ziegen bedeckt. Das mußte eine höchst ergiebige Jagd geben. Wir stiegen aus und zogen die Jolle so weit an den Strand herauf, daß sie von der Flut, welche übrigens dort nur drei Fuß hoch zu steigen pflegt, nicht erreicht werden konnte. Dann ging es vorwärts, immer die steilen Höhen hinan.

Es war wirklich eine vollständige Alpenlandschaft mit spitzen Zinnen, schroffen Zacken und scharfen Graten. Der Bambus leistete mir treffliche Dienste, während der hinter mir keuchende Kapitän oft auf allen vieren kroch um die Schwierigkeiten des Bodens zu überwinden. Endlich blieb er hustend und pustend stehen.

»Charley, haltet an! Wollt Ihr etwa bis zum Mond hinauf? Seht dieses Thal da drüben, es wimmelt von Ziegen. Wenn wir hinübergehen, so schießen wir mit vier Schüssen wenigstens zwanzig nieder.«

»Eben da hinüber will ich ja!«

Er sah mich mit offenem Munde und unsäglich erstaunter Miene an.

»Da – hi – nüber – ? Hört, Charley, einer von uns beiden ist verrückt, entweder Ihr oder ich; doch will ich Euch offen gestehen, daß ich meine Sinne vollständig im Kurse habe. Will der Mensch da nach Backbord hinab und segelt gradewegs nach Steuerbord hinauf!«

Ich mußte lachen.

»Sagt einmal, Kapt’n, was Ihr da unten im Backbord wollt?«

»Ziegen schießen, was denn anderes?«

»Well! So versucht es einmal. Ich zahle Euch zehn Dollars für jede, die sich von Euch schießen läßt!«

»Ihr wollt doch nicht etwa sagen, daß ich nicht zu schießen verstehe!«

»Nein, aber ich will sagen, daß sie Euch direkt im Winde haben.«

»Im Winde? Charley, nehmt mir’s nicht übel, aber hier hört Eure Natur – und Suppenforscherei vollständig auf! Was soll eine Ziege vom Winde verstehen? Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß ich diese Mauer hier nicht mit emporklettere. Macht, was Ihr wollt; ich aber werde nicht mit zerbrochenem Halse an Bord zurückkehren!«

Er wandte sich wirklich nach Backbord und stampfte und dampfte hustend und pustend davon. Ich mußte mich sputen, wenn ich mir die Jagd nicht verderben lassen wollte. Uebrigens hätte ich ihn gar nicht von mir gelassen, wenn ich nicht gemeint hätte, aus seinem Verhalten Nutzen zu ziehen.

Ich klimmte schnell empor und erreichte den Grat, hinter welchem die Höhe schroff in ein Seitenthal abfiel. Den Stock als Stütze und Balancier gebrauchend, rutschte und fuhr ich Mehr, als ich ging, hinab und eilte dann links weiter, bis wo die Schlucht in das Thal mündete, nach welchem sich mein guter Frick Turnerstick gewandt hatte. Hier lehnte ich mich hinter einen Felsen und wartete, den Henrystutzen in der Hand, welchen ich statt der Büchse mitgenommen hatte.

Ich brauchte nicht lange zu warten, denn kaum stand ich zwei Minuten hier, so kamen sie angaloppiert in eiliger Flucht, alle die Ziegen, von denen der tapfere Kapitän auf jeden Schuß zwei hatte treffen wollen. Das Hauptthal machte kurz vor mir eine Biegung: die Tiere konnten mich nicht sehen und liefen mir gerade in das Feuer. Zwei, drei, fünf, sechs Schüsse, dann waren sie vorüber, und sechs Tiere lagen am Boden. Eben wollte ich vortreten, als ich etwas heftig ächzen und schnauben hörte. Es kam förmlich wie eine Lokomotive angepufft und blieb erstaunt vor den getroffenen Ziegen halten. Es war der Kapitän.

»Tausend Geißen! Was ist das? Wer hat diese Gemsen geschossen?« rief er.

Ich trat, herzlich lachend, hervor.

»Ich, wenn Ihr nichts dagegen habt, Sir!«

»Ihr? Charley, Ihr? Wie kommt Ihr hierher?«

Der gute Frick riß vor Erstaunen den Mund auf, als wenn er alle seine »tausend Geißen« auf einmal verschlingen wolle.

»Da oben von der Mauer herunter. Ich versprach Euch für jede Ziege, die sich von Euch schießen lassen würde, zehn Dollars. Wie viel habe ich zu bezahlen?«

Er machte ein höchst verlegenes und verdrießliches Gesicht.

»Ja, Charley, dieses Viehzeug ist mir wahrhaftig durchgebrannt, ehe ich nur dazu kommen konnte, die Piratenflagge aufzuhissen. Da habe ich alle Leinwand aufgezogen und bin ihnen nachgesegelt, daß meine Lunge bläst, wie der Teifun gestern. Wie will ich da vor Anker gehen, Atem holen, das Gewehr vom Rücken bringen, zielen, losdrücken, schießen und treffen können! Ihr dürft von einem wackeren Seemanne nicht sechsmal mehr verlangen, als ein anderer zu leisten vermag!«

»Habe ich verlangt, daß Ihr sechsunddreißig Ziegen schießen sollt?«

»Sechsunddreißig? Wie kommt Ihr auf diese Nummer?«

»Hier liegen meine sechs; sechsmal mehr habt Ihr gesagt, und sechsmal sechs ist sechsunddreißig.«

»Hm, die Rechnung stimmt,« antwortete er, erst sein Gewehr und dann meine Ziegen ansehend. »Hört, Charley, sollten diese Kreaturen wirklich etwas vom Winde verstehen?«

»Natürlich. Sie haben einen ausgezeichneten Geruchssinn, und außerdem werden sie Euch wohl gehört und gesehen haben, denn groß und breit genug seid Ihr ja, und Eure Lunge hörte ich schon achtzig Schritte weit.«

»Hört, Charley, soll ich etwa wegen einer Ziege ersticken? Fällt mir gar nicht ein! Wer meine Lunge nicht vertragen kann, der – der – — «

Er war so ärgerlich, daß er einen Nebensatz angefangen hatte, ohne den Hauptsatz finden zu können. Ich lachte herzlich und reichte ihm die Hand hinüber.

»Grämt Euch nicht, Sir! Wir haben hier sechs feiste Tiere, und mehr brauchen wir nicht für heute.«

»So? Meint Ihr?« funkelte er mich an. »Und was werden sie auf dem Schiffe dazu sagen? Master Charley hat alles geschossen, und der Kapt’n nichts, gar nichts. Ich will auf der Stelle gekielholt sein, wenn ich eher gehe, als bis ich auch meine sechs geschossen habe, hört Ihr’s? Sechs, wenigstens sechs! Ich weiß nun, daß diese Tiere den Wind verstehen, und werde mich danach verhalten. Geht Ihr mit, oder bleibt Ihr da?«

»Natürlich gehe ich mit, doch werde ich Euch bitten, vorher noch ein wenig zu warten.«

»Warum? Ich habe keine Zeit, sonst läuft das Viehzeug immer weiter fort, und ich komme ihm all mein’ Lebtage nicht nach!«

Ich konnte nicht umhin, ich mußte wieder laut auflachen.

»Glaubt Ihr denn wirklich, daß Ihr diese Ziegen einholen könnet? Helft mir, diese sechs unter die Zweige zu bringen und mit einigen Steinen zu beschweren, und dann werden wir ja einen Ort finden, wo Ihr zum Schusse kommen könnet!«

Wir brachten auf diese Weise die Beute einstweilen in Sicherheit und wandten uns dann einer andern Höhe zu, von welcher aus wir das unter uns liegende Terrain beobachten konnten. Dieser Weg wurde dem Kapitän wieder außerordentlich schwer. Er stöhnte mich an:

»Halt, Charley! Ich laviere in die Kreuz und Quere und komme doch nicht weiter. Gebt mit Euern Bambus!«

»Sollte ich ihn nicht über Bord werfen?«

»Habe ich mich etwa, so wie Ihr, auf allen Breiten herumgedrückt, um Land und Leute kennen zu lernen, he? Kann ich also wissen, wie alles gemacht werden muß? Wie man einen Dreimaster in einen Hafen bugsiert, das kenne ich ganz genau; auf welche Weise aber ein Kapitän zur See diesen unkultivierten Felsen in die Zähne zu beißen hat, das habe ich noch nicht gesehen. Also, alle Mann an Deck und weiter mit der Fahrt!«

Jetzt ging es mit Hilfe des Bergstockes leichter und schneller vorwärts. Wir kamen oben an und bemerkten jenseits unten im Thale eine zahlreiche Herde, welche ruhig graste. Der Kapitän wollte, wie vorhin, gerade auf die Tiere zu. Ich hielt ihn zurück.

»Halt, Mr. Turnerstick; auf diese Weise vertreibt Ihr sie wieder. Steigt hier rechts hinab; da ist der Weg sehr leicht, und stellt Euch dort unter jenen Kiri-Holzbaum. Ich gehe links hinunter und treib’ Euch die Ziegen gerade in den Schuß.«

»Well, so lasse ich es mir gefallen. Macht, daß Ihr hinunter kommt; ich muß in fünf Minuten sechs haben!«

»Mit zwei Kugeln?«

»Pshaw! Ich schieße allemal ihrer drei durch und durch!«

»Wird schwierig sein! Wollt Ihr nicht lieber meinen Henry-Stutzen nehmen? Ich habe ihn wieder geladen, und er hat fünfundzwanzig Schüsse, welche Ihr abgeben könnet, ohne laden zu müssen.«

»Das ist ja ganz außerordentlich profitabel! Gebt her, und zeigt mir, wie mit dem Dinge umzugehen ist!«

19Maulbeerbäume, welche auf Tahiti oft einen Umfang von 14 Fuß bekommen.
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