Nutztierhaltung und -hygiene

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Ganzjährige Außenhaltung

Ganzjährige Weidehaltung mit Frühjahrskalbung ist in klimatisch günstigen Lagen möglich. Die Anpassungsfähigkeit (Adaptation) der Tiere ist sehr hoch. Die Anpassungsreaktionen auf Hitze und Kälte sind vielfältig, wobei heiße Temperaturen schlechter vertragen werden als Kälte. Mit trockenem Liegebereich und Windschutz sind konditionell gut genährte Rinder infolge ihres dichten Winterfelles in der Lage auch Temperaturen bis unter minus 20 °C zu ertragen. Längere Regenperioden sind für die Tiere und die Weidefläche belastend. Zu den wesentlichen Problemen ganzjähriger Weidehaltung gehören die starke punktuelle Zerstörung der Grasnarbe, die schlechte Annahme von Schutzhütten zur Abkalbung (Separierung von der Herde), Unterkühlung (Hypothermie) und Unterzuckerung (Hypoglykämie) der Neugeborenen, der notwendige regelmäßige Wechsel der Futterplätze (Bereich wird schnell tiefgründig, morastig) sowie die Sicherstellung der Wasserversorgung. Deshalb ist die Haltung auf Standorten mit niedrigen Niederschlägen bzw. sehr wasserdurchlässigen und trittfesten Böden für eine ganzjährige Weidehaltung wesentlich unproblematischer. In verschiedenen Untersuchungen zeigte sich ein positiver Einfluss der Winteraußenhaltung auf die Tiergesundheit.

Wichtige Haltungselemente der Winteraußenhaltung sind Witterungsschutz (natürlicher oder künstlicher Schutzraum), Futterplatz z. B. mit Rundballenraufen (evtl. auf Betonfläche), Einzäunung sowie Tränken.

Weideunterstände müssen die Tiere vor Zugluft schützen und frei zugänglich sein. Es sollten ca. 3 m2 pro Tier vorgesehen werden. Die immer häufiger in der Praxis eingesetzten „Rundballenburgen“ können Unterstände ersetzen, wenn die Liegebereiche ausreichend eingestreut werden und die Burgen so gestaltet sind, dass im Liegebereich keine Zugluft entsteht.

Beschädigte Winterweiden sind durch Abschleppen, Walzen und Nachsaat wiederherzustellen.

1.2.4Prüfungsfragen

 Erläutern Sie den Unterschied zwischen Mutter- und Ammenkuhhaltung.

 Was sind die allgemeinen Anforderungen an Mutterkühe?

 Was ist bei der Genotypenwahl zu berücksichtigen?

 Erläutern Sie den Produktionsablauf der Mutterkuhhaltung.

 Nennen Sie Vor- und Nachteile der Frühsommer-, Herbst- und Winterkalbung.

 Beschreiben Sie verschiedene Absetzverfahren.

 Geben Sie einen systematischen Überblick über Haltungsverfahren für Mutterkühe.

 Nennen und beschreiben Sie die wesentlichen haltungstechnischen Einrichtungen der Weide.

 Beschreiben Sie verschiedene Stallformen der Mutterkuhhaltung.

 Was sind die Besonderheiten des Tretmiststalls?

 Nennen Sie die Vorzüge von Abkalbebuchten.

 Nennen Sie Vor- und Nachteile ganzjähriger Weidehaltung.

1.3Rindermast

Die Rindermast ist durch eine Vielzahl möglicher Verfahren gekennzeichnet. Am weitesten verbreitet ist in Deutschland die Bullenmast auf Silomaisbasis. Daneben spielen die Kälber- sowie die Ochsen- und Färsenmast eine gewisse Rolle.

Die gesetzlichen Grundlagen der Haltung von Kälbern und Jungvieh zum Zwecke der Mast entsprechen im Wesentlichen denen der Milchvieh- und Mutterkuhhaltung. Dies sind das Tierschutzgesetz sowie die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung – TierSchNutztV (s. Kap. 1.1.2). Die dortigen Regelungen zur Kälberhaltung treffen natürlich auch auf Kälber zu, die zum Zwecke der Mast aufgestallt werden.

1.3.1Kälbermast

Im Gegensatz zur Kälberaufzucht in der Milchviehhaltung wird bei der Mast nicht auf die rasche Aufnahme von Raufutter abgezielt. Nährstoffgrundlage stellt die Milch dar, die in größeren Mengen (ca. 12 l/d) bis zu einem Endgewicht von ca. 200 bis 230 kg verabreicht wird.

Da die Tiere zur Kälbermast in der Regel aus verschiedenen Beständen im spezialisierten Betrieb zusammenkommen, gelten besondere Anforderungen an die Betriebshygiene. Diese sind für den Kälberzukauf:

 nur Ankauf von Kälbern, die zu keinen gesundheitlichen Bedenken An­­lass geben und ein Mindestalter von 2 Wochen haben,

 für Gruppenhaltung nur alters- und gewichtsmäßig ausgeglichene Tiere kaufen,

 Transportfahrzeuge vor dem Transport gründlich reinigen und desinfizieren,

 Kälber vor dem Verladen nicht überfüttern (Diättränke) und

 Beladenormen einhalten.

Die aufzustallenden Kälber dürfen nur in gereinigte und desinfizierte Ställe verbracht werden. Da es nach dem Zukauf von Kälbern verschiedener Herkunftsbetriebe dennoch zu gesundheitlichen Störungen kommen kann, muss der Tierbeobachtung und Gesundheitsüberwachung ein besonderes Augenmerk geschenkt werden. Dazu zählen die Beobachtung des äußeren Erscheinungsbildes (Körperhaltung, Verhalten, Haarkleid-Kotverschmutzungen, Parasitenbefall), die Messung der Körpertemperatur, die Kontrolle des Nabels (Nabelentzündung) und die Untersuchung der Gliedmaßen und Gelenke (Verdickungen – Gelenkentzündung).

Besonders häufig treten Durchfälle und Erkrankungen der Atemwege auf. Jede neu aufgestallte Kälbergruppe bringt ein unterschiedliches Keimspektrum in den Mastbetrieb mit. Gegen diese Krankheitserreger besitzen zwar die Kälber der jeweiligen Gruppe Antikörper, nicht aber die Kälber aus anderen Betrieben. Hinzu kommen die immunsuppressiv wirkenden Belastungen durch Transport, Futter-, Stall- und Klimawechsel sowie die Gruppenbildung (Rangordnungskämpfe) zum Aufstallungszeitpunkt.

Verschiedene Faktoren der Haltungsumwelt beeinflussen die Häufigkeit von Erkrankungen positiv oder negativ (Tab. 13).


Tab. 13 Einfluss von Haltungs- und Managementfaktoren auf die Kälbergesundheit
Einflussfaktorenpositivnegativ
BelegartAlles raus – Alles reinkontinuierlich
Belegdichte (< 150 kg)niedrig (ca. 1,8 m2)hoch (< 1,8 m2)
Fressplatzbreiteca. 0,50 m< 0,50 m
Luftraumca. 7 m3< 7 m3
Schadgas-, Staubgehaltniedrighoch
Temperatur14–20 °C< 14 °C, > 20 °C
Luftfeuchte60–75 %< 60 %, > 75 %
Luftgeschwindigkeit< 0,25 m/s> 0,25 m/s
Wandmaterialtrocken, dämmendfeucht, nicht dämmend

Die Kälbermast erfolgt in der Regel im Warmstall mit Zwangsbelüftung. Nach der Haltung in Einzelboxen bis zur 8. Lebenswoche kommen die Tiere in Gruppen zusammen (s. Kap. 1.4). Die Gruppenbuchten können aus arbeitswirtschaftlichen Gründen mit Spaltenböden ausgestattet sein. Dieser muss den Bestimmungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung entsprechen.

1.3.2Bullen-, Ochsen- und Färsenmast

Bei der Bullenmast umfasst die Mastphase den Gewichtsabschnitt von 150 (bis 300 kg) (Fresser) bis (550 bis) 700 kg. Die täglichen Zunahmen liegen je nach Rasse zwischen 1000 und 1300 g. Die Tiere werden entweder zugekauft oder stammen aus dem eigenen Betrieb. Jungviehmast mit Vornutzung (Belegung und Kalbung vor Schlachtung) sowie Ochsenmast spielen in Deutschland, im Gegensatz beispielsweise zu den USA, eine sehr untergeordnete Rolle. Diese beiden Formen sind in der Regel mit einer extensiven Grünlandnutzung verbunden.

Die Haltungsverfahren der Rindermast entsprechen weitestgehend denen der Jungviehaufzucht (s. Kap. 1.4 sowie Jungbluth et al. 2005), wobei die Haltungstechnik aufgrund höherer mechanischer Belastungen stabiler sein muss.

Mastbullen werden überwiegend in Gruppen in besonders arbeitssparenden zweireihigen Vollspaltenbodenställen gehalten. Die Gruppengrößen in Vollspaltenbodenbuchten liegen bei 10 bis 15 Tieren. Für die Gruppenhaltung sind gleichmäßig entwickelte Bullengruppen notwendig, die im günstigsten Fall ab dem Kälberalter gemeinsam aufgestallt waren. Rangkämpfe werden dann auf ein Mindestmaß reduziert. Je größer die Gruppen sind, desto größer ist die Gefahr, dass die Tiere im Laufe der Mast auseinanderwachsen.

Als Boden eignen sich am besten Spaltenbodenelemente mit Schlitzweiten von 25 bis 30 (max. 35) mm und schmalen Auftrittsbreiten von 80 bis 120 mm. Der Buchtenflächenbedarf ist in Tabelle 14 angegeben.


Tab. 14 Platzbedarf von Mastbullen bei einem Tier-Fressplatz-Verhältnis von 1 : 1 (Marten und Kirchner, 1991)
Gewichtsabschnitt (kg)Mindestbuchtenfläche pro Tier (m2)Mindestbuchtentiefe (m)Mindestfressplatzbreite (cm)
150–3502,33,455
350–6002,63,670

Bei einem Tier-Fressplatz-Verhältnis von 1 : 1 wird die Stallfläche un­günstig lang. Bei Reduktion des Angebotes an Fressplätzen auf 2 : 1 bis 3 : 1 werden die Ställe kompakter (Abb. 19). Die Baukosten sind dann deutlich niedriger. In solchen Spaltenbodenställen mit Tiefbuchten muss den Tieren mehrfach pro Tag Futter vorgelegt werden (Vorratsfütterung). Die Tierbeobachtung im Rahmen fester Futterzeiten ist damit nicht bzw. nur sehr eingeschränkt möglich. Aus diesem Grund sind die Anforderungen an das Herdenmanagement deutlich erhöht.

 

Abb. 19 Vollspaltenbodenstall für die Bullenmast bei einem Tier-Fressplatz-Verhältnis von 1 : 1 bzw. 2 : 1 (Martin und Kirchner, 1991)

Buchtenabtrennungen können z. B. aus waagerecht verlaufenden Rohr­abtrennungen in einer Höhe von ca. 1,50 m bestehen. In Bullenmastställen sind aus Gründen der Arbeitssicherheit Treibgänge (0,8 m breit) vorzusehen, um ein gefahrloses und einfaches Heraus- und Hereinbringen einzelner Tiere oder der ganzen Gruppe aus und in die Mastbuchten zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wird hinter den Buchten ein Treibgang vorgehalten. Dieser Bereich kann den Bullen ständig zugänglich sein oder abgetrennt werden. Der Treibgang kann alternativ auch außerhalb des Stalles angelegt werden. Dazu müssen die Tiere über eine Tür von der Bucht in den Außenbereich verbracht werden. Diese Tür kann zweiflügelig angelegt sein. Im Sommer kann zur Verbesserung des Stallklimas der obere Bereich geöffnet werden.

Da aus ökonomischer Sicht für spezialisierte Bullenmastbetriebe nur Flüssigmistsysteme infrage kommen, werden Tretmistställe häufig nur in kleineren Beständen im Zuge von Umbaumaßnahmen erstellt. Eine Variante ist der Tretmiststall als Offenfrontstall, bei dem der Mistbereich außerhalb der Bucht liegt (s. Kap. 1.2). Der gesamte Flächenbedarf liegt bei über 3,5 m2 pro Tier. Die Sauberkeit der Bullen ist in Abhängigkeit von der Einstreumenge in der Regel ausreichend.

Die Anbindehaltung im Kurzstand mit einem Harnrost ist aus ethologischer Sicht problematisch zu bewerten. Sie wird gelegentlich in freien Ständen in Milchviehhaltungen praktiziert (Tab. 15).


Tab. 15 Maße für einstreulose Kurzstände für Mastbullen und Aufzuchtrinder (Sambraus et al. 2002)
Gewichtsabschnitt (kg)Standlänge (cm)Standbreite (cm)
bis 30012070–80
bis 60014090–100

Die Futtervorlage erfolgt in den meisten Stallungen von einem befahrbaren Futtertisch aus in die Krippe. Als Begrenzung zum Futtergang bzw. der Futterkrippe kann ein verstellbarer Nackenriegel dienen. Palisadenfressgitter reduzieren die Futterverluste, sind aber teurer. Der tiefste Punkt der Krippe muss 15 bis 20 cm über dem Standniveau der Tiere liegen, da es sonst zu Beinschäden kommen kann.

Die Wasserversorgung erfolgt über Tränkebecken im Bereich des Futter- oder Treibgangs zur besseren Kontrolle und leichteren Reinigung. Abweisbügel oder sog. Schutzglocken beugen einer Verkotung der Tränken vor.

Die Gesundheit und Leistung der Tiere hängt in hohem Maße vom Stallklima ab. Der günstige Temperaturbereich befindet sich zwischen 0 und 20 °C. Der Optimalbereich für die relative Luftfeuchte im Stall liegt zwischen 60 und 80 %. Die Luftbewegung im Tierbereich soll generell 0,2 (Winter) bis 0,6 m/sec (Sommer) nicht überschreiten. Die Maximalkonzentrationen von Kohlendioxid, Ammoniak und Schwefelwasserstoff dürfen nicht überschritten werden.

1.3.3Prüfungsfragen

 Nennen Sie die gesetzlichen Grundlagen der Haltung von Kälbern und Jungvieh zum Zwecke der Mast.

 Welche besonderen Anforderungen sind beim Kälberzukauf zu beachten?

 Welche Faktoren der Haltungsumwelt beeinflussen die Häufigkeit von Erkrankungen positiv oder negativ?

 Welche Haltungsverfahren sind für die Rindermast geeignet?

 Nennen Sie die Grundbedingungen der Gruppenhaltung von Mastbullen.

 Nennen Sie den Platzbedarf von Mastbullen bei einem Tier-­Fressplatz-Verhältnis von 1 : 1.

1.4Kälber- und Jungviehaufzucht

Die Leistungsfähigkeit von Milch- und Mutterkühen wird sehr wesentlich von der Aufzuchtphase geprägt. Dabei setzt sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass der Gesamtkomplex von Haltung, Stallklima, Fütterung und Hygiene einbezogen werden muss, um ökonomisch erfolgreich Kälber aufziehen bzw. mästen zu können.

Kälber können grundsätzlich einzeln oder in Gruppen im Kalt- oder Warmstall gehalten werden, wobei jeweils spezifische Anforderungen zu beachten sind.

Die gesetzlichen Grundlagen der Haltung von Kälbern und Jungvieh bilden das Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung – TierSchNutztV (s. Kap. 1.1.2).

Kälber sind weibliche und männliche Rinder bis zum Alter von 6 Mo­­naten.

Jungvieh umfasst bei Zuchtvieh die Altersspanne von 6 Monaten bis zur Zuchtnutzung und bei Mastvieh die Altersspanne bis ca. 17 Monate.

In die TierSchNutztV ging in wesentlichen Zügen die Verordnung zum Schutz von Kälbern bei der Stallhaltung (Kälberhaltungsverordnung) aus dem Jahr 1997 ein. Dementsprechend enthält sie allgemeine sowie spezifische, auf verschiedene Altersabschnitte zugeschnittene Anforderungen an die Kälberhaltung.

Grundsätzlich wird in der Verordnung zwischen Kälbern

 im Alter von bis zu 2,

 von über 2 bis zu 8 sowie

 von über 8 Wochen unterschieden.

Diese Einteilung basiert auf der Erkenntnis, dass sich die Verhaltensansprüche (ethologische Bedürfnisse) der Kälber mit dem Alter ändern.

Aus verfahrenstechnischer Sicht kann auch eine schematische Einteilung der Kälber in Neugeborene (1. Lebenswoche), Aufzuchtkälber (ab 2. Lebenswoche), Kälber für die Mast (2. bis 25. Lebenswoche) sowie Zu­­kaufkälber vorgenommen werden (Bauförderung Landwirtschaft, 1994). Letztere stellen z. B. besondere Ansprüche an das Hygienemanagement, da das Zusammenbringen von nicht vollständig zur körpereigenen Abwehr fähigen Tieren aus verschiedenen Beständen erhebliche Infektionsrisiken mit sich bringt (s. Kap. 1.3).

1.4.1Kälberaufzuchtverfahren

Während die Kälber in der Fleischrinderhaltung (Mutter-, Ammenkuhhaltung) längere Zeit bei der Kuh verbleiben (bis zu einem Alter von 5 bis 10 Monaten) (s. Kap. 1.2), werden sie in der Milchviehhaltung in der Regel innerhalb der ersten 24 h von ihren Müttern abgesetzt und anschließend der Kälberaufzucht oder -mast zugeführt (Abb. 20).


Abb. 20 Schematische Darstellung der Aufzuchtverfahren von Kälbern

1.4.2Geburt und neugeborenes Kalb

Etwa ⅔ der Rindergeburten finden zwischen 18 und 6 Uhr statt. Einige Minuten nach der Geburt beriecht die Kuh das Kalb und beleckt es anschließend intensiv. Die Körperpflege dient nicht nur der Entfernung der Eihäute und des Fruchtwassers sowie der Förderung der Hautdurchblutung, sondern bildet auch die Grundlage für die Ausprägung der Kuh-Kalb-Bindung, die in der Mutterkuhhaltung von besonderer Bedeutung ist (s. Kap. 1.2). Die Dauer dieser Initial-Phase ist abhängig von Alter und Rasse der Mutter und beträgt zwischen 30 min (Milchviehrassen) und 1 h (Fleischrinder­rassen). Durch das Belecken werden auch die Aufstehaktivitäten des Kalbes begünstigt. Es steht ca. 10 bis 30 min nach der Geburt auf. Die folgende Hauptaktivität des Neugeborenen in den ersten 4 bis 8 Lebensstunden besteht in der Eutersuche. Die Kälber besitzen einen angeborenen Auslösemechanismus (AAM), der sie mit waagerecht gehaltenem Kopf nach oben und in einem rechten Winkel (zwischen Bauch und Hinterbeinen) nach den Zitzen suchen lässt. Eine erfahrene Mutter unterstützt dies, indem sie das Kalb durch eine antiparallele Stellung und durch leichte Kopfstöße in Euterrichtung zu lenken versucht.

Beim angeborenen Auslösemechanismus (AAM) reagiert ein Tier in richtiger Weise auf einen Reiz (= Auslöser), ohne dass es diesem jemals begegnet war, d. h. ohne dass es eine entsprechende Lernmöglichkeit hatte. Die Verknüpfung zwischen dem Auslöser und der Reaktion des Tieres ist erfahrungsunabhängig.

Das Kalb besaugt abwechselnd jede der vier Zitzen 3 bis 5 s lang. Bleibt das Kalb während der Aufzucht bei der Mutter (Mutterkuhhaltung), so reduziert sich die Säugehäufigkeit kontinuierlich mit dem Alter von 6- bis 8-mal täglich (erster Lebensmonat) über 3- bis 5-mal täglich (2. bis 6. Monat) auf nur noch 2-mal pro Tag (6. bis 8. Monat). Zwillingskälber saugen häufiger als Einzelkälber. Die Dauer des Saugvorganges ist abhängig von Rasse, Alter und Gewicht des Kalbes sowie vom Laktationszustand der Kuh. Beim Saugakt an der Zitze erfolgen 1000 bis 2000 Schlucke je Saugperiode. Die Dauer eines Saugaktes beträgt anfänglich 10 bis 12 min und reduziert sich mit dem Älterwerden der Kälber auf 5 bis 7 min, sodass eine Gesamtsaugdauer pro Tag von etwa 50 bis 60 min in den ersten Lebenswochen bzw. 30 min nach einem halben Jahr resultiert.

Die Kalbung sollte bei Stallhaltung in separaten Abkalbebuchten erfolgen. Dies gilt insbesondere bei Laufstallhaltung. Kühe in Anbindehaltung verbleiben häufig während der Kalbung am Standplatz. Die eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit in den letzten Tagen und Wochen vor der Geburt erschwert allerdings häufig deren Verlauf. Darüber hinaus sind die hygienischen Bedingungen (hoher Keimdruck) ungünstig. Abkalbebuchten sind deshalb zu favorisieren, wobei eine große Abkalbebucht für mehrere Kühe der Einzelbucht vorzuziehen ist.

Die Vorteile von Abkalbebuchten sind neben der leichteren Einhaltung von Hygienestandards, die mögliche intensive Geburtshygiene, die ausreichende Bewegungsfreiheit der Tiere vor (ante partum), während (peri partum) und nach der Geburt (post partum), die optimierte Geburtsüberwachung, eine leichtere Geburtshilfe sowie die Entwicklung einer intensiven Mutter-Kind-Beziehung (u. a. intensives Trockenlecken) einschließlich be­schleunigter Kolostrumaufnahme (innerhalb der ersten 3 h post partum). Der intensive Mutter-Kind-Kontakt wird in der Milchviehhaltung zum Teil problematisch bewertet, da die spätere Trennung der Tiere durch die stärkere Bindung einschneidender ist. Nach der Kalbung sollten die Mutter-Kind-Paare in diesem Verfahren deshalb nur bis zu 24 h gemeinsam in der Bucht verbringen. Das Kalb sollte allerdings frühestens nach dem Trockenlecken in eine eingestreute Einzelbucht verbracht werden. Bei einer Kalbung im Anbindestall muss das Trockenreiben des Kalbes in der Regel von einer Person durchgeführt werden.

Abkalbebuchten sollten folgende Anforderungen erfüllen:

 Möglichkeit des Sichtkontaktes zur Herde,

 saubere, trockene Einstreu,

 gute Belüftung und Beleuchtung,

 rutschfester Boden,

 (Warm- und Kaltwasser) sowie

 leichte Reinigung und Desinfektion (s. a. Kap. 1.1).

Die Milch der ersten Tage (Biest- oder Kolostralmilch) ist von besonderer ernährungsphysiologischer Bedeutung, da sie im hohen Anteil aus leicht verdaulichen Nähr-, Mineral- und Wirkstoffen sowie umgebungsspezifischen Antikörpern (Immunglobulinen) besteht.

Immunglobuline sind spezifische Antikörper, die dem in den ersten Wochen weitestgehend zur körpereigenen Abwehr unfähigen (immuninkompetenten) neugeborenen Kalb einen passiven Infektionsschutz verleihen.

Das Immunsystem der Kälber entwickelt sich erst in den ersten 6 bis 8 Lebenswochen. Die Versorgung mit Biestmilch steht damit an erster Stelle bei der Bekämpfung von Infektionserkrankungen. Um eine Anreicherung der Biestmilch mit den stallspezifischen Antikörpern zu erreichen, müssen Kühe und Färsen mindestens 8 Wochen vor der Kalbung im Betrieb gestanden haben, um sich mit den spezifischen Keimen auseinandersetzen zu können. Impfprogramme unterstützen die Bildung spezifischer Antikörper und sorgen damit für einen zusätzlichen Schutz über die Kolostralmilch. Altkühe reichern im Vergleich zu Erstkalbinnen in der Regel größere Mengen an Antikörpern in der Biestmilch an. Da die Konzentration an Immunglobulinen im Blut neugeborener Kälber direkt von der Immunglobulinmenge sowie -qualität in der Biestmilch abhängt, wurde bisher empfohlen, von älteren Tieren Biestmilch gefroren zu lagern und bei Bedarf an Neugeborene (z. B. von Färsen) zu verabreichen. Aus hygienischer Sicht (Übertragung der Paratuberkulose) wird dies heute kritisch beurteilt.

 

Die Kolostrumgabe (1,5 bis 2,0 l) in den ersten 3 Lebensstunden ist sehr wichtig, da die Immunglobulinkonzentration der Milch rasch abnimmt. Etwa nach fünf Tagen ist wieder die Normalkonzentration erreicht. Außerdem hält die Fähigkeit der Darmwandpassage (Resorption) der Antikörper nicht lange an. Unabhängig davon verbessert die kontinuierliche Verabreichung in der ersten Lebenswoche den lokalen Schutz in der Darmwand gegen Durchfallerreger. Reduzierte Aufnahmemengen von Biestmilch sind unter anderem für Kälberverluste nach der Geburt verantwortlich. In den letzten Jahren lag die Verlustquote in der Milchviehhaltung im Bundesgebiet zwischen 10 und 15 % und damit in einem nicht tolerierbaren Bereich. In Einzelbetrieben kann dieser Wert, infolge massiver Infektionseinbrüche (vor allem Atemwegs- (Rindergrippekomplex) und Darminfektionen), sogar noch höher liegen.

Die häufigsten Verluste in den ersten 4 Lebenswochen entstehen durch Durchfallerkrankungen.

Durchfall ist eine Funktionsstörung des Darms, wodurch die Aufnahme von Flüssigkeit und Nährstoffen beeinträchtigt ist, vermehrt Flüssigkeit abgegeben und die Darmwand durchlässiger wird.

Die wichtigsten Folgen sind Exsikose (Austrocknung), Blutazidose (Übersäuerung des Bluts), Hypoglykämie (Unterzuckerung, Energiemangel) sowie Elektrolytimbalancen u. a. bedingt durch Störungen der Nierenfunktion.

Als Auslöser von Durchfällen kommen verschiedene Faktoren infrage: mangelnde Hygiene mit der Folge einer Anreicherung an Infektionserregern, wie Bakterien (u. a. Escherichia coli, Salmonellen), Viren (u. a. Rota-, Coronaviren, BVD/MD-Viren) und Parasiten (Kryptosporidien, Eimerien), aber auch Managementfehler bei der Biestmilchversorgung sowie Tränkefehler. Die täglichen Flüssigkeitsverluste können in Abhängigkeit von der Schwere des Durchfalls bis zu 8 l erreichen. Wird der Flüssigkeitsverlust nicht rasch kompensiert, kann es zum Tod des erkrankten Tieres kommen.

Bovine Virusdiarrhoe/Mucosal Disease (BVD/MD) ist eine weltweit verbreitete virusbedingte Durchfallerkrankung bei Rindern.

Rindergrippe (Enzootische Bronchopneumonie) ist eine infektiöse Faktorenkrankheit der Atmungsorgane mit großer wirtschaftlicher Bedeutung.

Ein gründliches Hygienemanagement und der richtige Einsatz des Kolostrums reduzieren die Gefahr von Erkrankungen und bilden somit die Basis einer rentablen Kälberaufzucht. Bereits der Verzicht auf die gründliche Reinigung und Desinfektion der Tränketechnik und der Stallabteile kann zu einer Verdoppelung der Krankheits- und Todesfälle führen. Wichtiger Bestandteil des Managements ist die Dokumentation von Erkrankungs- und Todesfällen. In Kälberhaltungen mit mehr als 50 Kälbern sind Aufzeichnungen über Zahl und Ursache von Tierverlusten zu führen und für 3 Jahre aufzubewahren.

Zu den Maßnahmen am Kalb nach der Geburt gehört neben der Trocknung und Kolostralmilchgabe die Nabeldesinfektion zur Vorbeugung aufsteigender Infektionen, die Kennzeichnung sowie unter Umständen eine Enthornung.

Ohrmarken von Rindern müssen folgende Angaben (VO (EG) 911/2004 vom 29. April 2004) enthalten: Logo der Regionalstelle, Kennung des EU-Mitgliedstaates (z. B. DE für Deutschland), Kennung des Bundeslandes, Ohrmarkennummer aus Seriennummer (dreistellig) und einer fortlaufenden Nummer (fünfstellig) sowie Strichcode der Nummer.

Das Enthornen der Kälber wird in der Praxis aus Sicherheitsgründen (im Laufstall) oder auch zur Verbesserung von Gesundheit, Tierschutz oder Hygiene der Tiere häufig praktiziert. Nach § 5 des Tierschutzgesetzes darf es bis zu einem Alter von 6 Wochen ohne Betäubung vom Landwirt durchgeführt werden, wenn der Eingriff im Einzelfall für die vorgesehene Nutzung des Tieres zu dessen Schutz oder zum Schutz anderer Tiere unerlässlich ist. Ob dies grundsätzlich bei Laufstallhaltung der Fall ist, wird durchaus kontrovers diskutiert. Folgende Verfahren sind gängige Praxis:

 Chirurgische Methode: Das Ausschälen der Hornknospen mit Spezialmesser ist nicht empfehlenswert, da die Gefahr von Blutungen und Infektionen relativ hoch ist.

 Chemische Methode: Beim Verätzen der Hornknospen mit einem Ätzkalistift oder mit Säurepasten ist eine genaue Dosierung sehr wichtig. Zu hohe Dosierungen können z. B. zu Verätzungen der Augen durch herunterlaufende Flüssigkeit führen.

 Thermische Enthornung: Das ringförmige Umbrennen der Hornknospe (Unterbrechung der Blutzufuhr) mit einem Brennstab ist, bei einwandfreiem technischem Zustand (ausreichende Hitzeentwicklung; Brennzylinderzustand) und richtiger Anwendung nach dem aktuellen Wissensstand den übrigen Methoden vorzuziehen.

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