Nutztierhaltung und -hygiene

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1.4.3Allgemeine Anforderungen an die Haltung von Kälbern

Die genutzten Ställe für Kälber müssen nach den Vorgaben der TierSchNutztV grundsätzlich so gestaltet sein, dass die Tiere ungehindert liegen, sich hinlegen, aufstehen, eine natürliche Körperhaltung einnehmen, sich putzen sowie Futter und Wasser aufnehmen können. Es sind Mindestbedingungen bezüglich des Stallklimas sowie des Wasser- und Futterangebotes einzuhalten (Tab. 16).


Tab. 16 Zusammenfassung der wesentlichen Regelungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung bezüglich Stallklimabedingungen und Fütterung
RegelungsgegenstandWert
Temperatur im Liegebereich1)erste 10 Tagedanachmax. 25 °C> 10 °C> 5 °C
Rel. Luftfeuchte60–80 %
Lichtdauer> 10 h
Lichtstärke> 80 lux
Schadgasbelastung im Aufenthaltsbereich der TiereAmmoniakKohlendioxidSchwefelwasserstoff< 20 ppm< 3000 ppm< 5 ppm
Anbieten von Biestmilch p.p.< 4 h
Fütterungmind. 2 × täglich
Trinkwasser (ad lib.)ab 3. Lebenswoche
Raufutter (ad lib.)ab 8. Tag
1) gilt nicht für Kaltställe oder Kälberhütten

Zweimal pro Tag muss eine Tierkontrolle durchgeführt werden. Neben dem Verbot von Maulkörben (zur Verhinderung des gegenseitigen Besaugens früher häufig verwendet) muss vor allem das grundsätzliche Anbindeverbot für Kälber hervorgehoben werden. Ausnahme: bei Gruppenhaltung dürfen die Kälber für jeweils maximal 1 h im Rahmen des Fütterns mit Milch- oder Milchaustauschertränke angebunden werden. Mit der Anbindung soll dem gegenseitigen Besaugen vorgebeugt werden. Letzteres kann, durch ein Saugdefizit bedingt, unmittelbar nach dem Tränken vermehrt auftreten. Das Saugbedürfnis wird nach dem Milchangebot für ca. 10 min geweckt, was sich in etwa mit der Länge eines natürlichen Saugaktes deckt. Werden die Kälber mutterlos aufgezogen und aus Eimern getränkt, trinken sie die Milch in großen Zügen. Sie sind dann zwar ernährungsphysiologisch mit einer ausreichenden Milchmenge versorgt, da der Saug­akt aber nur etwa 2 bis 3 min andauert, entsteht ein Saugdefizit. Dieses führt dann zu Handlungen am Ersatzobjekt und richtet sich bei Einzelhaltung auf waagerechte bzw. vorstehende Boxenteile oder bei Gruppenhaltung auf die anderen Kälber der Gruppe.

Bevorzugte Körperpartien, die besaugt werden, sind Ohren, Präputium, Nabel oder Skrotum (Hodensack). Dies kann bei den saugenden Kälbern zur Bezoarbildung und zu Verdauungsstörungen und im Extremfall zu einem Darmverschluss (Ileus) führen. Bei den besaugten Kälbern können Entzündungen (z. B. Nabelentzündung) und Verletzungen der besaugten Körperteile entstehen.

Bezoare sind dichte Knäuel abgeschluckter Haare (z. T. faustgroß), die zu Verstopfungen und Verdauungsproblemen führen können.

Mögliche Einflüsse auf die Anzahl des Besaugens der Kälber untereinander sind:

 Gewohnheit (da die ältesten Tiere am längsten besaugen),

 stimulierende Wirkung der Milch und schmatzende Geräusche der Kälber beim Trinken (Stimmungsübertragung),

 allelomimetisches Verhalten (gemeinsames, zeitlich synchrones Verhalten) und

 Reizarmut des Tränkestandes bzw. Tränkeeimers im Vergleich zum Kuheuter.

Gegenseitiges Besaugen kann vor allem durch verlängerte Milchaufnahme, höhere Tränkefrequenzen sowie eine Fixierung am Tränkestand für mind. 10 min verhindert bzw. reduziert werden. Die Möglichkeit zu Auslauf und Außenkontakten, das zeitige Angebot von Rau- und Kraftfutter ad libitum sowie der Zusatz von 1 bis 2 Gramm Glukose (Traubenzucker) pro l Tränke kann die Frequenz des Auftretens ebenfalls positiv beeinflussen.

Der während der Aufzucht eingesetzte Milchaustauscher muss bis zu einem Gewicht von 70 kg einen Eisengehalt von mindestens 30 mg/kg, bezogen auf einen Trockensubstanzgehalt von 88 %, enthalten. Bei Kälbern, die mehr als 70 kg wiegen, muss die Eisenversorgung so hoch sein, dass bei den Kälbern ein auf die Gruppe bezogener durchschnittlicher Wert des roten Blutfarbstoffes (Hämoglobin) von mindestens 6 mmol pro 1 l Blut erreicht wird. Eisen ist zu ca. 50 % im Hämoglobin, dem Farbstoff der Erythrozyten, und zu 3 bis 7 % im Myoglobin, dem Farbstoff der Muskulatur, gebunden. Hämoglobin hat vor allem die Aufgabe, Sauerstoff in den Lungen zu binden und in die verschiedenen Körperteile zu transportieren. Bei Mangel entstehen Blutarmut (Anämien), verminderte Krankheitsresistenzen, Appetitlosigkeit sowie ein verringertes Wachstum.

Eisenmangel-Anämie ist eine durch Eisenmangel verursachte Blutarmut.

1.4.4Tränkesysteme

In der landwirtschaftlichen Praxis ist die Aufzucht der Kälber mit Milchaustauscher (MAT) weithin verbreitet, um die Vollmilch an die Molkerei abliefern zu können. Der pulverförmige MAT wird in Wasser aufgelöst, wobei einige Hinweise zu beachten sind:

 Einhalten der vorgeschriebenen Konzentration (Abmessen von MAT und Wasser),

 gründliches Rühren der Mischung und

 Beachten der Anrührtemperatur (oft zwischen 42 und 45 °C) zum vollständigen Auflösen des MAT in Wasser.

Unvollständig aufgelöstes Milchpulver kann Durchfall, Blähungen oder Koliken verursachen. Süße (= native) Milch und Milchaustauscher können in unterschiedlichen Varianten (als Warm- oder Sauertränke) an die Kälber verabreicht werden.

Die Wahl des Tränkeverfahrens (Eimer-, Trogtränke oder Tränkeautomat) ist in Abhängigkeit von Bestandsgröße, Arbeitsbelastung und Kapitaleinsatz zu treffen (s. Jungbluth et al. 2005). Die Tränkeaufbereitung kann von Hand, halbautomatisch (mit Rührgeräten) oder vollautomatisch (prozessrechnergestützt) erfolgen. Die Zuteilung der Tränke erfolgt entsprechend der Aufbereitungstechnik von Hand (Eimer oder fahrbarer Mixer), über Ringleitungen (Zuteilpistole, prozessrechnergestützt) oder an einer Abrufstation. Seit kurzem gibt es mit dem CalfRail eine automatisierte Lösung, mit der Kälber in Einzelhaltung mit tierindividuellen Mengen in kleinen frisch zubereiteten Portionen bis zu 8-mal am Tag gefüttert werden können. Ein Schwenkarm mit Nuckel versorgt nacheinander die einzeln aufgestallten Kälber.

Grundsätzlich sollte die Milchtränke über Nuckel verabreicht werden. Vorteile sind: langsames Saufen, besserer Schlundrinnenreflex, höhere Speichelproduktion mit positivem Einfluss der Enzyme auf die Fettverdauung der Milch.

Eine Alternative zur portionierten Warmtränke stellt die Vorratstränke mit angesäuerter Milch dar. Eine 0,3 %ige Gabe einer 85 %igen Ameisensäure senkt den pH-Wert auf 4 bis 4,8. Ameisensäure hat sich im Vergleich mit anderen organischen Säuren am besten bewährt. Durch die Ansäuerung kommt es zu einer Vorverdauung, sodass ein weiterer Temperaturbereich als bei der süßen Warmtränke möglich wird. Wenn Biestmilch sauer vertränkt wird, sollte die Temperatur des Kolostrums nicht über 28 °C liegen, um ein verstärktes Ausflocken des Kaseins zu vermeiden. Eine zu geringe Erwärmung vermindert die Akzeptanz der Sauertränke, insbesondere bei jungen Kälbern. Die optimale Tränketemperatur liegt somit im Bereich von 15 bis 28 °C.

In immer stärkerem Maße werden in der Kälberfütterung rechnergesteuerte Tränkeverfahren eingesetzt, die aus der Kombination von ad libitum-Automaten und der elektronischen Tiererkennung entstanden sind. Über einen Transponder am Halsband mit einer individuellen Nummer werden die Tiere am Tränkeautomaten erkannt. Sofern sie ein Futterguthaben besitzen, wird ihnen eine bestimmte Menge an Milch (MAT) zugeteilt, die entweder frisch angerührt oder aus einem Vorratsbehälter zudosiert wird. Über eine Schlauchleitung wird die Tränke zum Sauger gefördert. Dieser ist 60 bis 70 cm hoch und ggf. versenkbar angeordnet. Der Tränkestand hat eine Breite von 35 bis 40 cm und eine Höhe von 80 bis 100 cm. Im vorderen Bereich ist die Empfangsantenne angeordnet. Seitliche Begrenzungswände in kurzer (nur Brustbereich) oder langer Ausführung (gesamte Tierlänge) verhindern, dass das Kalb beim Trinken verdrängt wird. Der Tränkestand mit kurzen seitlichen Wänden ist für nach Alter und Gewicht homogene Tiergruppen geeignet. Der Tränkautomat übernimmt die Aufbereitung und rationierte Zuteilung der Tränke und stellt ein vollautomatisches Verfahren für Milchaustauscher und/oder Vollmilch dar. Er besteht aus folgenden Bestandteilen:

 Vorratsbehälter mit Dosiervorrichtung für Milchpulver,

 Boiler zur Wassererwärmung,

 Mischbecher mit Rührwerk und Füllstandsmesser und

 Steuerungseinrichtung.

Verschiedene Portionsgrößen können eingestellt werden. Bei Bedarf kann ein Dosierer für Zusatzstoffe angeschlossen werden. Die Steuerung des Kälbertränkeautomaten kann über den Fütterungscomputer für das Milchvieh oder dezentral („stand alone“) erfolgen. Wichtig ist, dass alle milchführenden Teile nach der Benutzung durch ein Spülprogramm gereinigt und desinfiziert werden müssen, um Durchfällen vorzubeugen.

Für die Tränkeautomaten gibt es verschiedene Fütterungsprogramme, mit denen entweder feste Fütterungszeiten und definierte Futterportionen oder gleitende, variable Tränkzeiten und unterschiedliche Tränkemengen eingestellt werden können. Die Futtermenge beträgt am Anfang pro Tag zumeist 6 l Milchaustauscher-Tränke. Nach der 1. und bis zum Ende der 3. Haltungswoche wird in Halb-Liter-Schritten die tägliche Portionsmenge auf 8 l gesteigert. Das Absetzen von der Tränke erfolgt zwischen der 7. und 12. Woche, wobei die tägliche Tränkemenge schrittweise jeweils um ½ l verringert wird.

 

Ein kontinuierlich reduziertes Milchangebot fördert die frühzeitige Aufnahme von Raufutter sowie Kälberaufzuchtfutter ab der 2. Lebenswoche.

Beim Kalb sind die Vormägen noch nicht entwickelt. Die Verdauung ist nur über den enzymatischen Abbau im Labmagen und Dünndarm möglich. Daher kann das Kalb in den ersten Lebenstagen und -wochen nur flüssige, hochverdauliche Nahrungsmittel in Form von Milchprodukten verwerten. Durch das Lab im Labmagen wird der pH-Wert der Milch von 6,5 bis 6,7 auf einen Wert von 2 bis 3 abgesenkt und damit das Milcheiweiß (Kasein) zur Gerinnung gebracht. Damit wird verhindert, dass ungeronnene, süße Milch in den Dünndarm gelangt und zu Verdauungsstörungen führt.

Lab ist ein zur Gruppe der Proteasen gehörendes Ferment, das gemeinsam mit der Salzsäure das Kasein der Milch unter Gerinnung in das unlösliche Parakasein umwandelt.

Das Fassungsvermögen des Labmagens beträgt etwa 2 l. Das ist die Begründung, weshalb die Tränkemenge pro Portion 2 l nicht übersteigen soll. Die Mindesttemperatur des Kolostrums für eine schnelle Gerinnung beträgt 35 °C bei einem Optimum von 39 °C. Bei einer geringeren Erwärmung verzögert sich die Eiweißgerinnung, und es kann zu Verdauungsstörungen kommen.

Die frühe Aufnahme von Rau- und Kraftfutter sichert die zügige Entwicklung des Magen-Darm-Traktes. Der Pansen entwickelt sich bei ausreichendem Angebot von trockenem Futter (Raufutter, Kraftfutter) und Wasser besonders stark zwischen der 4. und 8. Lebenswoche. Die für die Entwicklung des Pansens, seine Oberflächenstruktur (Zotten) sowie seine Aktivität (Muskelkontraktion) maßgebenden Kriterien sind:

 die mit der Futteraufnahme beginnende Ansiedlung von Bakterien,

 die Menge an verfügbarer Flüssigkeit (abhängig vom Beginn freier Wasseraufnahme),

 die Struktur des Materials, das in den Pansen kommt und diesen verlässt sowie

 die Nährstoffzusammensetzung des angebotenen Futters.

Das Wachstum der Pansenzotten wird im Wesentlichen durch die aus dem bakteriellen Abbau von Kohlenhydraten frei gewordenen flüchtigen Fettsäuren (Propion- und Buttersäure) angeregt. Dies ist der Grund, warum für die Kälberaufzucht eine möglichst frühe Gabe von hochwertigem Kälberaufzuchtfutter mit einem hohen Anteil leicht abbaubarer Kohlenhydrate (z. B. in Getreideprodukten) empfohlen wird. Viel Heu fördert dagegen eher die Bildung von Essigsäure, was die Entwicklung der Pansenschleimhaut weniger stimuliert. Die Pansenzotten sind bei Fütterung von strukturierter Rohfaser, Getreide und Milch im Vergleich zu reiner Milchgabe nach 8 Wochen bereits mehr als 3-mal und nach 12 Wochen mehr als 5-mal so lang. Die Fähigkeit, die Endprodukte der Fermentation, die flüchtigen Fettsäuren (Essig-, Propion- und Buttersäure), über die größere Oberfläche absorbieren zu können, ist damit wesentlich besser entwickelt. Die vollständige Umstellung von Milch auf Rau- bzw. Kraftfutter sollte in der Kälberaufzucht innerhalb von 12 Wochen erfolgen.

In größeren Beständen ist ein deutlicher Vorteil für rechnergesteuerte Tränkeautomaten in Kombination mit der Gruppenhaltung gegeben. Automatische Tränkesysteme in Gruppenhaltungen ermöglichen grundsätzlich einfacher eine physiologisch angepasste Ernährung (tier- und bedarfsgerecht) und die Ausschöpfung der Leistungsreserven, reduzieren den Luxus­konsum, führen zu zeitiger Gewöhnung an Raufutter sowie einem schrittweisen Abtränken (Reduktion des MAT-Anteils). Darüber hinaus bringen sie arbeitswirtschaftliche Vorteile. Die Gruppen können sich gleichmäßig entwickeln. Eine individuelle Versorgung der Kälber ist ohne Mehraufwand möglich.

Zur ökonomischen Ausnutzung der Systeme (Investitionsbedarf: 7000 bis 10 000 Euro) sind allerdings große Gruppen gleichentwickelter Tiere notwendig. Ein Automat kann mehrere Tränkestände mit jeweils einem Saugnuckel bedienen, wobei ein Saugnuckel für max. 25 Kälber ausgerichtet ist. Zu den Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einsatz von Tränkeautomaten zählen bei hoher Besatzdichte (>20 Kälber):

 optimale Stall- und Klimaverhältnisse,

 saubere Wartung und tägliche Pflege des Gerätes,

 frostsicherer Aufbau des Tränkeautomaten (temperierter Vorraum),

 ausreichende Zeit zum Anlernen der Kälber,

 ausgeglichene Gruppen bezüglich Körpergröße und -gewicht,

 Zeitaufwand für die tägliche Beobachtung und Gesundheitskontrolle der Kälber und

 gutes technisches Verständnis des Betriebsleiters.

Die kontinuierliche Beschickung von Kälbergruppen an einer Tränkebox mit Kälbern unterschiedlicher Entwicklungsstufen (Alter, Größe, Gewicht) sollte unterbleiben, da sie u. a. zu wiederkehrenden Infektionseinbrüchen führen kann.

Seit einiger Zeit wird die metabolische Programmierung von Kälbern untersucht, indem davon ausgegangen wird, dass gesunde Kälber mit hohen täglichen Zunahmen die besseren, leistungsfähigeren Milchkühe werden. Eine intensivere Fütterung in den ersten Lebenswochen soll dabei kurzfristig die Konstitution und den Gesundheitsstatus der Kälber und langfristig das Leistungspotenzial sowie den Stoffwechsel der Kuh positiv beeinflussen. Dazu werden hochwertige Milchaustauscher in den ersten 5 bis 6 Lebenswochen eingesetzt, die Tränkmengen vorsichtig erhöht und die Kraftfutteraufnahme kontinuierlich gesteigert. Im Alter von 9 bis 10 Wochen kann das Kalb bei einem Gewicht von ca. 100 kg abgesetzt werden. Zu den Langzeitwirkungen und zur ökonomischen Bewertung besteht allerdings noch großer Forschungsbedarf.

1.4.5Haltungssysteme für Kälber

Bei den Haltungsverfahren kann grundsätzlich zwischen der Einzel- und Gruppenhaltung unterschieden werden, wobei beide Verfahren im Außenklima- (Kalt-) oder Warmstall praktiziert werden können (Abb. 21) (s. Jungbluth et al. 2005).


Abb. 21 Schematischer Überblick der Haltungsverfahren für Kälber

Der Trend geht in Richtung Gruppenhaltung in Außenklimaställen, wodurch die natürliche Abwehrbereitschaft und Widerstandskraft angeregt und gestärkt sowie die aktive Immunisierung der Kälber gegen Infektionskrankheiten gefördert wird. Die Anwendung moderner Computertechnik in der Tränkeverabreichung unterstützt zusätzlich die positive Entwicklung von der Einzel- zur Gruppenhaltung.

Zwei wesentliche Grundsätze sind bei der Kälberhaltung zu beachten:

 Eine kontinuierliche Stallbelegung mit Tieren unterschiedlichen Alters und damit unterschiedlicher Immunitätslage führt zu einer Steigerung der Ansteckungsgefahr (auch bei Durchführung von Impfprogrammen) vor allem durch multifaktoriell bedingte Erkrankungen. Alles rein-Alles raus-Verfahren erfüllen deshalb den höchsten Hygienestandard.

 Subklinisch infizierte Kühe und Färsen bilden häufig das Erregerreservoir, aus dem sich die Kälber meist schon unmittelbar nach der Geburt infizieren. Deshalb sollen Kälber getrennt von den Kühen untergebracht werden.

Die Realisierung des Alles rein-Alles raus-Verfahrens, mit dem Infektionsketten in der Aufzucht unterbrochen werden können, hat außerdem den Vorteil, dass es zur Ausbildung einer stabilen Rangordnung in der Gruppe kommt, was sich positiv auf die Ruhe im Stall und auf einen ungestörten Tränkeablauf auswirkt.

Zu den grundsätzlichen ethologischen Anforderungen von Kälbern gehört u. a. das große Ruhebedürfnis in der 1. Lebenswoche. Aus dieser Sicht ist die Einzelhaltung in dieser Zeit (Biestmilchperiode) wünschenswert und auch ausdrücklich vom Gesetzgeber zugelassen. Außer in der Biestmilchperiode empfiehlt sich die Einzelhaltung auch für kleinere Be­­triebe (< 5 gleichaltrige Kälber) sowie für Kälbermastbetriebe mit sehr inhomogenen Kälbern bis zur 8. Lebenswoche. Neben der ausreichenden Ruhe stellt die Einzelhaltung eine intensive Einzeltierbeobachtung sicher. Das gegenseitige Besaugen ist nicht möglich.

Bei Einzelhaltung muss den Kälbern bis zum Alter von 2 Wochen eine mit Stroh oder ähnlichem Material eingestreute Liegefläche zur Verfügung stehen. Mindestmaße müssen gemäß Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung eingehalten werden (Tab. 17).


Tab. 17 Auszüge aus der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung – Platzangebot für Kälber bei Einzel- und Gruppenhaltung
RegelungsgegenstandWert
Platzbedarf, Stallfläche (Einzelhaltung bis 2. Woche)LängeBreiteHöhe> 120 cm> 80 cm> 80 cm
Platzbedarf, Stallfläche (Einzelhaltung 2. bis 8. Wo.)Länge (Innentrog)Länge (Außentrog)Breite> 180 cm> 160 cm> 100 cm
Platzbedarf, Stallfläche (Ausnahme: Einzelhaltung > 8. Wo.)Länge (Innentrog)Länge (Außentrog)Breite> 200 cm> 180 cm> 120 cm
Platzbedarf, Stallfläche (Gruppenhaltung)bis 150 kg Lebendmasse150 bis 220 kg Lebendmasse> 220 kg Lebendmasse> 1,5 m2> 1,7 m2> 1,8 m2
Platzbedarf, Stallfläche (Ausnahme: Kleingruppe bis 3 Tiere)2. bis 8. Lebenswoche> 8. Lebenswoche> 4,5 m2> 6,0 m2

Weitere Verhaltensweisen, die bei der Kälberhaltung beachtet werden müssen, sind den Funktionskreisen des Sozial-, Ruhe-, Aktivitätsverhaltens sowie Spielverhaltens zuzuordnen.

Mit zunehmendem Alter entwickeln sich bei den Kälbern ein starker Bewegungsdrang sowie ein intensives Bedürfnis nach Sozialkontakt. Bei Kälbern in Gruppen ist häufig Spiel- und Erkundungsverhalten zu beobachten.

Funktionskreis des Verhaltens ist der Oberbegriff für Verhaltensweisen mit gleicher oder ähnlicher Aufgabe und Wirkung (Verhaltenssystem), z. B. Fortpflanzungsverhalten, Ernährungsverhalten, Sozialverhalten.

Spielverhalten sind Verhaltensweisen, die keinen unmittelbaren „Ernstbezug“ innerhalb des Funktionskreises besitzen. Es werden Solitärspiel, Objektspiel und Sozialspiel unterschieden.

Bei Kälbern treten Laufspiele mit verschiedenen Sprüngen und Laufphasen auf. Auch Hornspiele oder Drohzeremonien finden statt. Das Erkundungsverhalten zeigt sich darin, dass neue Personen oder Gegenstände intensiv berochen und beleckt werden.

Aus dieser Sicht ist die Gruppenhaltung im Laufstall nach der 1. Lebenswoche der Einzelhaltung vorzuziehen, wobei darauf zu achten ist, dass die Tiere einer Gruppe in diesem Haltungsverfahren hinsichtlich Körpergewicht und -größe ausgeglichen sind. Gegenseitiges Aufreiten sowie die Verdrängung am Futtertrog führen ansonsten zu erheblichen Nachteilen kleinerer Tiere. Kälber können dann ab der 1. Lebenswoche in Gruppen gehalten werden, wenn bei rationierter Fütterung alle Tiere der Gruppe gleichzeitig Futter aufnehmen können. Dies gilt nicht bei Abruffütterung und technischen Einrichtungen mit vergleichbarer Funktion.

Für Kälber mit einem Alter von über 8 Wochen gilt grundsätzlich die Pflicht der Gruppenhaltung. Die Vorteile der Gruppenhaltung sind die größere Bewegungsmöglichkeit, der mögliche intensive Sozialkontakt, die in der Regel raschere Rau- und Kraftfutteraufnahme, die Platzeinsparung, die Arbeitsökonomie, die besseren Mechanisierungsmöglichkeiten (z. B. Tränkeautomaten) sowie geringere Bau- und Einrichtungskosten. Ausnahmen von der Gruppenhaltung sind ausschließlich vorgesehen:

 wenn nicht mehr als drei nach ihrem Alter oder ihrem Körpergewicht für das Halten in einer Gruppe geeignete Kälber im Betrieb vorhanden sind,

 wenn gesundheitliche oder verhaltensbedingte Gründe dagegen sprechen oder

 Quarantänemaßnahmen zur Vermeidung von Ansteckungsrisiken notwendig sind.

Die frei belüfteten Kaltställe (Außenklimaställe) zeichnen sich dadurch aus, dass sie zwar einen Wind- und Regenschutz, aber keinen Temperaturschutz bieten. Um die Thermoregulation der Kälber nicht zu überfordern, müssen sie deshalb über eine eingestreute Liegefläche verfügen. Die Vorteile der Außenklimaställe sind:

 

 gute Konditionierung der Tiere durch wechselnde Klimabedingungen,

 annähernd ideale Klimaverhältnisse (niedrige Schadgaskonzentration, hoher Sauerstoffgehalt, ausreichend Licht),

 geringer Keimdruck (u. a. Atemwegserkrankungen, Escherichia coli, Corona-, Rota-Infektionen) und damit einhergehende niedrigere Morbidität (Erkrankungsrate),

 beschleunigte Raufutteraufnahme mit folglich rascher Vormagenentwicklung,

 geringe Investitions- (ca. 250 Euro pro Platz) und Energiekosten,

 mögliche Nutzung von Altgebäuden (z. B. Umnutzung bestehender Maschinenhallen),

 geringer Arbeitsbedarf (Entmistung mittels Frontlader und zentraler Futtertisch),

 gute Tierbeobachtung sowie

 mögliche Nutzung arbeitssparender Produktionstechniken (u. a. Tränke­automaten).

Demgegenüber stehen aufgrund höherer Ansprüche an die Thermoregulation der erhöhte Rau-, Kraftfutter- und Strohaufwand und der relativ große Flächenbedarf. Hinzu kommen für das Personal ungünstige Arbeitsbedingungen, z. B. bei Frost, verbunden mit Problemen bei der Wasserversorgung. Kaltställe dürfen nicht bei lebensschwachen Kälbern genutzt werden. Die Umstellung von Warm- auf Kaltställe kann jahreszeitabhängig ebenfalls problematisch sein.

Zu den Außenklimasystemen gehören für die Einzelhaltung:

 die mobile Kälber-Hütte im Freien (einzeln oder aneinandergereiht), bei der zum Aufstallen und Entmisten die Vorder- und/oder Rückwand geöffnet werden kann sowie

 das wärmegedämmte Kälber-Iglu (ca. 1,60 bis 1,90 m breit × 1,30 m hoch) mit Auslauf (ca. 1,40 bis 1,50 × 1,20 m) auf wasserdichtem Boden, sodass Jauche und Regenwasser getrennt aufgefangen werden können.

Zu den Außenklimaanlagen gehören für die Gruppenhaltung (spätestens ab der 8. Lebenswoche) die Iglu-Stallanlagen (Abb. 22). Die Haltung schließt sich im Optimalfall an die Einzelhaltung im Kälber-Iglu an. Die Haltung im Großraumiglu (Iglus für bis zu 20 Kälber) ist einfach, schnell und flexibel, erfordert keine langen Baumaßnahmen, ermöglicht eine einfache Entmistung, schafft ideale Klimabedingungen und ist vor allem für wachsende Betriebe eine ideale Übergangslösung.


Abb. 22 Großraum-Iglus für je 20 Kälber und Tränkeautomat (links) und Einzel-Iglus (rechts) (Werkbild Holm-Laue 2005)

Die Kälberhütten, Iglus oder Großraum-Iglus sind auf eine betonierte Fläche zu stellen. Nach Ausstallung der Kälber werden die Hütte oder der Iglu beseitigt, der Mist entfernt und die befestigte Fläche gereinigt und desinfiziert. Danach kann der nächste Haltungsdurchgang auf frischer Einstreu beginnen. Einzelhütten oder -iglus werden so aufgestellt, dass sich die benachbarten Tiere nicht direkt berühren können. Dies dient der Verminderung des Infektionsrisikos. Die Öffnungen zeigen zur windgeschützten Seite – meistens in Richtung Südost. Iglus besitzen einen eingestreuten Mini-Auslauf, in dem Heuraufe, Kraftfuttertrog und Tränkeeimer befestigt werden.

Folgende Fehler werden häufig bei (Großraum-)Iglus gemacht:

 ungeeignete, falsch dimensionierte Iglus (z. B. fehlerhafter Eigenbau),

 ungeeigneter Standort (z. B. in Gebäuden – Infektionsdruck!),

 kein fester Untergrund,

 keine regelmäßige Reinigung zwischen den Belegungen,

 zu späte Einstallung (nach Haltung im Stall),

 mehrere (zu junge, zu viele oder unterschiedlich alte) Kälber in einem Iglu,

 zu wenig Milch getränkt (Sorge vor Durchfall) und

 mangelhafte Gesundheitskontrolle.

Die Gruppenhaltung kann weiterhin in Kälber-Tiefstreubuchten (vollkommen eingestreute Liege- und Fressfläche) und Kälber-Tiefstreubuchten mit angehobenem Fressplatz erfolgen. Beim zweiten System befindet sich im Fress­platzbereich eine planbefestigte Lauffläche (0,6 m2 pro Kalb). Die Fress­plätze sind mit absperrbaren Fressgittern oder Fressständen gestaltet. Die genannten Systeme sind als Warm- oder Kalt- und Offenfrontstallversionen möglich. Sie sind allerdings durch einen hohen Arbeitsaufwand sowie Strohbedarf (2,0 bzw. 1,5 kg pro Kalb und Tag) gekennzeichnet. Die Entmistung erfolgt am Ende der Aufstallung mit Frontlader. Immer beliebter werden Offenfrontställe als Ein- oder Zweiraumstall mit getrenntem Liege- (Liegeboxen) und Fressbereich (Fressplätzen).

Die Reduktion des Strohbedarfs (auf 1 kg pro Kalb und Tag) ermöglicht die Kälber-Tiefstreubucht mit Spaltenboden am Fress­platz bei gleichzeitig erhöhtem Bau- und Kostenaufwand. Bei diesem System ist der Bereich vor dem Fress­platz als Lauffläche mit Spaltenboden (0,6 m2 pro Kalb) konstruiert. Die Spaltenweite der Betonspalten darf 2,5 cm nicht überschreiten. Bei elastisch ummantelten Balken oder Balken mit elastischer Auflage sind maximal 3 cm zulässig. Die Auftrittsbreite muss mindestens 7 cm betragen (Fertigungsungenauigkeiten maximal 0,3 cm). Die Entmistung der Liegefläche (1,2 m2 pro Kalb) erfolgt am Ende der Aufstallung mit Frontlader.

Der wesentliche Vorteil von gut eingestreuten Buchten beruht darauf, dass Kälber auch bei vergleichsweise niedrigen Stalltemperaturen in kostensparenden Außenklimaställen bei maximaler Frischluftversorgung aufgezogen werden können.

Warmställe zeichnen sich durch die Wärmedämmung, d. h. Temperaturschutz (10 bis 18 °C), Zwangsentlüftung und eine in der Regel gute Mechanisierbarkeit aus. Nachteile sind u. a. das erhöhte Krankheitsrisiko, besondere Ansprüche an die Klimaführung sowie höhere Bau- und Energiekosten. Sie sollten aus diesem Grund heute nur noch in der Kälbermast genutzt werden. Neu ist der Einsatz der Tunnellüftung im geschlossenen Kälberstall. Dabei wird über Folienschläuche Zuluft in den Stall befördert und zugleich durch die gerichtete Luftführung das Auftreten von Zugluft unterbunden. Zu den Warmstallsystemen gehört für die Einzelhaltung die Kälber-Box. Ihre Größe muss altersabhängig angepasst werden. Der Boden besteht in der Regel aus einem Lattenrost. Das Haltungsverfahren ermöglicht eine gute Kontrolle der Tiere. Die geringe Bewegungsmöglichkeit ist der wesentliche Nachteil. Zu den Warmstallsystemen für die Gruppenhaltung gehört neben den genannten Systemen die Vollspaltenbodenbucht. Für Kälber über 150 kg sind 1,5 m2 Buchtenfläche/Kalb vorzusehen. Im Ruhebereich wird ein Gummibelag empfohlen. Das System erfordert den geringsten Arbeitszeit- und Raumbedarf und bedeutet eine gute Vorbereitung der Klauen für spätere strohlose Haltungsverfahren. Nachteilig sind allerdings der hohe Bauaufwand, die notwendige Wärmedämmung, die relativ reizarme Umgebung sowie die starke Belastung der Klauen. Das System ist erst ab der 3. Lebenswoche geeignet.

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