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Helene

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XXIV

Inßarow beschloß, genauere Nachrichten abzuwarten, machte aber inzwischen Vorbereitungen zur Abreise. Die Sache war sehr schwierig. Für ihn persönlich gab es keine Hindernisse, er konnte sich einen Paß verschaffen, – was aber war für Helene zu thun? Auf gesetzlichem Wege war es unmöglich, ihr einen Paß zu verschaffen. – Eine heimliche Heirath und darauf sich den Eltern vorstellen . . . Sie werden uns dann ziehen lassen, dachte er. – Wenn aber nicht? Wir fahren doch fort. Wenn sie aber gegen uns Klage führen . . . wenn . . . Nein, besser ist‘s sich irgendwie einen Paß zu verschaffen.

Er beschloß (natürlich ohne Jemand bei Namen zu nennen), einen ihm bekannten verabschiedeten oder abgesetzten Procureur, einen in allen geheimen Angelegenheiten erfahrenen Schlaukopf, um Rath zu fragen. Dieser ehrenwerthe Mann wohnte nicht in der Nähe; eine ganze Stunde schleppte Inßarow sich in einer elenden Droschke, fand ihn nicht einmal zu Hause und ward auf dem Rückwege von einem plötzlichen Regenguß völlig durchnäßt. Am folgenden Tage, ungeachtet eines ziemlich heftigen Kopfschmerzes, machte er sich nochmals zum verabschiedeten Procureur auf. Der Procureur hörte ihn aufmerksam an, schnupfte dabei aus einer Tabaksdose, deren Deckel mit dem Bilde einer vollbrüstigen Nymphe geziert war und betrachtete seinen Gast mit seinen kleinen schlauen, tabaksfarbenen Augen von der Seite; er hörte ihn bis zu Ende an und verlangte eine »eingehendere Darstellung der factischen Belege«; als er jedoch bemerkte, daß Inßarow es vermied, die Einzelheiten zu berühren (er war ohnehin nur ungern zu ihm gefahren), beschränkte er sich darauf, ihm den Rath zu ertheilen, sich vor Allem mit »Moneten« zu versehen« und bat ihn ein anderes Mal vorzusprechen. – Sobald Sie, setzte er hinzu, eine Prise über der offen gehaltenen Dose einziehend, – eine Zunahme von Vertrauen und eine Abnahme von Mißtrauen verspüren werden. Bezüglich des Passes, fuhr er fort und gleichsam vor sich hin, – das ist ein Werk menschlicher Hände; Sie reisen, will ich sagen, wer kann wissen, ob Sie eine Maria Bredichin sind oder eine Karoline Vogelmeier? Inßarow empfand eine Anwandlung von Ekel, dankte indessen dem Procureur und versprach, nächstens wiederzukommen.

Denselben Abend fuhr er zu Stachow’s. Anna Wassiljewna empfing ihn freundlich, machte ihm Vorwürfe, daß er sie gänzlich vergessen habe, und da sie ihn bleich fand, erkundigte sie sich nach seinem Befinden; Nikolai Artemjewitsch sprach kein Wort mit ihm und betrachtete ihn blos mit nachdenklich nachlässiger Neugier; Schubin benahm sich kalt gegen ihn; Helene aber setzte ihn in Erstaunen. Sie hatte ihn erwartet, hatte für ihn dasselbe Kleid angelegt, welches sie am Tage ihrer ersten Zusammenkunft in der Capelle angehabt hatte; sie begegnete ihm jedoch so ruhig, war so liebenswürdig und sorglos heiter, daß Niemand, der sie sah, hätte glauben können, das Schicksal dieses jungen Mädchens wäre bereits entschieden und nur die innere Ueberzeugung beglückter Liebe verleihe ihren Zügen Leben, ihren Bewegungen Leichtigkeit und Reiz. Sie machte statt Zoë‘s den Thee, scherzte und plauderte; sie wußte, daß Schubin sie beobachte, daß Inßarow keine Maske anzulegen vermöge, sich nicht gleichgültig zu stellen im Stande sei, und hatte sich auf Alles zum Voraus gefaßt gemacht. Sie hatte sich nicht geirrt: Schubin verwandte kein Auge von ihr, Inßarow war sehr schweigsam und finster im Verlaufe des ganzen Abends. Helene fühlte sich so glücklich, daß sie die Lust anwandelte, ihn zu necken.

– Nun, wie steht es? fragte sie ihn plötzlich: – schreitet Ihr Plan vorwärts? Inßarow wurde verwirrt.

– Welcher Plan? fragte er.

– Sie haben es vergessen? erwiederte sie, ihm ins Gesicht lachend; er allein war im Stande, die Bedeutung dieses glücklichen Lachens zu fassen: – Ihre bulgarische Chrestomatie für Russen?

– Quelle bourde! murmelte Nikolai Artemjewitsch durch die Zähne.

Zoë setzte sich ans Clavier. Helene zuckte kaum merklich die Schultern und wies mit dem Blicke Inßarow nach der Thür, als wolle sie ihn entlassen. Darauf berührte sie zwei Mal langsam den Tisch und blickte ihn an. Er begriff, daß sie ihm in zwei Tagen eine Zusammenkunft bestimme und sie lächelte rasch, als sie bemerkte, daß er sie verstanden hatte. Inßarow erhob sich und nahm Abschied: er fühlte sich nicht wohl. Kurnatowsky trat ins Zimmer, Nikolai Artemjewitsch sprang auf, erhob den rechten Arm hoch über den Kopf und ließ sanft seine Hand in die des Obersecretairs herab. Inßarow blieb noch einige Minuten, um seinen Nebenbuhler sich anzusehen. Helene machte insgeheim eine schelmische Bewegung mit dem Kopfe, der Hausherr fand es nicht nöthig, die Herren einander vorzustellen und Inßarow verließ nun das Zimmer, nachdem er noch zum letzten Male einen Blick mit Helene getauscht. Schubin schien mit sich zu Rathe zu gehen und ließ sich plötzlich mit Kurnatowsky in einen hitzigen Wortstreit über eine juridische Frage ein, von der er gar nichts verstand.

Inßarow schlief die ganze Nacht hindurch nicht und fühlte sich gegen Morgen schlecht; er brachte indessen doch seine Papiere in Ordnung und schrieb Briefe, sein Kopf war schwer und wüst. Gegen Mittag fühlte er Hitze: er konnte nichts essen. Gegen Abend steigerte sich die Hitze, es stellte sich Reißen in allen Gliedern und heftiger Kopfschmerz ein. Inßarow legte sich auf denselben kleinen Divan hin, wo vor Kurzem noch Helene gesessen, und dachte: – »Es geschieht mir recht, warum schleppte ich mich zu jenem alten Schufte,« und versuchte einzuschlafen . . . Schon hatte ihn die Krankheit erfaßt. Heftig pochte es in seinen Adern, in Fieberhitze glühte das Blut, gleich Vögeln schwirrten die Gedanken in seinem Kopfe. Er verlor das Bewußtsein. Wie zerschlagen lag er auf dem Rücken und plötzlich kam es ihm vor, als lache und flüstere Jemand leise über ihm; mit Mühe schlug er die Augen auf, der Schein des angebrannten Lichtes fuhr wie eine schneidende Klinge durch dieselben . . . Was ist dass der alte Procureur steht vor ihm in einem Schlafrocke aus Tarmalamm mit einem seidenen Tuche umgürtet, so wie er ihn Tags zuvor gesehen hatte . . . – Karoline Vogelmeier, murmelt der zahnlose Mund. Inßarow starrt ihn an, der Alte dehnt sich, schwillt, wächst, schon ist er kein Mensch mehr, sondern ein Baum . . . Inßarow ist gezwungen, die schrägen Aeste hinaufzuklettern. Er klammert sich fest an ihnen und fällt mit der Brust auf einen scharfen Stein, und Karoline Vogelmeier hockt dort, wie ein Hökerweib und lallt: – »Kuchen, Kuchen, Kuchen,« und dort fließt Blut, Säbel blitzen – ganz unerträglich . . . und alles verschwindet in einem dunkelrothen Wirbel.

XXV

– Es ist Einer zu Ihnen gekommen, muß wohl ein Schlosser sein, der Kerl, meldete den folgenden Abend der Diener Berßenjew’s seinem Herrn; ein Mensch, der sich durch strenges Benehmen gegen seinen Herrn und skeptische Geistesrichtung auszeichnete, – er will Sie sprechen.

– Laß ihn herein, sagte Berßenjew.

Der »Schlosser« trat« herein. Berßenjew erkannte in ihm den Schneider, den Zimmervermiether, bei dem Inßarow wohnte.

– Was giebt’s? fragte er ihm.

– Ich bin zu Euer Gnaden gekommen, begann der Schneider, langsam einen Fuß vor den anderen setzend und von Zeit zu Zeit Bewegungen mit der rechten Hand machend, deren zwei letzte Finger den Aufschlag seines Aermels zusammenhielten . . . – Unser Einwohner ist, wer weiß, was ihm fehlt, sehr krank.

– Inßarow?

– Ganz richtig, unser Einwohner. Wer weiß, was ihm fehlt, er war gestern Morgens noch auf den Beinen, Abends hat er zu trinken gefordert, meine Alte hat ihm Wasser gebracht und Nachts hat er angefangen zu faseln, wir haben es hören können, weil es nur eine Bretterwand ist; heute Morgen ist er schon ganz ohne Sprache, liegt ausgestreckt und brennt wie das Feuer, daß sich Gott erbarme! Da habe ich gedacht, wer kann wissen, was ihm, fehlt, vielleicht stirbt er noch, ehe man sich’s versieht; auf die Polizei, dachte ich, will ich gehen, es melden, der Mensch ist ja ganz allein; da sagt mir meine Alte: »Geh Du zu jenem Herrn, bei dem er auf dem Lande gewohnt hat, vielleicht wird er Dir rathen, oder selbst kommen«. Darum bin ich zu Euer Gnaden gekommen, wir können nicht wissen, darum . . .

Berßenjew nahm rasch seine Mütze, drückte dem Schneider einen Rubel in die Hand und fuhr mit ihm sogleich zu Inßarow.

Er fand ihn besinnungslos, unausgekleidet auf dem Divan liegend. Das Gesicht war schrecklich verändert. Berßenjew befahl sogleich dem Schneider und dessen Frau, den Kranken auszukleiden und ins Bett zu bringen und lief selbst fort, um einen Arzt zu holen. Der Arzt verordnete Blutegel, spanische Fliege, Calomel und befahl, ihm die Ader zu öffnen, Alles zu gleicher Zeit.

– Ist er gefährlich krank? fragte Berßenjew.

– Ja, sehr, erwiederte der Arzt. – Eine heftige Lungenentzündung; Peripneumonie in vollem Gange, vielleicht auch das Gehirn afficirt, doch das Subject ist noch jung. Seine Kräfte sind jetzt aber gegen ihn gerichtet. Man hat mich spät rufen lassen, wir wollen übrigens Alles anwenden, was uns die Kunst an die Hand giebt.

Der Arzt war selbst noch ein junger Mann und glaubte an seine Kunst.

Berßenjew blieb für die Nacht da. Wirth und Wirthin erwiesen sich als gute und flinke Leute, sobald Jemand da war, der ihnen sagte, was sie zu thun hätten. Der Wundarzt kam und es begannen die medicinischen Foltern.

Gegen Morgen kam Inßarow auf einige Minuten zur Besinnung, erkannte Berßenjew und fragte: – Ich muß wohl unwohl sein? blickte mit dem stampfen und matten Staunen eines Schwerkranken umher und verlor wieder das Bewußtsein. Berßenjew begab sich nach Hause, kleidete sich um, nahm einige Bücher und kehrte in Inßarow’s Wohnung zurück. Er hatte beschlossen, wenigstens für die erste Zeit, bei ihm zu bleiben. Vor das Bett hatte er einen Schirm gestellt und für sich selbst ein Plätzchen neben dem Divan eingerichtet. Der Tag verging nicht heiter und nicht schnell. Berßenjew entfernte sich nur um zu essen. Der Abend war, gekommen. Er zündete ein Licht mit einem Ubat-jour an und begann zu lesen. Alles war still rund umher. Jenseits der Scheidewand, bei den Wirthen, ließ sich zuweilen ein leises Flüstern, bald ein Gähnen oder Seufzen hören . . . Jemand nieste und wurde dafür flüsternd ausgescholten; hinter dem Schirme konnte man ein schweres, ungleiches Athemholen, von kurzem Stöhnen und unruhigem Hin – und Herwerfen des Kopfes unterbrochen, vernehmen . . . Ganz eigene Gedanken gingen Berßenjew durch den Kopf. Er befand sich in dem Zimmer eines Menschen, dessen Leben an einem Faden hing, eines Menschen, den, das wußte er, Helene liebte . . . Er erinnerte sich jener Nacht, als Schubin ihn einholte und ihm erklärte, Helene liebe ihn, Berßenjew. Und jetzt . . . – Was soll ich jetzt thun? fragte er sich. – Soll ich Helene von seiner Krankheit benachrichtigen? Soll ich noch warten? Diese Nachricht ist betrübender als jene, die ich ihr auch einst mitgetheilt habe; sonderbar, wie das Schicksal mich zwischen sie und ihn als Vermittler schiebt! . . . Er entschied, es werde besser sein, zu warten. Sein Blick fiel auf den mit einem Haufen Papier bedeckten Tisch . . . – Wird er wohl seine Pläne ausführen? dachte Berßenjew. – Wird denn Alles zu Grunde gehen? Und es that ihm das junge erlöschende Leben leid; er gab sich das Wort, es zu retten . . .

 

Die Nacht war nicht gut. Der Kranke redete viel irre. Einige Male stand Berßenjew von seinem Divan auf, trat auf den Zehen ans Bett und horchte traurig auf das unverständliche Lallen. Nur ein Mal brachte Inßarow mit momentaner Deutlichkeit: – »ich will nicht, ich will nicht, Du darfst nicht,« . . . hervor. Berßenjew fuhr zusammen und warf einen Blick auf Inßarow: sein leidendes und zugleich todtenähnliches Gesicht war unbeweglich und die Arme waren schlaff ausgestreckt . . . – »Ich will nicht,« wiederholte er kaum hörbar.

Am Morgen kam der Arzt, schüttelte den Kopf und verschrieb andere Medicin. – Bis zur Krisis ist es noch lange hin, sagte er, den Hut aufsetzend.

– Und nach der Krisis? fragte Berßenjew.

– Nach der Krisis? Das Eine oder das Andere: aut caesar, aut nihil.

Der Arzt entfernte sich.

Berßenjew ging einige Male in der Gasse auf und ab; er mußte frische Luft schöpfen. Er kehrte zurück und nahm ein Buch vor. Raumer hatte er schon längst beendigt, jetzt beschäftigte ihn Grote. Auf einmal knurrte leise die Thür und der, wie immer, mit einem schweren Tuch bedeckte Kopf der Schneiderstochter streckte sich vorsichtig ins Zimmer herein.

– Das Fräulein ist da, das mir neulich einen Zehner gegeben hat . . .

Der Kopf der Kleinen verschwand plötzlich und statt desselben zeigte sich Helene.

Wie vom Blitze getroffen sprang Berßenjew auf; Helene rührte sich nicht, that keinen Schrei . . . Sie schien in einem Augenblicke Alles begriffen zu haben. Furchtbare Blässe bedeckte ihr Gesicht, sie trat an den Schirm, blickte hin, schlug die Hände zusammen und stand wie versteinert. Noch eine Minute, und sie wäre über Inßarow zusammengebrochen; Berßenjew hielt sie zurück. – Was machen Sie? sagte er mit zitterndem Flüstern. – Sie können ihn tödten!

Sie wankte. Er führte sie zu dem Divan und ließ sie niedersitzen.

Sie blickte in sein Gesicht, betrachtete ihn dann von Kopf bis zu Fuß und senkte den Blick zu Boden.

– Liegt er im Sterben? fragte sie so kalt und gelassen, daß Berßenjew erschrak.

– Um Gottes willen, Helene Nikolajewna, begann er, – was sagen Sie da? Er ist krank, das ist wahr . . . und ziemlich gefährlich . . . Wir wollen ihn aber retten; dafür stehe ich Ihnen.

– Er ist ohne Besinnung? fragte sie wie vorhin.

– Ja, jetzt ist er bewußtlos . . . Das ist immer der Fall im Anfange solcher Krankheiten, das hat aber nichts zu bedeuten, ich versichere Sie, nichts. Trinken Sie etwas Wasser.

Sie richtete ihren Blick auf ihn und er begriff, daß sie seine Worte nicht gehört hatte.

– Wenn er stirbt, sagte sie, immer in demselben Tone, – sterbe auch ich.

In diesem Augenblick ließ Inßarow ein leises Stöhnen hören: sie bebte zusammen, faßte sich den Kopf und machte dann die Bänder ihres Hutes auf.

– Was wollen Sie? fragte Berßenjew.

Sie gab keine Antwort.

– Was wollen Sie? fragte er nochmals.

– Ich bleibe hier.

– Wie . . . Für lange?

– Ich weiß nicht, vielleicht für den ganzen Tag, die Nacht, für immer . . . ich weiß nicht.

– Um Gottes willen, Helene Nikolajewna, kommen Sie zu sich. Ich durfte freilich durchaus nicht erwarten, Sie hier zu sehen; ich glaube jedoch . . . Sie sind nur für kurze Zeit hier. Bedenken Sie, man kann Sie zu Hause vermissen . . .

– Was thut’s denn?

– Man wird Sie suchen . . . Wird Sie finden . . .

– Was thut’s denn?

– Helene Nikolajewna! Sie sehen . . . Er kann Sie jetzt nicht beschützen.

Sie senkte den Kopf, wie in Gedanken verloren, drückte ihr Taschentuch an den Mund und brach plötzlich in krampfhaftes, heftiges Schluchzen aus . . . Sie sank mit dem Gesichte auf den Divan, um ihr Schluchzen zu ersticken, ihr ganzer Körper hob sich und zuckte, wie der eines eben gefangenen Vogels.

– Helene Nikolajewna . . . um Gottes willen . . . wiederholte Berßenjew flüsternd.

– Ah? was ist das? ließ sich plötzlich Inßarow‘s Stimme hören.

Helene richtete sich auf, Berßenjew ward starr vor Schrecken . . . Einen Augenblick darauf trat er an das Bett. Inßarow‘s Kopf lag wie zuvor kraftlos aus dem Kissen;« die Augen waren geschlossen.

– Er phantasirt? fragte Helene leise.

– Es scheint, erwiederte Berßenjew, – das ist aber nichts; das kommt auch immer vor, besonders wenn . . .

– Wann wurde er krank? unterbrach ihn Helene.

– Vorgestern; seit gestern bin ich hier. Verlassen Sie sich auf mich, Helene Nikolajewna. Ich weiche nicht von hinnen; alle Mittel sollen angewandt werden. Wenn es nöthig ist, rufen wir eine Consultation zusammen.

– Er könnte sterben, wenn ich nicht hier bin, rief sie, die Hände ringend.

– Ich gebe Ihnen mein Wort. Sie jeden Tag von dem Gange der Krankheit zu unterrichten. und sollte sich wirklich Gefahr zeigen . . .

– Schwören Sie mir, Sie werden sogleich nach mir schicken, wann es auch sei, bei Tag, bei Nacht; schreiben Sie mir einen Zettel . . . Jetzt ist mir Alles gleich. Hören Sie? versprechen Sie es zu thun?

– Ich gebe Ihnen mein Wort, vor Gott.

– Schwören Sie mir’s.

– Ich schwöre es.

Sie ergriff plötzlich seine Hand und bevor er sie zurückzuziehen vermochte, hatte sie ihre Lippen an dieselbe gedrückt.

– Helene Nikolajewna . . . was beginnen Sie, stotterte er hervor.

– Nein . . . nein . . . nicht nöthig . . . ließ sich Inßarow undeutlich vernehmen und seufzte schwer auf.

Helene trat an den Schirm, hielt ihr Tuch fest in den Zähnen und warf einen langen, langen Blick auf den Kranken. Stille Thränen flossen ihre Wangen hinab.

– Helene Nikolajewna, sagte Berßenjew zu ihr, – er kann wieder zu sich kommen, kann Sie erkennen; Gott weiß, ob das gut sein wird. Auch erwarte ich jeden Augenblick den Arzt . . .

Helene nahm ihren Hut vom Divan, setzte ihn auf und blieb stehen. Ihre Blicke schweiften traurig im Zimmer umher. Es schien, sie erinnere sich . . .

– Ich kann nicht fort, sagte sie auf einmal leise.

Berßenjew drückte ihr die Hand. – Fassen Sie Muth, sagte er, – beruhigen Sie sich; Sie überlassen ihn meiner Obhut. Noch heute Abend spreche ich bei Ihnen vor.

Helene warf einen Blick auf ihn, sagte: – O mein guter Freund! und schluchzend stürzte sie hinaus.

Berßenjew lehnte an der Thür. Ein schmerzliches und bitteres Gefühl, in welchem doch einige Erquickung lag, preßte ihm die Brust zusammen. – Mein guter Freund! dachte er und zuckte die Achsel.

– Wer ist da? hörte man Inßarow’s Stimme.

Berßenjew trat zu ihm heran. – Ich bin hier, Dmitri Nikanorowitsch. Was wollen Sie? Wie fühlen Sie sich?

– Allein? fragte der Kranke.

– Allein!

– Und sie?

– Wer denn? fragte Berßenjew fast erschrocken.

Inßarow schwieg einige Minuten. Reseda, sagte er leise und seine Augen schlossen sich wieder.

XXVI

Acht ganze Tage schwebte Inßarow zwischen Leben und Tod. Fortwährend besuchte ihn der Arzt, den als jungen Mann der Schwerkranke interessiere. Schubin hatte von Inßarow’s gefährlichem Zustande gehört und ihn ein Mal besucht; Inßarow’s Landsleute, Bulgaren, waren auch hingekommen; unter denselben hatte Berßenjew jene zwei sonderbaren Gestalten, die durch ihren unerwarteten Besuch auf dem Lande sein Befremden erregt hatten, wiedererkannt; Alle bezeigten aufrichtige Theilnahme, Einige machten Berßenjew den Vorschlag, ihn am Bette des Kranken abzulösen; er ging aber, seines Helene gegebenen Versprechens eingedenk, nicht darauf ein. Er sah sie jeden Tag und theilte ihr – zuweilen mündlich, zuweilen durch kleine Zettel – alle Zwischenfälle im Verlaufe der Krankheit mit. Wie bebte ihr Herz, wenn sie auf ihn wartete, wenn sie ihn anhörte und befragte! Sie selbst verlangte beständig, Inßarow zu sehen; Berßenjew aber bat sie flehentlich, es nicht zu thun: Inßarow war selten allein. Den ersten Tag, als sie von seiner Krankheit hörte, wäre sie selbst fast erkrankt; kaum war sie zurückgekehrt, so hatte sie sich auf ihrem Zimmer eingeschlossen; sie wurde zum Essen gerufen und erschien im Speisesaale mit einem Gesichte, vor dem Anna Wassiljewna so sehr erschrak, daß sie sie durchaus sofort ins Bett bringen wollte. Es gelang Helene indessen, sich Gewalt anzuthun. – Wenn er stirbt, hatte sie beständig für sich gesagt, – überlebe ich ihn nicht. Dieser Gedanke hatte sie beruhigt und ihr Kraft verliehen, gleichgültig zu scheinen. Uebrigens belästigte sie Niemand besonders: Anna Wassiljewna hatte mit ihren Rheumatismen zu schaffen; Schubin hatte sich mit Wuth seiner Arbeit hingegeben; Zoë war in Schwermuth verfallen und wollte die Lectüre des Werther vornehmen; Nikolai Artemjewitsch war sehr unzufrieden über die häufigen Besuche des »Scholars»um so mehr, als seine »Pläne« in Betreff Kurnatowsky‘s sehr langsam verrückten, weil der praktische Obersecretair sich piquirt fühlte und sich aufs Warten gelegt hatte. Helene hatte Berßenjew nicht einmal gedankt: es giebt Dienstleistungen, für die es schwer fällt und man sich schämt, Dank zu sagen. Nur ein Mal, es war das vierte Mal, da sie ihn sprach ( als Inßarow eine sehr schlechte Nacht gehabt und der Arzt auf eine Consultation angespielt hatte), nur dies Mal erinnerte sie ihn an seinen Schwur. – Nun, so kommen Sie denn, sagte er zu ihr. Sie war aufgestanden und fortgegangen, sich umzukleiden. – Nein, sagte er, – warten wir noch bis morgen. Gegen Abend war es mit Inßarow besser geworden.

Acht Tage hatte diese Qual gedauert. Helene schien ruhig, konnte aber nichts essen und verbrachte die Nächte schlaflos. Ein stumpfer Schmerz lag in allen ihren Gliedern; es kam ihr vor, als ob ein trockener, heißer Dampf ihren Kopf fülle. – Unser Fräulein schwindet wie ein Licht, sagte ihr Stubenmädchen von ihr.

Endlich am neunten Tage trat eine Krise ein. Helene saß im Gastzimmer neben Anna Wassiljewna und las mechanisch derselben aus der »Moskauer Zeitung« vor; Berßenjew trat herein. Helene warf einen Blick auf ihn (wie flüchtig und ängstlich und scharf und besorgt war jeder erste Blick, den sie bei dessen Erscheinen aus ihn warf!) und errieth sogleich, daß er ihr eine gute Nachricht brachte. Er lächelte, nickte ihr leicht zu; sie richtete sich auf, ihm entgegen.

– Er ist zu sich gekommen, ist gerettet, in einer Woche wird er ganz gesund sein, rannte er ihr zu.

Helene streckte die Arme wie zum Schutze vor, und sagte nichts, nur ihre Lippen bebten, und Röthe ergoß sich über ihr ganzes Gesicht. Berßenjew begann mit Anna Wassiljewna zu sprechen, Helene aber ging fort aus ihr Zimmer, sank ans die Knie, betete und dankte Gott . . . Helle Freudenthränen entströmten ihren Augen. Sie empfand plötzlich eine ungewöhnliche Mattigkeit, neigte den Kopf auf das Kissen, sagte leise: – Armer Andrei Petrowitsch! und versank sogleich mit nassen Wimpern und Wangen in Schlaf. Schon lange hatte sie die Augen nicht geschlossen und schon lange nicht geweint.

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