Читать книгу: «Kopfsache schlank», страница 3
Ich hatte es auch so gemacht, obwohl mir gerade als Neurochirurgin und Psychiaterin eigentlich klar sein hätte müssen, dass ich neue Verhaltensweisen, wie meine Tochter das Klavierspielen, erst schrittweise lernen musste. Das galt auch für neue Verhaltensweisen beim Essen, egal wie sie aussahen, egal ob ich keine Kohlehydrate mehr oder nur noch vegan essen würde, alle Softdrinks oder alle Mehlspeisen strich oder etwa auf bewusstes und besonders langsames Essen setzte. Lernen ging nur durch Fehler, wiederholtes Probieren, Üben und Verbessern. Wie hatte ich das vergessen können?
Ich dachte daran, wie ich Brot und Nudeln von meinem Speiseplan gestrichen und Weichkäse statt aufs Brot auf Hartkäse gestrichen hatte. Schrecklich. Danach folgten hintereinander die Phasen, in denen ich Omeletts ohne Eigelb anrührte, täglich innerhalb von acht Stunden aß, das Abendessen ausließ und Gerichte kochte, für deren exotische Zutaten ich durch die halbe Stadt musste. Jedes Mal hatte ich voller Hoffnung ein neues Programm angefangen und immer war ich gescheitert. Wie hatte ich eigentlich so dumm sein können? Ab jetzt würde ich mich an eine neue Regel halten:
Fehler gehören dazu.
Denn Abnehmen ist wie Klavierspielen, und ich würde es nie lernen, ohne Fehler zu machen. Abnehmen nach dem Muster »Ab heute isst du nur noch …« war ungefähr so realistisch, wie einem Kind eine Gebrauchsanweisung für ein Klavier und Noten in die Hand zu drücken und es aufzufordern, morgen ein Konzert zu spielen. Das musste ich mir einprägen.
Es ist aufgrund der Funktionsweisen und komplexen Zusammenhänge unseres Gehirns ganz normal, dass wir Fehler machen, bei allem, das wir neu in unseren Basalganglien abspeichern wollen.
Es kommt nun einmal vor, dass wir Zwetschenkuchen für die Kinder backen und den Großteil davon selbst essen. Es ist normal, dass wir beim Essen mit dem Partner eine Flasche Wein leeren, weil er so gut dazu passt. Dass wir beim Frühstück im Bett Schoko-Croissants möchten oder im Kino einen Futtertrog voll Popcorn. Dass wir Geburtstag feiern und Sachertorte essen. Dass wir zur Sachertorte Champagner trinken und dann noch ein Stück Torte essen und dann vielleicht noch ein ganz kleines, das uns eigentlich zu klein ist.
Programmierung der Basalganglien,
Schritt 1: Wähle ein einfaches Ziel
Ich hatte meinen Milchkalb-Cappuccino getrunken und war in Gedanken versunken. Eine Sache hatte ich jetzt verstanden.
Wenn ich meine Basalganglien neu programmieren will, muss ich mich an zwei Prinzipien halten: an das der Vorsicht und an das der Geduld.
Ich darf nicht mit der Brechstange arbeiten, dachte ich, sondern muss mich einschleichen, beobachten, auf Zeit setzen und im richtigen Moment nachlegen. Mein eigenes Gehirn auszutricksen würde sensibles Vorgehen erfordern. Deshalb durfte ich mich von meiner neuen Motivation nicht dazu verleiten lassen, mir zu schwierige Ziele zu setzen.
Ich dachte an eine Freundin, die mir erst vor zwei Wochen voller Motivation von ihrem neuen Abnehmplan erzählt hatte. »Ab morgen laufe ich jeden Tag um sechs Uhr morgens eine Runde durch den Schönbrunner Schlosspark«, sagte sie beim Shoppen zu mir.
»Bist du irre?«, rief ich. »Jeden Tag um sechs Uhr laufen? Das hält doch kein Mensch mit einem normalen Leben durch.«
Sie erzählte mir, wie schön der Schlosspark sei. Ich konnte sie nicht von ihrem strengen Plan abbringen und natürlich überstand sie dann nicht einmal die erste Woche. Sie war enttäuscht und traurig, als wir in meiner Wohnung zum Trost eine Flasche Rotwein leerten und ein Kilo Pistazien dazu aßen.
Klar wollen wir alle jedes Jahr im Frühling, wenn die Bikini-Saison bevorsteht, sehr schnell abnehmen. Bloß ist bei zu strengen Vorsätzen eben das Scheitern vorprogrammiert. Wenn jemand im Schönbrunner Schlosspark oder an einem anderen schönen Ort laufen will, sollte er es tun. Allerdings aus Freude daran, nicht aus selbst auferlegtem Zwang.
Sich das Leben zu vermiesen, zahlt sich nie aus.
Der Anfang eines Abnehmprogrammes war unter Berücksichtigung der Funktionsweise der Basalganglien genau der falsche Zeitpunkt für ein ganz neues Ernährungsprogramm oder sportliche Gewaltmaßnahmen. Eine realistische Chance auf anhaltenden Erfolg würde ich eher haben, wenn ich mir erst einmal eine einzige kleine Verhaltensänderung überlegte. Aber welche konnte das sein?
Am nächsten Morgen, dem Sonntagmorgen meines familienlosen Wochenendes, beschloss ich, mir für diese Überlegungen wieder den meditativen Dampf eines Ölbades zu gönnen. Wieder stieg ich mit einer Tasse Tee in die Wanne, während noch das Wasser hineinprasselte.
Ich liebte den Geruch dieses Ölbads. Ich hatte genau das gleiche schon früher als Kind immer von meiner Großmutter bekommen, meistens zu Weihnachten. Ich hatte den Duft deshalb in meinem limbischen System abgespeichert und verknüpfte ihn mit vielen schönen Erinnerungen. Mit Abenden, an denen ich bei meiner Großmutter übernachtete, mit Reitausflügen und mit Sommermonaten am See. Bis zu den Ohren tauchte ich in das heiße Wasser ein.
Ich versuchte, mich wie einen meiner Patienten zu sehen. Welche kleine Verhaltensveränderung würde ich mir selbst für den Anfang empfehlen? Vielleicht doch ein bisschen Sport?
Inzwischen stieg heißer Dampf auf und ein Ölfilm legte sich auf meine Haut. Über ein Ölbad hätte ich mich jeden Tag freuen können, als wäre es mein erstes. Nein, dachte ich. Sport mag gut für andere sein, er ist es aber nicht für mich. Als Teenager hatte ich ein T-Shirt mit der Aufschrift »Sport ist Mord« besessen und meine Einstellung dazu hatte sich seither kaum verändert. Von allen Schrauben, an denen ich drehen konnte, war mir eine Ernährungsschraube am liebsten. Aber welche sollte das sein?
In einem Vortrag über Psychotherapie hatte ich einmal zum Thema Problemlösung einen bildlichen Vergleich mit einer Maus gehört.
Stellen Sie sich eine Maus vor, die vor einer Mauer mit einem Stacheldraht steht. Die Maus versucht alles, um über diese Mauer zu gelangen. Sie springt hoch, versucht hochzuklettern und sich am Stacheldraht festzuhalten, aber sie schafft es nicht, denn sie ist darauf konzentriert, an genau dieser Stelle über die Mauer zu gelangen. Sie schaut weder nach rechts noch nach links. Würde die Maus ein paar Meter zurück kriechen, hätte sie einen größeren Blickwinkel. Sie könnte dann sehen, dass einige Meter weiter links ein Loch in der Mauer ist, durch das sie einfach hindurch schlüpfen könnte.
»Wir suchen oft krampfhaft nach der Lösung eines Problems«, hatte die vortragende Psychotherapeutin erklärt, »aber oft hilft es am besten, wenn wir ein paar Schritte zurücktreten, um die Lage als Ganzes zu erfassen.«
Mein Badewasser war etwas abgekühlt und ich ließ noch einmal heißes Wasser nachlaufen, bis die Wanne fast überging. Welche Empfehlung an mich selbst als Patientin war nun sinnvoll? Ich trat mental einen Schritt zurück.
Als Kind war ich immer klapperdürr gewesen. Meine Mitschüler hatten mich oft als »Storch« gehänselt, weil ich so lange, dünne Arme und Beine gehabt hatte. Dabei hatte ich immer ganz normal gegessen. »Geh nie ohne Frühstück außer Haus«, hatte meine Mutter immer zu mir gesagt. Zu Mittag aßen wir immer etwas Warmes und abends etwas Kaltes, ein belegtes Brot und vielleicht noch ein Joghurt oder einen Schokoladenpudding. Es gab keine Zwischenmahlzeiten, kein zweites großes Frühstück, keine Hotdogs, Kebabs oder Riesen-Schokoladen und keine Donuts während des Bummelns.
Die Sache mit dem Ölbad, dessen Duft in meinem limbischen System gespeichert war, inspirierte mich zu meiner nächsten Idee.
Es ist einfacher, ein bewährtes Verhalten von früher zu reaktivieren, als etwas ganz Neues zu lernen. Ein Verhalten von früher ist noch irgendwo im Zentrum unseres Langzeitgedächtnisses, dem Temporallappen, auch Schläfenlappen genannt, abgespeichert.
In der Badewanne liegend und Tee schlürfend aktivierte ich meinen präfrontalen Cortex, um die Informationen aus dem Temporallappen abzurufen. Dabei stellte ich mir einfache Fragen.
Wie genau habe ich früher gegessen?
Wie habe ich als Kind gegessen?
Wie habe ich als Teenager gegessen?
Wie habe ich gegessen, bevor ich so dick wurde?
Was hat sich bewährt und ist vielleicht noch als positive Erinnerung in meinem Gehirn abgespeichert?
Ich suchte etwas Simples, das meinem Körper gut tun würde und hatte eine neuerliche Erleuchtung. Drei Mahlzeiten täglich! Das war doch etwas. Keine Zwischenmahlzeiten, kein Abendessen vor dem eigentlichen Abendessen und kein Mitternachtssnack. Drei Mahlzeiten täglich, das musste doch zu schaffen sein. Frühstück, Mittagessen, Abendessen. So wie früher. Damals hatte ich auch nicht ständig ans Essen gedacht.
Im ersten Moment kam mir das fast ein bisschen einfach vor. Doch es sprach ja nichts dagegen, dass ich Fleißaufgaben machte und nicht nur die Zwischenmahlzeiten, sondern auch einmal das Abendessen wegließ.
Ich trank den letzten Schluck Tee, öffnete den Abfluss und das Badewasser floss blubbernd ab. Ich hatte jetzt einen Plan.
Nur noch drei Mahlzeiten am Tag.
Genau wie damals, als das noch ganz normal war. Keine Softdrinks oder Cappuccinos zwischendurch mehr, die ja so viele Kalorien wie kleine Mahlzeiten hatten.
Programmierung der Basalganglien,
Schritt 2: Schreibe dein Ziel auf
Zunächst war es aus den genannten Gründen wichtig, dass ich das Ziel, das ich mir gesetzt hatte, aufschrieb. Noch im Bademantel setzte ich mich mit dem neuen Kalender an den Küchentisch und schrieb auf die Seite für diesen Tag:
Ab heute esse ich höchstens drei Mahlzeiten täglich. Nicht mehr. Frühstück, Mittagessen, Abendessen. Normale Portionen. Keine Zwischenmahlzeiten mehr.
Würde ich das schaffen? Ich rief noch einmal meine Erfahrungswerte von früher aus meinem Temporallappen ab. Sie verschafften mir einen klaren Vorteil. Jemandem, der schon als Kind unregelmäßig und zu viel gegessen hatte, wäre diese Einschränkung schwerer gefallen. Ich betrachtete meine Handschrift auf dem Kalenderblatt. Ja, dachte ich, das ist zu schaffen.
Programmierung der Basalganglien,
Schritt 3: Übe dein neues Verhalten, bis du es kannst
Auch die Neuropsychologie hat erkannt, dass Verhaltensänderungen nur in kleinen Schritten möglich sind. Denn neuropsychologisch betrachtet bedeutet eine Verhaltensänderung, neue Informationen in unseren Nervenzellen abzuspeichern und das dauerte eben eine Weile.
Mein Plan bestand dementsprechend nicht darin, ab sofort für den Rest meines Lebens nur noch drei Mahlzeiten am Tag zu essen. Das würde ich genauso wenig schaffen, wie ein Kind es schaffen würde, ein Klavierstück vom Blatt zu spielen oder zum ersten Mal auf ein Rad zu steigen und gleich um den Block zu fahren. Mir war klar, dass ich Fehler machen würde und dass mich zwischendurch Fressattacken übermannen würden. Das war normal. Das gehörte dazu. Das war Teil des Lernprozesses. Deshalb war es gut, wenn ich mich schon einmal an den Gedanken gewöhnte.
Ich war ein Kind, dem die Eltern zum ersten Mal die Stützräder vom Fahrrad geschraubt hatten. Wenn mir ein Fehler unterlief, wenn ich sozusagen einmal herunterfiel von meinem Ernährungsfahrrad, würde ich nicht jammern. Ich würde es einfach noch einmal probieren. Erst wenn ich genug geübt hätte, würde es klappen.
Vorerst nahm ich mir vor, immer nur den jeweiligen Tag zu überstehen und nicht an morgen oder noch weiter vorauszudenken. Immer nur einen Tag. Vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Drei Mahlzeiten. Nicht mehr. Nichts dazwischen.
Programmierung der Basalganglien,
Schritt 4: Belohne dich für Fortschritte
Die Neuropsychologie hat auch festgestellt, dass Fortschritte belohnt gehören. Das unbewusste Einüben der falschen Ernährung hatte ja auch über die ebenso unbewusste Belohnung funktioniert. Zucker, Fett und Salz hatten mich entspannt. Deshalb musste ich mir gleich jetzt, noch vor meinem Neustart, eine Belohnung für Fortschritte überlegen. Eine Mini-Sachertorte oder ein Piccolo-Sekt, die mir als erstes einfielen, waren wohl keine besonders gute Idee. Ich dachte eher daran, mir eine gute Bodylotion, einen schicken Nagellack, oder eine Massage zu leisten. Etwas, das ich mir sonst nicht so einfach gönnte.
Vor einer Weile hatte ich in einem Buchladen einen Bildband über tropische Luxushotels gesehen. Das Buch kostete mehr als fünfzig Euro und ich hatte hin und her überlegt und schließlich darauf verzichtet. Wann immer ich aber in dem Buchgeschäft war, sah ich mir den Bildband mit den schönsten Orten in Thailand, auf Bali und auf den Philippinen an. Die Hoteleinrichtungen aus Bambus und Stein, die Pools und die Traumstrände. In diese Bilder konnte ich so richtig eintauchen. Dann dachte ich mich an den Strand, auf eine Liege aus Kokosholz mit ganz dicker und weicher Auflage oder in den Spa zu einer Massage mit Bananenblättern und warmem Kokosnussöl.
Dieses Buch sollte meine Belohnung werden und es würde mein Budget gar nicht zusätzlich belasten. Denn ich würde jeweils am Abend den Tag rekapitulieren und die nicht getätigten Ausgaben für Zwischenmahlzeiten wie fette und süße Coffees to go, Schoko-Croissants oder Hotdogs addieren. Allein so ein Kaffee kostete fast überall zwei bis drei Euro, bei Starbucks sogar noch mehr. Mit einem Donut dazu gab ich dann täglich schnell einmal sieben Euro so nebenbei aus, ohne mir dessen richtig bewusst zu sein. Wahrscheinlich ließ ich im Schnitt jeden Tag fünf bis zehn Euro in Cafés, Bäckereien und bei Imbiss-Ständen. Wenn ich mich ranhielt, musste sich der Bildband da eigentlich bald ausgehen.
Ich holte mir das grüne Sparschwein meiner ältesten Tochter, das sie sowieso nicht benutzte. Da hinein würde von nun an das Geld für alle Kaffees, Croissants und Hotdogs wandern, die ich mir nicht mehr kaufte.
Fehler helfen weiter
Mein Plan war fertig und ich fing an, ihn umzusetzen. Am ersten Tag erinnerte ich mich daran, wie mir die nur noch drei Mahlzeiten pro Tag anfangs als fast zu einfache Maßnahme vorgekommen waren. Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht? Schon das erste Frühstück stresste mich, obwohl ich das gleiche wie immer aß. Die bloße Vorstellung, dass ich bis Mittag nichts mehr bekäme, nicht einmal ein klitzekleines Schokokeks, verleidete es mir. Mir ging immer der gleiche Gedanke durch den Kopf.
Wie soll ich es nach dem Frühstück bis zum Mittagessen durchhalten?
Es kam mir vor, als würde ich gerade meine letzte Zehrung zu mir nehmen, ehe ich zu einer Wanderung durch eine Wüste aufbrach, von der ich nicht wusste, wo sie endete und ob sie überhaupt irgendwo endete.
Der erste Fehler unterlief mir bereits am zweiten Tag, als mir auf einem Grünmarkt ein Stand mit Waldvierter Mohnzelten in die Quere kam. Waldvierter Mohnzelten sind eine Spezialität aus Kartoffelteig, gefüllt mit Graumohn. Die Fülle besteht aus Mohn, Staubzucker, Honig, Vanillezucker, Zimt, Rum, zerlassener Butter und etwas Milch, der Teig aus Mehl, Kartoffeln und Zucker, zerlassener Butter und Eiern. Waldvierter Mohnzelten sind nicht an jeder Straßenecke zu haben und ich konnte an dem Stand einfach nicht vorbei gehen. Ein anderes Mal, als ich zu Mittag wenig gegessen hatte, konnte ich am Nachmittag einem Hotdog am Kiosk nicht widerstehen.
Doch jetzt half mir das Wissen, dass Fehler in Ordnung waren. Es gab keinen Diät-Papst mehr, der mahnend den Finger hob. Ich war meine eigene Päpstin und sagte mir, dass die Neuprogrammierung meiner Basalganglien ohne Fehler gar nicht denkbar war. Das nahm den Druck von mir.
Ich maß meinen Erfolg auch nicht daran, wie lange ich ohne Fehler durchhielt. Vielmehr war jede Münze, die ich für eine nicht konsumierte Zwischenmahlzeit in das grüne Sparschwein werfen konnte, ein Erfolg. Jeder Streit, jeder Müdigkeitsanfall in der Klinik, eben jeder dieser typischen schwachen Momente, den ich ohne Schokolade überstand, war ein Erfolg und ich lernte, mich darüber zu freuen. Den Mohnzelten erlag ich, aber in anderen Situationen war ich stärker.
Ich ging an einer duftenden Bäckerei, sabbernd aber doch, einfach vorbei. Ich war grandios!
Ich trank nach dem Essen einen kleinen Espresso statt zwischendurch zwei Milchkalb-Cappuccinos. Applaus!
Ich bereitete daheim mein Essen für die Nachtdienste vor und nahm es mit, statt zwischendurch Pizza Quattro Formaggi zu bestellen. Bravo!
Obwohl ich am Telefon mit meiner Mutter gestritten hatte, aß ich danach keine Schokolade zum Trost. Super!
Ich sah mir mit meinem Sohn einen Bond-Film an und während er Chips aß, löffelte ich ein griechisches Joghurt mit Pflaumen und Walnüssen. Ich war ein Genie!
Wenn ich einen Fehler machte, schrieb ich, um besser daraus lernen zu können, am Abend folgende Fragen in meinen Kalender:
Welche Faktoren haben mich dazu verleitet, das zu essen?
Worauf muss ich ab jetzt achten, um es beim nächsten Mal besser zu machen?
Meine bisherigen Gedanken bei einem Fehler waren andere gewesen und ich hatte mir damit die Möglichkeit genommen, mich weiter zu entwickeln. Ich hatte Fehler immer verdrängt und mich folglich nicht mit den Ursachen dafür auseinandergesetzt. So konnte ich mich ja gar nicht bessern.
Kommt nicht mehr vor.
Nächstes Mal passe ich besser auf.
Nach etwa zwei Wochen konnte ich mir das Buch kaufen.
Noch besser als das Buch waren aber die drei Kilo, die bereits weg waren. Sie waren nicht nur weg, sie würden auch nicht mehr wiederkommen, da war ich ziemlich sicher. Denn ich hatte meine Basalganglien nicht mit einer aufgezwungenen Diät misshandelt, sondern sie vorsichtig schon ein wenig umprogrammiert.
Ein Kilo war bereits nach wenigen Tagen weg gewesen, danach schwankte mein Gewichtsverlust zwischen zwei und vier Kilo, um sich bei drei Kilo einzupendeln. Drei Kilo in etwas mehr als drei Wochen hören sich nicht so toll an und im Vergleich zu den Versprechungen der Diät-Gurus sind sie nichts. Andererseits war ja auch meine Ernährungsumstellung nicht weltbewegend. Der einzige Unterschied bestand darin, dass ich nach Möglichkeit nur noch dreimal am Tag aß. Ansonsten aß ich genau die gleichen Dinge und genauso viel wie bisher. Ich aß weiterhin Brioche mit Marmelade oder Nutella und Milchkaffee zum Frühstück, Spaghetti Bolognese und Lasagne oder Wiener Schnitzel zu Mittag, Baguette mit Schinken, Käsebrote oder Haselnussjoghurt mit Bananen am Abend und ich akzeptierte Rohkost weiterhin nur, wenn sie mit Schokolade überzogen war. Nur nichts überstürzen. Das war Teil meines Plans.
Wie von selbst veränderte sich in dieser Zeit auch meine Einstellung zu mir selbst. Ich sah mich nicht mehr so kritisch, sondern mit mehr Humor. Ich verstand, dass ich vieles falsch machte, dass ich vieles erst lernen musste und dass ich in vielem eine ungeschickte Anfängerin war. Als ich das begriff, notierte ich einen Satz in meinem Kalender.
Eine Anfängerin, die sich selbst zu ernst nimmt, hat es schwer egal, womit sie anfängt.
Mit diesem gewissen Maß an Selbstironie fühlte sich alles leichter an und machte mehr Spaß.
Jedem seinen Weg
Konnte ich mich einmal trotz aller guten Vorsätze und aller Motivation schon vor dem Abendessen nicht mehr beherrschen, gehörte das Nutella-Baguette, das ich dann verschlang, eben auch dazu. Ich war weder Kate Moss noch Gisele Bündchen und ich würde mich nicht von einem Tag zum anderen in eine gertenschlanke Elfe verwandeln. Darauf hatte ich auch gar keine Lust.
Ich wollte nicht den Weg einer Anderen gehen, sondern meinen eigenen, und das bedeutete, dass ich ihn mit Humor und in aller Ruhe ging.
Ich redete immer öfter mit Freundinnen über meine Art, abzunehmen, was nicht bedeutete, dass ich jeder empfahl, auch nur noch drei Mahlzeiten am Tag zu essen. Meine Empfehlung lautete anders.
Du musst deinen eigenen Weg finden.
Jeder Mensch hat ein anderes Hauptproblem. Einer trinkt vielleicht zwei Liter Cola am Tag, ein anderer nimmt jeden Abend eine Kalorienmenge zu sich, die für den ganzen Tag gereicht hätte. Jeder muss deshalb für sich selbst herausfinden, welche kleine Verhaltensänderung zu ihm und möglichst zu seiner eigenen Ernährungsgeschichte passt. Denn so eine Maßnahme will wohl durchdacht sein, wenn sie nicht nur an den guten Tagen funktionieren soll, sondern auch dann, wenn der Job stresst, die Kinder Schularbeiten haben oder in der Beziehung üble Stimmung herrscht.
Ich erlebte bei einigen meiner Freundinnen mit, wie sie ihre eigenen ersten Schritte zur Umprogrammierung ihrer Basalganglien setzten. Einige entschieden sich dabei für Sport, eine, wenn es passt, gute Entscheidung. Denn Sport verbraucht nicht nur überschüssige Kalorien, er senkt, wie einst die Mammutjagd bei den Steinzeitmenschen, auch den Cortisolspiegel und reduziert damit unser Bedürfnis nach Essen gegen den Stress.
Karla, eine Krankenschwester in unserer Abteilung, gewöhnte sich an, zweimal die Woche eine Runde durch den Rosengarten im Wiener Volksgarten zu laufen. Sie war am Land in einem hübschen Haus mit Garten aufgewachsen und in ihrer Jugend hatte Sport eine große Rolle gespielt. Sie war immer gerne gelaufen, doch mit ihrer Übersiedlung in die Stadt und den Routinen ihres Erwachsenenlebens hatte sich das verloren. Sie hatte keine Zeit, um mit dem Auto eine halbe Stunde lang zum Laufen ins Grüne zu fahren, doch sie mochte Rosen. Der Rosengarten im Volksgarten erinnerte sie an die Rosensträucher im Garten ihres Elternhauses. Sie läuft dort jetzt am liebsten in der Früh, wenn alles noch ganz friedlich ist. Im Sommer sieht sie die farbenprächtigsten Rosen blühen, jede mit einem Namensschildchen versehen und einige mit traurigen, andere mit romantischen und wieder andere mit etwas kitschigen Liebeswidmungen. »Robby mein Liebling, ich liebe dich … für immer und ewig. Danke für das schönste Jahr meines Lebens.« Solche Dinge stehen dort. »Der Ort hat Poesie, selbst im November, wenn es nebelig ist und alle Rosen eingepackt sind«, sagte Karla einmal zu mir. »Wenn ich morgens dort laufe, fängt der Tag für mich schon ganz anders an.«
Dabei hatte Karla keineswegs jeden Tag die gleiche Lust aufs Laufen. Poesie mag schön sein, doch an einem dunklen, kalten Morgen in den Jogginganzug zu schlüpfen, ist eine andere Sache. Manchmal würde auch sie sich lieber nochmal im Bett umdrehen. Deshalb bereitet sie sich jeweils schon am Vorabend Kleidung, Schuhe und Socken vor. Wenn sie dann morgens aufwacht, liegt alles neben dem Bett bereit. »Irgendwie geht dann alles automatisch«, sagte sie zu mir. »Ich stehe auf, ziehe mich an und laufe los.«
Sie hatte das nach und nach eingeübt, indem sie alles vorbereitete und alle möglichen Hindernisse vorsorglich aus dem Weg räumte. »Ich habe dann in der Früh das Gefühl, dass alles ganz von selber geht und ich mich gar nicht richtig drücken kann«, sagte sie. »Manchmal denke ich trotzdem noch darüber nach, ob ich nun Laufen gehen soll oder nicht, aber noch während ich das tue, bin ich schon halb unterwegs.« Karla läuft inzwischen öfter als zweimal die Woche. In manchen Wochen läuft sie jeden Tag.
Auch Paul, ein Unfallchirurg, mit dem ich befreundet war, übte in dieser Zeit eine neue Gewohnheit ein. Es ging ihm nicht darum, seinen Körper zu verändern, doch auch er zeigte mir, wie zuverlässig sich die Basalganglien neu programmieren lassen, selbst wenn wir es gar nicht darauf anlegen.
Pauls großes Thema waren die Nachtdienste von Samstag auf Sonntag. Kam er während der Woche von einem Nachtdienst nach Hause, waren seine Kinder in der Schule und seine Frau in der Arbeit. Er konnte in Ruhe ein bisschen schlafen und sich auf der Couch erholen. Kam er aber an einem Sonntagmorgen erschöpft zu Hause an, war immer die Hölle los. Seine Frau und seine Kinder waren voller Energie und wollten Familienprogramm machen. Für ihn war das auch eine der wenigen Gelegenheiten, Zeit mit seinen Liebsten zu verbringen, deshalb wollte er sie nicht ungenutzt verstreichen lassen. Am Heimweg kaufte er ein gutes Frühstück, frischen Orangensaft, Räucherlachs und andere Köstlichkeiten, als netten Beginn für den Tag. Doch das Frühstück ging immer schief. Sein Ruhebedürfnis und die aufgekratzte Stimmung der restlichen Familie passten einfach nicht zusammen und, wie das eben so ist, übertrug er seine üble Laune und den Stress von den nächtlichen Notoperationen auf die anderen. Er bemühte sich und kämpfte dagegen an, aber er konnte es nicht ändern.
Während er einmal gerade einen Oberschenkelhalsbruch operierte, erzählte ihm eine Kollegin, dass sie nach jedem Nachtdienst ins Fitnessstudio ging. Sie sagte, sie habe ihre Sporttasche einfach dabei. Wenn sie zu erledigt zum trainieren war, schwamm sie nur ein paar Längen. Meistens aber war sie doch am Laufband und machte Übungen an den Geräten.
Was für eine Verrückte, die nach einem Fünfundzwanzig-Stunden-Dienst noch ins Fitnessstudio geht, wo jeder normale Mensch nur mehr aufs Sofa kriechen will, dachte Paul. Eine Masochistin. Doch irgendwie ließ ihn der Gedanke nicht mehr los, schon weil er fand, dass die Kollegin immer so beneidenswert entspannt aussah.
Nur um es einmal probiert zu haben und nicht mehr darüber nachdenken zu müssen, nahm er eines Tages seine Sporttasche mit zum Samstagsdienst. (Schritt 1: Wähle ein einfaches Ziel) Seine Frau fand auch, dass es den Versuch wert wäre. Er hinterließ ihr einen Zettel, auf dem er sie über seinen Plan informierte (Schritt 2: Schreibe dein Ziel auf). Sie schickte ihm eine SMS, in der sie ihn zum Training ermunterte. »Wir können ja zu Mittag brunchen«, sagte sie zu ihm. »Wenn wir dich dafür in besserer Laune kriegen, warten wir gerne!«
Dieser Samstags-Dienst war ausgesprochen ruhig. Es lag Neuschnee, weshalb viele Menschen lieber daheim geblieben waren und wenig passierte. Die durch Schnee bedingten Unfälle kamen immer erst ein paar Tage später, wenn älteren Menschen die Essensvorräte ausgingen und sie beim Einkaufen ausrutschten.
Obwohl Paul absolut keine Lust dazu hatte, fuhr er am Sonntagmorgen nach dem Dienst ins Fitnessstudio. Dabei spielte auch sein Stolz eine Rolle, denn nun, da er seiner Frau schon den Zettel hinterlassen und seine Sportsachen mitgenommen hatte, wollte er keinen Rückzieher machen. »Es war ganz eigenartig«, erzählte er mir. »Sobald ich einmal in der Trainingsumgebung war, spürte ich kaum noch Müdigkeit. Ich machte ein ganz normales Work-out, ohne etwas abzukürzen.«
Auch Paul trainierte anfangs nicht immer. Wenn er die ganze Nacht über im OP war, schaffte er es manchmal nicht. Aber er blieb dran und gewöhnte sich an, dann eben nur ein paar Dehnungsübungen zu machen und sich ein wenig in den Whirlpool zu legen. (Schritt 3: Übe dein neues Verhalten, bis du es kannst)
Wenn Paul jetzt an einem Sonntagmorgen nach Hause kommt, fühlt er sich gut. Meistens hat er sich dann am Laufband ausgepowert und mit Gewichten trainiert und dabei seinen Körper so richtig gespürt. Der Nachtdienst, das Krankenhaus, alles hat er dabei hinter sich gelassen, und wer sich gut fühlt, strahlt das auch aus. Jetzt überträgt er seine gute Laune auf die anderen und sie geben sie ihm zurück. (Schritt 4: Belohne dich für deine Erfolge)
Trainieren nach dem Dienst ist für Paul inzwischen zu einer fixen Gewohnheit geworden. »Wenn ich jetzt nach einem Nachtdienst die Klinik verlasse, denke ich gar nicht mehr darüber nach, wohin ich fahre. Ich fahre ganz automatisch ins Fitnessstudio. So automatisch, wie ich mir nach dem Aufstehen die Zähne putze und einen Kaffee trinke.«
Бесплатный фрагмент закончился.
Начислим
+46
Покупайте книги и получайте бонусы в Литрес, Читай-городе и Буквоеде.
Участвовать в бонусной программе