Читать книгу: «Minna von Barnhelm», страница 6
6. Szene
(v. Tellheim in dem nämlichen Kleide, aber sonst so, wie es Franziska verlangt. Das Fräulein. Franziska.)
Tellheim
Gnädiges Fräulein, Sie werden mein Verweilen entschuldigen—
Fräulein
Oh, Herr Major, so gar militärisch wollen wir es miteinander nicht nehmen. Sie sind ja da! Und ein Vergnügen erwarten, ist auch ein Vergnügen.—Nun? (indem sie ihm lächelnd ins Gesicht sieht) lieber Tellheim, waren wir nicht vorhin Kinder?
Tellheim Jawohl, Kinder, gnädiges Fräulein; Kinder, die sich sperren, wo sie gelassen folgen sollten.
Fräulein Wir wollen ausfahren, lieber Major—die Stadt ein wenig zu besehen—, und hernach meinem Oheim entgegen.
Tellheim
Wie?
Fräulein Sehen Sie, auch das Wichtigste haben wir einander noch nicht sagen können. Ja, er trifft noch heut hier ein. Ein Zufall ist schuld, daß ich einen Tag früher ohne ihn angekommen bin.
Tellheim
Der Graf von Bruchsall? Ist er zurück?
Fräulein Die Unruhen des Krieges verscheuchten ihn nach Italien; der Friede hat ihn wieder zurückgebracht.—Machen Sie sich keine Gedanken, Tellheim. Besorgten wir schon ehemals das stärkste Hindernis unsrer Verbindung von seiner Seite—
Tellheim
Unserer Verbindung?
Fräulein Er ist Ihr Freund. Er hat von zu vielen zu viel Gutes von Ihnen gehört, um es nicht zu sein. Er brennet, den Mann von Antlitz zu kennen, den seine einzige Erbin gewählt hat. Er kömmt als Oheim, als Vormund, als Vater, mich Ihnen zu übergeben.
Tellheim
Ah, Fräulein, warum haben Sie meinen Brief nicht gelesen? Warum haben Sie ihn nicht lesen wollen?
Fräulein Ihren Brief? Ja, ich erinnere mich, Sie schickten mir einen. Wie war es denn mit diesem Briefe, Franziska? Haben wir ihn gelesen, oder haben wir ihn nicht gelesen? Was schrieben Sie mir denn, lieber Tellheim?—
Tellheim
Nichts, als was mir die Ehre befiehlt.
Fräulein
Das ist, ein ehrliches Mädchen, die Sie liebt, nicht sitzen zu lassen.
Freilich befiehlt das die Ehre. Gewiß, ich hätte den Brief lesen sollen. Aber was ich nicht gelesen habe, das höre ich ja.
Tellheim
Ja, Sie sollen es hören—
Fräulein Nein, ich brauch es auch nicht einmal zu hören. Es versteht sich von selbst. Sie könnten eines so häßlichen Streiches fähig sein, daß Sie mich nun nicht wollten? Wissen Sie, daß ich auf Zeit meines Lebens beschimpft wäre? Meine Landsmänninnen würden mit Fingern auf mich weisen.—"Das ist sie", würde es heißen, "das ist das Fräulein von Barnhelm, die sich einbildete, weil sie reich sei, den wackern Tellheim zu bekommen: als ob die wackern Männer für Geld zu haben wären!" So würde es heißen: denn meine Landsmänninnen sind alle neidisch auf mich. Daß ich reich bin, können sie nicht leugnen; aber davon wollen sie nichts wissen, daß ich auch sonst noch ein ziemlich gutes Mädchen bin, das seines Mannes wert ist. Nicht wahr, Tellheim?
Tellheim Ja, ja, gnädiges Fräulein, daran erkenne ich Ihr Landsmanninnen. Sie werden Ihnen einen abgedankten, an seiner Ehre gekränkten Offizier, einen Krüppel, einen Bettler, trefflich beneiden.
Fräulein Und das alles wären Sie? Ich hörte so was, wenn ich mich nicht irre, schon heute vormittage. Da ist Böses und Gutes untereinander. Lassen Sie uns doch jedes näher beleuchten.—Verabschiedet sind Sie? So höre ich. Ich glaubte, Ihr Regiment sei bloß untergesteckt worden. Wie ist es gekommen, daß man einen Mann von Ihren Verdiensten nicht beibehalten?
Tellheim Es ist gekommen, wie es kommen müssen. Die Großen haben sich überzeugt, daß ein Soldat aus Neigung für sie ganz wenig, aus Pflicht nicht viel mehr, aber alles seiner eignen Ehre wegen tut. Was können sie ihm also schuldig zu sein glauben? Der Friede hat ihnen mehrere meinesgleichen entbehrlich gemacht, und am Ende ist ihnen niemand unentbehrlich.
Fräulein Sie sprechen, wie ein Mann sprechen muß, dem die Großen hinwiederum sehr entbehrlich sind. Und niemals waren sie es mehr als jetzt. Ich sage den Großen meinen großen Dank, daß sie ihre Ansprüche auf einen Mann haben fahren lassen, den ich doch nur sehr ungern mit ihnen geteilet hätte.—Ich bin Ihre Gebieterin, Tellheim; Sie brauchen weiter keinen Herrn.—Sie verabschiedet zu finden, das Glück hätte ich mir kaum träumen lassen!—Doch Sie sind nicht bloß verabschiedet: Sie sind noch mehr. Was sind Sie noch mehr? Ein Krüppel: sagten Sie? Nun (indem sie ihn von oben bis unten betrachtet), der Krüppel ist doch noch ziemlich ganz und gerade; scheinet doch noch ziemlich gesund und stark.—Lieber Tellheim, wenn Sie auf den Verlust Ihrer gesunden Gliedmaßen betteln zu gehen denken: so prophezeie ich Ihnen voraus, daß Sie vor den wenigsten Türen etwas bekommen werden; ausgenommen vor den Türen der gutherzigen Mädchen wie ich.
Tellheim
Jetzt höre ich nur das mutwillige Mädchen, liebe Minna.
Fräulein Und ich höre in Ihrem Verweise nur das Liebe Minna—Ich will nicht mehr mutwillig sein. Denn ich besinne mich, daß Sie allerdings ein kleiner Krüppel sind. Ein Schuß hat Ihnen den rechten Arm ein wenig gelähmt.—Doch alles wohl überlegt: so ist auch das so schlimm nicht. Um soviel sichrer bin ich vor Ihren Schlägen.
Tellheim
Fräulein!
Fräulein Sie wollen sagen: Aber Sie um soviel weniger vor meinen. Nun, nun, lieber Tellheim, ich hoffe, Sie werden es nicht dazu kommen lassen.
Tellheim Sie wollen lachen, mein Fräulein. Ich beklage nur, daß ich nicht mitlachen kann.
Fräulein Warum nicht? Was haben Sie denn gegen das Lachen? Kann man denn auch nicht lachend sehr ernsthaft sein? Lieber Major, das Lachen erhält uns vernünftiger als der Verdruß. Der Beweis liegt vor uns. Ihre lachende Freundin beurteilet Ihre Umstände weit richtiger als Sie selbst. Weil Sie verabschiedet sind, nennen Sie sich an Ihrer Ehre gekränkt; weil Sie einen Schuß in dem Arme haben, machen Sie sich zu einem Krüppel. Ist das so recht? Ist das keine Übertreibung? Und ist es meine Einrichtung, daß alle Übertreibungen des Lächerlichen so fähig sind? Ich wette, wenn ich Ihren Bettler nun vornehme, daß auch dieser ebensowenig Stich halten wird. Sie werden einmal, zweimal, dreimal Ihre Equipage verloren haben; bei dem oder jenem Bankier werden einige Kapitale jetzt mitschwinden; Sie werden diesen und jenen Vorschuß, den Sie im Dienste getan, keine Hoffnung haben wiederzuerhalten: aber sind Sie darum ein Bettler? Wenn Ihnen auch nichts übriggeblieben ist, als was mein Oheim für Sie mitbringt—
Tellheim
Ihr Oheim, gnädiges Fräulein, wird für mich nichts mitbringen.
Fräulein Nichts als die zweitausend Pistolen, die Sie unsern Ständen so großmütig vorschossen.
Tellheim
Hätten Sie doch nur meinen Brief gelesen, gnädiges Fräulein!
Fräulein Nun ja, ich habe ihn gelesen. Aber was ich über diesen Punkt darin gelesen, ist mir ein wahres Rätsel. Unmöglich kann man Ihnen aus einer edlen Handlung ein Verbrechen machen wollen.—Erklären Sie mir doch, lieber Major—
Tellheim Sie erinnern sich, gnädiges Fräulein, daß ich Ordre hatte, in den Ämtern Ihrer Gegend die Kontribution mit der äußersten Strenge bar beizutreiben. Ich wollte mir diese Strenge ersparen und schoß die fehlende Summe selbst vor.—
Fräulein
Jawohl erinnere ich mich.—Ich liebte Sie um dieser Tat willen, ohne Sie noch gesehen zu haben.
Tellheim Die Stände gaben mir ihren Wechsel, und diesen wollte ich bei Zeichnung des Friedens unter die zu ratihabierende Schulden eintragen lassen. Der Wechsel ward für gültig erkannt, aber mir ward das Eigentum desselben streitig gemacht. Man zog spöttisch das Maul, als ich versicherte, die Valute bar hergegeben zu haben. Man erklärte ihn für eine Bestechung, für das Gratial der Stände, weil ich so bald mit ihnen auf die niedrigste Summe einig geworden war, mit der ich mich nur im äußersten Notfalle zu begnügen Vollmacht hatte. So kam der Wechsel aus meinen Händen, und wenn er bezahlt wird, wird er sicherlich nicht an mich bezahlt.—Hierdurch, mein Fräulein, halte ich meine Ehre für gekränkt; nicht durch den Abschied, den ich gefordert haben würde, wenn ich ihn nicht bekommen hätte.—Sie sind ernsthaft, mein Fräulein? Warum lachen Sie nicht? Ha, ha, ha! Ich lache ja.
Fräulein Oh, ersticken Sie dieses Lachen, Tellheim! Ich beschwöre Sie! Es ist das schreckliche Lachen des Menschenhasses! Nein, Sie sind der Mann nicht, den eine gute Tat reuen kann, weil sie üble Folgen für ihn hat. Nein, unmöglich können diese üble Folgen dauren! Die Wahrheit muß an den Tag kommen. Das Zeugnis meines Oheims, aller unsrer Stände—
Tellheim
Ihres Oheims! Ihrer Stände! Ha, Ha, ha!
Fräulein Ihr Lachen tötet mich, Tellheim! Wenn Sie an Tugend und Vorsicht glauben, Tellheim, so lachen Sie so nicht! Ich habe nie fürchterlicher fluchen hören, als Sie lachen.—Und lassen Sie uns das Schlimmste setzen! Wenn man Sie hier durchaus verkennen will: so kann man Sie bei uns nicht verkennen. Nein, wir können, wir werden Sie nicht verkennen, Tellheim. Und wenn unsere Stände die geringste Empfindung von Ehre haben, so weiß ich, was sie tun müssen. Doch ich bin nicht klug: was wäre das nötig? Bilden Sie sich ein, Tellheim, Sie hätten die zweitausend Pistolen an einem wilden Abende verloren. Der König war eine unglückliche Karte für Sie: die Dame (auf sich weisend) wird Ihnen desto günstiger sein.—Die Vorsicht, glauben Sie mir, hält den ehrlichen Mann immer schadlos; und öfters schon im voraus. Die Tat, die Sie einmal um zweitausend Pistolen bringen sollte, erwarb mich Ihnen. Ohne diese Tat würde ich nie begierig gewesen sein, Sie kennenzulernen. Sie wissen, ich kam uneingeladen in die erste Gesellschaft, wo ich Sie zu finden glaubte. Ich kam bloß Ihrentwegen. Ich kam in dem festen Vorsatze, Sie zu lieben—ich liebte Sie schon!—in dem festen Vorsatze, Sie zu besitzen, wenn ich Sie auch so schwarz und häßlich finden sollte als den Mohr von Venedig. Sie sind so schwarz und häßlich nicht; auch so eifersüchtig werden Sie nicht sein. Aber Tellheim, Tellheim, Sie haben doch noch viel Ähnliches mit ihm! Oh, über die wilden, unbiegsamen Männer, die nur immer ihr stieres Auge auf das Gespenst der Ehre heften! für alles andere Gefühl sich verhärten!—Hierher Ihr Auge! auf mich, Tellheim! (Der indes vertieft und unbeweglich mit starren Augen immer auf eine Stelle gesehen.) Woran denken Sie? Sie hören mich nicht?
Tellheim (zerstreut). O ja! Aber sagen Sie mir doch, mein Fräulein: wie kam der Mohr in venetianische Dienste? Hatte der Mohr kein Vaterland? Warum vermietete er seinen Arm und sein Blut einem fremden Staate?—
Fräulein (erschrocken). Wo sind Sie, Tellheim?—Nun ist es Zeit, daß wir abbrechen.—Kommen Sie! (Indem sie ihn bei der Hand ergreift.)– Franziska, laß den Wagen vorfahren.
Tellheim (der sich von dem Fräulein losreißt und der Franziska nachgeht). Nein, Franziska, ich kann nicht die Ehre haben, das Fräulein zu begleiten.– Mein Fräulein, lassen Sie mir noch heute meinen gesunden Verstand, und beurlauben Sie mich. Sie sind auf dem besten Wege, mich darum zu bringen. Ich stemme mich, soviel ich kann.—Aber weil ich noch bei Verstande bin: so hören Sie, mein Fräulein, was ich fest beschlossen habe, wovon mich nichts in der Welt abbringen soll.—Wenn nicht noch ein glücklicher Wurf für mich im Spiele ist, wenn sich das Blatt nicht völlig wendet, wenn—
Fräulein Ich muß Ihnen ins Wort fallen, Herr Major.—Das hätten wir ihm gleich sagen sollen, Franziska. Du erinnerst mich auch an gar nichts.—Unser Gespräch würde ganz anders gefallen sein, Tellheim, wenn ich mit der guten Nachricht angefangen hätte, die Ihnen der Chevalier de la Marliniere nur eben zu bringen kam.
Tellheim
Der Chevalier de la Marliniere? Wer ist das?
Franziska
Es mag ein ganz guter Mann sein, Herr Major, bis auf—
Fräulein Schweig, Franziska!—Gleichfalls ein verabschiedeter Offizier, der aus holländischen Diensten—
Tellheim
Ha! der Leutnant Riccaut!
Fräulein
Er versicherte, daß er Ihr Freund sei.
Tellheim
Ich versichere, daß ich seiner nicht bin.
Fräulein
Und daß ihm, ich weiß nicht welcher Minister, vertrauet habe, Ihre Sache sei dem glücklichsten Ausgange nahe. Es müsse ein königliches Handschreiben an Sie unterwegens sein—
Tellheim Wie kämen Riccaut und ein Minister zusammen?—Etwas zwar muß in meiner Sache geschehen sein. Denn nur jetzt erklärte mir der Kriegszahlmeister, daß der König alles niedergeschlagen habe, was wider mich urgieret worden, und daß ich mein schriftlich gegebenes Ehrenwort, nicht eher von hier zu gehen, als bis man mich völlig entladen habe, wieder zurück- nehmen könne.—Das wird es aber auch alles sein. Man wird mich wollen laufen lassen. Allein man irrt sich; ich werde nicht laufen. Eher soll mich hier das äußerste Elend vor den Augen meiner Verleumder verzehren—
Fräulein
Hartnäckiger Mann!
Tellheim
Ich brauche keine Gnade, ich will Gerechtigkeit. Meine Ehre—
Fräulein
Die Ehre eines Mannes wie Sie—
Tellheim (hitzig). Nein, mein Fräulein, Sie werden von allen Dingen recht gut urteilen können, nur hierüber nicht. Die Ehre ist nicht die Stimme unsers Gewissen, nicht das Zeugnis weniger Rechtschaffnen—
Fräulein
Nein, nein, ich weiß wohl.—Die Ehre ist—die Ehre.
Tellheim Kurz, mein Fräulein—Sie haben mich nicht ausreden lassen.—Ich wollte sagen: wenn man mir das Meinige so schimpflich vorenthält, wenn meiner Ehre nicht die vollkommenste Genugtuung geschieht, so kann ich, mein Fräulein, der Ihrige nicht sein. Denn ich bin es in den Augen der Welt nicht wert zu sein. Das Fräulein von Barnhelm verdienet einen unbescholtenen Mann. Es ist eine nichtswürdige Liebe, die kein Bedenken trägt, ihren Gegenstand der Verachtung auszusetzen. Es ist ein nichtswürdiger Mann, der sich nicht schämet, sein ganzes Glück einem Frauenzimmer zu verdanken, dessen blinde Zärtlichkeit—
Fräulein
Und das ist Ihr Ernst, Herr Major?—(Indem sie ihm plötzlich den Rücken wendet.) Franziska!
Tellheim
Werden Sie nicht ungehalten, mein Fräulein—
Fräulein (beiseite zur Franziska). Jetzt wäre es Zeit! Was rätst du mir, Franziska?—
Franziska
Ich rate nichts. Aber freilich macht er es Ihnen ein wenig zu bunt.—
Tellheim (der sie zu unterbrechen kömmt). Sie sind ungehalten, mein Fräulein—
Fräulein (höhnisch). Ich? im geringsten nicht.
Tellheim
Wenn ich Sie weniger liebte, mein Fräulein—
Fräulein (noch in diesem Tone). O gewiß, es wäre mein Unglück!—Und sehen Sie, Herr Major, ich will Ihr Unglück auch nicht.—Mann muß ganz uneigennützig lieben.—Ebensogut, daß ich nicht offenherziger gewesen bin! Vielleicht würde mir Ihr Mitleid gewähret haben, was mir Ihre Liebe versagt.—(Indem sie den Ring langsam vom Finger zieht.)
Tellheim
Was meinen Sie damit, Fräulein?
Fräulein Nein, keines muß das andere weder glücklicher noch unglücklicher machen. So will es die wahre Liebe! Ich glaube Ihnen, Herr Major; und Sie haben zuviel Ehre, als daß Sie die Liebe verkennen sollten.
Tellheim
Spotten Sie, mein Fräulein?
Fräulein Hier! Nehmen Sie den Ring wieder zurück, mit dem Sie mir Ihre Treue verpflichtet. (Überreicht ihm den Ring.) Es sei drum! Wir wollen einander nicht gekannt haben!
Tellheim
Was höre ich?
Fräulein Und das befremdet Sie?—Nehmen Sie, mein Herr.—Sie haben sich doch wohl nicht bloß gezieret?
Tellheim (indem er den Ring aus ihrer Hand nimmt). Gott! So kann Minna sprechen!—
Fräulein
Sie können der Meinige in einem Falle nicht sein: ich kann die Ihrige in keinem sein. Ihr Unglück ist wahrscheinlich; meines ist gewiß.—
Leben Sie wohl! (Will fort.)
Tellheim
Wohin, liebste Minna?
Fräulein
Mein Herr, Sie beschimpfen mich jetzt mit dieser vertraulichen Benennung.
Tellheim
Was ist Ihnen, mein Fräulein? Wohin?
Fräulein
Lassen Sie mich.—Meine Tränen vor Ihnen zu verbergen, Verräter!
(Geht ab.)
7. Szene
(v. Tellheim. Franziska.)
Tellheim
Ihre Tränen? Und ich sollte sie lassen? (Will ihr nach.)
Franziska (die ihn zurückhält). Nicht doch, Herr Major! Sie werden ihr ja nicht in ihr Schlafzimmer folgen wollen?
Tellheim
Ihr Unglück? Sprach sie nicht von Unglück?
Franziska
Nun freilich, das Unglück, Sie zu verlieren, nachdem—
Tellheim
Nachdem? was nachdem? Hierhinter steckt mehr. Was ist es,
Franziska? Rede, sprich—
Franziska
Nachdem sie, wollte ich sagen—Ihnen so vieles aufgeopfert.
Tellheim
Mir aufgeopfert?
Franziska Hören Sie nur kurz.—Es ist für Sie recht gut, Herr Major, daß Sie auf diese Art von ihr losgekommen sind.—Warum soll ich es Ihnen nicht sagen? Es kann doch länger kein Geheimnis bleiben.—Wir sind entflohen!—Der Graf von Bruchsall hat das Fräulein enterbt, weil sie keinen Mann von seiner Hand annehmen wollte. Alles verließ, alles verachtete sie hierauf. Was sollten wir tun? Wir entschlossen uns, denjenigen aufzusuchen, dem wir—
Tellheim
Ich habe genug!—Komm, ich muß mich zu ihren Füßen werfen.
Franziska
Was denken Sie? Gehen Sie vielmehr und danken Ihrem guten Geschicke—
Tellheim Elende! für wen hältst du mich?—Nein, liebe Franziska, der Rat kam nicht aus deinem Herzen. Vergib meinem Unwillen!
Franziska Halten Sie mich nicht länger auf. Ich muß sehen, was sie macht. Wie leicht könnte ihr etwas zugestoßen sein.—Gehen Sie! Kommen Sie lieber wieder, wenn Sie wiederkommen wollen. (Geht dem Fräulein nach.)
8. Szene
(v. Tellheim)
Tellheim
Aber, Franziska!—Oh, ich erwarte euch hier!—Nein, das ist dringender!
–Wenn sie Ernst sieht, kann mir ihre Vergebung nicht entstehen.—Nun brauch ich dich, ehrlicher Werner!—Nein, Minna, ich bin kein Verräter! (Eilends ab.)
5. Akt
1. Szene
(Die Szene: Der Saal.) (v. Tellheim von der einen und Werner von der andern Seite.)
Tellheim
Ha, Werner! ich suche dich überall. Wo steckst du?
Werner Und ich habe Sie gesucht, Herr Major; so geht's mit dem Suchen.—Ich bringe Ihnen gar eine gute Nachricht.
Tellheim
Ah, ich brauche jetzt nicht deine Nachrichten: ich brauche dein Geld.
Geschwind, Werner, gib mir, soviel du hast; und denn suche so viel aufzubringen, als du kannst.
Werner Herr Major?—Nun, bei meiner armen Seele, habe ich's doch gesagt: er wird Geld von mir borgen, wenn er selber welches zu verleihen hat.
Tellheim
Du suchst doch nicht Ausflüchte?
Werner
Damit ich ihm nichts vorzuwerfen habe, so nimmt er mir's mit der Rechten und gibt mir's mit der Linken wieder.
Tellheim Halte mich nicht auf, Werner!—Ich habe den guten Willen, dir es wiederzugeben, aber wenn und wie?—Das weiß Gott!
Werner
Sie wissen es also noch nicht, daß die Hofstaatskasse Ordre hat, Ihnen Ihre Gelder zu bezahlen? Eben erfuhr ich es bei—
Tellheim Was plauderst du? Was lässest du dir weismachen? Begreifst du denn nicht, daß, wenn es wahr wäre, ich es doch wohl am ersten wissen müßte?—Kurz, Werner, Geld! Geld!
Werner Je nu, mit Freuden! hier ist was!—das sind die hundert Louisdor und das die hundert Dukaten. / (gibt ihm beides.)
Tellheim Die hundert Louisdor, Werner, geh und bringe Justen. Er soll sogleich den Ring wieder einlösen, den er heute früh versetzt hat.—Aber wo wirst du mehr hernehmen, Werner?—Ich brauche weit mehr.
Werner
Dafür lassen Sie mich sorgen.—Der Mann, der mein Gut gekauft hat, wohnt in der Stadt. Der Zahlungstermin wäre zwar erst in vierzehn Tagen, aber das Geld liegt parat, und ein halb Prozentchen Abzug—
Tellheim Nun ja, lieber Werner!—Siehst du, daß ich meine einzige Zuflucht zu dir nehme?—Ich muß dir auch alles vertrauen. Das Fräulein hier—du hast sie gesehn—ist unglücklich—
Werner
O Jammer!
Tellheim
Aber morgen ist sie meine Frau—
Werner
O Freude!
Tellheim
Und übermorgen geh ich mit ihr fort. Ich darf fort, ich will fort.
Lieber hier alles im Stiche gelassen! Wer weiß, wo mir sonst ein Glück aufgehoben ist. Wenn du willst, Werner, so komm mit. Wir wollen wieder Dienste nehmen.
Werner
Wahrhaftig?—Aber doch wo's Krieg gibt, Herr Major?
Tellheim
Wo sonst?—Geh, lieber Werner, wir sprechen davon weiter.
Werner O Herzensmajor!—Übermorgen? Warum nicht lieber morgen?—Ich will schon alles zusammenbringen—In Persien, Herr Major, gibt's einen trefflichen Krieg; was meinen Sie?
Tellheim
Wir wollen das überlegen; geh nur, Werner!—
Werner
Juchhe! es lebe der Prinz Heraklius! (Geht ab.)
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