Читать книгу: «Der auferstandene Jesus als erzählte Figur im Matthäus- und Lukasevangelium», страница 6

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2.3.2 Zur figurenanalytischen Untersuchung in dieser Arbeit

Nach der Vorstellung unterschiedlicher Figurenanalysemodelle aus verschiedenen Bereichen sowie der konkreten Durchführung von Figurenanalysen in den Evangelien und der Apostelgeschichte folgt nun eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Verfahren. Sie dient letztlich dazu, die Figurenanalysekategorien herauszuarbeiten, die im Hinblick auf die geplante Analyse des Auferstandenen im Matthäus- und Lukasevangelium sinnvoll und ergiebig erscheinen.

2.3.2.1 Kritische Auseinandersetzung mit den vorgestellten Vorgehensweisen der Figurenanalyse

Die im Vorherigen vorgestellten Verfahren zur Figurenanalyse sind nun hinsichtlich ihres Nutzens für das Ziel, ein möglichst präzises und differenziertes Bild des Auferstandenen im Matthäus- und Lukasevangelium aus dem Text heraus zu erheben, zu befragen.

Durch die Mehrzahl der Figurenanalyseverfahren1 zieht sich eine generelle Unterscheidung zwischen einer direkten Charakterisierung (telling) und einer indirekten Charakterisierung (showing).2 Diese beiden Kategorien scheinen auch im Hinblick auf die Analyse des Auferstandenen von Nutzen zu sein, da sie grundsätzliche Beobachtungen im Text zutage fördern. Lediglich hinsichtlich der Frage, welche Aspekte unter diesen beiden Kategorien zu verhandeln sind, besteht in der Forschung Uneinigkeit. Die eine Position3 versteht unter der direkten Charakterisierung Aussagen des Erzählers sowie anderer Figuren über die Figur und unter der indirekten Charakterisierung das Handeln und Reden einer Figur. Eine andere Position4 zählt zu der Kategorie der indirekten Charakterisierung noch weitere Aspekte wie z.B. die Umwelt der Figur5 hinzu. Wenn aber die Definition des showing wortwörtlich verstanden wird als die Art und Weise, wie sich eine Figur im Text selbst zeigt und präsentiert, dann kann das showing nur Aspekte umfassen, auf die die Figur selbst einen Einfluss hat (also ihr Reden und Handeln, ihre Gestik, Mimik und ihre Gefühle). Der für die Analyse des Auferstandenen sicherlich ebenso relevante Aspekt der Umwelt einer Figur wird daher in einem eigenen separaten Methodenschritt verhandelt. Zum besseren Verständnis wird in dieser Arbeit jedoch anstelle des Begriffs showing der Begriff der Selbstcharakterisierung einer Figur gewählt, da hierdurch der Bezug auf die Figur selbst und ihr Reden und Handeln m.E. noch deutlicher wird. In Entsprechung dazu wird anstelle des Begriffs telling von der Fremdcharakterisierung einer Figur gesprochen, um zu kennzeichnen, dass es unter diesem Aspekt um (fremde) Aussagen des Erzählers oder anderer Figuren über die Figur geht. Eine Alternative zur Einteilung in direkte und indirekte Charakterisierung bietet u.a. Finnern, der auf eine solche Unterscheidung verzichtet und stattdessen alle Figurenmerkmale zusammenfasst und in einem weiteren Schritt der Frage nachgeht, ob diese Merkmale direkt oder indirekt vermittelt worden sind. Jedoch scheinen viele seiner aufgelisteten Fragen nach Figurenmerkmalen wie z.B. Wissen, Erleben, Wünsche und Pflichten der Figur im Hinblick auf den Auferstandenen im Matthäus- und Lukasevangelium nicht sehr ergiebig zu sein. Eine grundsätzliche Unterteilung in indirekte und direkte Charakterisierung bzw. in Selbst- und Fremdcharakterisierung ist m.E. an dieser Stelle sinnvoller. Ähnlich wie Finnern verfahren auch Chatman, Rhoads und Michie und Tolmie, indem auch sie auf eine Unterteilung in direkte und indirekte Charakterisierung verzichten und sich in ihrer Figurenanalyse hauptsächlich auf die Zusammenstellung und Untersuchung aller einer Figur im Text zugeschriebenen Merkmale (traits) beschränken. Jedoch bleibt eine solche Figurenanalyse, die nur aus einer Aneinanderreihung von Persönlichkeitsmerkmalen einer Figur besteht, m.E. recht einseitig und oberflächlich, da sie die Figur statisch als Summe verschiedener traits und nicht dynamisch in ihren vielfältigen Funktionen und Beziehungen innerhalb einer Erzählung wahrnimmt.

Für die Analyse des Auferstandenen werden somit grundsätzlich die beiden Kategorien indirekte und direkte Charakterisierung übernommen, in Selbst- und Fremdcharakterisierung umbenannt und dabei inhaltlich beschränkt auf eine Selbst-Präsentation der Figur v.a. durch ihr Handeln und Sprechen (Selbstcharakterisierung) und auf Aussagen über die Figur durch den Erzähler oder anderer Figuren sowie (nonverbaler) Reaktionen anderer Figuren auf die Figur (Fremdcharakterisierung). Um die Figur als dynamisch in ihren vielschichtigen Beziehungen und Funktionen innerhalb einer Erzählung wahrzunehmen, werden diese beiden Kategorien durch eine Reihe weiterer Kategorien ergänzt:

Wie u.a. Finnern, Anderson, Thompson und Zimmermann deutlich gemacht haben, ist auch die Beziehung der Figur zu anderen Figuren von großer Bedeutung und Aussagekraft für die Darstellung einer Figur. Zum einen treten im direkten Vergleich der Figur zu anderen Figuren Ähnlichkeiten, Gegensätze und Konflikte stärker hervor, schärfen also das Profil der Figur; zum andern sagt die Beziehung einer Figur zu anderen Figuren viel über die Figur selbst aus. Daher wird in Anlehnung an Finnern die Kategorie Figur und Figuren als eigenständiger Analyseschritt betrachtet. Ein Aktantenmodell, wie Greimas und andere es verwenden, kann zur Veranschaulichung der vielschichtigen Beziehungen einer Figur dienen. Jedoch ist es im Hinblick auf die Analyse des Auferstandenen m.E. ergiebiger, kein bereits feststehendes Raster zu verwenden, sondern jede Beziehung des Auferstandenen zu einer anderen Figur oder Figurengruppe individuell zu beschreiben und daraus ein eigenes Beziehungs-Modell zu entwickeln.

Auch der in der Forschung oft ausgeklammerte und allenfalls am Rande behandelte Aspekt der Umwelt und Umgebung, in der Figuren dargestellt werden (so u.a. bei Rimmon-Kenan, Anderson und Hur), scheint im Hinblick auf die Figurenanalyse des Auferstandenen im Matthäus- und Lukasevangelium kein unwichtiger Aspekt zu sein. Finnern liefert zwar nützliche Kriterien zur Umweltanalyse6, setzt diese jedoch nicht in Bezug zur Figurenanalyse. Er unterscheidet in seiner Umweltanalyse zwischen zeitlichen, räumlichen und sozialen Settings7 und macht darüber hinaus deutlich, dass die Umwelt auch als Symbol für etwas dienen und Stimmungen erzeugen kann.8 Für die Analyse des Auferstandenen werden daher Finnerns Kriterien zur Umweltanalyse in die Figurenanalyse integriert und in Beziehung zur Figur des Auferstandenen gesetzt.

Um auch die Ebene der Handlung für die Figurenanalyse zu berücksichtigen (wie es v.a. Bal, Rimmon-Kenan und Finnern deutlich gemacht haben), wird in einem weiteren Analyseschritt die Figur in Beziehung zur Handlung gesetzt, um so ihre Funktion, Rolle und Bedeutung für die Handlung herauszustellen. Greimas, Harvey, Bal, Finnern, Eisen, Tolmie und andere liefern hierzu Modelle, in denen die Figuren gemäß ihrer Rollen und Funktionen innerhalb einer Handlung eingeteilt und zugeordnet werden. Der Vorteil solcher Modelle ist u.a. die Übersichtlichkeit über das Zusammenspiel verschiedener Figuren innerhalb einer Handlung. Jedoch erweist sich die Verwendung eines solchen eher starr erscheinenden Rasters im Hinblick auf die Analyse einer einzelnen Figur (in diesem Fall des Auferstandenen) nicht von großem Nutzen. Denn ein solches Aktantenmodell ist m.E. nicht in der Lage, die komplexe Rolle des Auferstanden in der Handlung zu untersuchen, da sich ein Modell auf pauschale und grobe Kategorien und Einteilungen beschränken muss. Fragen wie „wie wird die Figur in die Handlung eingeführt?“ oder „treibt die Figur die Handlung voran?“ können durch ein solches Modell nicht beantworten werden. Ein Aktantenmodell eignet sich daher im Hinblick auf die Analyse des Auferstandenen besser zur Veranschaulichung der Beziehung des Auferstandenen zu anderen Figuren und wird daher unter der Kategorie Figur und Figuren verhandelt.

In Anlehnung an Gun und Fewell, Marguerat und Bourqin, Finnern, Nicklas, Oko und im übertragenen Sinne auch an Eder soll in einem weiteren Schritt die bisher in der Forschung eher vernachlässigte Beziehung des Erzählers zur Figur untersucht werden. Es soll hierbei die Art und Weise, in der der Erzähler Aussagen über die Figur trifft, näher beleuchtet werden (bei Eder ist dies z.B. die Art und Weise der Kameraführung). Denn bei den vorherigen Kategorien handelt es sich insgesamt um „Inhalte“ des Erzählers, also um das, was er über eine Figur sagt, an welchen Orten und zu welchen Zeiten er sie darstellt, wie er die Figur ins Verhältnis zu den anderen Figuren setzt und welche Rolle er der Figur innerhalb der Handlung zuschreibt. In der Analysekategorie Figur und Erzähler soll es aber nicht um Inhalte des Erzählens, sondern vielmehr um die Art und Weise der Präsentation dieser Inhalte gehen. Finnern verhandelt unter dem Analyseschritt Figurendarstellung u.a. folgende für die Beziehung des Erzählers zur Figur relevante Fragen: „Wie ist die Charakterisierung über den Text verteilt (z.B. Blockcharakterisierungen)? Wie ausführlich ist die Charakterisierung?“9 Genau wie die Umweltanalyse stellt die Perspektivanalyse bei Finnern wiederum einen eigenständigen Bereich dar, der bei ihm nicht mit der Figurenanalyse verknüpft ist. Hier verhandelt Finnern u.a. Fragen nach der Perspektive des Erzählers.10 Unter der Kategorie Figur und Erzähler wird somit bei der Figurenanalyse des Auferstandenen vorrangig (in Bezug auf Eder, Marguerat/Bourqin und Finnerns Perspektivanalyse) die Perspektive des Erzählers zur Figur sowie die Art und Weise der Charakterisierung analysiert.

Forster, Harvey, Ewen, Rimmon-Kenan, Gun und Fewell, Finnern, Powell, Bennema, Anderson, Poplutz, Eisen und Tolmie erstellen bestimmte Kategorien, nach denen Figuren beurteilt, bewertet und eingeteilt werden. Sie richten sich dabei vornehmlich entweder nach Forsters Einteilung in flache und runde Charaktere11 oder nach Ewens Einteilung in complexity, development und penetration to inner life.12 Forsters Einteilung kann mit Rimmon-Kenan zu Recht als zu grob und damit ungenügend bezeichnet werden, da zwischen den beiden Polen rund und flach noch zahlreiche Zwischenstufen bestehen, die durch sein Modell nicht erfasst werden. Ewens Einteilung scheint hier schon besser geeignet zu sein, jedoch ist auch sie in ihren Kategorien limitiert. Hinsichtlich der Aus- und Bewertung einer Figur sind daher Finnerns Kriterien, die er in Anlehnung an Eder formuliert, am effektivsten. Er unterscheidet zwischen statisch oder dynamisch, knapp oder detailliert, eindimensional oder mehrdimensional, typisch oder untypisch, geschlossen oder offen, realistisch oder unrealistisch, kohärent oder inkohärent und macht damit eine präzise Auswertung einer Figur möglich. In Bezug auf die Analyse des Auferstandenen im Matthäus- und Lukasevangelium wird jedoch bewusst auf eine abschließende Beurteilung der Figur in Bezug auf die eben genannten Kriterien verzichtet, da sie im Hinblick auf den Auferstandenen nicht sehr ertragreich erscheint. Dennoch werden die Kriterien implizit in den jeweiligen Analyseschritten mitberücksichtigt, v.a. der Aspekt der Kohärenz ist im Rückblick auf die Darstellung des irdischen Jesus von großer Bedeutung.

Eder, Marguerat und Bourqin, Schultheiss, Finnern, Powell, Nicklas und andere untersuchen darüber hinaus die Wirkung einer Figur auf den Rezipienten. Es geht ihnen darum, zu ergründen, ob die Figur Sympathie, Empathie oder Antipathie beim Rezipienten auslöst. Die Frage nach der Wirkung einer Figur ist auch im Hinblick auf die Analyse des Auferstandenen von Interesse. Jedoch liefern Eder, Marguerat und Bourqin und Powell keine zufriedenstellenden Kategorien, anhand derer Rezeptionsemotionen untersucht werden können. Finnern widmet sich dagegen der Rezeptionsanalyse in einem eigenen Kapitel, setzt sie aber wiederum nicht in Beziehung zur Figurenanalyse.13 Die von ihm genannten Kriterien (u.a. zur Empathie, Sympathie und Antipathie) eignen sich jedoch m.E. gut zur Analyse der Wirkung der Figur des Auferstandenen auf den Rezipienten und werden daher für die in dieser Arbeit verwendete Figurenanalyse übernommen. Dabei stellt die Frage nach der Wirkung der Figur auf den intendierten Rezipienten keinen eigenen Analysepunkt dar; vielmehr spielt sie während der gesamten Figurenanalyse eine Rolle.

Jannidis liefert in seinem Figurenanalysemodell wichtige Impulse hinsichtlich der Beschaffenheit von Informationen über die Figur. Er nennt hier u.a. Aspekte wie Zuverlässigkeit14, Modus, Relevanz, Dauer, Menge, Häufigkeit, Ordnung, Dichte und Kontext der Informationen. Diese von ihm herausgestellten Kriterien, nach denen die Äußerungen über eine Figur im Text (direkt, indirekt, in Bezug auf die Handlung, die Umwelt und andere Figuren) befragt werden können, eignen sich m.E. gut dazu, generell und übergreifend in einer Figurenanalyse angewendet zu werden. Sie stellen somit keine eigene Kategorie dar, sondern werden bei allen Äußerungen in allen Kategorien berücksichtigt.

Anderson, Hur, Rimmon-Kenan, Nicklas und Danove betonen in ihren Figurenanalysen zu Recht den Aspekt der Analogie. Ihrer Ansicht nach besitzen Analogien (Wiederholungen, Ähnlichkeiten und Kontraste) im Text einen hohen Stellenwert und sagen viel über die Darstellung einer Figur aus. Genau wie die Fragen nach der Beschaffenheit von Aussagen, sind daher auch im Text begegnende Analogien in Bezug auf eine Figur stets in allen Analysekategorien mit zu berücksichtigen.

Im Prinzip soll in der geplanten Analyse auf eine explizite historische Ausweitung des narrativen Ansatzes durch das Heranziehen von frühchristlichen Vergleichstexten (wie bei Hartenstein und Fehribach) oder durch den Versuch einer Rekonstruktion des gesamten Weltwissens des damaligen Lesers (wie bei Darr) verzichtet werden, denn ein solches Vorgehen scheint nicht unproblematisch zu sein. Der Nachteil in Bezug auf Hartensteins Methodik dürfte darin liegen, dass ihr Verfahren, bei dem auch sehr viel später als das Johannesevangelium entstandene Texte als (bereits in mündlichen Vorstufen) bekannt vorausgesetzt und als Vergleichstexte genutzt werden, sehr hypothetisch und letztlich willkürlich bleibt. Auch Darrs Versuch, den damaligen lukanischen Leser genau zu rekonstruieren, um so durch seine Brille hindurch den Text zu lesen, kann wohl kaum so umfassend gelingen, dass sich ein wirklicher Ertrag für die Analyse daraus ergäbe. Eine generelle Verortung des Textes, wie u.a. Finnern, Oko und Bennema es vorschlagen, ist dagegen sinnvoll, da der Text allein schon durch seine Sprache und sein soziokulturelles Setting historisch verankert ist. Wie bereits im vorherigen Kapitel zu dem in dieser Arbeit verwendeten Erzählmodell geklärt worden ist, ist der intendierte Rezipient des Matthäus- und des Lukasevangeliums ein Leser des ersten Jahrhunderts nach Christus. Sein mögliches Weltwissen wird dann explizit berücksichtigt, wenn der Text ein entsprechendes Wissen vorauszusetzen scheint und damit eine historische Rückfrage für das Verständnis des Textes notwendig ist. Die „Richtung“ der Analyse erfolgt daher in dieser Arbeit nicht vom Hintergrund zum Text (wie u.a. Hartenstein es vorschlägt), sondern vom Text zurück zum Hintergrund. Auf einen Versuch, bereits vor der Analyse der Texte das mögliche Profil des intendierten Rezipienten des Matthäusevangeliums und das mögliche Profil des intendierten Rezipienten des Lukasevangeliums genau zu rekonstruieren und ihnen ein enzyklopädisches Wissen zuzuschreiben, wird in dieser Arbeit jedoch verzichtet.

2.3.2.2 Die in dieser Arbeit verwendeten Figurenanalysekategorien

Nach der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Figurenanalysemethoden ergeben sich somit für die Figurenanalyse des Auferstandenen die folgenden sechs Analysekategorien. In allen Analyseschritten wird dabei stets auf die Beschaffenheit der Informationen, die Wirkung der Figur auf den intendierten Rezipienten sowie auf mögliche Analogien geachtet. Diese sechs Kategorien werden deshalb bei der Untersuchung von Mt 28 und Lk 24 eingesetzt, weil die differenzierten Fragen möglichst vielfältige Beobachtungen zur Figur des Auferstandenen in den beiden Texten zutage bringen sollen; sie haben also insgesamt heuristische Funktion.

 1 Fremdcharakterisierung

Unter diese Analysekategorie werden alle direkten Aussagen, die der Erzähler oder andere Figuren im Text über die Figur tätigen, gefasst. Darunter fallen u.a. ausdrücklich zugeschriebene Aussagen über das Aussehen, die Herkunft, den sozialen Status, den Beruf, aber auch über Charakterzüge, Eigenschaften und Angewohnheiten der Figur. Dabei ist darauf zu achten, welche Figur etwas über den Auferstandenen sagt und ob diese als glaubwürdig eingestuft werden kann. Darüber hinaus zählen zu dieser Kategorie auch die (nonverbalen) Reaktionen anderer Figuren auf die Figur.

 2 Selbstcharakterisierung

In dieser Kategorie steht nicht das, was vom Erzähler oder anderen Figuren über die Figur erzählt wird, im Mittelpunkt, sondern das, was die Figur selbst über sich aussagt, wie sie sich zeigt und präsentiert. Hierzu zählen vor allem das Sprechen (Wortwahl, Stil) der Figur, Gedanken und Gefühle, nonverbales Verhalten (Gestik, Mimik) sowie das Handeln (oder auch Nicht-Handeln) der Figur.

 3 Figur und Figuren

In diesem Abschnitt geht es um die Frage, in welchem Verhältnis und in welcher Beziehung die Figur zu den anderen Figuren innerhalb der Erzählung steht. Wie verhält sie sich zu wem? Sind Kontrastfiguren zu erkennen? In diesem Bereich greifen die Aspekte der Analogie besonders stark, da hier Ähnlichkeiten und Kontraste der Figur zu anderen Figuren thematisiert werden.

 4 Figur und Umwelt

In der Kategorie Figur und Umwelt wird zum einen untersucht, in welcher Umgebung, an welchen Orten oder Schauplätzen die Figur dargestellt wird. Zum anderen wird geprüft, ob die Figur mit bestimmten Zeiten, Daten oder Festen in Verbindung gebracht wird. Auch mögliche Symboliken oder erzeugte Stimmungen durch Umweltschilderungen werden in Beziehung zur Figur gesetzt.

 5 Figur und Handlung

An dieser Stelle wird die Frage nach der Rolle und Funktion der Figur innerhalb der Handlung untersucht. Dabei sind folgende Fragen leitend: Ist die Figur durchgängig die Hauptfigur? Wie wird die Figur vom Erzähler in die Handlung eingeführt, wie oft kommt sie innerhalb eines Handlungsstrangs vor, treibt sie die Handlung voran und welche Relevanz und Bedeutung hat sie insgesamt für die Handlung?

 6 Figur und Erzähler

In dieser Kategorie steht das Verhältnis des Erzählers zur Figur und die Beschaffenheit und Rhetorik seiner Figurendarstellung im Mittelpunkt. Es geht dabei konkret um folgende Fragen: Mit welchen (sprachlichen) Mitteln stellt der Erzähler die Figur dar? Was lässt sich über die Wortwahl des Erzählers und seinen Erzählstil bezüglich der Figur aussagen? Aus welcher Perspektive heraus schildert der Erzähler die Figur und wie sieht seine Kameraführung (Fokalisierung) aus? Deckt sich die Erzählzeit des Erzählers mit der erzählten Zeit der Handlung?

 7 Fazit

Zuletzt werden die im Vorherigen angestellten Beobachtungen gebündelt und im Zusammenhang der Frage nach der möglichen (theologischen und christologischen) Intention des jeweiligen Evangeliums ausgewertet.

3 Figurenanalyse des Auferstandenen
3.1 Figurenanalyse des Auferstandenen in Mt 28,1–20

Im Folgenden wird die Figurenanalyse der Figur des Auferstandenen im Erzählabschnitt Mt 28,1–20 nach den im vorherigen Kapitel ausgearbeiteten Analysekriterien durchgeführt.

3.1.1 Fremdcharakterisierung des Auferstandenen

Die Fremdcharakterisierung des Auferstandenen findet sich sowohl in Äußerungen des Erzählers oder anderer Figuren über den Auferstandenen, als auch in ihren nonverbalen Reaktionen auf ihn, die etwas über die Figur des Auferstandenen aussagen. Im Rahmen von Mt 28,1–20 sind daher die folgenden Abschnitte von besonderer Relevanz:

1. Die Worte des Engels über den Auferstandenen (Mt 28,5–7); 2. Die Äußerungen und Reaktionen der Hohepriester hinsichtlich des Auferstandenen (Mt 28,12–14); 3. Die Äußerungen des Erzählers über das Aussehen des Auferstandenen (Mt 28,9); 4. Die Reaktionen der Frauen auf den Auferstandenen (Mt 28,9); 5. Die Reaktionen der Jünger auf den Auferstandenen (Mt 28,17).

1. Die erste Fremdcharakterisierung der Figur des Auferstandenen findet sich in Mt 28,5–7 aus dem Mund eines Engels. Ein Engel, dessen Aussehen vom Erzähler mit den Worten ὡς ἀστραπὴ καὶ τὸ ἔνδυμα αὐτοῦ λευκὸν ὡς χιών (Mt 28,3) beschrieben wird1, kommt vom Himmel herab, wälzt den Stein vom Grab Jesu, setzt sich auf ihn und teilt den Frauen, die die Leiche des gekreuzigten Jesus suchen, grundlegende Informationen über den Auferstandenen mit (Mt 28,5).

Der intendierte Rezipient liest an dieser Stelle nicht zum ersten Mal von einem Engel, der eine Botschaft überbringt. Er kennt eine solche himmlische Mittlerfigur bereits aus Mt 1,20–23; 2,13; 2,19–20. An diesen drei Stellen erscheint ein Engel Josef, dem Vater Jesu, im Traum und erteilt ihm Handlungsanweisungen. Diese Anweisungen betreffen dabei jeweils unmittelbar die Figur des irdischen Jesus. Wenn nun in Mt 28,2–7 ein Engel den Frauen nicht nur im Traum, sondern in der Wirklichkeit, „leiblich“, erscheint, dann erkennt der intendierte Rezipient die große Bedeutung der folgenden Ereignisse.2 Indem sich im Verlauf des Evangeliums die vom Engel gemachten Ankündigungen jeweils bestätigen, besitzt die Figur des Engels für den intendierten Rezipienten eine hohe Glaubwürdigkeit. Der Rezipient kann somit den folgenden direkten Aussagen des Engels über den Auferstandenen trauen.

Zunächst teilt der Engel in Mt 28,5–6 zwei grundlegende Informationen über den Auferstandenen mit: 1. Er, der Gekreuzigte, ist von den Toten auferweckt worden und liegt nicht mehr an seinem Ort im Grab. 2. Er ist auferweckt worden, so wie er es bereits (als Irdischer) vorausgesagt hat.

Dabei leitet der Engel die Aussagen über den Auferstandenen in V.5 mit den Worten μὴ φοβεῖσθε ὑμεῖς ein, wodurch der Engel den Frauen ihre Furcht – ausgelöst durch die Erscheinung eines göttlichen Wesens – nehmen will.3 Mit der ersten Aussage des Engels wird auf das Vorwissen des intendierten Rezipienten angespielt, der im vorhergehenden Kapitel von der Kreuzigung Jesu, seinem Tod und seinem Begräbnis gelesen hat. Indem der Engel an dieser Stelle Jesus als τὸν ἐσταυρωμένον (V.5) betitelt, erhält die direkt im Anschluss daran folgende Aussage des Engels über seine Auferweckung (V.6) noch stärkeres Gewicht. Es entsteht somit ein starker Kontrast zwischen Jesu Tod und seiner Auferstehung. Der Engel verwendet die Bezeichnung τὸν ἐσταυρωμένον in V. 5 zwar im Hinblick auf den irdischen Jesus, der gekreuzigt worden ist, und dessen Leiche die Frauen suchen. Jedoch bezieht sich das Verb ἠγέρθη (V.6) immer noch auf Ἰησοῦν τὸν ἐσταυρωμένον, das Akkusativobjekt des vorherigen Verses. Der Engel spricht damit auch vom Auferstandenen als dem Gekreuzigten.4 Auffällig daran ist, dass der Engel für die Bezeichnung Jesu als τὸν ἐσταυρωμένον eine Perfekt-Form verwendet, durch die die „Dauer des Vollendeten“5 beschrieben wird. Hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, dass Jesus auch als Auferstandener stets der Gekreuzigte bleibt.6 Indem der Engel für die Auferstehungsaussage ἠγέρθη eine Passiv-Form wählt, wird zudem deutlich, dass es sich bei der Auferweckung nicht um eine Aktion des Auferstandenen selbst handelt, sondern dass vielmehr ein Geschehen an ihm verübt worden ist. Der intendierte Rezipient versteht aufgrund des Kontextes Gott als den Akteur der Auferweckung Jesu.7

Die zweite Information des Engels (ἠγέρθη γὰρ καθὼς εἶπεν V.6) setzt ebenfalls das Vorwissen des intendierten Rezipienten voraus, da der Engel die Osterbotschaft „mit einer Erinnerung an das Wort Jesu selbst“8 verknüpft. Die Voraussagen seiner eigenen Auferstehung finden sich im MtEv an vier Stellen: Mt 16,21; Mt 17,22f, Mt 20,18f und Mt 26,32. Die Worte des Irdischen werden damit bestätigt, wodurch ein starker Rückbezug des Auferstandenen zum Irdischen entsteht. Diese Bestätigung seiner Ankündigung trägt zur Verlässlichkeit und Autorität der Worte Jesu insgesamt bei. Streng genommen erinnert der Engel jedoch nicht die Frauen an seine Vorhersagen (da der Irdische diese in allen vier Stellen nur an seine Jünger gerichtet hat), sondern er erinnert vielmehr den intendierten Rezipienten, der die Ankündigungen seiner Auferweckung aus seinem Lesegedächtnis kennt.

Direkt im Anschluss, in V.7, fordert der Engel die Frauen auf, den Jüngern möglichst schnell eine Botschaft zu überbringen. Dabei unterstreicht das Adverb ταχύς, das in V.8 nochmals aufgegriffen wird, die Wichtigkeit und Dringlichkeit dieser Botschaft an die Jünger.9 Die Botschaft enthält wiederum zwei direkte Aussagen über die Figur des Auferstandenen, wobei die erste Aussage eine Wiederholung der zentralen Aussage des vorangehenden Verses darstellt: 1. Jesus ist von den Toten (ἀπὸ τῶν νεκρῶν) auferweckt worden. 2. Der Auferstandene wird den Jüngern nach Galiläa vorausgehen und sich dort von ihnen sehen lassen.10

An dieser Stelle wird – ohne es wie im vorangehenden Vers ausdrücklich zu nennen – in zweierlei Hinsicht auf das Vorwissen des intendierten Rezipienten angespielt: 1. Der intendierte Rezipient wird damit an die Aussage Jesu in Mt 26,32, er werde ihnen (den Jüngern) nach Galiläa vorausgehen, erinnert. 2. Der intendierte Rezipient kennt Galiläa als den Ort des ersten Wirkens Jesu. Hier hat er seine Jünger berufen, gelehrt und geheilt. Daher sichert Galiläa „als Stätte des Wirkens des Irdischen […] dessen Identität mit dem Auferstandenen.“11 Zudem ist Galiläa ein Ort „away from the corruption of Jerusalem“12. Indem der Auferstandene den Jüngern dort, „wo ihr gemeinsamer Weg begonnen hat“13 und „von wo sie auszogen“14, begegnen wird, schließt sich gewissermaßen der Kreis.15 Wie in V.6, so erfüllt auch in V.7 der Auferstandene seine als Irdischer angekündigten Versprechen, sodass ein starker Rückbezug auf den Irdischen entsteht. „Sein Wort gilt und überwindet jeden Bruch.“16 Ob die Frauen der Aufforderung des Engels in V.6, herzukommen und das leere Grab anzuschauen,17 nachkommen, lässt der Text offen. Das leere Grab scheint damit letztlich nicht wichtig und entscheidend zu sein für die Auferstehung Jesu, es spielt nur eine untergeordnete Rolle und dient nicht als Beweis für seine Auferstehung.18

2. Eine weitere Aussage über den Auferstandenen findet sich in Mt 28,13, diesmal jedoch aus dem Mund der Hohepriester. Sie geben den Soldaten gegen Geld den Auftrag, das Gerücht (V.15) zu verbreiten, Jesu Jünger hätten seinen Leichnam mitten in der Nacht gestohlen. Damit sagen sie über die Figur des Auferstandenen aus, dass es sie überhaupt nicht gibt. Sie stellen ihn als einen gewöhnlichen Menschen, der den Tod nicht überwinden kann, dar. Durch den Vorwurf, seine Jünger hätten den Leichnam gestohlen, erscheint somit auch Jesus indirekt als Betrüger.19 Dabei ist die Aussage über Jesus aus dem Mund der Hohepriester als eine bewusste Falschaussage im Kontext einer Bestechung, die auch im Text selbst als solche kenntlich gemacht wird, zu bewerten. Der Erzähler bleibt dennoch in seiner Darstellung der Szene sachlich; „mit einer vollendeten Nüchternheit und Überlegenheit werden die für den Erzähler ungeheuerlichen Umtriebe der jüdischen Führer sachlich berichtet“20. Der Erzähler lässt die Hohepriester und Ältesten ein Gerücht in die Welt setzen, dessen Inhalt sie paradoxerweise bereits in Mt 27,64 selbst befürchtet haben. Weil sie Angst davor haben, die Jünger könnten den Leichnam Jesu stehlen, lassen sie das Grab bewachen. Nachdem die Wachen jedoch aus Angst vor dem Engel in Ohnmacht gefallen sind (Mt 28,4) und der Leichnam Jesu wirklich aus dem Grab verschwunden ist, greifen sie diese Befürchtung „überraschend als Teil ihrer eigenen Strategie“21 wieder auf.22 Wahrscheinlich soll mit dieser Darstellung, der eine „unerhörte Ironie“23 anhaftet, bezweckt werden, dass die Hohepriester und Ältesten in den Augen des intendierten Rezipienten als verzweifelt, lächerlich und letztlich unwissend dastehen.

Der intendierte Rezipient wird jedoch eine narrative Ungereimtheit bemerken: In V.4 wird erzählt, wie die Wachen durch die Ankunft des Engels erschrecken und „wie Tote werden“. Dies impliziert für den Rezipienten, dass die Wachen die Aussage des Engels nicht mitbekommen haben und deshalb auch nicht von seiner Auferstehung wissen. Wenn aber nun der Erzähler in V. 11 aussagt, dass einige von der Wache in die Stadt kamen und ἅπαντα τὰ γενόμενα berichteten, dann entsteht an dieser Stelle für den intendierten Rezipienten unweigerlich die Frage, was mit ἅπαντα gemeint ist. Denn hätten die Wachen nur das Erdbeben und die Ankunft des Engels, nicht aber dessen Aussage, miterlebt, dann müssten die Hohepriester kein Gerücht verbreiten lassen, das die Auferstehung Jesu leugnet, da sie gar nicht wissen, dass der Gekreuzigte nicht mehr im Grab liegt. Luz „löst“ dieses Problem, indem er annimmt, dass die Wachen auch gesehen haben, dass das Grab leer war.24 Jedoch wird im Text erst in V.6 explizit vom leeren Grab gesprochen, sodass die Wachen, bevor sie in Ohnmacht gefallen sind, lediglich das Wegwälzen des Steins miterlebt haben können. Setzt der Erzähler also voraus, wie Luz es annimmt, dass die Wachen aus dem Wegwälzen des Steins geschlossen haben, das Grab sei leer?25 Oder setzt der Erzähler womöglich voraus, dass sich die Wachen nach dem Erwachen selbst vom leeren Grab überzeugt haben, wie Fiedler es für wahrscheinlich hält?26 Und wenn ja, schließen sie aus dem leeren Grab automatisch, dass Jesus auferstanden ist, wie Gnilka es annimmt?27 Eine solche Schlussfolgerung gibt jedoch m.E. der Text selbst nicht her. Luck vertritt dagegen eine gegenteilige Ansicht, nämlich dass die Wachen und Hohepriester selbst vom Diebstahl der Jünger überzeugt sind, der für sie das leere Grab erklärt.28 Gegen diese Position spricht aber die ausführlich dargestellte Bestechung der Wachen mit Geld sowie die Bezeichnung dieser Aussagen als Gerücht (V.15). Der intendierte Rezipient weiß aus der Verleugnung des Judas (Mt 26,15), dass „Geld […] schon immer ein Mittel ihrer bösen Strategie“29 war.30

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