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Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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LVI.
Die doppelte Existenz. – Der Schlaf

Balsamo wich rasch zurück, die zwei Arme von Lorenza faßten nur die Luft und fielen kreuzweise wieder auf ihre Brust herab.«

»Lorenza,« sprach Balsamo, »willst Du mit Deinem Freund plaudern?«

»Oh! ja,« antwortete sie; »doch sprich selbst häufig mit mir: ich liebe so sehr Deine Stimme!«

»Lorenza, Du hast mir oft gesagt, Du wärest sehr glücklich, wenn Du, getrennt von der ganzen Welt, mit mir leben könntest.«

»Ja, das wäre ein Glück.«

»Nun, ich habe Deinen Wunsch verwirklicht, Lorenza. In diesem Zimmer kann uns Niemand verfolgen, Niemand erreichen; wir sind allein, ganz allein.«

»Ah! desto besser.«

»Sage mir, ob dieses Zimmer nach Deinem Geschmack ist?«

»Befiehl mir zu sehen.«

»Sieh!«

»Oh! das reizende Zimmer!«

»Es gefällt Dir also?« fragte der Graf mit weichem Tone.

»Oh! ja; hier sind meine Lieblingsblumen, meine Vanille-Heliotrope, meine Purpurrosen, meine chinesischen Jasmine. Ich danke, mein zärtlicher Joseph, wie gut bist Du!«

»Ich thue, was ich kann, um Dir zu gefallen, Lorenza.«

»Oh! Du thust hundertmal mehr, als ich verdiene.«

»Du gibst das zu?«

»Ja.«

»Du gibst zu, daß Du sehr böse gewesen bist?«

»Sehr böse! oh ja. Doch nicht wahr, Du verzeihst mir?«

»Ich werde Dir verzeihen, wenn Du mir das seltsame Geheimniß erklärt hast, gegen welches ich kämpfe, seitdem ich Dich kenne.«

»Höre, Balsamo. Es sind in mir zwei sehr verschiedene Lorenza: eine, die Dich liebt und eine, die Dich haßt, wie es in mir zwei entgegengesetzte Existenzen gibt: die eine, während welcher ich alle Freuden des Paradieses genieße, die andere, in der ich alle Qualen der Hölle empfinde.«

»Und diese zwei Existenzen sind die eine der Schlaf, die andere das Wachen, nicht wahr?«

»Ja.«

»Und Du liebst mich, wenn Du schläfst, und hassest mich, wenn Du wachst?«

»Ja.«

»Warum dies?«

»Ich weiß es nicht.«

»Du mußt es wissen.«

»Nein.«

»Suche gut, schau’ in Dich selbst, durchforsche Dein eigenes Herz.«

»Ah! ja  . . . Ich begreife nun.«

»Sprich.«

»Wenn Lorenza wacht, ist es die Römerin, ist es das abergläubische Mädchen Italiens: sie glaubt, die Wissenschaft sei ein Verbrechen und die Liebe eine Sünde. Dann hat sie Furcht vor dem gelehrten Balsamo, Furcht vor dem schönen Joseph. Ihr Beichtvater hat ihr gesagt, wenn sie Dich liebte, würde sie ihr Seelenheil verlieren, und sie wird Dich fliehen, immer, unabläßig, bis an das Ende der Welt.«

»Und wenn Lorenza schläft?«

»Oh! dann ist es etwas Anderes; sie ist nicht mehr Römerin, sie ist nicht mehr abergläubisch, sie ist Frau. Dann sieht sie in das Herz und in den Geist von Balsamo; sie sieht, daß dieses Herz sie liebt, sie sieht, daß dieser Geist von erhabenen Dingen träumt. Dann begreift sie, wie wenig sie im Vergleiche mit ihm ist. Und sie möchte gern bei ihm leben und sterben, damit die Zukunft ganz leise den Namen von Lorenza ausspräche, zu gleicher Zeit, wo sie laut den Namen aussprechen wird von  . . .. Cagliostro!«

»Unter diesem Namen soll ich also berühmt werden?«

»Ja, ja, unter diesem Namen.«

»Theure Lorenza! Du wirst also diese neue Wohnung lieben?«

»Sie ist reicher, als alle diejenigen, welche Du mir bis jetzt gegeben hast; doch nicht deshalb liebe ich sie.«

»Und warum liebst Du sie?«

»Weil Du sie mit mir zu bewohnen versprichst.«

»Ah! wenn Du schläfst, weißt Du also, daß ich Dich glühend, voll Leidenschaft liebe?«

Die junge Frau zog ihre beiden Kniee an sich, nahm sie in ihre Arme und sprach, während ein bleiches Lächeln ihre Lippen umspielte:

»Ja, ich sehe es. Ja, ich sehe es, und dennoch, dennoch,« fügte sie mit einem Seufzer bei, »dennoch gibt es ein Ding, das Du mehr liebst als Lorenza.«

»Was ist das?« fragte Balsamo bebend.

»Deinen Traum.«

»Sage mein Werk.«

»Deinen Ehrgeiz.«

»Sage meinen Ruhm.«

»Oh! mein Gott! Mein Gott!«

Das Herz der jungen Frau preßte sich zusammen, stille Thränen floßen durch ihre geschlossenen Augenlider.

»Was siehst Du denn?« fragte Balsamo. erstaunt über die furchtbare Hellsichtigkeit, die ihn selbst zuweilen erschreckte.

»Oh! ich sehe eine Finsterniß, durch welche Gespenster hingleiten; einige von ihnen halten ihre gekrönten Häupter in der Hand, und Du, Du, Du bist mitten unter Allem dem, wie ein General mitten im Gefecht. Es scheint mir, Du hast die Macht Gottes, Du befiehlst, und man gehorcht Dir.

»Nun!« versetzte Balsamo freudig, »macht Dich das nicht stolz auf mich?«

»Oh! Du bist so gut, daß Du nicht groß zu sein brauchst. Ueberdies suche ich mich in dieser ganzen Welt, die Dich umgibt, und sehe mich nicht. Oh! ich werde nicht mehr sein  . . . ich werde nicht mehr sein,« murmelte sie traurig.

»Und wo wirst Du sein.«

»Ich werde todt sein.«

Balsamo bebte.

»Du todt, meine Lorenza!« rief er; »nein, nein, wir werden mit einander leben, um uns zu lieben.« »Du liebst mich nicht.«

»Oh! doch.«

»Wenigstens nicht genug, nicht genug,« rief sie, während sie mit ihren beiden Armen den Kopf von Joseph ergriff; »nicht genug,« fügte sie bei und drückte auf seine Stirne glühende Lippen, welche ihre Liebkosungen verdoppelten.

»Was wirfst Du mir vor?«

»Deine Kälte. Siehst Du, Du weichst zurück. Brenne ich Dich mit meinen Lippen, daß Du meine Küsse fliehst? Oh! gib mir die Ruhe des Mädchens, mein Kloster in Subiaco, die Nächte meiner einsamen Zelle zurück. Gib mir die Küsse zurück, die Du mir auf dem Flügel geheimnißvoller Lüfte sandtest, die ich in meinem Schlaf wie Sylphen mit goldenen Schwingen auf mich zukommen sah, daß meine Seele in Entzücken hinschmolz.«

»Lorenza! Lorenza!«

»Oh! fliehe mich nicht, Balsamo, fliehe mich nicht, ich bitte Dich inbrünstig, gib mir Deine Hand, daß ich sie drücke, Deine Augen, daß ich sie küsse; ich bin nun Dein Weib.«

»Ja, ja, meine theure Lorenza, Du bist mein vielgeliebtes Weib.«

»Und Du duldest, daß ich so bei Dir lebe, unnütz, verlassen; Du hast eine keusche, einsame Blume, deren Wohlgeruch Dich ruft, und Du stößt ihren Wohlgeruch zurück! Oh! ich fühle es wohl, ich bin nichts für Dich.«

»Du bist im Gegentheil Alles, meine Lorenza, denn Du bist es, die meine Kraft, meine Macht, mein Genie bildet, denn ohne Dich vermöchte ich nichts. Höre also auf, mich mit dem wahnsinnigen Fieber zu lieben, das die Nächte der Frauen Deines Landes stört. Liebe mich, wie ich Dich liebe.«

»Oh! das ist nicht Liebe, was Du für mich fühlst.«

»Es ist wenigstens Alles, was ich von Dir verlange; denn Du gibst mir Alles, was ich zu haben wünsche; denn dieser Besitz der Seele genügt mir, um glücklich zu sein.«

»Glücklich!« versetzte Lorenza mit einer Miene der Verachtung; »Du nennst das glücklich sein?«

»Ja, denn für mich heißt glücklich sein, groß sein.«

Lorenza stieß einen langen Seufzer aus.

»Oh! wenn Du wüßtest, was es ist, meine süße Lorenza, offen in dem Herzen der Menschen zu lesen, um sie durch ihre eigenen Leidenschaften zu beherrschen!«

»Ja, hiezu diene ich Dir, ich weiß es wohl.«

»Das ist noch nicht Alles. Deine Augen lesen für mich in dem geschlossenen Buche der Zukunft. Was ich mit zwanzig Jahren der Arbeit und des Elends nicht lernen konnte, das lehrst Du mich, wann Du willst, meine süße, unschuldige, reine Taube. Meine Schritte, an welche so viele Feinde Hinterhalte legen, Du erleuchtest sie; meinen Geist, von welchem mein Leben, mein Vermögen, meine Freiheit abhängen, Du erweiterst ihn, wie das Auge des Luchses, das in der Nacht sieht. Deine schönen Augen, indem sie sich für den Tag dieser Welt schließen, öffnen sich zu einer übermenschlichen Klarheit und wachen für mich. Du machst mich frei, Du machst mich reich, Du machst mich mächtig.«

»Und dafür machst Du mich unglücklich,« rief Lorenza, von der tiefsten Liebe glühend.

Und gieriger als je, umschlang sie mit ihren beiden Armen Balsamo, der, ganz geschwängert von der elektrischen Flamme, nur noch schwach widerstand.

Er machte indessen eine Anstrengung und löste das lebendige Band, das ihn umgab.

»Lorenza! Lorenza!« rief er, »habe Mitleid!«

»Ich bin Deine Frau,«’rief sie, »und nicht Deine Tochter! Liebe mich wie ein Gatte seine Frau liebt, und nicht wie mein Vater mich liebte.«

»Lorenza,« sprach Balsamo, selbst vor Verlangen bebend, »ich flehe Dich an, fordere von mir keine andere Liebe, als die, welche ich Dir geben kann.«

»Aber das ist nicht Liebe,« rief die junge Frau, verzweiflungsvoll ihre Arme zum Himmel erhebend, »nein, das ist nicht Liebe!«

»Oh! doch ist es Liebe  . . . aber heilige, reine Liebe, wie man sie einer Jungfrau schuldig ist.«

Lorenza machte eine ungestüme Bewegung, welche die langen Flechten ihrer schwarzen Haare entrollte. Ihr Arm, so weiß und zugleich so nervig, streckte sich beinahe drohend gegen den Grafen aus.

»Oh! was bedeutet denn das?« sprach sie mit kurzem, trostlosem Tone, »Und warum hast Du gemacht, daß ich mein Vaterland, meinen Namen, meine Familie, Alles bis auf meinen Gott verließ? Denn Dein Gott gleicht dem meinigen nicht. Warum hast Du mich in Deine Nähe gezogen? Warum hast Du Dir die unumschränkte Herrschaft über mich genommen, welche aus mir Deine Sklavin, aus meinem Leben Dein Leben, aus meinem Blute Dein Blut macht? Hörst Du wohl? Warum hast Du Alles dies gethan, um mich hernach die Jungfrau Lorenza zu nennen?«

Balsamo seufzte ebenfalls, niedergebeugt unter dem unermeßlichen Schmerz dieser Frau mit dem gebrochenen Herzen.

»Ach!« sagte er, »es ist Dein Fehler, oder vielmehr der Fehler Gottes; warum hat Gott aus Dir den Engel mit dem untrüglichen Blicke gemacht, mit dessen Hülfe ich das Weltall unterwerfen werde? Warum ließest Du in allen Herzen durch ihre materielle Hülle, wie man ein Blatt hinter einem Glase liest? Weil Du der Engel der Reinheit bist, Lorenza! weil Du der fleckenlose Demant bist, weil nichts Schatten in Deinem Geiste macht, weil Gott, da er diese Gestalt so unbefleckt, so rein, so strahlend wie die seiner heiligen Mutter erblickt, die Gnade hat, wenn ich ihn im Namen der Elemente, die er geschaffen, anrufe, seinen heiligen Geist darein zu versenken, der gewöhnlich über den gemeinen, verunreinigten Wesen schwebt, weil er in ihnen keinen Platz ohne Beschmutzung findet, auf welchem er ruhen könnte. Als Jungfrau bist Du sehend, meine Lorenza: als Frau wärest Du nur noch Materie,«

 

»Und Du liebst meine Liebe nicht mehr?« rief Lorenza und schlug voll Wuth ihre Hände aneinander, welche sich purpurroth färbten, »und Du liebst meine Liebe nicht mehr, als alle die Träume, die Du verfolgst, als alle die Chimären, die Du geschaffen hast? Und Du verdammst mich zur Keuschheit der Nonne mit den Versuchungen der unvermeidlichen Gluth Deiner Gegenwart? Ah! Joseph, Joseph, Du begehst ein Verbrechen, das sage ich Dir.«

»Sprich nicht ruchlos, meine Lorenza,« rief Balsamo; »denn ich leide wie Du. Sieh, sieh, lies in meinem Herzen, ich will es, und sage mir dann noch einmal, ich liebe Dich nicht.«

»Aber warum widerstehst Du dann Dir selbst?«

»Weil ich Dich mit mir auf den Thron der Welt erheben will.«

»Oh! Dein Ehrgeiz, Balsamo,« murmelte die junge Frau, »Dein Ehrgeiz wird er Dir je geben, was Dir meine Liebe gibt?«

Wie sie von heißer Liebe ergriffen, ließ Balsamo sein Haupt auf die Brust von Lorenza fallen.

»Oh! ja, ja,« rief sie, »ja, ich sehe endlich, daß Du mich mehr liebst, als Deinen Ehrgeiz, mehr als die Macht, mehr als Deine Hoffnung. Oh! Du liebst mich endlich, wie ich Dich liebe!«

Balsamo versuchte die berauschende Wolke, welche seinen Geist zu überfluthen anfing, von sich zu schütteln. Aber seine Anstrengung war vergeblich,

»Oh! da Du mich so sehr liebst, schone mich,« sagte er.

Lorenza hörte nicht mehr; sie hatte aus ihren beiden Armen eine von jenen unsprengbaren Ketten gemacht, welche fester halten als stählerne Klammern, härter sind als der Demant.

»Ich liebe Dich, wie Du nur immer wollen magst,« sprach sie, »als Schwester oder als Weib, als Jungfrau oder als Gattin, aber einen Kuß, einen einzigen.«

Balsamo war unterjocht; besiegt, gelähmt durch so viel Liebe, ohne Kraft, um länger zu widerstehen, die Augen glühend, die Brust keuchend, den Kopf zurückgeworfen näherte er sich Lorenza, unüberwindlich angezogen, wie das Eisen vom Magnet.

Seine Lippen waren im Begriff die Lippen der jungen Frau zu berühren.

Plötzlich kehrte die Vernunft bei ihm zurück.

Seine Hände peitschten die mit berauschenden Dünsten beladene Luft.

»Lorenza!« rief er, »erwache, ich will es.«

Die Kette, die er nicht hatte brechen können, wich sogleich, die Arme, die ihn umschlungen hielten, lösten sich, das glühende Lächeln, das die vertrockneten Lippen von Lorenza halb öffnete, verschwand hinsterbend wie ein Reit des Lebens beim letzten Seufzer; ihre geschlossenen Augen öffneten sich, ihre erweiterten Augensterne zogen sich zusammen; sie schüttelte mühsam die Arme, machte eine große Bewegung der Müdigkeit und fiel ausgestreckt, aber erwacht auf den Sofa.

Balsamo stieß, drei Schritte von ihr sitzend, einen tiefen Seufzer aus.

»Fahre wohl Traum! fahre wohl Glück!« sprach er leise.

LVII.
Die doppelte Existenz. – Das Wachen

Sobald der Blick von Lorenza wieder seine Macht erlangt hatte, schaute sie rasch umher.

Nachdem sie jeden Gegenstand betrachtet, ohne daß eine von den tausend Nichtigkeiten, welche die Freude der Frauen bilden, den Ernst ihres Gesichtes zu entrunzeln schien, heftete sie ihre Augen mit einem schmerzlichen Beben auf Balsamo.

Balsamo saß aufmerksam einige Schritte von ihr.

»Abermals Sie?« sagte sie zurückweichend.

Und alle Zeichen des Schreckens traten auf ihrem Antlitz hervor; ihre Lippen erbleichten, der Schweiß perlte an der Wurzel ihrer Haare.

Balsamo antwortete nicht.

»Wo bin ich?« fragte sie.

»Sie wissen, woher Sie kommen, Madame, und das muß Sie natürlich dahin führen, daß Sie errathen, wo Sie sind,« erwiederte Balsamo.

»Ja, Sie haben Recht, meine Erinnerungen zurückzurufen, ich entsinne mich in der That. Ich weiß, daß ich von Ihnen verfolgt worden bin, verfolgt durch Sie, entrissen durch Sie den Armen der königlichen Vermittlerin, die ich zwischen Gott und mir gewählt hatte.«

»Dann wissen Sie auch, daß diese Prinzessin, so mächtig sie sein mag, Sie nicht zu beschützen vermochte.«

»Ja, Sie haben sie besiegt durch irgend eine magische Gewaltthat,« rief Lorenza, die Hände faltend; »o mein Gott! mein Gott! befreie mich von diesem Dämon.«

»Wo sehen Sie einen Dämon in mir, Madame?« versetzte Balsamo die Achseln zuckend; »einmal für allemal, ich bitte Sie, lassen Sie dieses Gepäcke kindischer Schwärmerei, das Sie von Rom mitgebracht, diesen ganzen Plunder thörichten Aberglaubens, den Sie, seitdem Sie das Kloster verlassen, nach sich schleppen.«

»Oh! mein Kloster! wer wird mir mein Kloster zurückgeben?« rief Lorenza in Thränen zerfließend.

»In der That, es ist ein beklagenswerthes Ding um ein Kloster!« sagte Balsamo,

Lorenza stürzte nach einem der Fenster; sie öffnete die Vorhänge, hob sodann den Riegel auf, und ihre ausgestreckte Hand stieß an eine von den dicken Stangen, welche mit einem eisernen Gitterwerk bedeckt und unter Blumen verborgen waren, durch die sie viel von ihrer Bedeutung verloren, ohne daß ihnen dadurch etwas von ihrer Wirksamkeit benommen war.

»Gefängniß für Gefängniß,« sprach sie, »ich liebe mehr das, welches zum Himmel leitet, als das, welches in die Hölle führt.«

Und sie drückte wüthend ihre zarten Fäuste auf die Stangen.

»Wenn Sie vernünftiger wären, Lorenza, würden Sie vor Ihrem Fenster nur Blumen ohne Gitter finden.«

»War ich nicht vernünftig, als Sie mich in das andere rollende Gefängniß mit dem Vampyr einschloßen, den Sie Althotas nennen? Und dennoch verloren Sie mich nicht aus dem Blick, dennoch war ich Ihre Gefangene, dennoch, wenn Sie von mir gingen, bliesen Sie in mich den Geist, der mich besitzt und den ich nicht zu bekämpfen vermag? Wo ist er, der furchtbare Greis, der mich vor Schrecken sterben macht? Dort in jenem Winkel, nicht wahr? Wir wollen Beide schweigen und werden sogleich seine Geisterstimme aus der Erde hervorkommen hören!«

»Sie setzen Ihre Einbildungskraft in Verwirrung wie ein Kind,« sprach Balsamo. »Althotas, mein Lehrer, mein Freund, mein zweiter Vater, ist ein harmloser Greis, der Sie nie gesehen, sich Ihnen nie genähert, oder wenn er sich Ihnen genähert, wenn er Sie gesehen, in der Verfolgung seines Werkes begriffen, Ihnen keine Aufmerksamkeit geschenkt hat.«

»Seines Werkes,« murmelte Lorenza, »und was ist denn sein Werk, sprechen Sie?«

»Er sucht das Lebenselixir, was alle erhabene Geister seit sechs tausend Jahren gesucht haben.«

»Und was suchen Sie?«

»Ich? die menschliche Vollkommenheit.«

»Oh! die Dämonen! die Dämonen!« sprach Lorenza, die Hände zum Himmel erhebend.

»Gut,« sagte Balsamo aufstehend, »Ihr Anfall faßt Sie wieder.«

»Mein Anfall?«

»Ja, Ihr Anfall; es gibt Eines, was Sie nicht wissen, Lorenza: Ihr Leben ist in zwei gleiche Perioden getheilt; während der einen sind Sie sanft, gut, vernünftig, während der andern sind Sie wahnsinnig.«

»Und unter dem leeren Vorwande des Wahnsinns schließen Sie mich ein?«

»Ach! es muß sein.«

»Oh! seien Sie grausam, barbarisch, ohne Mitleid; sperren Sie mich ein, tödten Sie mich, aber seien Sie kein Heuchler und geben Sie sich nicht das Ansehen, als beklagten Sie mich, während Sie mir das Innerste zerreißen.«

»Sprechen Sie,« sagte Balsamo, ohne sich zu ärgern und sogar mit einem wohlwollenden Lächeln, »ist es eine Qual, ein zierliches, bequemes Zimmer zu bewohnen?«

»Gitter, Gitter auf allen Seiten, eiserne Stangen und keine Luft!«

»Diese Gitter sind im Interesse Ihres Lebens da, hören Sie, Lorenza?«

»Oh! er läßt mich am kleinen Feuer sterben und sagt, er denke an mein Leben, er nehme Antheil an meinem Leben!«

Balsamo näherte sich der jungen Frau und wollte mit einer freundschaftlichen Geberde ihre Hand ergreifen; doch sie wich zurück, als ob sie eine Schlange gestreift hätte, und rief:

»Oh! berühren Sie mich nicht.«

»Sie hassen mich also, Lorenza?«

»Fragen Sie den armen Sünder, ob er seinen Henker hasse.«

»Lorenza, Lorenza, weil ich das nicht werden will, nehme ich Ihnen ein wenig von Ihrer Freiheit. Wenn Sie nach Ihrem Willen ab- und zugehen könnten, wer weiß, was Sie in einem von den Augenblicken Ihres Wahnsinns machen würden?«

»Was ich machen würde? Oh! möchte ich einen Tag frei sein, und Sie werden es sehen.«

»Lorenza, Sie behandeln den Gatten schlecht, den Sie vor Gott gewählt.«

»Ich habe Sie gewählt? Niemals!«

»Sie sind doch meine Frau.«

»Oh! das ist gerade das Werk des Dämons.«

»Arme Wahnsinnige!« sagte Balsamo mit einem zärtlichen Blicke.

»Doch ich bin Römerin,« murmelte Lorenza, »und eines Tags, eines Tags werde ich mich rächen.«

Balsamo schüttelte sanft den Kopf und fragte lächelnd:

»Nicht wahr, Sie sagen das, um mich zu erschrecken, Lorenza?«

»Nein, nein, ich werde thun, was ich sage.«

»Christliche Frau, was sprechen Sie da!« rief Balsamo mit einer überraschenden Erhabenheit. »Ihre Religion, welche das Böse mit dem Guten vergelten heißt, ist also nur Heuchelei, da Sie diese Religion zu befolgen behaupten und Gutes mit Bösem vergelten.«

Lorenza schien einen Augenblick von diesen Worten betroffen.

»Oh!« sprach sie, »der Gesellschaft ihre Feinde anzeigen ist keine Rache, sondern eine Pflicht.«

»Wenn Sie mich als einen Nekromanten, als einen Zauberer anzeigen, so ist es nicht die Gesellschaft, die ich beleidige, es ist Gott, dem ich trotze. Warum, wenn ich Gott trotze, gibt sich Gott, der nur ein Zeichen zu machen braucht, um mich niederzuschmettern, nicht die Mühe, mich zu bestrafen, und überläßt diese Sorge den Menschen, welche schwach sind wie ich, dem Irrthum unterworfen wie ich?«

»Er vergißt, er duldet, er wartet, daß Sie sich bessern,« murmelte die junge Frau.

»Und mittlerweile heißt er Sie Ihren Freund, Ihren Wohlthäter, Ihren Gatten verrathen.«

»Meinen Gatten! oh! Gott sei Dank! nie hat mich Ihre Hand berührt, ohne mich erröthen, beben zu machen.«

»Und, Sie wissen es, ich habe stets edelmüthig Ihnen diese Berührung zu ersparen gesucht.«

»Es ist wahr, Sie sind keusch, und dies ist die einzige Belohnung, welche meinem Unglück zu Theil geworden. Oh! wenn ich Ihre Liebe hätte erdulden müssen!«

»O Geheimniß! undurchdringliches Geheimniß!« murmelte Balsamo, welcher mehr seinen Gedanken zu verfolgen, als den von Lorenza zu beantworten schien.

»Endigen wir,« sagte Lorenza; »warum nehmen Sie mir meine Freiheit?«

»Warum, nachdem Sie mir dieselbe freiwillig geschenkt, wollen Sie mir sie wieder entziehen? Warum fliehen Sie denjenigen, welcher Sie beschützt? Warum verlangen Sie Beistand von einer Fremden gegen den, welcher Sie liebt? Warum drohen Sie unablässig dem, welcher Sie nie bedroht, Geheimnisse zu enthüllen, die nicht die Ihrigen sind, und deren Gewicht Sie nicht kennen?«

»Oh!« sagte Lorenza, ohne diese Frage zu beantworten, »der Gefangene, der entschieden frei werden will, wird es immer, und Ihre eisernen Stangen werden mich ebenso wenig zurückhalten, als es Ihr wandernder Käfig gethan hat.

»Sie sind zum Glück für Sie fest,« versetzte Balsamo mit einer drohenden Ruhe.

»Gott wird mir einen Sturm wie den von Lothringen, er wird mir einen Blitz schicken, der sie bricht.«

»Glauben Sie mir, beten Sie zu Gott, daß er nichts dergleichen thut; glauben Sie mir, mißtrauen Sie diesen romanhaften Exaltationen, Lorenza; hören Sie mich wohl, ich spreche mit Ihnen als Freund.«

Es lag so viel gedrängter Zorn in der Stimme von Balsamo, so viel düsteres Feuer brütete in seinen Augen, seine weiße, muskelige Hand zog sich auf eine so seltsame Weise bei jedem von seinen Worten zusammen, die er langsam und beinahe feierlich sprach, daß Lorenza im höchsten Maaß erschüttert unwillkührlich hörte.

»Sehen Sie, mein Kind,« fuhr Balsamo fort, ohne daß seine Stimme etwas von ihrer bedrohlichen Gelassenheit verloren hatte, »ich habe dieses Gefängniß für eine Königin bewohnbar zu machen gesucht; wären Sie eine Königin, es würde Ihnen nichts fehlen. Besänftigen Sie also diese tolle Exaltation. Leben Sie hier wie Sie in Ihrem Kloster gelebt hätten. Gewöhnen Sie sich an meine Gegenwart; lieben Sie mich wie einen Freund, wie einen Bruder. Ich habe großen Kummer, ich werde Ihnen denselben anvertrauen; furchtbare Täuschungen suchen mich heim, zuweilen wird ein Lächeln von Ihnen mich trösten. Je mehr ich Sie gut, aufmerksam, geduldig sehe, desto dünner werde ich die Gitterstangen Ihrer Zelle machen; wer weiß? in einem Jahr, in sechs Monaten vielleicht sind Sie so frei als ich, insofern Sie mir Ihre Freiheit nicht mehr stehlen wollen.«

 

»Nein, nein,« rief Lorenza, welche nicht begreifen konnte, wie sich eine so furchtbare Entschlossenheit mit einem so sanften Tone verbinden sollte, »nein, keine Versprechungen, keine Lügen mehr. Sie haben mich entführt, mit Gewalt entführt; ich gehöre mir und nur mir allein; geben Sie mich wenigstens Gott zurück, wenn Sie mich nicht mir selbst zurückgeben wollen. Bis jetzt habe ich Ihre Zwangsherrschaft ertragen, weil ich mich erinnere, daß Sie mich Räubern entrissen, welche mich zu entehren im Begriffe waren; doch schon schwächt sich meine Dankbarkeit. Noch einige Tage dieses Gefängnisses, das mich empört, und ich werde nicht mehr Ihre Verpflichtete sein, und später, später, nehmen Sie sich in Acht, ich komme vielleicht dahin, daß ich glaube, Sie seien zu diesen Räubern in einer geheimnißvollen Beziehung gestanden.«

»Werden Sie mir die Ehre erweisen, in mir einen Banditenanführer zu sehen?« fragte Balsamo ironisch.

»Ich weiß nicht, aber, ich habe wenigstens Zeichen, Worte wahrgenommen.«

»Sie haben Zeichen, Worte wahrgenommen?« rief Balsamo erbleichend.

»Ja, ja, ich habe sie wahrgenommen, ich weiß sie, ich kenne sie.«

»Doch Sie werden sie nie sagen; Sie werden sie keiner lebenden Seele wiederholen; Sie werden sie in der tiefsten Tiefe Ihrer Erinnerung verschließen, damit sie erstickt darin sterben.«

»Oh! ganz im Gegentheil!« rief Lorenza, glücklich, wie man es im Zorn ist, endlich die verwundbare Stelle ihres Gegners zu finden. »Ich werde sie ängstlich in meinem Gedächtnisse aufbewahren, diese Worte, ich werde sie leise wiederholen, so oft ich allein bin, und laut bei der ersten Gelegenheit; ich habe sie bereits gesagt.«

»Wem?« fragte Balsamo.

»Der Prinzessin.«

»Nun! Lorenza, hören Sie wohl,« sprach Balsamo, indem er seine Finger in sein Fleisch drückte, um die Gährung zu löschen und sein empörtes Blut zurückzudrängen, »wenn Sie dieselben gesagt haben, so werden Sie es doch nicht mehr thun; Sie werden, sie nicht mehr wiederholen, weil ich die Thüren verschlossen halten, weil ich die Spitzen dieser eisernen Stangen schärfen, weil ich, wenn es sein muß, die Mauern dieses Hauses erhöhen werde, bis sie so hoch sind, wie die von Babel.«

»Ich habe es Ihnen schon gesagt, Balsamo,« rief Lorenza, »man kommt aus jedem Gefängniß, besonders wenn die Liebe für die Freiheit sich durch den Haß gegen den Tyrannen verstärkt.«

»Vortrefflich, gehen Sie also von hier weg, Lorenza, doch hören Sie wohl, Sie haben nur zweimal von hier wegzugehen: bei dem ersten Male züchtige ich Sie so grausam, daß Sie alle Thränen Ihres Leibes vergießen werden, bei dem zweiten Male schlage ich Sie so unbarmherzig, daß Sie alles Blut Ihrer Adern vergießen.«

»Mein Gott! mein Gott! er wird mich ermorden,« heulte die junge Frau, zum letzten Paroxismus des Zornes gelangt, während sie sich die Haare ausraufte und auf dem Boden wälzte.

Balsamo betrachtete sie einen Augenblick mit einer Mischung von Zorn und Mitleid. Endlich schien das Mitleid den Sieg über den Zorn davonzutragen.

»Hören Sie, Lorenza,« sprach er, »kommen Sie zu sich; seien Sie ruhig, es wird ein Tag erscheinen, wo Sie reichlich für das belohnt werden, was Sie gelitten haben, oder gelitten zu haben glauben.«

»Eingesperrt! eingesperrt!« rief Lorenza, ohne auf Balsamo zu hören.

»Geduld!«

»Geschlagen!«

»Das ist eine Zeit der Prüfung.«

»Wahnsinnig! wahnsinnig!«

»Sie werden wiedergenesen.«

»Oh! werfen Sie mich sogleich in ein Irrenhaus! Sperren Sie mich auf der Stelle in einen wahren Kerker ein!«

»Nein! Sie haben mich zu gut von dem unterrichtet, was Sie gegen mich thun werden.«

»Also den Tod!« schrie Lorenza, »auf der Stelle den Tod!«

Und sie erhob sich mit der Geschmeidigkeit und der Schnelligkeit eines wilden Thieres, und stürzte gegen die Wand, um sich den Schädel daran zu zerschellen.

Doch Balsamo hatte nur die Hand gegen sie auszustrecken und aus der Tiefe seines Willens mehr noch, als mit den Lippen ein einziges Wort auszusprechen, um sie auf dem Wege aufzuhalten: Lorenza blieb plötzlich stehen, wankte und fiel entschlummert in die Arme von Balsamo.

Der seltsame Zauberer, der sich die ganze materielle Seite dieser Frau unterworfen zu haben schien, aber vergebens gegen die moralische Seite kämpfte, hob sie in seine Arme empor und trug sie auf ihr Bett; dann drückte er auf ihre Lippen einen langen Kuß, zog die Vorhänge ihres Bettes sowie die der Fenster zu, und ging hinaus.

Lorenza aber umhüllte ein sanfter, wohlwollender Schlaf, wie der Mantel einer guten Mutter das eigensinnige Kind umhüllt, das viel gelitten, viel geweint hat.

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