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Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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LX.
Das Lebenselixir

Balsamo, der allein geblieben war, horchte an der Thüre von Lorenza.

Sie schlief einen gleichmäßigen, sanften Schlaf.

Er öffnete ein wenig den außerhalb angebrachten Schieber und betrachtete sie eine Zeit lang mit einer zarten, süßen Träumerei. Dann stieß er den Schieber wieder zu, durchschritt das von uns geschilderte Zimmer, welches die Wohnung von Lorenza von dem physikalischen Cabinet trennte, und beeilte sich, seine Oefen auszulöschen, wobei er eine ungeheure Röhre öffnete, welche die ganze Wärme durch den Kamin hinausließ.

Hierauf verschloß er sorgfältig in einem Portefeuille von schwarzem Saffianleder den Schein des Cardinals und murmelte:

»Das Wort der Rohan ist gut, doch nur für mich allein, und man muß dort erfahren, wozu ich das Gold der Brüder verwende.«

Diese Worte erloschen auf seinen Lippen, als drei dumpfe Schläge an den Plafond ihn das Haupt zu erheben bewogen.

»Oh! oh!« sagte er. »Althotas ruft mich.«

Als er sodann Luft in das Laboratorium einließ, alle Dinge methodisch ordnete, die Platte wieder auf die Backsteine setzte, verdoppelten sich die Schläge.

»Ah! er wird ungeduldig, das ist ein gutes Zeichen.«

Balsamo nahm eine Vorhangstange und klopfte ebenfalls; dann machte er von der Mauer einen eisernen Ring los, und mittelst einer Feder, die sich abspannte, löste sich eine Fallthüre vom Plafond und senkte sich bis auf den Boden des Laboratoriums.

Balsamo stellte sich auf den Mittelpunkt der Maschine, welche mittelst einer andern Feder sachte wieder hinaufstieg und ihre Last mit derselben Leichtigkeit emporhob, wie die Glorien der Oper die Göttinnen und Götter emporheben, und der Schüler befand sich bei dem Meister.

Die neue Wohnung, des alten Gelehrten mochte acht bis zehn Fuß Höhe bei sechzehn im Durchmesser haben; sie war von oben beleuchtet nach der Weise der Schachte und hermetisch verschlossen auf den vier Façaden.

Dieses Zimmer war, wie man sieht, ein Palast im Vergleich mit seiner Wohnung im Wagen.

Der Greis saß in seinem rollenden Lehnstuhle, am Mittelpunkte eines Marmortisches, der hufeisenartig geschnitten und mit einer ganzen Welt, oder vielmehr mit einem ganzen Chaos von Pflanzen, von Phiolen, von Werkzeugen, von Büchern und Papieren mit kabalistischen Charakteren beladen war. Er war so sehr in seine Arbeit vertieft, daß er sich nicht im Geringsten stören ließ, als Balsamo erschien.

Das Licht einer am Höhenpunkte des Glaswerks befestigten Astrallampe fiel auf seinen nackten, glänzenden Schädel.

Er schüttelte zwischen seinen Fingern eine Flasche von weißem Glas, deren Durchsichtigkeit er prüfte, wie eine Hausfrau am Lichte die Eier untersucht, die sie auf dem Markte kauft.

Balsamo schaute ihn Anfangs stillschweigend an und sagte dann:

»Nun, es gibt also etwas Neues?«

»Ja, ja. Komm, Acharat, Du siehst mich bezaubert, entzückt; ich habe gefunden, ich habe gefunden . . .«

»Was?«

»Was ich suchte, bei Gott!«

»Das Gold?«

»Ah! ja wohl, das Gold! geh doch!«

»Den Diamant?«

»Ei, was schwatzt der Mensch! Gold, Diamant, meiner Treue, das wäre ein schöner Fund, und es würde sich schon der Mühe lohnen, sich zu freuen, wenn ich dergleichen entdeckt hätte!«

»Also habt Ihr Euer Elixir gefunden?« fragte Balsamo.

»Ja, mein Freund, mein Elixir, nämlich das Leben, was sage ich, das Leben? die Ewigkeit des Lebens.«

»Oh! oh!« machte Balsamo betrübt (denn er betrachtete diese Forschung als ein thörichtes Werk), »Ihr beschäftigt Euch abermals mit diesem Traum?«

Doch Althotas beäugelte, ohne auf ihn zu hören, ganz verliebt seine Phiole.

»Endlich,« sagte er, »ist die Combination gefunden: Aristea-Elixir, zwanzig Gramme; Mercurial-Balsam, fünfzehn Gramme; Goldpräcipitat, fünfzehn Gramme; Essenz von Cedern des Libanon, fünf und zwanzig Gramme.«

»Aber mir scheint, was das Aristea-Elixir betrifft, so ist das Eure letzte Combination, Meister?«

»Ja, aber es fehlte die Hauptzuthat, die, welche die andern bindet, die, ohne welche die andern nichts sind.«

»Und Ihr habt diese gefunden?«

»Ich habe sie gefunden.«

»Ihr könnt sie Euch verschaffen?«

»Bei Gott!«

»Was ist es?«

»Man muß der bereits in dieser Phiole combinirten Materie die drei letzten Tropfen des Arterienblutes eines Kindes beifügen.«

»Nun!« sprach Balsamo erschrocken, »aber wo werdet Ihr dieses Kind bekommen?«

»Du wirst es mir verschaffen.«

»Ich?«

»Ja, Du.«

»Ihr seid verrückt, Meister.«

»Was sagst Du?« fragte der unempfindliche Greis, während er voll Entzücken seine Zunge auf dem Aeußeren des Fläschchens, wo der schlecht geschlossene Pfropf einen Tropfen Wasser aussickerte, umherspazieren ließ; »nun, was denn?  . . .«

»Ihr wollt ein Kind haben, um die drei letzten Tropfen seines Arterienblutes zu nehmen?«

»Ja.’’’

»Dazu müßte man aber das Kind tödten?«

»Allerdings muß man es tödten; je schöner es sein wird, desto mehr ist es werth.«

»Unmöglich,« sprach Balsamo die Achseln zuckend, »man nimm! hier die Kinder nicht, um sie zu tödten.«

»Bah!« rief der Greis mit einer grausamen Naivetät, »was macht man denn damit?«

»Man zieht sie auf.«

»Ah! die Welt hat sich also verändert? Vor vier Jahren hat man uns Kinder, so viel wir wollten, für vier Ladungen Pulver und eine halbe Flasche Branntwein angeboten.«

»War dies in Congo, Meister?«

»Ja, es war in Congo. Mir ist es gleichgültig, ob das Kind schwarz ist. Diejenigen, welche man uns anbot, waren, wie ich mich erinnere, sehr niedlich, sehr kraushaarig, sehr spaßhaft.«

»Vortrefflich!« versetzte Balsamo, »doch leider sind wir nicht in Congo, lieber Meister.«

»Ah! wir sind nicht in Congo. Nun! wo sind wir denn?«

»In Paris.«

»In Paris? Wenn wir uns in Marseille einschiffen, können wir in sechs Wochen in Congo sein.«

»Ja, das wäre möglich  . . . doch ich muß in Frankreich bleiben.«

»Du mußt in Frankreich bleiben; und warum?«

»Weil ich hier zu thun habe.«

»Du hast in Frankreich zu thun?«

»Ja, Wichtiges.«

Der Greis brach in ein langes, düsteres Gelächter aus.

»Geschäfte,« sagte er, »Geschäfte in Frankreich. Ah! ja, es ist wahr, ich hatte es vergessen; Du mußt Clubs organisiren.«

»Ja, Meister.«

»Du mußt Verschwörungen anzetteln.«

»Ja, Meister.«

»Das nennst Du Deine Geschäfte.«

Und der Greis fing abermals an auf seine höhnische Weise zu lachen.

Balsamo schwieg, während er Kräfte gegen den Sturm sammelte, der sich vorbereitete und den er kommen fühlte.

»Und wie weit sind die Angelegenheiten gediehen, sprich?« sagte der Greis, indem er sich mühsam auf seinem Lehnstuhle umdrehte und seine großen grauen Augen auf seinen Zögling heftete.

Balsamo fühlte diesen Blick wie einen leuchtenden Strahl in sein Inneres dringen.

»Wie weit ich gekommen bin?« fragte er.

»Ja.«

»Ich habe den ersten Stein geschleudert, das Wasser ist getrübt.«

»Welchen Schleim hast Du aufgerührt, sprich, laß hören.«

»Den guten, den philosophischen Schleim.«

»Ah! ja, Du setzest Deine Utopien, Deine hohlen Träume, Deine Nebel in das Spiel: thörichte Bursche, welche über das Dasein oder Nichtdasein Gottes streiten, statt wie ich es zu versuchen, sich selbst zu Göttern zu machen! Und wer sind die berühmten Philosophen, mit denen Du Dich verbunden hast?«

»Ich habe bereits den größten Dichter und den größten Atheisten der Zeit; in einem der nächsten Tage muß er nach Frankreich, woraus er gleichsam verbannt ist, zurückkehren, um sich als Maurer in der Loge aufnehmen zu lassen, welche ich in der Rue du Pot-de-Fer in dem ehemaligen Hause der Jesuiten organisire.«

»Und er heißt?«

»Voltaire.«

»Ich kenne ihn nicht; wen hast Du noch mehr?«

»Ich soll demnächst eine Unterredung mit dem Mann haben, der die Ideen des Jahrhunderts am meisten in Anregung gebracht und zu Tage gefördert hat, mit dem Verfasser des Contrat social

»Und er heißt?«

»Rousseau.«

»Ich kenne ihn nicht.«

»Ich glaube es wohl, Ihr kennt nur Alphons X., Raymond Lulle, Peter von Toledo und den großen Albert.«

»Das sind auch die einzigen Männer, welche wirklich gelebt haben, weil sie allein ihr ganzes Leben lang die große Frage des Seins oder Nichtseins betrieben.«

»Es gibt zwei Arten zu leben, Meister.«

»Ich kenne nur eine: die zu existiren; doch kommen wir auf die zwei Philosophen zurück. Wie nennst Du sie?«

»Voltaire, Rousseau.«

»Gut, ich werde mich dieser Namen erinnern; und Du behauptest, mit Hülfe dieser zwei Männer  . . .«

»Bemächtige ich mich der Gegenwart und untergrabe ich die Zukunft.«

»Oh! oh! sie sind also sehr dumm in diesem Lande, daß sie sich durch Ideen gängeln lassen?«

»Im Gegentheil, weil sie zu viel Geist besitzen, haben die Ideen mehr Einfluß auf sie, als die Thatsachen. Und dann habe ich eine Hülfemacht, welche stärker ist, als alle Philosophen der Erde.«

»Welche?«

»Den Ueberdruß. Es sind etliche sechzehn hundert Jahre, daß die Monarchie in Frankreich dauert, und die Franzosen sind der Monarchie müde.«

»So, daß sie die Monarchie umstoßen werden?«

»Ja!«

«Du glaubst das?«

»Ganz gewiß.«

»Und Du treibst dazu an?«

»Aus allen meinen Kräften.«

»Schwachkopf!«

»Warum?«

»Was wird Dir der Umsturz dieser Monarchie eintragen?«

»Mir nichts; aber Allen das Glück«

»Ich bin heute zufrieden und will gern meine Zeit damit verlieren, daß ich Dir folge. Erkläre mir zuerst, wie Du zum Glück gelangen wirst, und hernach, was das Glück ist.«

»Wie ich dazu gelangen werde?«

»Ja, zum Glück von Allen, oder zum Umsturz der Monarchie, was für Dich das Aequivalent des allgemeinen Glückes ist. Ich höre.«

 

»Nun, es besteht in diesem Augenblick ein Ministeramt, das der letzte Wall zum Schutze der Monarchie ist; es ist ein verständiges, thätiges, kräftiges Ministerium, welches vielleicht noch zwanzig Jahre diese abgenutzte, schwankende Monarchie zu stützen vermöchte; sie werden mir dasselbe umstürzen helfen.«

»Wer dies? Deine Philosophen?«

»Nein: die Philosophen unterstützen es im Gegentheil.«

»Wie? Deine Philosophen unterstützen ein Ministerium das Deine Monarchie stützt, sie, welche die Feinde der Monarchie sind? Oh! was für Dummköpfe sind die Philosophen!«

»Der Minister ist selbst ein Philosoph.«

»Ah! ich begreife, und sie regieren in der Person dieses Ministers. Dann täuschte ich mich, es sind keine Dummköpfe, es sind Egoisten.«

»Ich will nicht über das streiten, was sie sind,« sprach Balsamo, den die Ungeduld zu fassen anfing, »ich weiß nichts davon; aber so viel weiß ich, daß, wenn dieses Ministerium gestürzt ist, Alle Zeter über das nachfolgende Ministerium schreien werden. Das neue Ministerium wird zuerst die Philosophen und dann das Parlament gegen sich haben; die Philosophen werden schreien, das Parlament wird schreien, das Ministerium wird die Philosophen verfolgen und das Parlament aufheben. Dann bildet sich in der Intelligenz und in der Materie ein dumpfes Bündniß, eine hartnäckige, ausdauernde, beständige Opposition, welche Alles angreifen, zu jeder Stunde graben, unterwühlen, erschüttern wird. An der Stelle der Parlamente wird man Richter ernennen; diese durch das Königthum ernannten Richter werden Alles für das Königthum thun. Man wird sie anklagen, und zwar wegen Käuflichkeit, Bestechung, Ungerechtigkeit. Das Volk wird sich erheben und das Königthum wird die Philosophie gegen sich haben, welche die Intelligenz ist, die Parlamente, die das Bürgerthum sind, und das Volk, welches das Volk ist, nämlich der Hebel, den Archimed suchte und mit welchem man die Welt emporhebt.«

»Nun, wenn Du die Welt emporgehoben hast, mußt Du sie auch wieder fallen lassen.«

»Ja, doch wenn sie zurückfällt, wird das Königthum zerschmettert werden.«

»Und wenn es dann zerschmettert ist  . . . ich will Deinen falschen Bildern folgen, Deine emphatische Sprache sprechen  . . . wenn das wurmstichige Königthum zerschmettert ist, was wird aus seinen Trümmern hervorgehen?«

»Die Freiheit!«

»Ah! die Franzosen werden also frei sein?«

»Das muß unfehlbar eines Tages so kommen.«

»Alle frei?«

»Alle.«

»Es werden dann in Frankreich dreißig Millionen freie Menschen sein?«

»Ja.«

»Und unter diesen dreißig Millionen, glaubst Du, wird sich nicht ein etwas mehr als die Andern mit Gehirn ausgestatteter Mann finden, welcher eines schönen Morgens die Freiheit seiner neun und zwanzig Millionen neunmal hundert neun und neunzig tausend und neun und neunzig Mitbürger confiscirt, um ein wenig mehr Freiheit für sich allein zu haben? Erinnerst Du dich des Hundes, den wir in Medina hatten, und der allein den Theil von allen Andern fraß?«’

»Ja, doch eines Morgens haben sich die Andern gegen ihn verbunden und ihn erwürgt.«

»Weil es Hunde waren; Menschen hätten nichts gesagt.«

»Ihr stellt also den Verstand des Menschen unter den des Hundes, Meister?«

»Verdammt! die Beispiele sind wohl vorhanden.«

»Was für Beispiele?«

»Mir scheint, es gab bei den Alten einen gewissen Cäsar Augustus, und bei den Neuern einen gewissen Oliver Cromwell, welche ganz gewaltig in den römischen und in den englischen Kuchen bißen, ohne daß diejenigen, denen sie denselben entrissen, viel gegen sie gesagt oder gethan hätten.«

»Vorausgesetzt, dieser Mann erstünde, so wird er sterblich sein, er wird sterben, und ehe er gestorben ist, wird er sogar denjenigen, welche er unterdrückt hat, Gutes gethan haben, denn er wird die Natur der Aristokratie verändert haben; genöthigt, sich auf Etwas zu stützen, wird er die stärkste Sache, das heißt das Volk gewählt haben. An die Stelle der Gleichheit, welche erniedrigt, wird er die Gleichheit, welche erhebt, gesetzt haben. Die Gleichheit hat keine bestimmte Schranke, es ist ein Niveau, dem die Höhe desjenigen, welcher sie gemacht hat, unterliegt. Das Volk erhebend, wird er aber ein bis auf ihn unbekanntes Princip geheiligt haben. Die Revolution wird die Franzosen frei gemacht haben: das Protectorat eines zweiten Cäsar Augustus oder eines andern Oliver Cromwell wird sie gleich gemacht haben.«

Althotas bewegte sich ungestüm auf seinem Stuhle und rief:

»Oh! was dieser Mensch albern ist! Beschäftigt Euch doch zwanzig Jahre Eures Lebens damit, daß Ihr ein Kind erzieht, daß Ihr ihm Alles beizubringen sucht, was Ihr wißt, damit dieses Kind mit dreißig Jahren kommt und Euch sagt: die Menschen werden gleich sein! . . .«

»Ganz gewiß, die Menschen werden gleich sein, gleich vor dem Gesetze.«

»Und vor dem Tod, Schwachkopf, vor dem Tod, diesem Gesetz der Gesetze, werden sie gleich sein, wenn der Eine mit drei Tagen, der Andere mit hundert Jahren stirbt? Gleich, die Menschen gleich, so lange die Menschen den Tod nicht besiegt haben! Oh! der Dummkopf, der doppelte Dummkopf!«

Und Althotas warf sich zurück, um freier zu lachen, während sich Balsamo, ernst und düster, mit gesenktem Haupte setzte.

Althotas schaute ihn mitleidig an und sprach:

»Ich bin also gleich mit dem Handwerksmann, der in sein rauhes Brod beißt, mit dem Säugling, der sich an seiner Amme stillt, mit dem Greise, der seine Molken trinkt und über seine erloschenen Augen weint? . . . Oh! unglücklicher Sophist, der Du bist, bedenke doch Eines, daß die Menschen nur gleich sein werden, wenn sie unsterblich sind, denn wenn sie unsterblich sind, werden sie Götter sein, und nur die Götter sind gleich.«

»Unsterblich!« murmelte Balsamo, » unsterblich! Chimäre.«

»Chimäre!« rief Althotas, »Chimäre! ja» Chimäre Wie der Dunst, Chimäre wie das Fluidum, Chimäre wie Alles, was man sucht, was man noch nicht entdeckt hat, und was man entdecken wird. Doch rühre mit mir den Staub der Welten auf, entblöße eine nach der andern diese aufeinandergesetzten Lagen, von denen jede eine Civilisation darstellt, und in diesen menschlichen Lagen, in diesem Detritus von Königreichen, in diesen Erzgängen von Jahrhunderten, welche das Eisen der Forschung der Neuzeit durchschneidet, was liesest Du? Daß die Menschen in allen Zeiten gesucht haben, was ich unter den verschiedenen Titeln des Besten, des Guten, der Vollkommenheit suche. Und wann suchten Sie dies? Zur Zeit von Homer, wo die Menschen zweihundert Jahre lebten, zur Zeit der Patriarchen, wo sie acht Jahrhunderte lebten. Sie haben es nicht gefunden, dieses Beste, dieses Gute, diese Vollkommenheit; denn, wenn sie es gefunden hätten, so wäre diese gebrechliche Welt frisch, jungfräulich und rosig wie die Morgenröthe. Statt dessen das Leiden, der Leichnam, die Verwesung. Ist es süß, das Leiden? ist er schön, der Leichnam? ist sie wünschenswerth, die Verwesung?«

»Nun!« sprach Balsamo, dem Greise antwortend, den ein kurzer, trockener Husten unterbrach, »nun! Ihr sagt, noch Niemand habe dieses Lebenselixir gefunden. Ich sage Euch, Niemand wird es finden.«

»Einfältiger! Niemand hat dieses oder jenes Geheimniß gefunden, folglich wird es Niemand finden. Auf diese Art wäre man nie zu Entdeckungen gekommen. Glaubst Du aber, die Entdeckungen seien neue Dinge, die man erfinde? Nein, es sind vergessene Dinge, die man wiederfindet. Und warum vergessen sich einmal gefundene Dinge? Weil das Leben zu kurz ist, als daß der Erfinder aus seiner Erfindung alle Deductionen ziehen könnte, die sie enthält. Zwanzigmal war man nahe daran, dieses Lebenselixir zu finden. Glaubst Du, der Styx sei eine Phantasie von Homer? Glaubst Du, der beinahe sterbliche Achill, weil er nur an der Ferse verwundbar, sei eine Fabel? Nein, Achill war der Zögling von Chiron, wie Du der meinige bist. Chiron bedeutet erhabener34 oder schlimmer. Chiron war ein Gelehrter, den man unter der Gestalt eines Centauren darstellt, weil seine Wissenschaft den Menschen mit der Kraft und der Leichtigkeit des Pferdes begabt hatte. Nun wohl, er hatte auch beinahe das Elixir der Unsterblichkeit gefunden. Es fehlten ihm vielleicht nur noch wie mir die drei Tropfen Blut, die Du mir verweigerst. Der Mangel dieser drei Tropfen Blut machte Achill an der Ferse verwundbar; ja, der Tod hat einen Zugang gefunden und ist eingedrungen. Ja, ich wiederhole es, Chiron, der universelle Mann, der erhabene Mann, der schlimmere Mann, ist nur ein anderer Althotas verhindert durch einen andern Acharat, das Werk zu vollenden, das die ganze Menschheit gerettet haben würde, indem es dieselbe der Wirkung des göttlichen Fluches entrissen hätte. Nun! was hast Du hiezu zu sagen?«

»Ich sage,« antwortete Balsamo sichtbar erschüttert, »ich sage, daß ich mein Werk habe, und daß Ihr das Eure habt. Erfüllen wir es jeder auf seiner Seite und jeder auf seine Gefahr. Ich werde Euch nicht durch ein Verbrechen unterstützen.«

»Durch ein Verbrechen?«

»Ja, und noch was für ein Verbrechen? Eines von denjenigen, welche eine ganze bebende Bevölkerung auf Euch antreiben; ein Verbrechen, wegen dessen Ihr an einen von den schändlichen Galgen gehängt werdet, vor welchen Eure Wissenschaft ebenso wenig die erhabenen Menschen, als die schlimmen schützen konnte.«

Althotas schlug mit seinen dürren Händen auf den Marmortisch und rief:

»Stille, stille, sei kein Humanitätsdummkopf, die schlimmste Race von Dummköpfen, welche es in der Welt gibt. Komm und laß uns ein wenig über das Gesetz sprechen, über das brutale, alberne Gesetz, geschrieben von Thieren Deiner Art, welche ein Tropfen verständig vergossenen Blutes empört, während sie Strome von Lebenssaft vergossen auf den öffentlichen Plätzen, am Fuße der Wälle der Städte, in den Ebenen, die man Schlachtfelder nennt, verleckert macht; von Deinem stets untauglichen und selbstsüchtigen Gesetz, das den Menschen der Zukunft dem Menschen der Gegenwart opfert, und als Wahlspruch die Worte: » ‚Lebe heute, stirb morgen!’ « genommen hat. Plaudern wir über dieses Gesetz, willst Du?«

»Sagt, was Ihr zu sagen habt, ich höre Euch,« erwiederte Balsamo, immer düsterer werdend.

»Hast Du einen Bleistift, eine Feder? Wir wollen eine kleine Berechnung anstellen.«

»Ich rechne ohne Feder und ohne Bleistift. Sagt, was Ihr zu sagen habt.«

»Laß Deinen Plan hören. Oh! ich erinnere mich  . . . Du stürzest ein Ministerium, Du hebst die Parlamente auf, Du setzest ungerechte Richter ein, Du führst einen Bankerott herbei, Du verbreitest den Gährungsstoff zu Empörungen, Du entzündest eine Revolution, Du stürzest eine Monarchie, Du lassest Dein Protectorat sich erheben und wirfst den Protector nieder. Die Revolution wird Dir die Freiheit, das Protectorat die Gleichheit gegeben haben. Sind aber die Franzosen frei und gleich, so ist Dein Werk erfüllt, nicht wahr?«

»Ja, betrachtet Ihr die Sache als unmöglich?«

»Ich glaube nicht an die Unmöglichkeit. Du siehst, daß ich Dir ein schönes Spiel mache!«

»Nun?«

»Warte: einmal ist Frankreich nicht wie England, wo man Alles gemacht hat, was Du machen willst, Du Plagiator; Frankreich ist kein abgesondertes Land , wo man Ministerien stürzen, die Parlamente aufheben, ungerechte Richter einsetzen, einen Bankerott herbeiführen, den Gährungsstoff zu Empörungen verbreiten, Revolutionen entzünden, Monarchien stürzen, Protectorate erheben und Protectoren niederwerfen kann, ohne daß sich die andern Nationen ein wenig in diese Bewegungen mischen. Frankreich ist an Europa festgebunden, wie die Leber an die Eingeweide des Menschen. Es hat Wurzeln bei allen Nationen, Fibern bei allen Völkern; suche die Leber, der großen Maschine auszureißen, die man den europäischen Continent nennt, und zwanzig Jahre, dreißig Jahre, vierzig Jahre vielleicht, wird der ganze Körper beben; doch ich setze die niedrigste Zahl und nehme die zwanzig Jahre an; antworte, ist das zu viel, weiser Philosoph?«

»Nein, es ist nicht zu viel,« sprach Balsamo, »es ist sogar nicht einmal genug.«

»Nun, ich begnüge mich damit. Zwanzig Jahre des Krieges, des erbitterten, tödtlichen, unablässigen Kampfes, ich berechne dies zu zweimal hundert tausend Todten jährlich; das ist nicht zu viel, wenn man sich zu gleicher Zeit in Deutschland, in Italien, in Spanien, was weiß ich wo? schlägt. Zweimal hundert tausend Menschen jährlich, macht in zwanzig Jahren vier Millionen Menschen; gibt man jedem Menschen siebenzehn Pfund Blut, das ist ungefähr die Rechnung der Natur, so macht dies, multiplicirt siebenzehn mit vier, laß sehen  . . . das macht acht und sechzig Millionen Pfund Blut vergossen, um zu Deinem Ziele zu gelangen. Ich verlangte von Dir drei Tropfen. Sage nun, wer der Narr, der Wilde, der Cannibale von uns Beiden ist? Du antwortest nicht?«

 

»Doch, Meister, ich antworte Euch, daß drei Tropfen Blut nichts wären, wenn Ihr mit Gewißheit auf das Gelingen rechnen könntet.«

»Und Du, der Du acht und sechzig Millionen Pfund vergießest, sprich, bist Du deiner Sache sicher? Dann stehe auf und erwiedere, die Hand auf Deinem Herzen:

‚Meister, mit diesen vier Millionen Leichname, garantire ich das Glück der Menschheit.’ «

»Meister,« sagte Balsamo einer Antwort ausweichend. »Meister, im Namen des Himmels, sucht etwas Anderes.«

»Ah! Du antwortest nicht, Du antwortest nicht?« rief Althotas triumphirend.

»Meister, Ihr täuscht Euch über die Wirksamkeit des Mittels, es ist unmöglich.«

»Ich glaube, Du rächst mir, ich glaube, Du leugnest mir ab, ich glaube Du strafst mich Lügen,« versetzte Althotas seine grauen Augen mit kaltem Zorn unter den weißen Wimpern rollend.

»Nein, Meister, aber ich überlege, ich, der ich jeden meiner Tage in Berührung mit den Dingen dieser Welt, im Widerspruch mit den Menschen, im Kampf mit den Fürsten lebe, und nicht wie Ihr abgeschlossen in einen Winkel, gleichgültig gegen Alles, was vorgeht, gegen Alles, was sich vertheidigt, oder was Macht an sich reißt, eine reine Abstraction des Gelehrten und des Citators; ich endlich, der ich die Schwierigkeiten kenne, bezeichne sie ganz einfach.«

»Diese Schwierigkeiten würdest Du rasch überwinden, wenn Du wolltest.«

»Sprecht, wenn ich glauben würde.«

»Du glaubst also nicht?«

»Nein.«

»Du versuchst mich, Du versuchst mich!« rief Althotas.

»Nein, ich zweifle.«

»Nun, so laß sehen; glaubst Du an den Tod?«

»Ich glaube an das, was ist, der Tod aber ist.«

Althotas, zuckte die Achseln.

»Der Tod ist also,« sagte er, »das ist ein Punkt, den Du nicht in Abrede ziehst.«

»Das ist eine unzweifelhafte Sache.«

»Das ist eine unbeschränkte, unüberwindliche Sache, nicht wahr?« fügte der alte Gelehrte mit einem Lächeln bei, das seinen Adepten beben machte.

»Oh! ja, Meister, unbesiegbar, unbeschränkt besonders.«

»Und wenn Du einen Leichnam siehst, tritt Dir der Schweiß auf die Stirne, ergreift Dein Herz ein Bedauern.«

»Der Schweiß tritt mir nicht auf die Stirne, weil ich mit allem menschlichen Elend vertraut bin; das Bedauern ergreift mein Herz nicht, weil ich das Leben gering achte; aber ich sage mir in Gegenwart des Leichnams: » ‚Tod! Tod! du bist mächtig wie Gott! Du herrschest unumschränkt, o Tod! und Niemand vermag etwas gegen dich!’«’

Althotas hörte Balsamo stillschweigend und ohne ein anderes Zeichen der Ungeduld an, als daß er ein Zergliederungsmesser zwischen seinen Fingern drehte; als aber sein Zögling seine schmerzlichen, feierlichen Worte vollendet hatte, schaute der Greis lächelnd umher und seine Augen so glühend, daß die Natur keine Geheimnisse für sie zu haben schien, seine Augen hefteten sich auf einen Winkel des Zimmers, wo auf ein paar Strohhalmen liegend ein armer schwarzer Hund zitterte, der einzige, der von drei Thieren derselben Gattung, übrig blieb, welche Althotas auf sein Verlangen für seine Versuche von Balsamo erhalten hatte.

»Nimm diesen Hund und trage ihn auf den Tisch,« sprach Althotas zu Balsamo.

Balsamo gehorchte, er nahm den schwarzen Hund und trug ihn auf den Tisch.

Das Thier, welches sein Geschick zu ahnen schien und sich ohne Zweifel schon unter der Hand des Experimentenmachers befunden hatte, fing an zu schauern, sich zu sträuben und zu heulen, als es die Berührung des Marmors fühlte.

»Eh! eh!« sagte Althotas. »Du glaubst an das Leben, nicht wahr, Du, der Du an den Tod glaubst?«

»Ganz gewiß.«

»Das ist ein Hund, der mir sehr lebend scheint, was sagst Du dazu?«

»Sicherlich, da er schreit, da er sich sträubt, da er Furcht hat.«

»Wie häßlich sind doch die schwarzen Hunde! Suche mir das nächste Mal weiße zu verschaffen.«

»Ich werde dafür besorgt sein.«

»Ah! wir sagen also, dieser sei lebend! Belle, Kleiner,« fügte der Greis mit seinem finsteren Lächeln bei, »belle, um den Herrn Acharat zu überzeugen, daß du lebend bist.«

Und er berührte den Hund mit dem Finger an einer gewissen Muskel und der Hund bellte oder stöhnte vielmehr sogleich.

»Gut, nähere die Glocke; so ist es; bringe den Hund darunter. Ah! ich vergaß, Dich zu fragen, an welchen Tod Du am liebsten glaubst?«

»Ich weiß nicht, was Ihr damit sagen wollte, Meister, der Tod ist der Tod.«

»Das ist richtig, sehr richtig, was Du mir da gesagt hast, und es ist auch meine Ansicht. Nun! da der Tod der Tod ist, so mach, geschwinde, Acharat.«

Balsamo drehte ein Rad, das durch eine Röhre, die unter der Glocke mit dem Hunde eingeschlossene Luft frei machte, und allmählig entströmte die Luft mit einem schrillen Pfeifen, Der kleine Hund wurde zuerst unruhig, suchte dann, wühlte, hob den Kopf in die Höhe, athmete geräuschvoll und hastig, und fiel endlich erstickt, angeschwollen, leblos nieder.

»Der Hund ist am Schlag gestorben, nicht wahr?« sagte Althotas, »ein schöner Tod, der nicht lange leiden läßt?«

»Ja.«

»Er ist gewiß todt?«

»Sicherlich.«

»Du scheinst mir nicht ganz überzeugt, Acharat?«

»Doch, im Gegentheil.«

»Oh! Du kennst meine Mittel, nicht wahr? Du setzest voraus, ich habe die Einhauchung gefunden, das andere Problem, das darin besteht, daß man das Leben mit der Luft in einem unberührten Körper kreisen läßt, wie man es in einem Schlauche thun kann, der kein Loch hat?«

»Nein, ich setze nichts voraus; ich glaube nur, daß der Hund todt ist.«

»Gleichviel, zu größerer Sicherheit wollen wir ihn zweimal tödten. Hebe die Glocke auf, Acharat.«

Acharat nahm das kristallene Gefäß weg, der Hund rührte sich nicht; seine Augenlider waren geschlossen, sein Herz schlug nicht mehr.

»Nimm das Zergliederungsmesser, laß den Kehlkopf unberührt, und zerschneide die Wirbelsäule,«

»Einzig und allein, um Euch zu gehorchen.«

»Und auch um dem armen Thiere den Garaus zu machen, wenn es noch nicht ganz todt wäre,« erwiederte Althotas mit jenem Lächeln der den Greisen eigenthümlichen Hartnäckigkeit.

Balsamo machte einen einzigen Zug mit der schneidenden Klinge; der Einschnitt trennte die Wirbelsäule ungefähr zwei Zoll vom kleinen Gehirn und öffnete eine weite, blutige Wunde.

Das Thier oder vielmehr der Leichnam des Thieres blieb unbeweglich.

»Ja, meiner Treue, er war wirklich todt,« sprach Althotas, »nicht eine Fiber bebt, nicht eine Muskel zittert, kein Atom des Fleisches erhebt sich gegen dieses neue Attentat. Nicht wahr, er ist todt, sehr todt?«

»Ich will es anerkennen, so oft als Ihr es anerkannt haben wollt« versetzte Balsamo ungeduldig.

»Und das ist ein träges, erkaltetes, für immer unbewegliches Thier. Nichts hat Gewalt gegen den Tod, hast Du gesagt. Niemand hat die Macht, dem armen Thiere das Leben, oder nur den Anschein des Lebens zurückzugeben?«

»Niemand, wenn nicht Gott!«

»Ja, doch Gott wird nicht so folgewidrig sein, dies zu thun. Wenn Gott tödtet, so hat er, da er die oberste Weisheit ist, einen Grund, oder einen Vortheil, zu tödten. Ein Mörder, ich weiß nicht mehr wie er heißt, ein Mörder sagte dies, und das war gut gesagt. Die Natur hat ein Interesse beim Tod. Dieser Hund ist so todt als möglich, und die Natur hat ihr Interesse an ihm genommen.«

Althotas heftete sein durchdringendes Auge auf Balsamo. Müde, so lange das Geschwätze des Greises ausgehalten zu haben, neigte dieser das Haupt statt jeder Antwort.

»Nun! was würdest Du sagen, wenn dieser Hund das Auge öffnete und Dich anschaute?« fuhr Althotas fort.

»Das würde mich sehr in Erstaunen setzen,« erwiederte Balsamo lächelnd.

»Das würde Dich in Erstaunen setzen? Ah! das ist ein Glück!«

Während der Greis diese Worte mit seinem falschen, finstern Gelächter sprach, zog er den Hund zu einem Apparat, bestehend aus Metallstücken, welche durch Tuchpfropfen getrennt waren; der Mittelpunkt dieses Apparats war in eine Mischung von sauerer Flüssigkeit gesetzt; die zwei Enden, oder die zwei Pole, wie man es nennt, standen aus der Kufe hervor.

»Welches Auge soll er öffnen, Acharat?« fragte der Greis.

»Das rechte.«’

Die zwei nahe an einander gestellten, aber durch ein Stück Seide getrennten Enden wurden auf eine Halsmuskel gedrückt.

Sogleich öffnete sich das rechte Auge des Hundes und schaute Balsamo so starr an, daß dieser erschrocken zurückwich.

»Nun gehen wir auf den Rachen über, willst Du?«

34Daß Chiron oder vielmehr Cheiron erbabener bedeuten soll, ist uns bis jetzt nicht bekannt gewesen, und dürfte schwer zu begründen sein; schlimmer dagegen bedeutet es allerdings.
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