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Der Graf von Moret

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Zu jener Zeit trug man sehr viele Bänder. Frau von Regnier, Gattin des Polizeilieutenants, groß und hager, stach heute Abends besonders hervor durch den übergroßen Aufwand an Bändern, welche kaum den Stoß ihres Kleides erkennen ließen.

Bois-Robert stieß Frau von Cornuel, von der er ziemlich gut gelitten war, leicht an und sagte: »Die trägt ja heute eine ganze Leiter von Bandschleifen. «

»Ich fürchte sehr, daß ein Galgen darunter ist,« erwiderte die geistreiche Frau; dann zeigte sie aus einen jungen Landedelmann, der das Unglück hatte. nicht nur sehr geistlos zu sein, sondern auch aus dem Munde zu riechen und bereits eine volle Stunde dasaß, ohne ein Wort zu sprechen, und sagte: »Der Mann muß todt sein. Er verwest wenigstens schon!«

Madame Cornuel war aber nicht nur sehr geistreich, sondern auch muthig. Erst vor wenigen Tagen wurde sie, als sie Abends nach-Hause fuhr, von Räubern angefallen; der Anführer derselben stieg in den Wagen zu ihr und griff ihr sofort nach dem Busen. Sie stieß ihm aber den Arm zurück und sagte: »Lieber Mann, hier findet Ihr nichts, ich habe weder Perlen noch Brüste.«

Fräulein von Lalande, welche sehr stark schielte und überdies einen harten Blick hatte, erzählte eben einer Busenfreundin. daß ihr der Herzog Gaston von Orleans verliebte, schmachtende Augen zugeworfen habe.

Madame Cornnel die diese Worte auffing, rief: »Ach, mein Fräulein, die hättet Ihr aufheben und behalten sollen.«

Inzwischen war die Mitternachtsstunde herangerückt. Von den Besuchern des Hotels Rambouillet verlor sich einer nach dem andern.

Auch die Marquise von Rambouillet suchte gegen die zweite Morgenstunde ihre Gemächer aus. Wie gewöhnlich so auch heute setzte sie sich, bevor sie ihr Nachtnegligé anzog, noch zu ihrem Schreibtische und warf mit flüchtigen. aber sicheren, lesbaren Zügen mehrfache Andeutungen auf ein schon bereitliegendes Stückchen Papier hin. Diese Andeutungen waren das Gerippe jener Vorfälle des letzten Abends, welche sie ihrem gewiß interessanten Tagebuche einzuverleiben gedachte.

Henriette, die erste Kammerzofe der Marquise, die Einzige von der ganzen Dienerschaft, welche es wagen durfte ungerufen in dieses Heiligthum des Hotels Rambouillet einzutreten, erschien auf der Schwelle.

Erstaunt sah sich die Marquise um.

»Pater Joseph,« meldete Henriette »bittet dringend um Gehör.«

»Jetzt, zu dieser Stunde?« sprach Frau von Rambouillet kopfschüttelnd und dachte eine Weile nach; »er möge eintreten.«

Ihre Neugierde war gereizt; ein wichtiger Grund mochte den Polizeimeister Richelieus zu ihr führen; was nützte es, ihn heute abzuweisen; morgen konnte er sich ja Gehör ertrotzen, wenn er wollte, und wie zahlreiche warnende Beispiele vorlagen, blieb es immer sehr gefährlich, mit den Werkzeugen des Cardinals spielen zu wollen, denn dieser wußte jede Beleidigung seiner Leute so zu rächen. als ob sie ihm persönlich widerfahren wären. Und darin lag eine der Ursachen, warum der Cardinal immer besser bedient war als der König selbst und auf verläßlichere Anhänger zählen konnte.

Der berüchtigte Capuziner trat geräuschlosen Schrittes ein. Bereits zweimal wurde der »rechte Arm« Richelieus, wie dieser selbst die »graue Eminenz« zuweilen nannte, dem Leser vor-geführt.

Die Marquise erbebte unwillkürlich, als sie diese starren Züge, diese kalten, aber durchbohrenden Augen erblickte. Die volllommenste Leidenschaftlosigkeit konnte man sich wohl nicht besser verkörpert denken, als durch den wandelnden Leichnam des Pater Joseph, der in der That ein Muster der strengsten Nüchternheit war und das Recht, gegen Andere streng zu sein gewissermaßen durch die große Härte, mit derer sich selbst behandelte, erkauft hatte. Und Pater Joseph war keineswegs ein Heuchler, der etwa im Geheimen den Lüsten der Welt fröhnte, nein, er verachtete den Sinnengenuß wirklich, als Fesseln seines Geistes, seines Willens und in der That gründete sich die Herrschaft, die er über Andere, theilweise sogar auf Richelieu ausübte, zumeist auf die unbedingte Herrschaft, die er über sich selbst gewonnen. Dabei war aber die »graue Eminenz« nichts weniger als einer jener albernen Ascetiker. welche mit dem Fleische zugleich auch den Geist tödten; seine Ascetik war und blieb immer bloßes Mittel zum Zwecke und dieser Zweck seines ganzen Daseins bestand in der maßlosesten stillen Verachtung des ganzen Menschengeschlechtes. Aber eben dieser stumme Haß gegen seinen Nächsten machte ihn, ohne daß er es ahnte, dem Ehrgeize zugänglich, denn dieser Haß bildete sich in ihm ganz unbemerkt nachgerade zur Leidenschaft aus, und von dieser einzigen Schwäche, die über ihn Macht bekommen. immer mehr verblendet, gelangte er endlich dahin, eine Befriedigung jener hoch- und weitgreifenden Wünsche, die er seit Jahren mannhaft niedergekämpft hatte, für eine Pflicht gegen sich, für eine ihm von der Vorsehung zur Strafe der verderbten Menschheit zugedachte Bestimmung zu halten.

Die Marquise wies stumm auf einen Stuhl; der Capuziner blieb stehen. Die Dame des Hauses machte von dem Vorrechte Gebrauch. welches ihr ihr Geschlecht verlieh, und ließ sich nieder, dann sagte sie:

»Es mag wohl ein sehr wichtiger Grund sein, welcher Ew. Hochwürden zu dieser Stunde hierhergeführt hat?«

»Ich habe mit der Marquise von Rambouillet im Namen des Cardinals zusprechen,« entgegnete Pater Joseph kurz.

»Es wird mir ein Vergnügen sein. Euren Mittheilungen zu lauschen.«

»Die Stellung Eures Herrn Gemahls in Spanien fängt an eine sehr schwierige zu werden,« fuhr die »graue Eminenz« gelassen fort und schien dabei in der Seele der Marquise lesen zu wollen.

Oberst Carl von Augennes. Marquis zu Rambouillet war Gesandter vor Ausbruch des Krieges in Piemont und Spanien; dermalen hatte er in Madrid außerordentliche Regociationen zu leiten. Richelieu hatte ihn seit Kurzem im Verdachte, daß er sich nach der Partei der Königinnen zu neigen begann. Pater Joseph spielte durch seine obigen Worte auf das bekannte Verlangen des Marquis an, so lange als möglich in Madrid zu bleiben, wo er sich viel besser befand als in Paris. denn dort erblaßte er neben seiner Gemalin wie ein Stern vor der Mittagssonne. Auch die Marquise verspürte kein sonderliches Verlangen, den bodenlosen Verschwender wieder in ihrem Palais zu beherbergen, sich von seinen zahllosen Gläubigern überlaufen zu lassen. Dabei gehörte der Marquis zu den größten Disputirern seiner Zeit, besaß aber sehr viel Geist und Witz und machte dem Grafen-Herzog Olivarez sehr viel zu schaffen. Er verstand es den ersten Minister Spaniens stets alsbald derart in Zorn zu bringen, daß er Alles sagte, was ihm auf dem Herzen lag und was gesagt zu haben ihn dann zu spät bitter gereute. Der Marquis war übrigens in der That ein ausgezeichneter Diplomat. Er starb im Alter von fünfundsechzig Jahren nach kurzer Krankheit.

»Ich habe davon sprechen gehört!« erwiderte die Marquise von Rambouillet nach einer längeren Pause, als sie das Mißbehagen niedergekämpft hatte, das ihr der Gedanke an die Möglichkeit einer schnellen Rückkehr ihres Gemahls verursachte, der einmal sogar Lust an den Tag legte, das Beispiel seines erlauchten Großvaters Jakob von Augennes, Günstlings König Franz I. und Capitäns seiner Gardem nachzuahmeen

Einst hatte er nämlich ernsthaften Streit mit seiner Frau gehabt und trug Waffenstillstand an wie einem Feinde auf dem Schlachtfelde.

In dieser Pause begann er:

»Madame, erzeiget mir doch das Vergnügen, mich am Bart zu fassen.«

»Warum?« fragte die Frau erstaunt.

»Fasset nur an.«

Sie that es.

»Nun zerret!« fuhr der Gardecapitän Jacob von Augennes fort.

»Es wird weh thun! «

»Gleichviel. «

Sie zog ihn am Barte

»Stärker!«

»Aber . . .«

»Am stärker, mit aller Kraft, Madame!«

Sie zog und zerrte so stark sie nur konnte.

»Mehr vermag ich nicht,« sagte sie endlich.

»So gebt Ihr es auf. Madame?«

»Ja!«

»Dann ist die Reihe an mir.« Er faßte einige Haare auf ihrem Kopf und zog.

Die Dame schrie. Er aber zog fort, selbst als die Marquise um Hilfe schrie. Endlich ließ er sie los und sprach:

»Ihr sehen Madame, daß ich der Stärkere bin; es liegt also in Eurem Interesse, daß wir nicht handgemein werden.«

Madame merkte sich gar wohl den Sinn dieser Rede und wurde von da an gegen Herrn Jakob von Augennes die Sanftmuth selbst.

»Ihr habet davon schon sprechen gehört?« wiederholte der Capuziner, der durchaus keine Eile zu haben schien, das Endziel seiner Absichten zu demaskiren.«

»Ja sogar heute Abends in meinem Salon!« bestätigte ruhig die Marquise. »Herr von Marillac, der Siegelbewahrer, hat es als eine Neuigkeit vom Hofe ausgeplaudert. «

Wie wir wissen, gehörten dieser Marillac und sein Bruder, der Marschall mit welchen es später ein so übles Ende nahm, zu den vertrautesten Anhängern der beiden Königinnen, das heißt mit anderen Worten zu den größten Feinden des Cardinals.

»Die Partei der »Abgeneigten« scheint sehr wohlgelitten und auch sehr zahlreich vertreten zu sein im Hotel der Marquise Katharina von Rambouillet,« bemerkte Pater Joseph mit eisiger Kälte.

Abgeneigte oder Aversioaäre hieß man Alle, welche als Gegner des ersten Ministers galten.

»Im Hotel Rambouillet,« sprach die Marquise stolz, »kennt man keine Parteien, hier herrscht allein der Geist, der Witz und der Anstand. Uebrigens,« setzte sie rasch bei, »wurde von mir noch keinem Freunde Sr. Eminenz die Thür gewiesen; Bois-Robert zum Beispiel geht hier aus und ein, wie es ihm beliebt, und Eure eigene Gegenwart zur ungewöhnlichesten Stunde ist wohl ein weiterer Beweis hierfür.«

In den zweiten Satz ihrer Rede hatte sie einen ziemlich erzwungenen Ton von Freundlichkeit gelegt; dem allmächtigen Cardinal gegenüber sich als Feindin zu bekennen, wie sie die »graue Eminenz« ganz unverblümt schon bezeichnet hatte, durfte selbst eine Marquise von Rambouillet nicht wagen.

 

Dieses Anzeichen von Furcht, welches die Marquise wider Willen blicken gelassen, schien der »grauen Eminenz« sehr zu behagen und selbe beschloß rasch die gedämpfte Stimmung der Marquise zu benützten

»Es wird mir ein besonderes Vergnügen sein, dem Cardinal über die wohlwollende Gesinnung zu berichten, welche die Marquise von Rambouillet für ihn hegt,« sagte Pater Joseph und er verbeugte sich leichthin. Dann fuhr er bedächtig fort:

»Ich habe heute Briefe erhalten« worin mich Seine Eminenz beauftragt, gewisse kleine Rechnungen, welche der Herr Marquis vor seiner letzten Abreise nach Spanien zu bezahlen vergaß, durch Charpentier ausgleichen zu lassen —«

»Wie?« rief die Marquise erstaunt, »der sparsame Cardinal, der jetzt selbst mit schweren Sorgen ringen mag, um seine Armee zu erhalten,« wollte für meinen liederlichen Gemahl nicht weniger als 40.000 Pistolen Schulden bezahlen? Unglaublich!«

»Auch das Doppelte, das Dreifache!« sagte Pater Joseph bedeutungsvoll, »würde Sr. Eminenz nicht zu viel sein um der Familie Rambouillet sich gefällig zu beweisen, und da eine Gefälligkeit die andere erfordert – — – « der Capuziner hielt forschend inne.

Die Marquise, welche endlich zu wissen begehrte, wo hinaus Richelieus Vertrauter eigentlich wolle, ergänzte etwas ungeduldig seine Rede mit den Worten:

»– — So erwartet man dafür, daß man meinen Gemahl in Spanien beläßt, dafür, daß man seine Schuldner befriedigt, die, ich leugne es nicht, bereits zudringlich, ja unangenehm zu werden beginnen, kurz, man oder wenn Ihr deutlicher wollt, der Cardinal verlangt dafür eine Gegengefälligkeit; heraus damit, worin soll sie bestehen?«

»Ihr wisset,« meine edle Marquise«« nahm nun Pater Joseph das Wort und er legte so viel höflichen, fließenden Ton in seine Stimme, als es ihm überhaupt möglich war. » Ihr wisset, daß Seine Eminenz fast ebensoviel Werth darauf legt, als guter Dichter und als Schöngeist denn als Staatsmann zu gelten. Ich meinestheils halte diese Marotte des sonst so großen Mannes für eine kleinliche, seiner unwürdige Schwäche, aber auch ich, der ich mir viel, ich möchte fast sagen Alles dem Cardinal gegenüber erlauben darf, ich würde, bei Gott, Anstand nehmen, über diesen Punkt mit ihm ein zweites Mal rechten zu wollen. Es darf Euch daher durchaus nicht befremden, wenn der Cardinal das lebhafteste Bedauern darüber empfindet, daß es ihm, auch wenn er in Paris ist, die Umstände verwehren, zu den Besuchern des Hotels Rombouillet zu zählen und jene köstlichen Abende mitzugenießen, deren Glanz und Brennpunct eben die Herrin des Hauses selbst bildet. Nun denn – Seine Eminenz wünschte also, daß ihm wenigstens der Nachgenuß dieser olympischen Soiréen vergönnt wäre, und wer, frage ich, vermöchte wohl besser ein klares richtiges und allseitiges Bild des Geschehenen und des Gesprochenen zusammenzustellen, als Ihr, Marquise, Ihr, die Sonne und der belebende Hauch aller jener sich hier versammelnden zahllosen Planeten von Frankreichs poetischem und politischem Himmel.«

Pater Joseph schwieg und fixirte nun scharf die Marquise, welche sich in die Lippen kniff und sagte:

»Wenn ich reitet versteht,« so wünscht Seine Eminenz, daß ich ihm Bericht erstatte über Alles, was in meinem Hause von meinen Gästen gethan, gesprochen wird.«

»Um die Marquise von Rambouillet nicht allzusehr in Anspruch zu nehmen« würde man sich am Ende begnügen, wenigstens das Ueble zu erfahren. welches über den Cardinal oder seine Freunde gesprochen wird.«

»Ich glaube,« antwortete die Marquise sehr bestimmt, »ich glaube. Jedermann kennt meine Achtung und meine Ehrfurcht vor dem Cardinal zu sehr. als daß sich Jemand erlauben sollte, in meinem Hause übel von ihm zu sprechen.«

»Sol! ich diese Worte als eine Ablehnung meines Antrages auffassen?« frug der Capuziner und sein Blick verfinsterte sich.

»Mein Gott!« lächelte die Marquise und schlug ganz naiv die Hände zusammen. »Ihr sprechet von einem Antrage, von einer Ablehnung. wir sind ja auf so etwas gar nicht zu sprechen gekommen. Seine Eminenz hatte blos die hohe Gnade, mich durch Euch seiner Freundschaft versichern zu lassen und ich, ich kann zur Erwiderung nichts Anderes thun, als Euer Hochwürden zu bitten. dem Herrn Cardinal den Ausdruck meiner grüßten, tiefgefühltesten Verehrung zu überbringen und zu Füßen zu legen.«

Die Marquise stand nach diesen Worten auf zum Zeichen. daß sie die Unterredung für beendigt halte.

Das Antlitz des Capuziners war starr und eiskalt wie gewöhnlich, obgleich er in seinem Innern vor Wuth tobte, daß die Marquise seinen Antrag, gewissermaßen in die Dienste der »Cardinalspolizei« zu treten, nicht nur ganz bestimmt, sondern sogar mit unverkennbarem Hohne von sich gewiesen hatte.

»Die Frau Marquise dürfte sehr bald das Vergnügen genießen, Ihren Herrn Gemahl wieder in Paris zu umarmen. « sagte die »graue Erninenz« mit Nachdruck.

»Ganz gewiß wird es mir ein Vergnügen sein!«

»Deinen Gläubigern vielleicht ein noch größeres!« spottete der Capuziner. »Es ist sehr möglich, daß der Herr Marquis nach seiner weiten, beschwerlichen Reise recht lange Muße zum Ausruhen finden wird im – Schuldthurme!«

»Ich werde diese Ruhe sicherlich nicht stören oder gar so grausam sein, selbe abzukürzen; mein Vermögen gehört meinen Kindern. Der ehemalige Gesandte Sr. Majestät Ludwigs XIII.am spanischen Hofe wird also in der Lage sein, sich ganz nach eigenem Gutdünken mit seinen Gläubigern auseinanderzusetzen.«

»Ist dies Euer letztes Wort, Marquise?– Und für Euch selbst hättet Ihr wirklich nichts zu wünschen und auch – nichts zu fürchten?«

»Mein Gewissen sagt: nein.«

»Dann gratulire ich der Marquise von Rambouillet aus vollem Herzen, denn in dieser beneidenswerthen Lage befindet sich außer Euch und meiner Wenigkeit wohl sonst Niemand in allen den weiten Reichen des Königs von Frankreich und Navarra.«

Die »graue Eminenz« schritt nach flüchtigem Gruße zur Thür hinaus.

Die Marquise von Rambouillet kannte sich einer gewissen innern Unruhe nicht erwehren. Von dieser Stunde an hatte sie den Cardinal zum Feinde. Wer nicht für ihn war, war wider ihn; zählte er doch sogar jeden Indifferenten zu letzteren.

»Ich that vielleicht unrecht, den Capuziner so zu behandeln; aber ich, die Marquise von Rambouillet, sollte mich hergeben zu seiner Spionin, mich aus eine Stufe stellen mit der Courtisane Marion Délorme? Nimmermehr, eher will ichs ankommen lassen auf die Folgen des Zornes des allmächtigen Cardinals. Allmächtig?« setzte sie tief nachsinnend bei. »Hm, wer weiß, ob er nach dreimal vierundzwanzig Stunden nach Minister ist. Uebermorgen lassen die beiden Königinnen alle ihre Mienen springen. Der König ist seit Kurzem traut, schwer trank und Richelieu auf dem Kriegsschauplatze. Seine Feinde haben also leichtes Spiel!«

Und ziemlich durch ihre Reflexionen beruhigt, suchte die Marquise endlich gegen die vierte Morgenstunde ihr Lager auf.

III.
Die folgen einer Grabschrift

Von Gefühlen der unangenehmsten Art bestürmt betrat die » graue Eminenz« die Straße. » Es muß bereits schlecht, sehr schlecht um den Cardinal stehen,« murmelte er vor sich hin, »wenn eine sonst so kluge, so weitblickende Dame wie die Marquise kein Bedenken trägt, mit schnödem Hohne einen Antrag zurückzuweisen, der tausend Andere entzücken würde. Ja, ja, schwere Gewitterwolken hängen am Himmel Richelieus; wer weiß, ob sie sich nicht schon in der nächsten Stunde entladen und die zuckenden Blitze. die ihn niederzuschmettern drohen, werden auch seine Anhänger zu Boden werfen. Pah! was liegt mir daran, wenn der Orkan, der auszubrechen droht, auch mich, seinen rechten Arm, hinwegfegt von der Schaubühne des politischen Lebens – bin ich zu ihm gestanden, will ich auch mit ihm fallen! – Wo existirt in ganz Frankreich ein zweiter Geist, der ihm gliche und dem ich mich unterordnen wollte, wie ich es bisher gethan gegenüber dem größten Staatsmanne Europas! Wer nach ihm würde wie er im Stande sein, jene Aristokratie zu bündigem welche gar so gerne den Fuß auf den Nacken des Bürgers setzte und jetzt in ohnmächtiger Wuth anerkennen muß, daß in Richelieus Händen das Gesetz keinen Unterschied kenne zwischen dem Herzoge und dem letzten Ackerknechte. Ha! welche Wollust war es für mich, mitzuhelfen, daß einer nach dem anderen dieser stolzen Köpfe von des Henkers Händen auf das fürchterliche Schaffot niedergezogen wurde und das scheue Geflüster, womit des Cardinals Feinde seinen Namen verfluchen, klang stets wie eine Siegesfanfare in meinen Ohren, und auf Rosen dünke ich zu wandeln, wenn der Haß und die ingrimmigste Verachtung sich fruchtlos abmüht, meinen Pfad mit Dornen zu bestreuen. Wohlan denn, fällt der Cardinal ziehe ich mich zurück in die Mauern meines Klosters; dort und in meinem Herzen ist Raum genug für den Ekel und den Abscheu, den mir diese erbärmliche Welt einflößt, und nimmer will ich sie schauen, kann ich fürder nichts mehr beitragen zu ihrer Bestrafung, zu ihrer Vernichtung.«

Pater Joseph war während seines Monologes in die Nähe des Louvre gekommen; er befand sich von dessen Hauptthore nur mehr etwa fünfhundert Schritte entfernt.

Eine kleine zarte, in einen dunkelblauen Mantel gehüllte Gestalt trat näher an ihn heran und tippte ihn mit der rechten Hand auf die Schulter.

Erstaunt blickte die »graue Eminenz« den jungen Burschen an, der mit feiner silberheller Stimme zu sprechen begann.

»Ehrwürdiger Vaters Wolltet Ihr nicht einem Sterbenden den letzten Trost spenden?«

Bei einer der wenigen und düster brennenden Straßenlaternen, an der man eben vorbeikam, ließ der Capuziner einen scharfen forschenden Blick über die Gestalt des Sprechers gleiten. Der Mantel war vom feinsten Tuche und den Hut, den der Junge tief in die Stirne gedrückt hatte. zierte eine echte Straußenfeder und eine goldene Schnalle. Von dem Gesichte vermochte Pater Joseph blos ein feingeschnittenes. bartloses Kinn und einen kleinen, lieblichen Mund zu gewahren, denn das Uebrige war, wie wir schon bemerkten, durch den überbreiten Rand seines Hutes bis zur Nasenspitze herab tief beschattet.

Die »graue Eminenz« hielt den jungen Menschen für einen Pagen und sagte: »Wie kamst Du aber dazu, mein Sohn, Dich gerade an mich, hier auf der Straße, mit deinem Anliegen zu wenden? Weißt Du denn nicht den Weg nach dem nahen Kloster der »Brüder vom Calvarienberge?« Komme mit. ich will Dich führen, denn auch meine Schritte lenken dahin.«

Das von Pater Joseph genannte Kloster der »Brüder vom Calvarienberg« war eine von ihm gestiftete päpstliche Congregation und eines jener wenigen Objecte, an denen er wahrhaft persönlichen Antheil nahm. Obwohl das Profeßhaus der »Gesellschaft Jesu« weit näher zur Hand gewesen wäre, wollte er doch lieber einem seiner Brüder den Weg in das Haus eines Sterbenden öffnen, der nach dem Pagen, den er ausgesendet zu urtheilen, dem höheren Staude angehören mochte. Es konnte also dabei die Stiftung von Messen. sowie überdies ein namhaftes Geschenk für die Verabreichung des Viaticums heraussehen, und Pater Josephs neugebildeter Orden benöthigte in der That einen kleinen Zufluß an irdischen Gütern weit dringender als die Jesuiten, welche bereits über ein Jahrhundert Zeit gehabt hatten, ihre Existenz zur größeren Ehre Gottes zu sichern und, wie die Geschichte hinlänglich lehrt, in dieser Beziehung sich auch durchaus keine Nachlässigkeit zu Schulden kommen ließen.

Der Page schüttelte verneinend den Kopf und sagte: « »Das würde zu spät werden; wenn Ihr nicht selbst mitkommen wollt, müßte ich mich an die Väter Jesu wenden.«

»Und wohin willst Du mich führen, Bursche?«

»Wir sind zur Stelle. « sprach der Page, vor dem Gitterthore stehen bleibend, innerhalb dessen ein Schweizer, die Hellebarde aus der Schulter, bedächtig auf und ab schritt.

»In den Louvre?« rief Pater Joseph mit ungeheucheltem Erstaunen, »in den Louvres gibt es denn nicht in diesen Mauern Leute genug, welche das Gewand des Priesters tragen?«

»Und wer ist es, der meine Hilfe begehrt?« frug er nach einer kurzen Pause. Die Neugierde des Polizeimeisters war in ihm rege geworden. «

»Der Name thut nichts zur Sache, wo es gilt Unglücklichen beizustehen!« bemerkte der Page rasch und trat auf die Wache zu, der er das Losungswort ins Ohr flüsterte. Die »graue Eminenz« folgte fast unabsichtlich dem Pagen nach, an der Schildwache vorbei; nachdem er jedoch kaum zehn Schritte gethan, faßte er den Jungen an der Schulter und stehen bleibend rief er: »Knabe, dein ganzes Benehmen ist sonderbar, Du willst Dir eine Mystifikation mit mir erlauben, weißt Du wer ich bin, weißt Du, daß dein Scherz Dir theuer zu stehen kommen kann?«

»Fiele mir wahrlich nicht bei,« lachte der Page, »meine schwache Kraft mit der des »rechten Armes« Sr. Eminenz messen zu wollen.«

 

Pater Josephs Mißtrauen wuchs, er fürchtete eine Schlinge.

»Ja wenigen Stunden werde ich mehr wissen von Dir und deinem Unglücklichen,« drohte er und lenkte nach dem Thore, durch das er eingetreten war, seine Schritte zurück.

Der Page lachte hellauf und ließ den Capuziner gehen.

»Zurück! « donnerte der Schweizer und hielt der »grauen Eminenz« die scharfe Spitze seiner Hellebarde entgegen.

»Was soll das heißen?« schrie Pater Joseph ebenso betroffen als ärgerlich.

»Daß die sämmtlichen Thorwachen des Louvre den strengsten Befehl haben, nur in meiner Gesellschaft der »grauen Eminenz« den Ausgang zu gestatten!« erläuterte der Plage und mit einer carikirt devoten Verbeugung zog er seinen Hut ab.

»Teufel!« brummte der Capuziner, der sich nach dem Sprecher umgesehen, »darf ich wirklich meinen Augen trauen?« Und zu dem Pagen zurückeilend rief er: »Wie? wäre es möglich, Madame Fargis?«

»Bst!« entgegnete die demaskirte Vertraute der Königin und ergriff, den Hut wieder aussehend. den Arm des Pater Joseph, der nunmehr jeden weiteren Widerstand aufgab.

»Es wird Euch nicht gereuen,« flüsterte die Fargis dem Capuziner in's Ohr, dabei einen ihrer Blicke, der einen Engel hätte verführen können nutzlos verschwendend, »es wird Euch nicht gereuen; ich hoffe, Ihr werdet heute im Louvre mehr Glück haben. als im Hotel Rambouillet!«

Pater Joseph zog die Stirne in krause Falten und sagte:

»Ihr wüßtet?«

»Daß die »graue Eminenz. « lachte die Fargis mit der ihr zur zweiten Natur gewordenen Frivolität, »den Moment abgepaßt hat, bis der letzte Besucher das Hotel verließ. daß sie dann um zwei Uhr ganz verstohlen sich hineinschlich und daß sie nach einer Stunde erst dasselbe wieder verließ und zwar sichtlich in einer sehr abscheulichen Laune. Für eine Fargis wahrlich mehr als genug. um das Uebrige zu errathen.«

Pater Joseph biß die Zähne aufeinander und sagte nach einer Weile:

»Es mag wohl ein triftiger Grund verhandelt sein, daß Ihre Majestät für gut befand. die Gemahlin eines Gesandten zu solch' ordinärem nächtlichen Spionagedienste zu verwenden.«

»Pah!« lachte Madame Fargis. »es kommt auf eins heraus, ob man solche Dienste in Pagenkleidern oder – in der Kutte leistet.«

Die »graue Eminenz« warf der boshaften Spötterin einen wüthenden Blick zu, hüllte aber schweigend ihr Gesicht tiefer in die Capuze. denn eben betrat sie an der Fargis Seite den großen. hellerleuchteten Gang, der zu den Gemächern der Gemahlin Ludwigs XIII. hinanführte.

Der Capuziner und Madame Fargis gelangten alsbald zur Thür, welche in jenen dunklen Corridor münden, wo vor einigen Monaten die Herzogin von Chevreuse den Grafen von Moret warten gelassen, bevor er durch Isabella von Lautrec in das Gemach der Königin eingeführt worden war.

Die geraume Zwischenzeit welche nun Pater Joseph aus Geheiß der Fargis hier warten mußte. bis Anna von Oesterreichs Appartements auch ihm sich öffnen würden, wollen wir benützen, um rasch zum Thore des Louvre zurückzukehren und den Mann zu beobachten, der in demselben Momente, als die Fargis die »graue Eminenz« auf die Schulter geklopft hatte, in ziemlich weinseliger Laune des Weges querüber gekommen war und schon im Begriffe stand, sich mit dem Kuttenmanne und dem Pagen einen jener Späße zu erlauben, wie sie zu jener Zeit von Seite angetrunkener Landsknechte Wehrlosen gegenüber in der Mode waren.

Aber bei dem ersten Worte, das Pater Joseph auf das gestellte Ersuchen. sich zu einem Sterbenden zu begeben, gesprochen, zuckte der Fremde wie elektrisirt zusammen, blieb in dem Dunkel, worin er sieh noch befand, stehen und brummte vor sich, indem er hastig den Hut tiefer setzte und mit dem Mantel das Gesicht vermummte, mit echt gascognisehem Aecent:

»Sarredieu! Das wäre eine schöne Dummheit gewesen mit dem da anzubinden. Der Teufel hole den Meister Soleil und seine Wirthschaft »zum gefärbten Bart«. War der Schuft richtig so ehrlich sein Wort zu halten und fünfzig Schuppen von dem Weine aufzubewahren, der mir vor sechs Monaten gar so wohl geschmeckt? – Jetzt aber, lieber Freund, ernüchtere Dich etwas und reiße Mund und Ohren auf. Ei, ei!«

Sein letzterer Ausruf wurde ihm durch die Wahrnehmung entlockt, daß Pater Joseph in den Louvre eintrat.

Bald daran war er selbst, von Niemandem gesehen, Augenzeuge, wie die »graue Eminenz« von der Wache ganz ohne Umstände zurückgewiesen wurde.

»Ei, ei!« wiederholte der Lauernde und schritt dann im Dunkel vor dem Thore einige Mal auf und ab. Er lüftete seinen Hut, strich mehrmals seine Stirne und zupfte sich ziemlich heftig am Kinnbarte.

»So!« sagte endlich der Fremde, »der Schreck und die Neugierde haben mir, glaube ich, bereits hinlänglich wieder den Weindunst vertrieben, um zu etwas Vernünftigem fähig zu sein.« Und mit ziemlich sicherer Haltung schritt er auf das Thor zu.

»Halt wer da?« rief ihn die Wache an.

»Officier von der Garde Sr. Eminenz!« Der Fremde entfaltete seinen Mantel und ließ die Uniform sehen, die er darunter trug.

Die Hellebarde des Schweizers senkte sieh nicht. Vielmehr rief derselbe noch barscher als zuvor:

»Losung her!«

Wie der Leser gewiß schon hinlänglich aus den »drei Musketieren« erfahren waren die Leibwachen des Königs nicht besonders gut auf die des Cardinals zu sprechen und zahlreiche Scharmützel kamen fortwährend vor ungeachtet der draconischen Duellverbote, die der erste Minister mit so blutiger, unerbittlicher Strenge handhaben ließ, daß selbst ein Herzog Franz von Montmorency, Graf von Bouleville, Vetter Heinrichs II. Herzog von Montmorency, auf dessen tragisches Ende wir später zu sprechen kommen werden, deren Uebertretung auf dem Gréveplatze mit seinem Kopfe bezahlen mußte.

»Nehmt immerhin bei Fuß!« sagte der Fremde ganz ruhig, »ich habe gar nicht im Sinne einzutreten, auf Ehrenwort. Aber um zwei ganz kleine GefälIigkeiten möchte ich Euch bitten, lieber Freund, erstens und zwar vor Allem, daß Ihr so gütig wäret, dieses Paar Pistolen von mir anzunehmen.«

Der Sprecher spielte mit zwei Goldstücken zwischen den Fingern; der Schweizer warf einen lüsternen Blick auf den Köder, rührte sich aber nicht und sagte:

»Es ist verboten, daß ein Wacheposten Geschenke annimmt.«

»Das sollt Ihr ja auch gar nicht. bei Leibe nicht. Gestattet mir nur, daß ich diese zwei Füchse hier neben Euch auf den Stein lege; wenn ich dann fortgehe, könnt Ihr sie aufheben oder liegen lassen. das gilt mir wahrlich gleich.«

Der Hellebardier entgegnete nichts, aber er nahm bei Fuß und ließ nun geschehen, was der Fremde mündlich angedeutet hatte.«

»Und jetzt« mein wackerer Kriegscammerad, werdet Ihr vielleicht die Gewogenheit haben mir zu sagen, wer der Page gewesen, der mit dem Capuziner eintrat.«

»Madame du Fargis!« erwiderte leisen Tones die Wache, »eine der Hofdamen Ihrer Majestät der Königin. Nun aber sputet Euch hinweg, mein Herr! Der Morgen beginnt zu grauen, es muß bald fünf Uhr sein und dann kommt die Ablösung.«

»Wie? Madame Fargis? Ihr täuscht Euch nicht, mein lieber Freunds Wirklich nichts dann erlaubt, daß ich auf den Stein dort noch etwas dazu lege; ein halbes Dutzend nimmt sich besser aus.«

Gesagt« gethan.

Der Fremde schlich davon.

Der Schweizer hob vergnügt schmunzelnd die sechs Goldstücke auf und schob sie in die weiten Taschen seiner Pluderhose.

»Latil« Latil!« sagte der Späher zu sich selbst, indem er nachdenklich die Richtung einschlug, in welcher das Kloster der »Brüder vom Calvarienberge« lag, »Du bist jetzt in einer verdammten Klemme; gibst Du den Brief ab, so kannst Du in die Bastille spazieren, und gibst Du ihn nicht ab, vielleicht um so sicherer. Soll ich, soll ich nicht? Bei allen Höllenteufeln! lieber wollt ich nochmals mithelfen die feuerspeiende Lunette im Engpasse bei Susa zu stürmen, als die nächsten drei Stunden verleben, gefoltert von Zweifeln und Bedenken. Bis acht Uhr muß ich einen Entschluß gefaßt, den Brief übergeben haben oder nicht, aber da liegt eben der Hund begraben – ein Mißgriff und ich kann dem Cardinal heilloses Unglück bereiten. Will mich hier etwas auf die Lauer legen und es dem Zufall überlassen, mir vielleicht aus der Klemme zu helfen, in die er mich durch die sonderbare Begegnung gebracht hat.«

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