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Der Graf von Bragelonne

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Der Graf von Bragelonne
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Erstes und zweites Bändchen

I.
Der Brief

Gegen die Mitte des Monats Mai im Jahr 1660, um neun Uhr Morgens, als die schon warme Sonne den Thau auf den Violen des alten Schlosses von Blois trocknete, kehrte eine kleine Cavalcade, bestehend aus drei Männern und zwei Pagen, über die Brücke der Stadt zurück, ohne eine andere Wirkung auf die Spaziergänger am Quai hervorzubringen, als eine erste Bewegung mit der Hand an den Kopf, um zu grüßen, und eine zweite Bewegung der Zunge, um im reinsten Französisch, das in Frankreich gesprochen wird, den Gedanken auszudrücken:

»Monsieur kehrt von der Jagd zurück.«

Während aber die Pferde den steilen Abhang hinaufkletterten, der vom Fluß nach dem Schlosse führte, näherten sich mehrere Ladenbursche dem letzten Pferd, das, am Sattelbogen hängend, verschiedene am Schnabel angebundene Vögel trug.

Bei diesem Anblick gaben die Neugierigen mit einer ganz ländlichen Offenherzigkeit ihre Verachtung gegen einen so magern Fang kund und kehrten dann, nachdem sie sich über die Nachtheile der Beize besprochen hatten, zu ihren Geschäften zurück. Nur einer von den Neugierigen, ein dicker, bausbackiger Bursche von heiterer Laune, fragte, warum sich Monsieur, der sich bei seinen großen Einkünften so gut belustigen könne, mit einer so kläglichen Unterhaltung begnüge.

»Weißt Du nicht,« antwortete man ihm, »das, es die Hauptbelustigung des Prinzen ist, sich zu langweilen?«

Der lustige Bursche zuckte die Achseln mit einer Geberde, welche klar wie der Tag bedeutete: »Dann will ich lieber der dicke Jean als der Prinz sein.« Und Jeder ging wieder an seine Arbeit.

Monsieur ritt indessen seines Wegs mit einer so schwermüthigen und zugleich so majestätischen Miene, daß er sicherlich die Bewunderung der Zuschauer erregt haben würde, wenn er Zuschauer gehabt hätte; doch die Bürger von Blois verziehen Monsieur nicht, daß er diese so heitere Stadt gewählt hatte, um sich nach Belieben zu langweilen, und so oft sie den erhabenen Gelangweilten erblickten, machten sie sich gähnend davon, oder kehrten den Kopf in das Innere ihrer Zimmer, als wollten sie sich dem einschläfernden Einfluß dieses langen, bleichen Gesichtes, dieser schwimmenden Augen und dieser lahmen Haltung entziehen, so daß der würdige Prinz beinahe sicher war, die Straßen öde und verlassen zu finden, so oft er sich darein wagte.

Dies war nun von Seiten, der Einwohner von Blois eine sehr strafbare Unehrerbietigkeit, denn Monsieur war nach dem König, und selbst vielleicht vor dem König, der vornehmste Herr des Reiches. Gott, der dem damals regierenden Ludwig XIV. das Glück gewährt hatte, der Sohn von Ludwig XIII. zu sein, hatte Monsieur die Ehre gewährt, der Sohn von Heinrich IV. zu sein. Es hätte also kein geringer Gegenstand des Stolzes für die Stadt Blois sein sollen, dieser Vorzug, den Gaston von Orleans, der seinen Hof im alten Schlosse der Stände hielt, der Stadt Blois gönnte.

Doch es lag in dem Geschick dieses großen Fürsten, daß er überall, wo er sich zeigte, in einem nur geringen Grade die Aufmerksamkeit und die Bewunderung des Publikums erregte. Monsieur hatte sich mit der Gewohnheit vertraut gemacht und sich darein ergeben.

Dies war es vielleicht, was ihm die Miene ruhiger Langweile gab. Monsieur war in seinem Leben sehr beschäftigt gewesen. Man läßt nicht einem Dutzend seiner besten Freunde die Köpfe abschlagen, ohne daß dies ein wenig Lärm verursacht. Da man aber nun, seit Mazarin an das Ruder gekommen, Niemand mehr den Kopf abgeschlagen, so hatte Monsieur keine Beschäftigung mehr, und dies machte sich an seinem ganzen Wesen fühlbar.

Das Leben des armen Prinzen war ein trauriges. Nach seiner kleinen Jagd am Ufer des Beuvron oder in den Wäldern von Chiverny, setzte Monsieur über die Loire und frühstückte in Chambord, mit oder ohne Appetit, und die Stadt Blois hörte bis zu der nächsten Jagd nicht mehr von ihrem allerhöchsten Herrn sprechen.

So viel von der Langweile extra muros: was die Langweile im Innern betrifft, so werden wir dem Leser einen Begriff davon geben, wenn er mit uns der Cavalcade folgen und bis zu der majestätischen Halle des Schlosses der Stände hinaufsteigen will.

Monsieur ritt auf einem kleinen Pferde von sanftem Gang, das mit einem breiten Sattel von rothem flandrischem Sammet und mit Steigbügeln in Form von Pantoffeln versehen war; dieses Pferd war salb seiner Farbe nach; das Wamms von Monsieur vermengte sich, von carmoisinrothem Sammet gemacht, unter dem gleichfarbigen Mantel, mit der Equipirung des Pferdes, und nur an dieser röthlichen Gesammtheit konnte man den Prinzen unter seinen Gefährten erkennen, von denen der eine links, violett gekleidet, der Stallmeister, und der andere rechts, grün gekleidet, der Oberjägermeister waren.

Einer von den Pagen trug zwei Edelfalken auf einer Aufsitzstange, der andere ein Jagdhorn, in das er, zwanzig Schritte vom Schloß, nachlässig blies. Alles, was diesen nachlässigen Prinzen umgab, that, was es zu thun hatte, mit Nachlässigkeit.

Auf dieses Signal liefen acht Wachen, welche in dem viereckigen Hof in der Sonne spazieren gingen, herbei, nahmen ihre Hellebarden, und Monsieur hielt seinen feierlichen Einzug im Schloß.

Als er unter der tiefen Vorhalle verschwunden war, zerstreuten sich ein paar Taugenichtse, welche hinter der Cavalcade vom Mail zum Schloß hinaufgestiegen waren und dabei fortwährend einander die hängenden Vögel gezeigt hatten, indem sie ihre Commentare über das machten, was sie gesehen; sobald sich diese Taugenichtse entfernt hatten, blieben die Straße, der Platz und der Hof wieder öde.

Monsieur stieg vom Pferde, ohne ein Wort zu sagen, ging in sein Zimmer, wo sein Kammerdiener ihm seine Kleider wechselte, streckte sich, da Madame noch nicht nach seinen Befehlen für das Frühstück hatte fragen lassen, auf einer Ottomanne aus, und entschlief so gutwillig, als ob es Abends elf Uhr gewesen wäre.

Die acht Wachen, welche einsahen, daß ihr Dienst für den Rest des Tages beendigt war, legten sich in der Sonne auf die steinernen Bänke; die Stallknechte verschwanden mit ihren Pferden in den Ställen und, abgesehen von einigen munteren Vögeln, die sich einander durch scharfes Gezwitscher in den Büschen der Mauernelken scheu machten, hätte man glauben sollen, das ganze Schloß schlafe mit Monsieur.

Plötzlich erscholl mitten unter diesem sanften Schweigen ein nerviges, lautes Gelächter, das einen von den Hellebardieren, die in ihre Siesta versunken waren, ein Auge zu öffnen bewog.

Dieses Gelächter kam aus einem Fenster des Schlosses, das in diesem Augenblick von der Sonne besucht wurde. Der kleine eiserne Balcon, der an diesem Fenster hervorragte, war von einem Topf mit rothen Nelken, einem andern Topf mit Primeln und mit einem Frührosenstock besetzt, dessen herrlich grünes Blätterwerk durch mehrere rothe Punkte das baldige Erscheinen der Rosen ankündigte.

In dem Zimmer, das dieses Fenster erhellte, sah man einen viereckigen Tisch mit einem alten, großblumigen Harlemer Teppich bedeckt, mitten auf diesem Tisch eine steinerne Phiole mit langem Hals, in der Maiblumen und Irisblüthen staken, an jedem von den Enden dieses Tisches ein junges Mädchen.

Die Haltung dieser zwei Kinder war sonderbar: man hätte sie für zwei dem Kloster entwichene Kostschülerinnen halten können. Das eine zeichnete, die beiden Ellenbogen auf den Tisch gestützt, eine Feder in der Hand, Charactere auf ein Blatt schönes, holländisches Papier; das andere kniete auf einem Stuhl, was ihm den Kopf und die Büste über die Lehne und bis mitten auf den Tisch zu strecken erlaubte, und sah zu, wie seine Gefährtin schrieb, oder vielmehr zu schreiben zögerte. Daher tausendfaches Geschrei, Gespötte, Gelächter, wobei das eine immer geräuschvoller war als das andere, und die Vögel in den Mauernelken erschreckt und die Wache von Monsieur im Schlafe gestört hatte.

Wir sind an den Portraits, und man wird hoffentlich die zwei letzten dieses Kapitels hinnehmen. Diejenige, welche sich auf den Stuhl stützte, nämlich die geräuschvolle, die lachende, war ein hübsches Mädchen von neunzehn bis zwanzig Jahren, braun von Haut, braun von Haaren, glänzend durch seine Augen und besonders durch seine Zähne, welche wie Perlen unter den blutrothen Korallen ihrer Lippen funkelten.

Jede von den Bewegungen dieses Mädchens schien das Resultat des Spiels einer Mine zu sein; es lebte nicht, es sprang.

Die Andere, diejenige, welche schrieb, schaute ihre stürmische Gefährtin mit einem Auge so blau, so durchsichtig und rein an, wie es der Himmel an diesem Tage war. Ihre aschblonden, mit ausgezeichnetem Geschmack gerollten Haare fielen in seidenen Büscheln auf ihre perlmutterartigen Wangen herab; sie ließ über das Papier eine seine Hand hingehen, deren Magerkeit jedoch ihre außerordentliche Jugend bezeichnete. So oft ihre Freundin in ein Gelächter ausbrach, hob sie, wie geärgert, ihre poetisch und sanft geformten Schultern empor, denen aber jener Luxus an Stärke und Rundung fehlte, welchen man auch an ihren Armen und Händen zu sehen gewünscht hätte.

»Montalais! Montalais!« sagte sie endlich mit einer Stimme so sanft und liebkosend wie ein Gesang. »Ihr lacht zu stark, Ihr lacht wie ein Mann; Ihr werdet Euch dadurch nicht nur den Herren Garden bemerkbar machen, sondern auch die Glocke von Madame nicht hören, wenn Madame ruft.«

Das Mädchen, das man Montalais nannte, hörte bei dieser Ermahnung weder auf zu lachen, noch zu gesticuliren; es antwortete nur:

»Louise, Ihr sprecht nicht, was Ihr denkt, meine Liebe; Ihr wißt, daß die Herren Garden, wie Ihr sie nennt, ihren Schlaf beginnen, und daß sie dann Kanonen nicht aufzuwecken vermöchten; Ihr wißt, daß man die Glocke von Madame auf der Brücke von Blois hören würde, und daß ich sie folglich auch hören werde, wenn mich mein Dienst zu Madame beruft. Es ärgert Euch nur, mein Kind, daß ich lache, wenn Ihr schreibt; Ihr befürchtet, Frau von Saint-Remy, Eure Mutter, komme herauf, wie sie es zuweilen thut, wenn wir zu viel lachen . . . sie überrasche uns und sehe das ungeheure Blatt Papier, auf das Ihr seit einer Viertelstunde nichts geschrieben habt, als die Worte: »»Herr Raoul!«« Das ist übrigens vernünftig von Euch, denn den Worten »»Herr Raoul«« kann man so viele andere, so bezeichnende, so entzündende beifügen, daß Frau von Remy, Eure theure Mutter, Recht hätte, wenn sie Feuer und Flammen freien würde. Sprecht, ist es nicht so?«

 

Und Montalais verdoppelte ihr Gelächter und ihre stürmischen Herausforderungen.

Die Blonde erzürnte sich wirklich; sie zerriß das Blatt, auf das in der That die Worte »Herr Raoul« mit einer schönen Handschrift geschrieben standen, zerknitterte das Papier in ihren zitternden Fingern und warf es zum Fenster hinaus.

»Nun! nun!« sagte Fräulein von Montalais, »unser kleines Lamm, unser Jesuskind, unsere Taube ärgert sich! . . . Habt doch keine Furcht, Louise! Frau von Saint-Remy wird nicht kommen, und wenn sie käme . . . Ihr wißt, daß ich ein feines Ohr habe. Was kann übrigens mehr erlaubt sein, als an einen alten Freund von zwölf Jahren her zu schreiben, besonders wenn der Brief mit den Worten: »»Herr Raoul!«« beginnt?«

»Es ist gut, ich werde ihm nicht schreiben,« entgegnete das Mädchen.

»Oh! wahrhaftig, Montalais ist nun gehörig bestraft!« rief immer lachend die braune Spötterin. »Vorwärts, nehmt ein anderes Blatt Papier und beendigen wir rasch unsere Botschaft. Gut, nun wird die Glocke geläutet! Ah! meiner Treue, das ist schlimm. Madame wird warten, oder diesen Morgen ihres ersten Ehrenfräuleins entbehren müssen.«

Es erklang wirklich eine Glocke; man meldete, Madame habe ihre Toilette beendigt und erwarte Monsieur, der ihr die Hand im Salon gebe, um sie ins Speisezimmer zu führen.

Sobald diese Förmlichkeit erfüllt war, frühstückten die beiden Gatten und trennten sich dann bis zum Mittagessen, das unabänderlich auf zwei Uhr bestimmt war.

Beim Klange der Glocke öffnete sich in den Officen, welche rechts im Hofe lagen, eine Thüre, durch die zwei Haushofmeister, gefolgt von acht Köchen, welche eine Tragbahre beladen mit Schüsseln, worauf silberne Glocken, schleppten, heraustraten.

Einer von diesen Haushofmeistern, der der erste dem Range nach zu sein schien, berührte sachte mit seinem Stäbchen eine von den Wachen, welche auf ihrer Bank schnarchte; er trieb seine Güte sogar so weit, daß er in die Hände dieses schlaftrunkenen Menschen seine Hellebarde steckte, welche neben ihm an der Wand angelehnt war, wonach der Soldat, ohne sich irgendwie zu erkundigen, bis zum Speisezimmer das Fleisch von Monsieur geleitete, dem ein Page voranging.

Wo das Fleisch vorüberkam, schulterten die Soldaten das Gewehr.

Fräulein von Montalais und ihre Gefährtin folgten von ihrem Fenster aus den Einzelheiten dieses Ceremoniels, an das sie übrigens gewöhnt sein mußten. Sie schauten indessen nur mit so großer Neugierde, um sicher zu sein, daß man sie nicht stören würde. Sobald Köche, Wachen, Pagen und Haushofmeister vorbei waren, kehrten sie auch wieder zu ihrem Tisch zurück, und die Sonne, die im Fensterrahmen einen Augenblick diese zwei reizenden Gesichter beleuchtet hatte, beschien nur noch die Nelken, die Primeln und den Rosenstock.

»Bah!« sagte Montalais, während sie ihren Platz wieder einnahm, »Madame wird wohl ohne mich frühstücken.«

»Oh! Montalais, Ihr werdet gestraft werden,« rief das andere Mädchen, indem es sich sachte wieder an den seinigen setzte.

»Gestraft? ah! ja, nämlich der Spazierfahrt beraubt werden; es ist mir ganz lieb, wenn man mich straft, ich will nichts Anderes. In der großen Kutsche, auf einem Schlage hockend, ausfahren, rechts drehen, links steuern, auf Straßen voll von Fahrgeleisen, wo man in zwei Stunden höchstens eine Meile macht; dann gerade gegen den Flügel des Schlosses zurückkehren, wo sich das Fenster von Frau von Medicis findet, so daß Madame unfehlbar jedes Mal also zu mir spricht: »»Sollte man glauben, daß Königin Maria hier herab entflohen ist! sieben und vierzig Fuß hoch! die Mütter von zwei Prinzen und drei Prinzessinnen!«« Ist das ein Vergnügen, Louise, so wünsche ich alle Tage gestraft zu werden, besonders wenn meine Strafe darin besteht, daß ich bei Euch bleibe und so interessante Briefe schreibe, wie wir sie schreiben.«

»Montalais! Montalais! man hat Pflichten zu erfüllen!«

»Ihr sprecht ganz nach Eurem Gefallen, mein Herz, Ihr, die man inmitten dieses Hofes frei läßt. Ihr seid die Einzige, welche die Vortheile davon erntet, ohne die Lasten tragen zu müssen, Ihr, mehr Ehrenfräulein von Madame als ich, weil Madame ihre Zuneigung zu Eurem Stiefvater auf Euch zurückfallen läßt; und so kommt Ihr in dieses traurige Haus, wie die Vögel in den Hof . . . die Luft einschlürfend, die Blumen beschnäbelnd, am Korn pickend . . . ohne daß Ihr den geringsten Dienst zu thun, die mindeste Langweile zu ertragen habt! Ihr sprecht mir von Pflichterfüllung! In der That, meine schöne Müßiggängerin, was sind denn Eure Pflichten, wenn nicht, an den hübschen Raoul zu schreiben? Dabei sehen wir, daß Ihr ihm nicht einmal schreibt, wodurch Ihr, wie mir scheint, auch ein wenig Eure Pflichten vernachlässigt.«

Louise nahm ihre ernste Miene an, stützte ihr Kinn auf ihre Hand und sprach mit einem unschuldsvollen Tone:

»Macht mir doch mein Wohlergehen zum Vorwurf! Werdet Ihr das Herz dazu haben? Ihr habt eine Zukunft; Ihr seid vom Hofe; der König, wenn er sich verheirathet, wird Monsieur zu sich berufen; Ihr werdet glänzende Feste, Ihr werdet den König sehen, der so schön, so reizend sein soll!«

»Mehr noch, ich werde Raoul sehen, der bei dem Herrn Prinzen ist,« fügte Montalais bei.

»Armer Raoul!« seufzte Louise.

»Das ist der Augenblick, um ihm zu schreiben theure Schöne; auf! beginnen wir wieder das ausgezeichnete »»Herr Raoul««, das am Kopfe des zerrissenen Blattes glänzte.«

Sie reichte ihr die Feder und ermuthigte mit einem reizenden Lächeln ihre Hand, welche rasch die bezeichneten Worte schrieb.

»Und nun?» fragte das jüngere von den beiden Mädchen.

»Nun schreibt, was Ihr denkt, Louise,« antwortete Montalais.

»Seid Ihr sicher, daß ich irgend etwas denke?«

»Ihr denkt an irgend Jemand, was am Ende auf dasselbe herauskommt, oder vielmehr sehr schlimm ist.«

»Ihr glaubt, Montalais?«

»Louise! Louise! Eure blauen Augen sind tief wie das Meer, das ich im vorigen Jahr in Boulogne gesehen. Nein, ich täusche mich, das Meer ist treulos, Eure Augen sind tief wie das Azur da oben über unsern Köpfen.«

»Wohl! da Ihr so gut in meinen Augen lest, sagt mir, was ich denke, Montalais.«

»Vor Allem denkt Ihr nicht »»Herr Raoul««; Ihr denkt »»Mein lieber Raoul.««

»Oh!«

»Erröthet nicht über so wenig. »»Mein lieber Raoul,«« sagen wir, »Ihr bittet mich. Euch nach Paris zu schreiben, wo Euch der Dienst des Herrn Prinzen zurückhält. Da Ihr Euch dort langweilen müßt, um Zerstreuung in der Erinnerung an ein Provinzmädchen zu suchen . . . «

Louise stand plötzlich auf.

»Nein, Montalais,« sagte sie lächelnd, »ich denke nicht ein Wort von diesem. Hört, was ich denke.«

Und sie nahm kühn die Feder und schrieb mit fester Hand folgende Worte:

»Ich hätte mich sehr unglücklich gefühlt, wenn Eure Bitten, um von mir ein Andenken zu erhalten, minder lebhaft, minder dringend gewesen wären; Alles spricht mir hier von unseren ersten Jahren, welche so rasch abgelaufen, so sanft entflohen sind, daß nie andere ihren Zauber in meinem Herzen ersetzen werden.«

Montalais, welche zuschaute, wie die Feder lief, und verkehrt las, während ihre Freundin schrieb, unterbrach sie, klatschte in die Hände und rief:

»Das gefällt mir! das ist treuherzig, das ist Gemüth, das ist Styl! Zeigt diesen Parisern, meine Liebe, daß Alois die Stadt der schönen Sprache ist.«

»Er weiß, daß für mich Blois das Paradies gewesen ist.« erwiederte das junge Mädchen.

»Das wollte ich sagen, und Ihr sprecht wie ein Engel.«

»Ich endige, Montalais.«

Und sie fuhr in der That fort:

»Ihr denkt an mich, sagt Ihr, Herr Raoul; ich danke Euch, doch dies kann mich nicht in Erstaunen setzen, da ich weiß, wie oft unsere Herzen bei einander geschlagen haben.«

»Oh! oh!« rief Montalais, »nehmt Euch in Acht, mein Lamm, Ihr streut Eure Wolle aus und es gibt dort Wolfe!«

Louise wollte antworten, als der Galopp eines Pferdes unter der Vorhalle des Schlosses erscholl.

»Was ist das?« sagte Montalais, ans Fenster tretend: »meiner Treue! ein schöner Cavalier.«

»Oh! Raoul!« rief Louise, welche dieselbe Bewegung gemacht hatte, wie ihre Freundin, und zitternd, erbleichend, bei ihrem unvollendeten Brief niedersank.

»Bei meinem Wort, das ist ein geschickter Liebhaber!« rief Montalais, »der kommt zu gelegener Zeit!«

»Zieht Euch zurück, zieht Euch zurück! ich bitte Euch,« flüsterte Louise.

»Bah! er kennt mich nicht; laßt mich sehen, was er hier machen will.«

II.
Der Bote

Fräulein von Montalais hatte Recht, der junge Reiter sah gut aus.

Es war ein junger Mann von vierundzwanzig bis fünfundzwanzig Jahren, groß, schlank gewachsen; er trug anmuthig aus seinen Schultern die reizende militärische Kleidung jener Zeit. Seine trichterförmigen Reiterstiefel enthielten einen Fuß, den Fräulein von Montalais nicht verleugnet hätte, wenn sie in einen Mann verwandelt worden wäre. Mit einer seiner seinen, nervigen Hände hielt er sein Pferd mitten im Hose an und mit der andern lüpfte er seinen Hut mit der langen Feder, welche sein zugleich ernstes und naives Gesicht beschattete.

Bei dem Geräusch seines Pferdes erhoben sich die Wachen und waren rasch auf den Beinen.

Der junge Mann ließ einen von diesen Leuten an seinen Sattel treten, neigte sich zu ihm herab und sprach mit einer klaren Stimme, welche vollkommen an dem Fenster gehört wurde, wo sich die zwei Mädchen verborgen hielten:

»Ein Bote für Seine königliche Hoheit.«

»Ah! ah!« rief der Mann von der Wache; »Officier, ein Bote!«

Doch dieser brave Mann wußte wohl, daß kein Officier erscheinen würde, in Betracht, daß der einzige, welcher hätte erscheinen können, hinten im Schloß in einem kleinen Zimmer wohnte, das die Aussicht nach dem Garten hatte. Er fügte auch eiligst bei:

»Mein Herr, der Officier ist auf der Runde, doch in seiner Abwesenheit wird man Herrn von Saint-Remy, den Oberhofmeister, benachrichtigen.«

»Herr von Saint-Remy,« wiederholte der Cavalier, ein wenig erröthend.

»Ihr kennt ihn?«

»Ja . . . ich bitte, benachrichtigt ihn, damit mein Besuch sobald als möglich Seiner Hoheit gemeldet wird.«

»Es scheint, das hat Eile,« sagte der Soldat, als ob er mit sich selbst spräche, jedoch in der Hoffnung, eine Antwort zu erhalten.

Der Bote machte mit dem Kopf ein bejahendes Zeichen.

»Dann will ich selbst den Oberhofmeister aufsuchen,« sprach der Soldat.

Der junge Mann stieg indessen ab, und während die andern Soldaten neugierig jede Bewegung des schönen Pferdes, das ihn gebracht hatte, betrachteten, kehrte der Soldat wieder um und sagte:

»Verzeiht, mein edler Herr, Euren Namen, wenn’s beliebt?«

»Der Vicomte von Bragelonne, im Auftrage Seiner Hoheit des Prinzen von Condé.«

Der Soldat machte eine tiefe Verbeugung und stieg, als hätte ihm der Name des Siegers von Rocroy und Sens Flügel gegeben, leicht die Freitreppe hinauf, um sich in die Vorzimmer zu begeben.

Herr von Bragelonne hatte nicht Zeit gehabt, sein Pferd an die eisernen Stangen dieser Freitreppe anzubinden, als Herr von Saint-Remy schon athemlos herbeilief, wobei er mit einer Hand seinen dicken Bauch hielt, während er mit der andern die Luft durchschnitt, wie ein Fischer mit einem Ruder die Wellen durchschneidet.

»Ah! Herr Vicomte, Ihr in Blois?« rief er; »das ist ein Wunder! Guten Morgen, Herr Raoul, guten Morgen!«

»Ich begrüße Euch ehrfurchtsvoll, Herr von Saint-Remy.«

»Wie wird Fräulein von Lavall . . . ich will sagen wie wird Frau von Saint-Remy glücklich sein, Euch wiederzusehen! Doch kommt, Seine königliche Hoheit frühstückt; soll ich sie unterbrechen? Ist die Sache wichtig?«

»Ja und nein, Herr von Saint-Remy. Jedenfalls könnte ein Augenblick Verzug Seiner königlichen Hoheit einige Unannehmlichkeiten bereiten.«

 

»Wenn dem so ist, so wollen wir dem Verbot zuwider handeln, Herr Vicomte. Ueberdies ist Monsieur heute von einer reizenden Laune. Und dann bringt Ihr Neuigkeiten, nicht wahr?«

»Große, Herr von Saint-Remy.«

»Und gute, denke ich?«

»Vortreffliche.«

»Dann kommt geschwinde,« rief der gute Mann, der sich, während er ging, wieder zurecht richtete.

Raoul folgte ihm, seinen Hut in der Hand und ein wenig erschrocken über den Lärmen, den seine Sporen auf den Böden dieser ungeheuren Säle machten.

Sobald er im Innern des Palastes verschwunden war, bevölkerte sich das Fenster des Hofes wieder und ein lebhaftes Geflüster verrieth die Gemüthsbewegung der zwei jungen Mädchen; bald hatten sie ohne Zweifel einen Entschluß gefaßt, denn eines von den zwei Gesichtern verschwand vom Fenster: es war der braune Kopf; das andere blieb hinter dem Balcon, unter den Blumen verborgen, und schaute aufmerksam durch die Oeffnungen der Zweige nach der Freitreppe, auf der Herr von Bragelonne in den Palast eingetreten war.

Der Gegenstand so großer Neugierde setzte indessen, den Spuren des Oberhofmeisters folgend, seine Wanderung fort. Das Geräusch von eiligen Tritten, der Geruch und der Dampf von Weinen und Fleischspeisen, das Klirren von Krystallgefäßen und Silbergeschirr belehrten ihn. daß er dem Ziele seines Ganges nahe war.

Die Pagen, die Bedienten und die Officianten, welche in der dem Speisezimmer vorhergehenden Office versammelt waren, empfingen den Ankömmling mit einer für diese Gegend sprichwörtlichen Höflichkeit. Einige kannten Raoul, beinahe Alle wußten, daß er von Paris kam. Man könnte sagen, seine Ankunft habe einen Augenblick den Dienst unterbrochen.

Soviel ist gewiß, daß ein Page, der Seiner Hoheit zu trinken einschenkte, als er die Sporen im anstoßenden Zimmer hörte, sich umwandte wie ein Kind, ohne zu bemerken, daß er fortwährend goß, doch nicht mehr in das Glas des Prinzen, sondern auf das Tischtuch.

Madame, welche nicht so sehr in Anspruch genommen war, wie ihr glorreicher Gemahl, bemerkte die Zerstreuung des Pagen und rief: »Nun! nun!«

»Nun!« wiederholte Monsieur, »was geht denn vor?«

Herr von Saint-Remy, der seinen Kopf durch die Thüre streckte, benutzte diesen Augenblick und sprach:

»Gnädigster Herr, man wagt es, Eure Hoheit zu stören.«

»Warum sollte man mich stören?« erwiederte Gaston, indem er eine dicke Schnitte von einem der größten Salme an sich zog, welcher je die Loire hinaufschwommen war, um sich zwischen Painboeuf und Saint-Nazaire fangen zu lassen.

»Es ist ein Bote von Paris eingetroffen. Oh! doch wir haben nach dem Frühstück von Monseigneur Zeit.«

»Von Paris?« rief der Prinz, während er seine Gabel fallen ließ; »ein Bote von Paris, sagt Ihr? Und in wessen Auftrag kommt dieser Bote?«

»Im Auftrag des Herrn Prinzen,« erwiederte eiligst der Oberhofmeister.

Es ist bekannt, daß man so Herrn von Condé nannte.

»Ein Bote vom Herrn Prinzen?« sprach Gaston mit einer Unruhe, welche keinem der Anwesenden entging und folglich die allgemeine Neugierde, verdoppelte.

Monsieur glaubte sich vielleicht in die Zeit jener herrlichen Verschwörungen zurückversetzt, wo ihn das Geräusch der Thüren erschütterte, wo jeder Brief ein Staatsgeheimniß enthalten konnte, wo jede Botschaft einer finsteren und sehr verwickelten Intrigue diente. Vielleicht entfaltete sich auch der Name des Herrn Prinzen unter den Gewölben von Blois in den Verhältnissen eines Gespenstes.

Monsieur stieß seinen Teller zurück.

»Soll ich den Gesandten warten lassen?« fragte Herr von Saint-Remy.

Ein Blick von Madame ermuthigte Gaston, und er erwiederte:

»Nein, im Gegentheil, laßt ihn auf der Stelle eintreten. Doch sagt, wer ist es?«

»Ein Edelmann aus dieser Gegend, der Herr Vicomte von Bragelonne.«

»Ah! ja, sehr gut! . . . Führt ihn ein, Saint-Remy, führt ihn ein.«

Und als er diese Worte mit seinem gewöhnlichen Ernste hatte fallen lassen, schaute er auf eine gewisse Weise die Leute seines Dienstes an, welche sämmtlich, Pagen, Officianten und Stallmeister, die Serviette, das Messer, den Becher niedersetzten und einen ebenso raschen, als unordentlichen Rückzug nach dem zweiten Zimmer nahmen.

Diese kleine Armee entfernte sich in zwei Reihen, als Raoul von Bragelonne, dem Herr von Saint-Remy voranschritt, in das Speisezimmer eintrat.

Der kurze Augenblick der Einsamkeit, in der ihn dieser Rückzug gelassen hatte, erlaubte Monsieur, ein diplomatisches Gesicht anzunehmen. Er wandte sich nicht um und wartete, bis der Oberhofmeister den Boten ihm vor’s Gesicht geführt hatte.

Raoul blieb am untern Ende der Tafel stehen, so , daß er sich zwischen Monsieur und Madame befand. Er machte von diesem Platze aus eine sehr tiefe Verbeugung vor Monsieur, eine äußerst ehrfurchtsvolle vor Madame, richtete sich dann auf und wartete, bis Monsieur ihn anreden würde.

Der Prinz wartete seinerseits, bis die Thüren hermetisch verschlossen waren; er wollte sich nicht umwenden, um sich hierüber zu versichern, was nicht würdig genug gewesen wäre; doch er horchte mit allen seinen Ohren auf das Geräusch des Schlosses, was ihm wenigstens einen Anschein von Geheimniß gab.

Als die Thüre geschlossen war, schlug Monsieur die Augen zum Vicomte von Bragelonne auf und sagte:

»Es scheint, Ihr kommt von Paris, mein Herr?«

»In diesem Augenblick, Monseigneur.«

»Wie befindet sich der König?«

»Seine Majestät ist vollkommen gesund, Monseigneur.«

»Und meine Schwägerin?«

»Ihre Majestät die Königin Mutter leidet immer noch auf der Brust. Seit einem Monat geht es indessen besser.«

»Sagte man mir nicht, Ihr kämet von Seiten des Herrn Prinzen? Man täuschte sich sicherlich.«

»Nein, Monseigneur, Der Herr Prinz hat mich beauftragt, Eurer königlichen Hoheit diesen Brief zu übergeben, und ich erwarte eine Antwort darauf.«

Raoul war etwas aufgeregt durch diesen kalten, ängstlichen Empfang; seine Stimme sank unmerklich zu dem unruhigen Tone der Stimme des Prinzen herab, so daß Beide beinahe leise sprachen. Der Prinz vergaß, daß er die Ursache dieses Geheimnisses war, und die Furcht erfaßte ihn wieder. Er empfing mit scheuem Auge den Brief des Prinzen von Condé, entsiegelte ihn, als ob er ein verdächtiges Paquet entsiegeln würde, und wandte sich, um ihn zu lesen, um, damit Niemand die Wirkung auf seinem Gesichte bemerken könnte.

Madame beobachtete mit einer Aengstlichkeit, welche beinahe der des Prinzen gleichkam, jedes der Manoeuvres ihres erhabenen Gemahls.

Unempfindlich und durch die Aufmerksamkeit seiner Wirthe etwas vom Zwang befreit, schaute Raoul von seinem Platze aus durch das vor ihm offene Fenster nach den Gärten und den Statuen, welche dieselben bevölkerten.

»Ah!« rief plötzlich Monsieur mit einem strahlenden Lächeln, »das ist eine angenehme Ueberraschung und ein reizender Brief vom Herrn Prinzen! Seht, Madame

Der Tisch war zu breit, als daß der Arm des Prinzen die Hand der Prinzessin erreichen konnte; Raoul beeilte sich, ihr Vermittler zu sein; er that dies mit einer Anmuth, welche die Prinzessin entzückte und dem Vicomte einen schmeichelhaften Dank eintrug.

»Ihr kennt ohne Zweifel den Inhalt dieses Briefes?« sagte Gaston zu Raoul.

»Ja, gnädigster Herr, der Herr Prinz übergab mir Anfangs die Sendung mündlich; doch Seine Hoheit bedachte und nahm die Feder.«

»Es ist eine schöne Handschrift,« sprach Madame, »doch ich kann nicht lesen.«

»Wollt Ihr Madame vorlesen, Herr von Bragelonne?« sagte der Herzog.

»Ja, lest, ich bitte Euch, mein Herr,« fügte Madame bei.

Raoul begann die Lesung, der Monsieur abermals seine volle Aufmerksamkeit schenkte.

Der Brief war in folgenden Worten abgefaßt:

»Monseigneur,

»Der König reist nach der Grenze ab: Ihr werdet erfahren haben, daß die Heirath Seiner Majestät demnächst geschlossen wird; der König hat mir die Ehre erwiesen, mich für diese Reise zu seinem Quartiermeister zu ernennen, und da ich weiß, welche große Freude es Seiner Majestät gewähren würde, einen Tag in Blois zuzubringen, so wage ich es, Eure königliche Hoheit um die Erlaubniß zu bitten, mit meiner Kreide das Schloß, das sie bewohnt, bezeichnen zu dürfen. Sollte jedoch das Unvorhergesehene dieser Bitte Eurer königlichen Hoheit eine Beschwerlichkeit bereiten, so ersuche ich sie, es mir durch den Boten, den ich ihr schicke, einen in meinem Dienste stehenden Edelmann, den Herrn Vicomte von Bragelonne, zu wissen zu thun. Mein Reiseplan hängt von dem Entschluß Eurer königlichen Hoheit ab, und statt Blois zu wählen, werde ich Vendome oder Romorantin bezeichnen. Ich hoffe. Eure königliche Hoheit wird meine Bitte gut aufnehmen, denn es ist der Ausdruck meiner grenzenlosen Ergebenheit und meines Wunsches, ihr angenehm zu sein.«

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