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Der Graf von Moret

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Vierter Teil

I.
Die Lawine

In eben dem Augenblick, als in dem Louvre der Rat gehalten wurde, den diesmal der Kardinal Richelieu berufen hatte, das heißt gegen elf Uhr Morgens, erschien eine kleine Karawane, welche mit Tagesanbruch von Doulx ausgezogen war, am äußersten Ende der kleinen Stadt Exilles, welche an der Grenze Frankreichs liegt und zwischen sich und den piemontesischen Staaten nur noch den Flecken Chaumont hat.

Die Karawane bestand aus vier Personen, welche auf Maultieren ritten.

Es waren zwei Männer und zwei Frauen.

In den zwei Männern, welche mit unverhüllten Gesichtern und in baskischer Tracht reisten, konnte man leicht zwei junge Leute erkennen, von denen der Ältere 23, der Jüngere 18 Jahre zählen mochte.

Das Alter der beiden Frauen war schwerer zu bestimmen, da sie Kleider mit großen Capuzen trugen, welche ihr Gesicht vollkommen verhüllten, eine Vorsichtsmaßregel, die man eben so gut der Kälte zuschreiben konnte, als dem Wunsche, nicht erkannt zu werden.

In jener Zeit waren die Alpen nicht wie heute wegsam gemacht durch die prachtvollen Kunststraßen über den Simplon, den Moni Cenis, den St. Gotthart, und man gelangte nach Italien nur auf schmalen Stegen, auf denen kaum zwei Menschen nebeneinander gehen konnten, und man sich auf den sicheren Tritt der Maultiere verlassen musste.

Für den Augenblick war einer der beiden Reiter abgestiegen, und führte das Maultier der jüngeren Dame am Zügel; da sie Niemand auf der Straße sah, als eine Art Hausierer, welcher der Karawane etwa um 500 Schritte voraus war, und ein mageres, mit Packen beladenes Pferd vor sich hertrieb, hatte sie die Capuze ihres Kleides zurückgeschlagen und zeigte ihr reiches blondes Haar und den herrlichen Teint eines Gesichts, dessen Frische ein Alter von kaum 18 Jahren verriet.

Die andere Frau folgte, das Gesicht vollkommen in ihre Capuze eingehüllt, das Haupt gebeugt unter der Last der Gedanken und der Ermüdung. Sie schien auf ihr Maultier nicht im Mindesten zu achten. Dieses Maultier, welches auf einem schmalen Felsenrande dahinging und zu einer Seite die steil ansteigende, mit ewigem Schnee gekrönte Felsenwand, und zu der andern Seite den gähnenden Abgrund hatte, senkte von Zeit zu Zeit den Kopf und schien, wie es so vorsichtig einen Fuß vor den andern setzte, die Gefahr vollkommen zu begreifen, in die ein Fehltritt es bringen musste.

Diese Gefahr war so drohend, dass der vierte Reisende, um sie nicht zu sehen, und vielleicht um jenem Dämon der Leere nicht zu verfallen, den man den Schwindel nennt und dem es so schwer ist, zu widerstehen, dem Abgrund den Rücken zuwendete. Der vierte Reisende war ein junger Mensch mit blonden Haaren, schlanker Taille, blitzenden Augen und einem von Jugend strahlenden Gesicht, hatte sich nach Weiberart auf sein Maultier gesetzt.

Um sich und die Gesellschaft zu zerstreuen, tat er noch mehr. Er sang ein lustiges Liedchen und begleitete sich dazu auf einer Mandoline, die an einem blauen Bande um seinen Hals hing.

Der Ältere spielte weder die Laute, noch sang er; er war mit anderen Dingen beschäftigt. Alle seine Sorgfalt wandte sich der jungen Dame zu, deren Führer er war, und allen Gefahren, welche ihr und ihrem Reittiere auf dem schmalen und holperigen Wege drohten, während sie ihn mit jenem feuchten, sanften Blicke ansah, mit welchem die Frauen jene Männer betrachten, die sie nicht allein lieben und von denen sie geliebt werden, sondern welche sich auch für ihre Ehre, für ihre Sicherheit oder für eine Laune aufopfern.

An einer Wendung des gefahrvollen Steges machte die Karawane Halt.

Dieses Halt wurde durch eine wichtige, erst noch zu lösende Frage hervorgerufen.

Man näherte sich, wie wir bereite gesagt haben, dem Orte Chaumont, das heißt, dem letzten französischen Flecken; man war also kaum eine halbe Meile von der Grenze entfernt, welche die Dauphins von Piemont schied.

Jenseits dieser Grenze befand man sich schon in Feindesland. Carl Emanuel wusste nicht allein um die großen Kriegsvorbereitungen, welche man in Frankreich traf, er war auch offiziell durch die französische Regierung benachrichtigt, dass, wenn er nicht den Truppen freien Durchzug gewähre, welche zum Entsatz von Casale abgesendet waren, ja wenn er sich nicht denselben anschlösse, ihm der Krieg förmlich erklärt sei.

Die große Frage, um die es sich nun handelte, war die: Sollte man frank und frei durch den Pass von Susa ziehen, auf die Gefahr hin, erkannt und von den Truppen Carl Emanuels angehalten zu werden, oder sollte man einen Führer nehmen und auf Seitenwegen mit Vermeidung des Passes von Susa und der Stadt Turin nach der Lombardei zu kommen suchen?

Das junge Mädchen überließ sich mit dem unbegrenzten Vertrauen, welches das liebende Weib in den geliebten Mann zu setzen pflegt, ganz der Klugheit und dem Mute ihres Führers. Sie begnügte sich, ihn mit ihren großen schwarzen Augen, mit einem Lächeln auf den Lippen anzusehen und sagte:

»Ihr wisst besser als ich, was zu tun ist, tut daher was Ihr wollt.«

Der junge Mann, erschreckt über eine so große Verantwortlichkeit in Bezug auf das Wesen, das er liebte, wandte sich gegen die andere Dame, welche ihr Gesicht noch immer in den Falten ihrer Capuze verborgen hatte; »und Ihr, Madame?« fragte er, »was ist Eure Ansicht?«

Die, an welche das Wort gerichtet war, hob jetzt die Capuze in die Höhe, und man konnte das Gesicht einer Frau von 45 bis 50 Jahren erblicken, ein gealtertes, runzliges und dem Anscheine nach von vielen und großen Leiden durchfurchtes Gesicht; die Augen allein schienen in diesem Gesicht zu leben.

»Was beliebt?« fragte sie.

Sie hatte nichts gehört, nichts gesehen; sie hatte kaum bemerkt, dass angehalten worden war.

Der junge Mann erhob seine Stimme, um sich ihr besser verständlich zu machen, denn das Getöse, welches die in der Tiefe des Abgrundes rollende Dora verursachte, war so gewaltig, dass es die Worte zu hören verhinderte, welche leise oder mit gewöhnlicher Stimme gesprochen wurden. Er setzte ihr auseinander, um was es sich handle.

»Meine Ansicht,« sagte sie, »da Ihr mich um dieselbe fragt, ist, dass wir in der benachbarten Grenzstadt anhalten, und wenn wir einen Führer bewirten, ihn dort nehmen. Einige Stunden mehr oder weniger auf der Reise zugebracht, sind von keinem Belange; wichtig aber ist für uns, dass wir nicht erkannt werden.«

»Teure Gräfin,« erwiderte der junge Mann, »die Weisheit selbst hat aus Eurem Munde gesprochen und wir Werden Euren Rat genau befolgen.«

»Nun?« fragte das junge Mädchen.

»Es ist Alles in Ordnung; aber wohin blickt Ihr so starr?«

»Seht jene Blume,« sagte das Mädchen, »in dieser Jahreszeit ist das doch eine merkwürdige Erscheinung.«

Die Augen des jungen Mannes folgten der bezeichneten Richtung.

In der Tat sah man hart unter der Linie, wo der Schnee aufhörte, einige Büsche roter Blüten.

»Hier, teure Isabella,« sagte der junge Mann, »gibt es keine verschiedenen Jahreszeiten; der Schnee ist fast ewig, nur hin und wieder lässt eine wohltätige Fee eine Handvoll Samen fallen, aus welchem dann jene wunderbaren Blüten entsprießen, die man die Alpenrosen nennt.«

»Ah, welche reizende Blumen!« sagte Isabella.

»Wünscht Ihr einige derselben?« rief rasch der junge Mann.

Und ehe das Mädchen antworten konnte, war er schon davon gesprungen und kletterte die Felsenwand hinan, welche ihn von dem Plateau trennte, auf dem die Alpenrosen wuchsen.

»Graf, Graf,« rief das junge Mädchen, »im Namen des Himmels, versucht doch keine solchen Wagstücke, oder ich werde mich nicht mehr getrauen, irgend einen Gegenstand anzublicken.«

Aber Derjenige, welchem der Titel Graf gegeben worden war und in welchem wir den Grafen von Moret erkennen, war bereits auf dem Plateau angelangt, hatte die Blumen gepflückt und ließ sich jetzt wie ein echter Bergbewohner von der Felswand herabgleiten, obgleich er, wie seine Gefährten, Stricke und Bergstöcke bei sich trugen, die ihnen bei ähnlichen Gelegenheiten als Stützpuncte zu dienen vermochten.

Er überreichte die Alpenrosen dem jungen Mädchen, welches, vor Vergnügen errötend, das Sträußchen an die Lippen drückte und dann das Kleid ein wenig öffnete, um es an ihrem Busen zu bewahren.

In diesem Augenblicke ließ sich von der Spitze des Berges ein donnerähnliches Geräusch vernehmen. Eine Schneewolke verdunkelte die Atmosphäre und man sah an dem Felsenabhange eine weiße Masse mit der Schnelligkeit des Blitzes herabgleiten, welche an Macht und Schnelligkeit zunahm, je weiter sie herankam.

»Hütet Euch vor der Lawine!« schrie der jüngere der beiden Reisenden und sprang von seinem Maultier herab, während sein Gefährte Isabella in seine Arme nahm und mit ihr an der überhängenden Felsenwand Schutz suchte.

Die bleiche Reisende warf ihre Capuze zurück und betrachtete ruhig, was um sie her vorging.

Plötzlich jedoch stieß sie einen Schrei aus.

Die Lawine war bloß eine teilweise; sie umfasste eine Fläche von etwa 500 Fuß und fiel 200 Schritt vor der kleinen Karawane nieder, die den Boden unter den Füßen zittern fühlte, und welcher der Hauch des Todes ins Antlitz wehte.

Aber der Schrei, welchen die bleiche Frau ausgestoßen hatte, war nicht ein Zeichen der persönlichen Furcht.

Sie allein hatte gesehen, was weder der Page Galaor, der mit sich selbst, noch der Graf von Moret, der mit Isabella beschäftigt war, bemerkten; sie hatte gesehen, wie die niederstürzende Lawine den Mann und das Pferd einhüllte, welcher 300 Schritt vor der Karawane einhergezogen war.

Auf diesen Schrei kehrten sich der Graf von Moret und sein Page voll Angst um. Aber sie sahen nichts als die bleiche Frau, welche, den Arm nach einer entfernten Richtung ausgestreckt, rief:

»Dort! Dort! Dort!«

Da wandten sich erst ihre Blicke auf den vor ihnen liegenden Weg.

 

Der Hausirer und sein Pferd, welche sie bis jetzt immer vor sich gesehen hatten, waren verschwunden, der Weg war leer.

Der Graf von Moret begriff sogleich Allee.

»Kommt langsam nach,« sagte er zu Isabella, »indem Ihr Euch stets an den Felsen lehnt; Ihr, meine teure

Frau von Coëtman, folgt dem Fräulein, und wir, Galador, wollen laufen; vielleicht gelingt es uns, diesen Unglücklichen zu retten.«

Und mit der Leichtigkeit eines Gebirgsbewohners vorwärts springend, eilte der Graf von Moret, von seinem Pagen gefolgt, zu der Stelle, welche der ausgestreckte Arm jener Frau bezeichnete, die, wie wir es so eben verraten haben, keine Andere war, als die unglückliche Coëtman, welche der Kardinal, so sehr er auch in die Ehrenhaftigkeit des Grafen von Moret und die Sittenreinheit des Fräuleins Isabella von Loutrec Vertrauen setzte, doch aus Convenienzrücksichten den Reisenden als Begleiterin beigeben zu müssen geglaubt hatte.

II.
Wilhelm Coutet

An der bezeichneten Stelle angekommen, warfen die beiden jungen Leute, sich Einer an den Anderen lehnend, mit Schrecken ihre Blicke in den Abgrund.

Sie sahen zuerst nichts, da ihre Augen in zu weiter Ferne suchten.

Aber sie hörten hart unter sich die ziemlich verständlichen Worte:

»Wenn Ihr Christen seid, so rettet mich um der Liebe Gottes willen!«

Nun suchten sie in der Richtung, aus welcher die Stimme ertönte und sahen etwa zehn Fuß unter ihrem Standpunkt einen Mann, der sich an eine Fichte geklammert hielt, die durch seine Last schon halb entwurzelt war, und der so über dem Abgrund schwebte, welcher etwa tausend Fuß Tiefe hatte.

Die Füße des Mannes stemmten sich gegen eine Unebenheit des Felsens, welche ihm wohl für den Augenblick helfen konnte, sich in seiner gefährlichen Lage zu erhalten, die ihm aber völlig unnütz wurde, wenn die Fichte sich vollends aus ihren Wurzeln löste. In dem Augenblicke, wo dies geschah, und dieser Augenblick konnte nicht lange mehr ausbleiben, musste der Mann unfehlbar in den Abgrund stürzen.

Der Graf von Moret erkannte mit einem raschen Blicke die ganze Größe der Gefahr.

»Schneide einen Stock von ungefähr 18 Zoll Länge ab, Galaor, und trachte, dass er stark genug ist, um daran einen Menschen zu halten.«

Galaor begriff im Augenblicke die Absicht des Grasen von Moret.

Er zog aus seinem Gürtel eine Art Dolch mit breiter scharfer Klinge, lief nach einem vom Sturme gebrochenen Baum und hatte in einigen Augenblicken das herbeigeschafft, was der Graf wünschte, nämlich eine Art starker Leitersprosse.

Während dieser Zeit hatte der Graf den Strick aufgerollt, den er um seine Schultern trug und der die doppelte Länge der Entfernung hatte, die den Unglücklichen, dessen Rettung er unternehmen wollte, von ihm trennte.

In wenigen Sekunden war die Sprosse an dem Ende des Strickes befestigt, und nachdem man dem Unglücklichen, der zwischen Leben und Tod schwebte, einige Worte der Ermutigung zugerufen hatte, warf man ihm das Querholz an dem Strick hinab. Er erfasste es, und hing sich in dem Augenblicke daran, als die entwurzelte Fichte in den Abgrund rollte.

Noch eine Ungewissheit blieb übrig; der Felsen, über den der Strick hinablief, hatte scharfe Kanten, welche den Strick während des Hinaufziehens durchschneiden konnten.

Glücklicherweise kamen in diesem Augenblicke die Frauen mit den Maultieren heran.

Man ließ eines der Maultiere an den Rand des Abgrundes treten, so viel Raum lassend, dass der Hinan zuziehende oben festen Fuß fassen konnte, legte dann den Strick über den Sattel, und während Isabella inbrünstig betete, und Frau von Coëtman mit einer fast männlichen Kraft das Maultier am Zügel hielt, zogen die beiden Männer mit vereinten Kräften an dem Seil. Das Seil lief über den Sattel so leicht wie über eine Rolle, und nach wenigen Augenblicken sah man am Rande des Abgrundes das bleiche Haupt des Unglücklichen erscheinen, der auf so wunderbare Weise dem Tode entronnen war.

An Freudenschrei begrüßte diese Erscheinung und Isabella vereinte ihre Stimme mit dir ihrer Reisegefährten, um dem Manne zuzurufen:

»Mut. Mut! Ihr seid gerettet!«

In der Tat setzte der Mann den Fuß auf den Felsen und den Strick loslassend, klammerte er sich an den Sattel des Maultieres.

Man ließ das Maultier einen Schritt zurücktreten und der Mann, welcher am Ende seiner Kräfte angelangt war, und nun der Stütze entbehrte, fiel ohnmächtig in die Arme des Grafen von Moret.

Der Graf näherte dein Munde des Ohnmächtigen eine Phiole, welche mit einem jener belebenden Säfte gefüllt war, die der Erfindung des Alkohols um hundert Jahre vorausgingen, und noch jetzt in den Alpen bereitet werden; er ließ ihn einige Tropfen davon schlürfen.

Offenbar hatte die Kraft ihn nur so lange aufrecht gehalten, als die Gefahr ihn bedrohte, ihn aber in eben dem Augenblick verlassen, als er erkannte, dass er gerettet sei.

Dann legte er ihn, mit dem Rücken an die Felsenwand gelehnt, nieder, und während Isabella den Ohnmächtigen mit flüchtigen Salzen labte, knüpfte er das Querseil von dem Stricke und hing den letzteren wieder um seine Schulter.

Galaor steckte mit der Sorglosigkeit der Jugend, welche weder an zukünftige noch an bestandene Gefahren besonders viel denkt, sein Jagdmesser wieder in die Scheide.

Nach einiger Zeit machte der Mann krampfhafte Bewegungen und schlug die Augen auf.

Der Ausdruck seines Gesichts zeigte, dass er sich nicht an das erinnere, was ihm zugestoßen war, aber nach und nach kehrte ihm das Gedächtnis zurück, und er begriff, welche Verpflichtungen er gegen Die hatte, die ihn umstanden; die ersten Worte, die er sprach, waren daher Worte des Dankes.

Da erzählte ihm der Graf von Moret, welchen er für einen einfachen Bergbewohner hielt, Alles, was geschehen war.

»Ich heiße Wilhelm Coutet,« erwiderte der Mann; »ich habe eine Frau, welche es Euch verdankt, dass sie nicht Witwe geworden ist, und drei Kinder, welche ohne Euch jetzt bedauernswerte Waisen wären. Bei welcher Gelegenheit es auch sei, könnt Ihr mein Leben fordern, wenn Ihr dessen bedürft.«

Dann näherte er sich, auf den Grafen gestützt, dem Abgrund, betrachtete zitternd die zerbrochene Fichte, warf dann einen Blick auf das schreckliche Chaos von geballtem Schnee, Eisstücken, entwurzelten Bäumen, abgerissenen Felsbrocken, welches unten im Tal lag, und teilweise das Bett der rasch fließenden Dom verlegte, so dass die Wasser vor dem ungewohnten Hindernis hoch aufschäumten, ehe sie darüber hinweg schnellten.

Bei dem Gedanken an sein Pferd und dessen Ladung, aller Wahrscheinlichkeit nach sein einziges Vermögen, welches jetzt unwiederbringlich verloren war, stieß er einen tiefen Seufzer aus.

Aber sich auf die Gefahr besinnend, in der sein Leben geschwebt hatte, sagte er:

»Das Leben ist das höchste Gut des Menschen, und da es mir erhalten ist, danke ich Dir, o Gott, und nächst Dir meinen Rettern!«

Als er sich aber auf den Weg machen wollte, gewahrte er, dass es ihm unmöglich sei, auch nur einen Schritt zu tun.

»Ihr habt schon zu viel für mich getan,« sagte er zu dem Grafen und Isabella, »und ich kann Euch vor der Hand nicht anders danken, als indem ich Euch nicht länger aufhalte. Nur bitte ich Euch, die Güte zu haben, den Wirt »zum goldenen Wachholderbaum« in dem nächsten Städtchen zu benachrichtigen, dass seinem Verwandten, Wilhelm Coutet, ein Unfall zugestoßen sei, der ihn gezwungen habe, auf der Straße zu bleiben, und dass ich ihn bitten lasse, mir so schleunig als möglich Hilfe zu senden.«

Der Graf von Moret wechselte flüsternd einige Worte mit Isabella, die ihm mit einem bejahenden Kopfnicken antwortete.

Dann wandte er sich an den armen Teufel.

»Mein lieber Freund,« sagte er, »wir werden Euch nicht verlassen, da es Gott zugegeben hat, dass wir Eure Retter geworden sind. Wir sind nur noch eine halbe Stunde von der Stadt entfernt; Ihr werdet Euch auf mein Maultier setzen, und ich werde, wie ich es bisher getan habe, das Maultier dieser Dame am Zügel führen.«

Wilhelm Coutet wollte einige Einwendungen machen, aber der Graf von Moret verschloss ihm den Mund, indem er sagte:

»Ich habe Euch nöthig, mein Freund, und möglicherweise könnt Ihr in 24 Stunden mir den Dienst, den ich Euch erwiesen habe, vergelten, indem Ihr mir einen noch größeren leistet.«

»Ist das auch wahr?« fragte Wilhelm Coutet.

»Auf Edelmannswort!« antwortete der Graf von Moret, indem er vergaß, dass er sich durch diese Worte verriet.

»Entschuldigt mich,« sagte der Krämer, sich verbeugend, »aber ich sehe schon, dass ich Euch aus zweifachem Grunde gehorchen muss; erstens weil Ihr mir das Leben gerettet habt; zweitens weil Euch Euer Rang das Recht gibt, einem armen Bauer, wie ich bin, zu befehlen.«

Mit Hilfe des Grafen und Galaors stieg Wilhelm Coutet auf das Tier des Grafen, welcher wieder zu Isabella trat, die glücklich darüber war, dass der Mann, den sie liebte, Gelegenheit gehabt hatte, vor ihren Augen seine Gewandtheit, seinen Mut und seine Menschlichkeit zu entfalten.

Eine Viertelstunde später ritt die kleine Karawane in dem Flecken Chaumont ein und machte vor der Tür des Wirtshauses »zum goldenen Wachholderbaum« Halt.

Bei dem ersten Worte, welches Wilhelm Coutet nicht etwa von dem Range seines Lebensretters, sondern von dem Dienste sagte, den ihm dieser geleistet hatte, stellte Meister Germain das ganze Haus zu dessen Verfügung.

Der Graf von Moret beanspruchte jedoch nur zwei Zimmer; eines für Isabella und Frau von Coëtman, das andere für sich und Galaor. Wilhelm Coutet erhielt das eigene Zimmer und Bett seines Vetters.

Der Arzt, der herbeigeholt worden war, untersuchte ihn vom Kopf bis zu den Füßen und erklärte, dass kein einziger der 282 Knochen, welche die Natur zur Konstitution eines Menschen notwendig hält, gebrochen sei; er verordnete ihm ein Bad von aromatischen Kräutern, in welche eine Hand voll Salz geworfen werden sollte, und ließ ihm dann den ganzen Körper mit Campher einreiben.

Durch diese Cur und einige Gläser warmen reich gewürzten Wein, welchen man ihn trinken ließ, hoffte man, dass der Patient am Tage darauf, längstens aber am zweitfolgenden Tage, so weit hergestellt sein werde, um seinen Weg fortsetzen zu können.

Nachdem der Graf von Moret sich mit Allem beschäftigt hatte, was zur Bequemlichkeit der beiden reisenden Damen beitragen konnte, wachte er in Person darüber, dass die Vorschriften des Arztes genau erfüllt wurden. Als die Einreibungen gemacht worden waren und der Kranke erklärt hatte, dass er sich besser befinde, setzte sich der Graf von Moret an das Kopfende seines Lagers.

Wilhelm Coutet erneuerte ihm seine Ergebenheitsbetheuerungen.

Der Graf von Moret ließ ihn reden; dann sagte er: »Möglicherweise hatte Gott, als er zur rechten Zeit mich aus Euren Weg führte, die doppelte Absicht, Euch zu retten und mir durch Euch zu helfen.«

»Wenn das der Fall wäre, würde ich mich.für den glücklichsten Menschen halten.«

»Ich bin von dem Herrn Kardinal Richelieu beauftragt – Ihr seht, dass ich kein Geheimnis vor Euch haben will, und Eurer Erkenntlichkeit völlig vertraue – ich bin von dem Herrn Kardinal von Richelieu beauftragt, die junge Dame, welche Ihr gesehen habt, und an welcher der Kardinal großes Interesse nimmt, ihrem Vater, der sich in Mantua befindet, zuzuführen.«

»Gott geleite und beschütze Euch auf Eurer Reise.«

»Aber in Exilles erfuhren wir, dass der Pass von Susa streng bewacht und von Festungswerken beherrscht wird; wenn man uns erkennt, möchte man uns verhaften, da der Herzog von Savoyen uns als Geißeln wird zurückbehalten wollen.«

»Man müsste Susa umgehen.«

»Kann man das?«

»Ja, wenn Ihr Euch mir anvertrauen wollt.«

»Seid Ihr aus der Gegend?«

»Ich bin aus Gravière.«

»Kennt Ihr die Wege?«

»Ich bin schon auf allen Bergsteigen umher geklettert.«

»Und Ihr übernehmt es, unser Führer zu sein?«

»Der Weg ist rau.«

»Wir fürchten weder Gefahr noch Anstrengung.«

»Dann ist es gut und ich stehe für Alles.«

Der Gras von Moret nickte mit dem Kopfe, zum Zeichen, dass dies Versprechen ihm genüge.

»Doch.« sagte er, »ist dies nicht Alles.«

»Was wünscht Ihr noch?« fragte Wilhelm Coutet.

»Ich wünschte etwas über die Arbeiten zu erfahren, welche im Passe von Susa gemacht werden.«

»Nichts leichter als das; mein Bruder ist dort als Schanzarbeiter beschäftigt.«

»Und wo wohnt Euer Bruder?«

»In Gravière, so wie ich.«

»Kann ich ihn aufsuchen und eine Empfehlung von Euch ausrichten?«

»Warum sollte im Gegenteil nicht er her kommen. Euch aufzusuchen?«

»Ist das möglich?«

 

»Es ist sogar sehr leicht. Gravière ist kaum eine Stunde von hier entfernt; mein Vetter wird ihn holen und auf seinem Pferde mitbringen.«

»Wie alt ist Euer Bruder?«

»Er mag um zwei oder drei Jahre älter sein, als Eure Exzellenz.«

»Was für eine Gestalt hat er?«

»Genau die Eurer Exzellenz.«

»Sind viele Leute aus Gravière bei den Arbeiten beschäftigt?«

»Er ist der Einzige.«

»Glaubt Ihr, das, Euer Bruder mir einen Dienst wird leisten wollen?«

»Sobald er erfährt, was Ihr für mich getan habt, wird er für Euch durchs Feuer gehen.«

»Es ist gut, lasset ihn holen. Es ist überflüssig, zu sagen, dass ein guter Lohn für ihn abfallen wird.«

»Es ist wirklich überflüssig, wie Euer Exzellenz sagen, da mein Bruder bereits hinreichend belohnt ist.«

»So mag denn unser Wirt ihn holen. Habt die Güte, ihn zu rufen und mit mir allein zu lassen.«

Der Graf von Moret entfernte sich; eine Viertelstunde später spornte Meister Germain sein Pferd auf der Straße, die nach Gravière führte.

Nach einer Stunde kam er in das Wirtshaus »zum goldenen Wachholderbaum« zurück und auf der Croupe seines Pferdes saß Johann Coutet, der Bruder des Krämers Wilhelm Coutet.

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