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1.Mein 1. Umzug April 1946
Es wurde auch eine sehr schöne Zeit für uns beide. Ich hatte jetzt das Gefühl, dass meine Idee Wirklichkeit und Mutti meine Freundin war.
Wir gingen viel spazieren, z. B. auf das Gelände des Eller Schlosses. Durch eine kleine Zufahrt ging man direkt auf das Schloss mit seinem im klassizistischen Stil gehaltenen Haupthauses zu. Über dem mittleren Giebel überragte ein mächtiger Turm mit Krüppelwalmdach das Ganze. Dort gingen wir dann vorbei und an der hintersten Wiese des Schlossgeländes durften wir Spiele machen, nachlaufen und wir träumten von der Zukunft und dass mein Vater bald aus dem Krieg zurückkäme.
Das hatte Mutti mir jedenfalls immer erzählt, obwohl er da schon lange tot war?!
Fast alle großen deutschen Städte waren am Kriegsende ziemlich zerstört. Und die Verwüstungen betrafen nicht nur die äußeren, materiellen Verhältnisse, sondern auch die geistig-seelische Verfassung von uns, den Überlebenden.
Es grenzt an ein Wunder, dass ich mit meiner Mutter und meinen Großeltern in diesen Zeiten der großen Desillusionierungen und Orientierungslosigkeit Schritte in eine friedvollere Zeit machen konnten.
Zunächst nach der Währungsreform, dann mit dem beginnenden sogenannten »Wirtschaftswunder« der frühen 50er Jahre erlebten wir, wie das Leben wieder freundlicher und auch reichhaltiger wurde. Die alltäglichen Sorgen um ausreichendes Essen und vernünftige Kleidung ließen allgemein nach.
2.Mein 2. Umzug September 1946
Die Eigentümer unserer neuen Wohnung waren inzwischen wieder zurück gekommen und Mutti und ich zogen wieder zu meinen Großeltern. Das war auch vorher so vereinbart worden.
Die Wohnverhältnisse bei meinen Großeltern waren ja sowieso gut und Mutti und ich hatten auch wieder unseren eigenen Bereich.
Mutti musste ja auch ihren Beitrag zum Lebensunterhalt leisten. Deshalb hat sie sich bei verschiedenen Bauern als Näherin betätigt und ich fuhr dann immer mit ihr.
Eine Bauernfamilie war »Familie Brux«. Da ist Mutti mit mir öfters gewesen und hat genäht. In der Zeit konnte ich auf dem gesamten Gelände des Bauernhofs alles machen, was mir so einfiel. Deshalb gefiel es mir da immer gut. Manchmal bin ich auch mit dem Traktor mit aufs Feld mitgefahren.
Bei dieser Familie Brux hatten wir unsere Verpflegung gehabt und wenn Mutti ihre Arbeit gemacht hatte, gab es manchmal statt Geld auch Lebensmittel (Kartoffeln, Eier, Speck, Mehl etc.), die wir dann mitnehmen konnten.
Für mich war auf jeden Fall das Leben auf einem Bauernhof immer wieder erlebnisreich und angenehm.
Einmal habe ich neben dem großen Traktor gestanden – einem Lanz Bulldog-, als der angelassen werden sollte. Dazu musste man ja das Lenkrad raus nehmen, es am seitlichen Schwungrad einstecken und ihn dann durch Drehen des Lenkrads anlassen. Doch bei diesem Versuch hatte der Fahrer wohl gerade einen Fehler gemacht: Das Lenkrad flog raus, am Arm des Fahrers schmerzhaft vorbei und es hat ihn so schwer verletzt, dass ein Arzt kommen musste.
Da hatte ich aber auch ganz viel Glück, dass ich nicht in der Flugrichtung des Lenkrads stand!
Im Juli 1947 haben meine Mutter und ich die befreundete Familie Berghof in Frankfurt/Main besucht. Die hatten ein großes Haus und einen entsprechenden Garten. Da gerade eine Schönwetter-Periode war, hatte man mir eine Zinkwanne auf den Rasen gestellt und ich konnte mich da austoben.
Irgendwie bekam ich dort aber eine Allergie und musste vom 11. – 14. Juni 1947 ins Krankenhaus nach Sachsenhausen.
Das war für mich eine schlimme Situation. Ich lag dort in einem Gitterbettchen und mein Mütterlein durfte zunächst auch nicht zu mir kommen; nur von draußen durch ein Fenster reingucken. Als ich dann wieder gesund war und sie mich wieder mitnehmen durfte, war alles gut und wir beide sind zurück nach Düsseldorf gefahren.
Mittlerweile gab es in Düsseldorf-Lierenfeld im Gather Weg, in der Nähe der Wohnung meiner Großeltern, auch wieder einen intakten Katholischen Kindergarten, der aber optisch nicht mehr gut anzusehen war. Mein Großvater hatte zufällig die Leiterin des Kindergartens Schwester Irenia kennengelernt. Ihr und ihrem Kindergarten hatte er die Farbe für eine Überholung des Kindergartens spendiert. Als kleines »Dankeschön« wurde ich dort dann auch aufgenommen. Mein Großvater hatte mit seiner Firma, die auf dem Gelände der Firma »Lackfabrik Wiederhold« in Hilden bei Düsseldorf angesiedelt war, ja die nötigen Beziehungen zu Lacken.
Auf diesem Gelände hatte ihm Herr Wiederhold eine Halle zur Verfügung gestellt, in der mein Großvater seine neue Fassreinigungsmaschine, die er selbst konstruiert hatte, aufbauen konnte. Dafür musste er der Firma Wiederhold alle Fässer reinigen.
Die »Schwester Irenia« aus dem Kindergarten, war immer sehr lieb zu mir. Wenn es draußen einmal stürmte und ich wieder Angst hatte, dann hat sie mich unter ihrem Umhang versteckt und mich wieder in die Zeppelinstraße nach Hause gebracht.
Einer meiner Spielkameraden aus dem Kindergarten war Uwe Leo Pawelowski. Seine Eltern hatten eine Metzgerei. Vom Kindergarten aus ging ich da vorbei nach Hause. Manchmal durfte ich dann auch zu denen in die Metzgerei kommen und bei der Arbeit zusehen oder mit Uwe spielen. Dazu gab es meist auch noch ein Stück Wurst. Toll war das!
Auch lernte ich im Kindergarten ein Mädchen mit Namen Gudrun kennen. Wenn wir uns sahen, war Begeisterung angesagt. Wir haben auch meist zusammen gespielt.
Später, in der Schulzeit, haben wir uns dann erst einmal aus den Augen verloren und seltener gesehen.
1948 im April sind meine Mutter und ich an einem Tag mit der K-Bahn nach Krefeld gefahren. Die K-Bahn sah damals aus wie ein alter Eisenbahnzug mit hohen Einstiegen und der hatte auch einen Speisewagen mit Toilette.
Mutti wollte mit mir in den schönen Stadtwald nach Krefeld fahren. Dort konnten wir ausgiebig spazieren gehen.
In der Nähe des Stadtwald-Hauses war auch ein Kinderspielplatz und eine verzweigte Weiheranlage. Wenn man Glück bzw. Geld hatte, konnte man auch im Stadtwaldhaus Kaffee trinken und leckeren Kuchen essen. Manchmal war das auch angesagt.
Als Mutti und ich mal wieder nach Krefeld fuhren, saß in unserer K-Bahn ein Mann, der wollte zurück von Düsseldorf nach Krefeld fahren. Er bzw. seine Eltern hatten in Krefeld-Oppum ihr Haus. Dieser Mann bot uns dann erst einmal seinen Sitzplatz an. Was Mutti wiederum imponiert hatte. Er stellte sich auch gleich vor. Sein Name war Richard Schmitz. Anschließend unterhielten sich die beiden angeregt und Richard hatte mich gelegentlich gestreichelt und auf den Schoß genommen.
An der Haltestelle Krefeld-Oppum ist er ausgestiegen, nachdem er sich mit Mutti für ein neues Treffen verabredet hatte. Aus diesem Erlebnis wurden mehrere Treffen der beiden und manchmal war ich auch wieder dabei.
Er, der Richard, wurde am 24. 08. 1913 vormittags um 5.00 Uhr in Krefeld, Hülserstr. 5, als Sohn der Eheleute Johann Heinrich Schmitz und Wilhelmine Schmitz, geborene Schmidt geboren.
Er hatte auch noch Geschwister: Schwester Gertrud und zwei Brüder: Bruder Ernst war Schriftsetzer, verheiratet mit Luzi. Und Bruder Willi (geb. 08. 06. 1908, gest. 25. 10. 1977), der war Bäcker, verheiratet und hatte eine eigene Bäckerei in Krefeld.
Richard war der jüngste. Er hat nach der Entlassung aus der Volksschule am 31. 03. 1927 Klempner und Installateur gelernt und am 18. 04. 31 seine Gesellenprüfung gemacht.
Nach seiner Lehrzeit, die Stellen waren ja damals sehr knapp und schlecht bezahlt, hat sich Richard am 01. 01. 1934 freiwillig bei der Kriegs-Marine als Berufssoldat für 12 Jahre verpflichtet.
Diese Ausbildung war nicht einfach. Zunächst der theoretische Teil, dann die praktischen Übungen im Schwimm- und Tauchbecken und so weiter.
Wenn dann der Tag der Übernahme eines neuen Schiffes anstand, war die Aufregung groß. Den Männern, die die neue Besatzung bildeten, wurden Spinde und Schlafsäcke zugeteilt. Anschließend ging es ans Auspacken der Schlafsäcke.
Wer noch nie Planken unter den Füßen hatte, war dann schon schwer nervös. Dann musste auch noch geübt werden, wie man eine Hängematte klar macht und weitere weitreichende Tätigkeiten an Bord erlernen. Außerdem war eine enge Kameradschaft sehr wichtig.
Nach dem Einräumen der persönlichen Ausrüstung, erfolgte dann die »An Bordnahme« all der anderen Gerätschaften, die zum Boot gehörten wie: Tauwerk, Kutter, Riemen, Lebensmittel, Dauerproviant, Verbrauchsstoffe und vieles mehr.
Zum Wochenende schloss sich ein ergiebiges »Reinschiff« an, das ganze Schiff wurde dann geputzt.
Nach der Ausbildung hat Richard auf verschiedenen Schiffstypen Dienst getan: Torpedoboot, Zerstörer, U-Boot und ist letztlich als Stabs-Ober-Maschinist (Offizier bei der Marine) im U-Boot in den Nordmeeren gefahren.
Bei Kriegsende vom 08. 05. 1945 – 15. 12. 1945, musste Richard sein U-Boot »U 299« unter Aufsicht der Engländer nach England bringen und kam dann in Schottland in Kriegsgefangenschaft.
Das Schlimmste am ganzen Krieg war aber für Richard, dass er mit seiner »hoch-dekorierten« Uniform (das waren die Ärmelstreifen, Orden und Ehrenzeichen) bei einem Bauern in Schottland »Dienst in den Rüben« machen musste.
Seine Entlassung von dem Bauern aus Schottland erfolgte 1948 und er kehrte nach Krefeld in sein Elternhaus zurück.
Nachdem sich Hildegard und Richard lieben gelernt hatten, ist er auch bei meinen Großeltern mit eingezogen. Richard und Hilde heirateten am 24. 01. 1950. Dann wurde mein Familienname auf Schmitz umgeschrieben.
Richard hatte natürlich noch keine Arbeit, deshalb konnte er fortan in der Fabrik von meinem Opa arbeiten.
Opa hatte inzwischen einen eigenen, neuen Reinigungsbetrieb gebaut. Nachdem der Inhaber der Firma Wiederhold verstorben war.
Dieser Betrieb war für die Reinigung von Flüssigkeitsbehältern (Kannen, Fässer, Hobbocks etc.) gedacht. Der Betrieb war in Düsseldorf-Reisholz in der Nürnberger Straße angesiedelt. Dort wurden diese Emballagen für zum Beispiel Lackfabriken gereinigt (eine frühe Art des Recycling).
Diese gereinigten Emballagen waren so sauber, dass sie anschließend sogar für Lebensmittel-Bevorratung genutzt werden konnten.
Da Opa zuvor ja Ingenieur bei der Firma »Sommer, Maschinen- und Anlagenbau« war, hatte er die Reinigungsmaschinen selbst entworfen und unter seiner Regie bauen lassen.
Sechs Fässer konnten in einer Maschine gleichzeitig gereinigt werden. Jedes Fass wurde mit einer Laugenfüllung versehen und mit einer dicken Gliederkette bestückt. Elektrisch drehte sich dann jedes Fass um seine eigene Achse und gleichzeitig alle Fässer zusammen auch vertikal. Wenn die Maschine im Einsatz war, konnte man neben dieser Anlage allerdings sein eigenes Wort nicht mehr verstehen.
Aber es war ja insgesamt gut für das Leben unserer Familien, dass mein Opa diese Firma überhaupt hatte und Richard dort auch arbeiten konnte.
Einen positiven Nebeneffekt hatte das Ganze auch noch, es war ein toller Spielplatz für mich. Ich fuhr gerne mit meinem Opa in die Firma. Circa 2.200 Quadratmeter Grundstück hatte das Gelände, eine Halle von 120 Metern Länge stand darauf, auch ein Pförtnerhaus und ein Eisenbahn-Anschluss für den Emballagen-Versand.
Aber was für mich noch wichtiger war: es gab noch viel freie Erde für mich zum Buddeln. Eines Tages war ich mal wieder mit meinem Opa mitgefahren, hatte schön in der Erde gebuddelt und mir allerhand Werkzeug aus der ganzen Firma zusammen geholt, was anschließend in der Firma vermisst wurde. Danach hatte ich den ersten und einzigen Ärger mit meinem Opa. Ich kam dann nichts ahnend an der Halle entlang und hatte meinen Opa gar nicht gesehen. Auf einmal wurde ich »von einem Erdbeben« erschüttert. Da hatte es mindestens einen Satz rote Ohren, oder »zwei Satz« gegeben.
Da war mein Opa aber ganz schön sauer. Später war aber wieder alles gut, dafür hat auch schon mein Ömchen gesorgt.
Im April des Jahres 1950 wurde ich in der »Bernburger Schule« (Volksschule) in Düsseldorf-Eller eingeschult. Die Schule war circa 1.500 Meter von meinen Großeltern entfernt, wo wir ja auch wohnten. Das war von jetzt an meine tägliche Außenwelt. Mutti brachte mich in den ersten Tagen noch selbst dort hin. Danach musste ich alleine laufen.
Zu Beginn des Schuljahres gab es auch eine Schultüte und von Onkel Gerhard und Tante Gerda einen Tornister. Gefüllt wurde der allmählich mit: Tafel, Kreide, Schwämmchen, Stiften etc. und einer Blechtasse, die für Quäkerspeise gedacht war.
Die Quäkerspeise wurde im westlichen Deutschland von Quäkern als Schulspeisung für Kinder spendiert.
Jedes Kind musste eben einen kleinen Topf mit Henkel in die Schule mitbringen, der dann mit einer warmen Mahlzeit gefüllt wurde. Die Mahlzeit gab’s in Form eines Suppeneintopfs, Hafer- oder Grießbrei und bei besonderen Anlässen gab es zusätzlich noch einen Schokoladenriegel. Ich war jetzt erst einmal ganz stolz auf mich, dass für mich das Lernen begann.
Im Laufe der Zeit war aber die Begeisterung nicht mehr so groß. Zum Einen lag das an den Mitschülern. Die hänselten mich immer wegen meines Vornamens »Dolf« und riefen stattdessen »dooof«. Manchmal wurde ich dann nach dem Schulunterricht auch noch verhauen und kam mit Tränen in den Augen nach Hause.
Als das eines Tages wieder so war, drohten mir Opa und Richard zusätzliche Schläge an, wenn ich mir das wieder gefallen ließe. Ich sei doch schon groß und stark genug um mich zu wehren. Ja, da musste ich drüber nachdenken.
Am 07. 08. 1950 kam mein Stiefbruder Reinhard in Düsseldorf auf die Welt.
Als Mutti dann nach der Niederkunft wieder zu meinen Großeltern nach Hause kam, war ich ganz verstört, dass da noch jemand mitkam. »Bleibt der jetzt immer hier?«, soll ich meine Großeltern gefragt haben.
Die Familie hatte mir dann erklärt, dass er mein Bruder sei und ich den lieb haben sollte. Na ja?! Grummel, Grummel!
Am 07. 10. 1950 hatte ich mal wieder Geburtstag. Von all dem, was ich mir gewünscht hatte, war nichts bei den Geschenken dabei. Stattdessen lag da eine alte Geige im Kasten, ein Familien-Erbstück. »Was soll ich denn damit?« habe ich in die Runde gefragt. Meine Oma hat dann gesagt, dass ich jetzt Geigen-Unterricht bekäme und der Lehrer würde sogar zu uns ins Haus kommen. Und das sei doch wohl schön! Oder?
Da mein Ömchen für mich ja mein Schatz war, habe ich auch nicht mehr widersprochen.
Aber, was in den nächsten Jahren da so alles auf mich zu kam, war schon hart. Das kann auch nur einer wirklich nachvollziehen, der selbst Geige spielt.
Auf den meisten Instrumenten sind verschiedene Töne einfach fertig und hören sich gut an. Nicht aber auf einer Geige. Da quietscht’s schon, wenn man eine Saite nur anguckt oder bzw. berührt oder streicht.
Dann kam der Tag, an dem mein Geigenlehrer »Herr Arnold« aufkreuzte. Er war mit seiner »Maschine«, wie er immer sagte, gekommen. Diese Maschine war ein Fahrrad mit Hilfsmotor. Jedes Mal hat er mir dann Geschichten erzählt, die ihm mit dieser Maschine wieder passiert waren. Zum Beispiel, dass er wieder eine »BMW« (Motorrad mit zwei Zylindern) überholt hatte oder dass man ihm seine Maschine klauen wollte, die aber zu schwer gewesen war etc, und so weiter.
Dann begann der Unterricht. Erst wurde die Geige erklärt: Aufbau des Geigenkörpers, der Steg, die vier Saiten, das Stimmen und so weiter.
Dann kam die Praxis: Wie hält man die Geige und wie den Bogen?
Dann musste ich die leeren Saiten streiche(l)n. An der Stelle war meine Lust schon gänzlich vorbei.
Das musste ich jetzt immer üben? Es begann eine schwere Zeit für mich!
Jetzt aber wieder zu unserer Familie.
Das Zusammenleben aller fünf Familienmitglieder im Haus meiner Großeltern wurde immer schwieriger. Deshalb besorgten sich Hilde und Richard eine eigene Wohnung in Düsseldorf-Flingern in der Lindenstraße. Diese Wohnung war ein Altbau mit zwei hohen Zimmern, eine Küche und ein Klo. Sie zogen mit meinem kleinen Bruder Reinhard, zunächst noch ohne mich, aber mit meinen Sachen, dorthin.
3.Mein 3. Umzug 1952 zur Lindenstraße
Am Morgen des Umzugs stand der Möbelwagen schon früh vor der Haustüre.
Wer jetzt denkt, dass der Möbelwagen ein schwerer LKW war, der ist schief gewickelt.
Vor der Türe stand ein Einspänner-Pferdewagen mit einem Kaltblut-Pferd davor. Die Ladefläche hatte ein Plangestell mit Plane. Manchmal lieferte dieses Gespann auch Bier in Düsseldorf aus.
Für unsere Möbelmenge war der Pferdewagen allerdings groß genug; auch meine Sachen waren ja schon dabei, bis auf Kleidung zum Wechseln, die brauchte ich ja noch bei meinen Großeltern. Dort sollte ich ja bis zum Ende des 2. Schuljahres so bleiben.
Die Fahrt mit dem Pferdewagen ging dann von Düsseldorf-Eller über Düsseldorf-Lierenfeld nach Düsseldorf-Flingern und dauerte etwas über ein Stunde.
Wie gesagt, meine Sachen waren schon mit auf dem Möbelwagen, obwohl ich erst noch weiter bei meinen Großeltern wohnte. Morgens fuhr ich mit der Straßenbahn oder dem Fahrrad nach Düsseldorf-Flingern in die Schule.
Mit meinem kleinen Bruder Reinhard gab es ständig Probleme. Er war viel krank: mit Ausschlag, Windpocken, Neurodermitis etc. Einmal musste er sogar einige Monate in einer Klinik bleiben.
Er war aber auch sonst ein Kind, was sich nur schlecht anpassen konnte. Er bemühte sich auch immer, nur das zu tun, was er wollte. Ihm war es auch egal, wenn er von seinem Vater Prügel bekam. Er ließ sich auch die tollsten Besonderheiten einfallen, wie zum Beispiel die folgenden Geschichten:
Als meine Mutter eines Tages wieder zur Abendmesse in der Kirche war und Reinhard eigentlich schon im Bett liegen sollte, sie hatte ihn ja vorher hingelegt, da wurde unsere Mutter plötzlich in der Kirche unruhig.
Deshalb ging sie schon vor Messeschluss wieder nach Hause. Als sie dann in das Schlafzimmer kam, wo mein Bruder sein Bettchen hatte, stand mein Bruder Reinhard auf der Fensterbank. Er hatte sich mit Hilfe der Übergardine irgendwie hochgezogen. Gott sei Dank! hat er das Fenster nicht öffnen können und ist auch nicht nach innen auf den Boden gefallen.
Ein anderes Mal hat er von außen im Klofenster gesessen, weil das immer geöffnet war. Jetzt könnte man sagen, warum hat man darauf nicht geachtet und das Fenster zugemacht?
Aber gelüftet werden musste ja auch und das Fenster öffnen war ja nicht so einfach. Unser Klo bestand aus einem langen Raum wie ein Schlauch. Etwa in der Mitte des Raums stand der Topf und dahinter war ein Podest (gedacht für Koffer etc.), auf das man klettern musste und so kam man an das kleine Klo-Fenster. Für jeden Erwachsenen war es eine Tortur an das Fenster zu kommen, aber für meinen kleinen Bruder nicht. So kam es, dass er auf das Podest geklettert war und von außen im Fenster saß. Von dort hätte er auch zwei Etagen runter fallen können. Davor haben ihn die guten Geister bewahrt und meine Mutter. Sie ist so leise wie sie konnte auf das Podest geklettert und hatte blitzartig meinen Bruder am Pullover gepackt und vom Fenster weggezogen. Danach hat sie sich auf den Boden gesetzt und ganz doll geweint.
4.Mein 4. Umzug 1953 zur Lindenstraße
Ab Ende des 2. Schuljahres zog ich dann also auch in Düsseldorf-Flingern bei meiner Mutter, Richard und Bruder Reinhard, mit in die Wohnung ein. Meine restlichen Sachen hat mein Opa gebracht. Jetzt war unsere Familie mal komplett.
Ich hatte kein eigenes Zimmer. Ich schlief auf einer Bettcouch im Wohnzimmer.
Das Zimmer hatte einen Erker mit einem großen und zwei kleinen Fenstern. Aus den kleinen Fenstern konnte ich ziemlich unbeobachtet raus gucken.
Eines Tages wollte eine Frau am Haus vorbeigehen, während ich gerade schnell einmal spucken üben wollte und sie hatte das Ergebnis auf ihrem Revers.
Die Frau war aber nicht dumm. Sie hat sich dann an die Hauswand gedrückt und gewartet. Ich wollte jetzt aber auch nachsehen, was sie macht und habe vorsichtig raus geguckt. Da hat sie mich gesehen und bei uns geschellt. Meiner Mutter war das dann auch so peinlich, dass sie, meine Mutti, mich anschließend mit einem Holzlöffel bestrafen wollte. Deshalb sind Mutti und ich um den Küchentisch gelaufen, aber ich war schneller. Sie war auch noch ausgerutscht, lag halb unter dem Küchen-Tisch und dann haben wir beide uns weg gelacht.
Dann hat sie mir aber doch noch erklärt, warum man so etwas nicht macht und die Angelegenheit war erledigt. Zur Strafe musste ich allerdings nachmittags auf meinen kleinen Bruder aufpassen, denn der war ja nun mal sieben Jahre jünger als ich. Deshalb konnte ich nicht zu meinen Freunden zum Spielen auf die Straße. Wenn eine solche Aktion anstand, hatte ich immer einen dicken Hals.
Sonntags war das immer Usus. Das wusste ich ja mittlerweile. Nach dem Mittagessen war mein Einsatz. Ich nahm dann den Tretroller, den Bruder Reinhard vorne drauf und dann schoben wir durch Düsseldorf-Flingern.
Einmal schoben wir sonntags auch mal wieder los und waren schon fast zurück vor unserer Haustüre, da kam eine Frau aus der Nachbarhaustüre und schon war es passiert: Die Frau fiel über uns, lag auf dem Bürgersteig und hatte beide Knie verletzt und die guten Nylons waren kaputt. Wieder gab’s Ärger. Ich sagte mir aber, die Frau hat ja auch nicht aufgepasst. Na ja! Meine Mutter musste die dämlichen Nylons ersetzen und gut war’s.
Als ich dann zum Beginn des 3. Schuljahres in die Volksschule am Hermannplatz versetzt wurde, habe ich gedacht: ich kann mir das mit der Prügel nicht länger gefallen lassen, sonst sehe ich alt aus. Da ging es doch schon wieder los mit der nächsten Hänselei (Vorgänger des heutigen Mobbing). Ich schlug diesmal aber zurück und hatte auch Erfolg. Mein Gegenüber lag im Dreck und ich war seitdem der Held in der Schule.
Dann lernte ich meinen Schulfreund »Udo« kennen. Von da an waren wir zwei immer zusammen, bis zum Ende der Schulzeit. Udo hatte meist einen roten Pullover an und war immer in meiner Nähe. Deshalb nannten die Mitschüler den Udo: »meinen Verteidigungsminister in rot«. Wenn es einmal Probleme gab, war er auch immer zur Stelle. Udo war ein kräftiger, durchtrainierter Typ, aber ca. 5 cm kleiner als ich.
In der Mitte des »Hermann-Platzes« (an der Schule) war eine runde Betonwanne verbaut. Die war unser Kampfplatz. Wenn wir etwas zu erledigen hatten, haben wir uns mittags, nach dem Unterricht, dort getroffen. Manchmal zum Fußball spielen, oder zum Rollschuh laufen, oder eben auch zum Kämpfen.
Den sportlichen Teil unseres Lebens haben Udo und ich sowieso auch zusammen gestaltet. Sowohl in Sachen Leichtathletik, Judo wie auch Karate. Deshalb haben wir uns privat auch immer gesehen.
Eines schönen Tages lud mich Udo mal wieder zu sich nach Hause ein. Dabei sollte ich seine Freundin Gudrun kennen lernen. Da war dann die Überraschung groß. Als wir mal von unserer schönen Kindergartenzeit erzählten, stellten wir fest, dass Gudrun meine Kindergarten-Freundin war. Von da an haben wir drei zusammen viele schöne Jahre miteinander verlebt und uns in unserem Leben nie aus den Augen verloren.
Selbst bei unseren jeweiligen Hochzeiten haben wir als Trauzeugen zusammen gestanden.
Leider ist Udo 2016 verstorben.
Zwischen Richard und meinen Großeltern war das Verhältnis nicht immer ganz problemlos. Er, der Richard, musste ja bei jedem Wetter, von Düsseldorf-Flingern über Düsseldorf-Eller bis nach Düsseldorf-Reisholz, wo Opas Fabrik war, in die Nürnberger Straße mit dem Fahrrad fahren. Das waren immerhin ca. 12 km von Flingern aus.
Da das so weit und mühsam mit dem Fahrrad war (es gab ja noch keine E-Bikes), kaufte Opa dem Richard einen Lohmann-Hilfsmotor für sein Fahrrad zum anmontieren. Damit konnte Richard aber überhaupt nicht umgehen. Manchmal strampelte er sich ab, aber das Ding sprang trotzdem nicht an. Dann stieg er ab und ging ein Stück zu Fuß. Manchmal ging’s dann wieder. Eines Tages hatte er die Faxen dick.
Als er in der Firma in Reisholz ankam, montierte er den Hilfs-Motor ab, legte ihn auf den Amboss. Mit dem 10-Pfünder-Hammer hat er dann voller Wut den Motor zerschlagen.
Das gab aber wieder ein kleines Problem mit Opa. Der fand das nämlich nicht witzig.
Inzwischen war ich in die Knaben-Realschule in Düsseldorf-Flingern gewechselt. Das wiederum war insofern kein Problem, weil diese sich im selben Gebäude befand wie vorher die Volksschule. Somit kannte ich in der Schule schon alles und auch alle Mitschüler.
Mittlerweile konnte ich auch schon etwas besser mit meiner Geige umgehen. Ich konnte schon einige Lieder spielen! Oder war das doch mehr krächzen? Na ja, es ist ja auch noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Für mich war die Schulzeit eigentlich eine schöne Zeit. Am Lernen hatte ich zwar nicht in allen Fächern Spaß. Ich hatte meine Lieblingsfächer (Deutsch, Englisch, Mathe, Zeichnen, Sport) und in denen war ich sehr gut und in anderen eben nicht, in Geschichte sogar überhaupt nicht! Kurz vor dem Einjährigen fragte mich unser Geschichtslehrer: »Wenn ich ihm jetzt sagen würde, was wir für den Tag lernen sollten, dann bekäme ich noch ein »mangelhaft«. Den Wunsch konnte ich ihm aber leider nicht erfüllen.
Mein absolutes Lieblingsfach war Mathematik. Den Lehrer hab ich angehimmelt und der hat mich auch meist unterstützt.
Einmal war ich bei unserem Geschichtslehrer wieder aufgefallen, weil ich die Hausaufgaben für Mathe schon im Geschichtsunterricht gemacht hatte und der schrieb dann ins Klassenbuch: Adolf macht Hausaufgaben. Dann hat unser Mathelehrer dahinter geschrieben: soll er auch!
Das hat uns alle in der Klasse begeistert und ich war wieder positiv im Gespräch.
Ein anderes Mal. Es war Winter und als nächstes hatten wir wieder Geschichtsunterricht. Da habe ich in der Pause alle Fenster in der Klasse ausgehängt und als unser Lehrer reinkam, war es eiskalt in der Klasse. Bis ich die Fenster dann wieder eingehängt hatte, war die Stunde rum.
Begeistert waren meine Klassenkameraden auch immer, wenn ich in meiner Spezialkleidung in die Schule kam. Und das war fast immer.
Als Hose hatte ich grundsätzlich getragene Jeans von den Amerikanern an. Die hatte ich gekauft bei der Firma Habernickel, einem Geschäft für getragene US-Kleidung, am Karlsplatz in der Altstadt von Düsseldorf.
Bevor ich die Jeans dann getragen hatte, war ich immer erst mit angezogener Hose in der Badewanne und hab die Hose mit der Wurzelbürste geschrubbt. Die Passgenauigkeit war dann besser und der Blauton war heller.
Als Schuhe hatte ich getragene Stiefeletten (zwei Nummern zu groß) von meinem Onkel Werner an, der ja auch schon gefallen war.
Als Oberbekleidung trug ich die Felljacke vom Vater Richard. Die hatte der im U-Boot bei Fahrten durch das Eismeer getragen.
Für den Biologie-Unterricht hatten wir einen besonderen Raum. In dem waren allerhand Sachen ausgestellt u. a. auch Aquarien, ausgestopfte Tiere etc. In der besagten Stunde saß ich neben einem Aquarium.
Als es mir zu langweilig wurde, habe ich meinen rechten Arm in das Aquarium gehängt und die Pflanzen um dekoriert. Der Lehrer hat allerdings darum keinen Aufstand gemacht und hat nur eine lustige Bemerkung fallen lassen, dass er ja nicht, sondern ich den Arm jetzt nass hätte.
Ein anderes Lieblingsfach von mir war Sport; also nicht Turnen, sondern Leichtathletik.
Dabei habe ich sechs Jahre lang immer erfolgreich an allen Veranstaltungen für unsere Schule teilgenommen.
In der Zeit war ich auch im Sportverein »DSV« in Düsseldorf. Dort hatte ich mir dann durch viel Training die nötigen Fertigkeiten für Weitsprung und Kurzstrecken-Laufen 50 m, 75 m, 100 m und 200 m geholt.
Eines Tages hatte ich mich mal wieder bei einem Sportfest im »Rheinstadion Düsseldorf« über die Vorläufe bis hin zum Endlauf über 100 m hochgearbeitet und dabei den 5. Platz in 10,6 Sekunden erreicht. In diesem Feld hatte Armin Harry mit 10,0 Sekunden das Rennen gewonnen und Manfred Germar wurde Zweiter mit 10,2 Sekunden. Das war mein größter Erfolg, der mir auch Anerkennung sowohl in der Schule als auch in meinem Verein (DSV04) einbrachte.
Die ständigen Meckereien von Richard wegen der weiten Fahrrad-Fahrt ließen die Eltern dann mit uns Kindern nach Düsseldorf-Lierenfeld in die Reisholzer Straße ziehen. Dort hatten wir eine Wohnung gemietet, die neuer, größer und schöner war. Die bestand aus Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Diele, Badezimmer und einem Balkon.
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