Читать книгу: «Im Licht des Mondes», страница 6

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„Ob du mir glaubst oder nicht ist, dein Problem. Doch es werden eh bald alle darüber reden, dann hast du deinen Beweis, wenn es dich glücklich macht! Unseren Gebieter wird es definitiv friedlich stimmen“, meine ich zu ihm gewandt und schließe die mit lateinischen Zeichen übersäte Tür hinter mir, bevor Moritz auch nur die Chance hat zu reagieren.

Ich atme erleichtert aus, froh darüber, ihn endlich los zu sein. Wieso konnten die Anwärter mir nicht einen Gefallen tun und Moritz bei ihrer nächtlichen Jagd erwischen? Dann hätte ich wenigstens meine Ruhe und eine Last weniger zu tragen. Angespannt lege ich den dunkelblau tapezierten Flur mit großen Schritten zurück. Er hasst es zu warten und ich kann mir gut vorstellen, dass er nach Donalds Pleite nicht gerade die beste Laune haben wird. Dennoch, ein reines Leben findet man in der heutigen Zeit einfach nicht mehr so. Ich muss zugeben, dass es ein reiner Glücksfund war, denn törichte Eltern haben das Kinderzimmerfenster ihres schlafenden Säuglings offenstehen lassen. Ein Leckerhappen, den man sich nicht entgehen lassen sollte, denn spätestens in zwei, drei Jahren hätte die Aura eine andere Farbe angenommen, hätte ihre Reinheit verloren und wäre verkommen, so wie bei den übrigen der typisch Heranwachsenden. Vor der gewohnten Tür zur Übergabe bleibe ich stehen und klopfe an. Es dauert keine Sekunde bis die stabile Holztür von allein aufschwingt und den in Eichenholz gekleideten Audienzsaal im spätgotischen Stil freigibt. Mein Herr sitzt auf seinem rotgoldenen, gepolsterten Thron, einen Ellenbogen gelangweilt auf der hölzernen Lehne abgestützt und mit geschlossenen Augen. Sein langes, blondes Haar ist zu einem Zopf zusammengebunden, aus welchem ein paar Strähnen widerspenstig herausfallen und sein hochmütiges Antlitz umschmeicheln. Er trägt eine milchig weiße Rüschenbluse, welche an längst vergangene Jahrhunderte erinnert und zu seiner honigfarbenen Haut einen faszinierenden Kontrast bildet, sodass man gar nicht anders kann, als hinzusehen. Zumindest Sterbliche dürften dies so empfinden. Er ist wie ein harmlos getarntes Raubtier, das seine Opfer durch seine Schönheit anlockt, um sie dann zu verspeisen.

Als ich mich über den mit Nebel bezogenen Boden auf ihn zubewege, schlägt mir seine missmutige Stimmung unsichtbar, aber wuchtvoll entgegen. Es liegt eine drückende Schwere im Raum, die mir droht, die Luft zum Atmen zu rauben. Ich versuche, möglichst unbeirrt meinen Weg zu ihm fortzusetzen und mich nicht umzusehen. Obwohl es nur einige Meter sind, zieht sich der Weg wie Kaugummi und kann doch nicht lang genug für mich sein. Je näher ich ihm komme, desto kälter und schneidender wird die Luft, wie eisige Nadelstiche, die sich durch meine Haut bohren. Ein kurzer Schauer durchläuft meinen Körper und ich kämpfe mit meiner Gesichtsmimik, um bloß nichts über meine Verfassung zu verraten. Was habe ich schon zu verlieren? Nichts – im Gegenteil: Es sollte jetzt gut für mich verlaufen. Jedoch bleibt ein ungutes Gefühl, das sich mahnend in meine Eingeweide einnistet.

Einen Meter vor dem Thron bleibe ich stehen, gehe gewohnheitsmäßig auf die Knie und senke meinen Kopf. Sekunden vergehen, in denen nichts geschieht. In diesen Augenblicken scheint mich der Schleier der Kälte unbarmherzig zu umhüllen, als wolle er damit meine Glieder lähmen und mein Urteil endgültig fällen.

„Skip … steh auf! Ich hoffe, du enttäuschst mich nicht.“

Seine zuckersüße Stimme mit verbittertem Unterton zirkuliert hallend im Raum und jagt mir erneut einen Schauer über den Rücken. Ich verharre in meiner Position und öffne meine Augen, hebe allerdings nicht den Kopf, denn so wurde es mir beigebracht und so verfahre ich seit eh und je.

„Gewiss nicht, Herr. Bitte überzeugt euch selbst.“

Ich höre wie er sich schwungvoll erhebt, Schritte hallen leise im Saal wider, bis seine glänzenden Lackschuhe direkt neben mir halten. Spielerisch fährt er mit seiner Hand durch meine schwarzen Haare, als wäre ich eines seiner Haustiere. Zweifelsohne bin ich tatsächlich nicht mehr als das. Dafür wurde ich geboren. Das ist meine Rolle. So wurde es mir gelehrt.

„Nun gut, erhebe dich!“

Ich befolge stillschweigend seinen Befehl und er dreht sofort mein Gesicht zu seinem, sodass ich ihm direkt in seine goldschimmernden Augen sehe. So faszinierend, so schön, durchdringend und kalt wie pures Eis.

Als seine Lippen sich den meinen nähern, schließe ich meine Augen und öffne leicht meinen Mund. Ich spüre den Druck seiner fordernden Lippen und sofort ein reißendes Ziehen, als er beginnt, die gesammelten Leben aus mir herauszusaugen. Ich versuche, meine Gedanken auf etwas anderes zu lenken, um die Prozedur besser zu überstehen, denn ich hasse es. Ich finde es unerträglich zu spüren, wie die warme Energie aus meinen Körper herausgezogen wird wie ein versehentlich verschluckter Faden bei einer Katze. Ebenso verabscheue ich den Brechreiz, der mit der Übergabe der Lebensenergien einhergeht. Alle Wärme scheint mit den Leben meinem Körper zu entweichen und Frost durchdringt mich schmerzend. Immer gieriger pressen sich seine Lippen hart gegen meine, als er die weiße Lebensaura des Säuglings erfasst. Seine starke Hand presst mich heftig an seinen Körper und seine Klauen graben sich ungestüm in meine Haut und lassen meine Nerven vor Schmerzen aufschreien. Sein Hunger ist unersättlich. Mir wird schwindelig und ich spüre, wie meine Kraft mich völlig verlässt. Als mir fast schwarz vor Augen wird und der letzte Funke Wärme aus mir herausgerissen wird, lässt er endlich von mir ab. Erstaunt und überaus zufrieden starrt er mich an. Seine Augen funkeln wie Diamanten und er leckt sich lüstern über seine Lippen.

„Ein reines Leben … Skip, ich bin begeistert!“

Er hält kurz inne und mustert mich durchdringend, bevor er fortfährt.

„Auf dich kann ich mich verlassen. Du hast mich bis jetzt noch nie enttäuscht. Das wirst du auch weiterhin nicht, habe ich recht?“

Er fährt mir mit seiner Hand über meine rechte Wange und ich spüre, wie er tiefe Kratzer mit seinen scharfen Nägeln hinterlässt. Doch mein Körper ist durch die Kälte so taub, dass ich keinen Schmerz mehr spüre. Ich bemühe mich, mein Gleichgewicht zu halten und antworte ihm tadellos wie immer.

„Natürlich nicht, Herr.“

Ein selbstgefälliges Grinsen breitet sich über sein erhitztes Antlitz aus und seine goldenen Augen funkeln mich belustigt an.

„Das möchte ich hoffen … dann geh jetzt und ruhe dich aus! Die anderen sollen sich ein Beispiel an dir nehmen!“, befiehlt er streng und der warnende Unterton in seiner Stimme ist mir nicht entgangen. Eilig und etwas wankend bahne ich mir meinen Weg zurück zur Tür und verlasse den Saal. Müde und ausgelaugt lehne ich mich kurz gegen die kühle Wand. Der Drang, meine Augen zu schließen, ist fast übermächtig. Ich muss mich beeilen und in mein Zimmer gelangen, bevor ich noch im Flur einschlafe. Mühevoll taste ich mich stützend mit der linken Hand an der tapezierten Wand entlang und während ich das tue, sehne ich mich mehr denn je nach sanften Streicheleinheiten, Milch und seiner beruhigenden Stimme. Ich versuche, die aufkeimenden Gedanken und Erinnerungen abzuschütteln, doch diese setzen sich mit jedem Versuch tiefer in mir fest wie ein Virus. Auch als ich den privaten Bereich unseres Herrn verlasse und durch die große Empfangshalle taumle, hinter mir Moritz mit seinen treuen Anhängseln, die hitzig auf mich einreden, kann ich nur an seine zärtlichen Hände denken und an das warme Gefühl, das sie mir vermittelt haben. Auch als ich endlich mein Zimmer betrete und mich auf mein großes Bett lege, kreisen meine Gedanken nur noch um Mick, Mick und nochmals Mick …

Kapitel 9

Skip:

Mein Atem überschlägt sich, während ich gehetzt zwischen den schmalen Gassen hin und her sprinte. Ich riskiere keinen Blick nach hinten, denn das könnte mich verlangsamen und außerdem ist es ohnehin nicht nötig, nämlich die Schritte dicht hinter mir peitschen durch die Gassen wie Donnerhallen und lassen keinen Zweifel darüber, dass sie mir dicht auf den Fersen sind. Mein Herz schlägt panisch und schmerzend gegen meinen Körper, auf der Suche nach einem Ausweg. Sie sind mir viel zu nah. So kann ich sie unmöglich abschütteln. Diese verdammten Anwärter des Lichts! Doch ich gebe nicht auf! Noch tragen mich meine vier Pfoten.

Im letzten Moment sichte ich das wässrige Schlagloch vor mir und springe flink darüber. Meine Verfolgerinnen scheinen nicht so viel Glück zu haben, wie das dumpfe Aufschlagen ihrer Körper auf dem harten Asphalt verkündet. Ich höre hinter mir lautes Fluchen, jedoch lässt die Zweite sich nicht davon beirren und verfolgt mich weiterhin. Ich spüre, wie sich Schweiß auf meinem Fell bildet und herabrinnt. Schnell biege ich die nächste Kurve ein, doch auch die Frau nimmt dieses Hindernis mit Bravour und bleibt dicht hinter mir. Lange halte ich das nicht mehr durch. Hektisch blicke ich mich um und erspähe die Anlage der Blechbarraken, die sich über die trostlose Landschaft erstreckt wie ein riesiger Abfallberg. Zielstrebig renne ich darauf zu.

Die Hütten sind so durcheinander und unübersichtlich gestreut, dass es mir vielleicht gelingt, sie abzuhängen oder zumindest einen größeren Abstand zu gewinnen. Der schlammige Boden ist durch den Regen aufgeweicht, dass ich fast das Gleichgewicht verliere. Meine Tatzen fühlen sich taub und schwer an, als hätte jemand Gewichte an ihnen befestigt, um mich in die Tiefen der verrotteten Erde zu ziehen.

Ich höre das schwere Schnaufen der Anwärterin, welches mich zusätzlich anspornt, meine letzten Kraftreserven aufzubrauchen. Meine gesamte Konzentration stecke ich in meinen Sprint und schalte meine anderen Sinne aus. Außer mir und dem schlammigen Weg mit den zahlreichen Hindernissen existiert in diesen Moment nichts. Erst als ich das Ende der schäbigen Unterkünfte hinter mir gelassen habe, komme ich zur Ruhe und drehe mich um. Von meiner hartnäckigen Verfolgerin keine Spur. Mein ganzer Körper ist angespannt und wird von der feurigen Hitze, der soeben veranstalteten Hetzjagd, durchflutet. Meine Augen kreisen suchend und lauernd umher, während mein bebender Leib gierig nach Atem ringt. Ich versuche zu lauschen, jedoch scheint mein überlauter Herzschlag alle Geräusche zu übertönen.

Bin ich wirklich in Sicherheit? Habe ich es tatsächlich geschafft? Ich verharre noch einen Augenblick, dann entscheide ich, dass es besser ist, hier nicht länger zu verweilen. So sehr meine Pfoten bei jeder erneuten Berührung des Bodens vor Schmerz pochen, zwinge ich mich dennoch weiter, um von hier schleunigst zu verschwinden. Micks Wohnung ist ganz in der Nähe. Wenn ich diese erreiche, kann ich mich ausruhen, denn sein Fenster wird bestimmt wieder sperrangelweit offenstehen.

Beflügelt von dem aufkeimenden Gedanken und der Verheißung auf etwas zu trinken und Ruhe, schlängle ich mich durch die dunklen Straßen zu der vertrauten Wohnung entlang. Wie ich es mir bereits dachte, ist das Fenster zum Balkon auf. Gekonnt bahne ich mir meinen Weg dorthin hinauf und springe in die Wohnung. Gerade in diesem Augenblick betritt er das Zimmer. Seine hellgrünen Augen weiten sich vor Freude und er schenkt mir wieder das schönste Lächeln, das nur er zustande bringen kann. Meine gesamte Anspannung fällt in diesem Moment von mir ab und ich atme erleichtert aus. Ich bin in Sicherheit.

Als könnte er meine Gedanken lesen, stellt er mir in der Küche Milch zum Trinken hin und wartet geduldig, bis ich die Schale leer habe. Dann verfrachtet er das Gefäß in die Spüle und führt mich zurück in den schlichten Wohnraum, wo wir uns beide auf der Couch niederlassen. Er nimmt mich vorsichtig auf seinen Schoß, und ich habe nichts dagegen, als seine sanften Hände anfangen, mein schwarzes Fell zu streicheln. Genüsslich strecke ich mich seinen zarten Händen entgegen und kann nicht verhindern, dass ich beginne zu schnurren. Ich erschrecke kurz vor meiner ungewollten Reaktion, doch ein sanfter Blick genügt, um meine Zweifel mit einem Wisch zu vertreiben. Solange ich nur in diese herrlich strahlenden Augen blicken kann, darf er alles tun. Von mir aus sogar ein Halsband anlegen. Solange es nur seine samtweichen Hände tun …

„Verdammt!“, wütend schleudere ich mein Kissen gegen die grau plattierte Steinmauer meines Zimmers. Dies war nun schon der dritte Traum von Mick an diesem endlos erscheinenden Tag. Die letzten drei Tage zuvor war es auch nicht besser gewesen. Mein Körper schreit geradezu nach erholsamen Schlaf, wieso mag das einfach nicht gelingen?!

Meine Hände zittern, als ich meinen Kopf in ihnen vergrabe. So wird das nie etwas. Wann hört das endlich auf? Wo kommen auf einmal diese verfluchten und immer wiederkehrenden Träume her? Ich fahre mir durch mein müdes Gesicht und reibe meine brennenden Augen. Wie ein unerbittlicher Fluch, hartnäckig und an den Kräften zerrend.

Genervt stehe ich auf, denn ich habe keine Lust, ein weiteres Mal einzuschlafen und einem solch erniedrigenden Traum zu erliegen. Wie ist so etwas möglich? Was hat er mit mir gemacht? Das ist doch sonst nicht meine Art! So beschissen ging es mir noch nie. Meine Gedanken fahren Achterbahn, ohne dass ich in der Lage bin, die Notbremse zu ziehen! Wie kann mich ein dummer Mensch nur so verwirren? Was bildet sich dieses niedere Wesen nur ein?!

Aufgewühlt laufe ich in meinem kleinen Zimmer auf und ab, fahre mir immer wieder durch meine zerzausten Haare. Ich versuche, mich zu beruhigen, meinen donnernden Puls zu bändigen, doch andauernd taucht sein lächelndes Gesicht vor mir auf, seine strahlend grünen Augen, in denen eine tiefe Traurigkeit versteckt liegt, und ich erinnere mich abermals an die Wärme seiner Haut und seiner sanften Hände.

Verzweifelt schlage ich gegen die kalte Zimmerwand. Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Es kann nicht sein, dass meine Arbeit darunter leidet. Zugegebenermaßen hatte ich die letzten drei Tage Glück und konnte meinen Standard halten, aber wenn der Schlafmangel und die zermürbende Unkonzentriertheit so weitergehen …

Unentschlossen sehe ich mich im Raum um und zum ersten Mal fällt mir auf, wie leer und ungemütlich mein Zimmer ist. Ich drehe mich zu meinem Einzelbett um, die frisch bezogene Decke liegt zerknüllt und lieblos oben drauf und bietet einen trostlosen Anblick meines verlorenen Kampfes. Erneut spüre ich die Wut in mir aufsteigen. Ich hasse Dinge, die ich nicht kontrollieren kann, Situationen, die mir entgleiten. Angewidert von meiner Hilflosigkeit wende ich mich von meinem Bett ab und drehe mich nach rechts, wo mein schmaler Kleiderschrank aus Buche steht. Was soll ich jetzt nur tun? Das Ganze ist so verfahren, so verwirrend, so erschöpfend.

Wieder beginne ich, durch mein kleines Schlafzimmer zu laufen und mein Blick schweift zu meinem kahlen Schreibtisch, den ich noch kein einziges Mal benutzt habe. Wozu auch? Abermals drängen sich Gedanken von Mick in meinen Kopf, wie er bäuchlings auf seinem Balkon liegt, den Blick hingebungsvoll und tief in seinen Blättern vergraben.

Verdammt! Nicht schon wieder! Ist das eine Krankheit? Es fühlt sich zumindest so ähnlich an. Das bin doch nicht mehr ich! Irgendetwas geht hier nicht mit rechten Dingen zu. Es muss sich dabei einfach um eine Art Fluch handeln! Doch egal, was es ist, es kommt nicht infrage, dass ich mich dermaßen erniedrigen lasse! Ich bin ein Dämon und kein abhängiges, kleines Tier. Zwar gehöre ich der niederen Kaste an, aber immerhin tausendmal besser als ein sterblicher Mensch! Ich bin kein niedlicher Mäusejäger, der sich streicheln und füttern lässt, weil ein dreckiger Sterblicher es möchte! Und schon gar nicht lasse ich mir ein Halsband wie ein höriges Haustier umlegen! Ich weiß, dass es nur Träume sind, allerdings lassen sie mich nicht mehr los. Das darf ich mir nicht gefallen lassen! Niemand hat mich fertig zu machen, so zu demütigen! Ich kann das nicht mehr länger hinnehmen! Ich möchte mein altes, gleichgültiges Leben zurück. Genauso wie es vorher war, bevor ich ihn kennengelernt habe! Ich möchte meine Arbeit nachts verrichten, meinen Herrn zufriedenstellen und tagsüber schlafen! Strukturiert, einfach und gut.

Ich atme tief durch und als ein Gedanke durch meinen Kopf schießt wie ein krachender Blitz, gelingt es mir tatsächlich, mich wieder zu beruhigen. Natürlich, das ist die Lösung. Gar kein Problem! Es gibt einen Weg, es zu bewerkstelligen, und ich bin wild entschlossen, ihn zu gehen: Ich werde heute Nacht Micks Leben aushauchen, dann ist ein für alle Mal Schluss mit diesem Chaos!

***

Mit klopfendem Herzen springe ich den Pfad der kaputten Hausmauer hinauf zu Micks Balkon. Wie nicht anders zu erwarten, steht das Fenster wieder einladend offen. Nun gut, bringen wir es hinter uns! Behände hüpfe ich in die Wohnung und warte. Stille. Mein Blick schweift suchend durch den Raum, aber ich kann nichts Außergewöhnliches entdecken. Alles ist aufgeräumt wie immer. Ungeduldig tapse ich in den Flur und bemühe mich, äußerst laut dabei vorzugehen. Allerdings kommt er mir nicht wie erwartet freudig entgegen. Wütend schaue ich in die Küche. Auch hier kein Lebenszeichen von Mick. Wo steckt er nur? Warum ist er noch nicht daheim? Was fällt ihm ein, mich auch noch warten zu lassen, wo er doch der Grund für meinen schlechten Gemütszustand ist?!

Ich spüre eine brodelnde Hitzewelle in mir aufsteigen, unaufhaltsam wie eine rollende Lawine. Meine Krallen fahren in den vergilbten PVC-Boden und unruhig flitzen meine Blicke umher. Immer mehr wird mir bewusst, dass er der Grund allen Übels ist, und dass er mich jetzt auch noch warten lässt. Er wird schon sehen, was er davon hat!

Wie von einer Tarantel gestochen flitze ich ins Wohnzimmer und springe auf die Holzkiste, die als Tisch dient. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so enttäuscht und verbittert gefühlt. Erbost schlage ich das Bild und eine Kerze herunter. Etwas lacht innerlich in mir auf und ich gebe nun vollends nach und lasse mich von den schlagenden Wellen des gnadenlosen Zorns treiben. Eilig wetze ich zur Anrichte und schmeiße alles herunter, was nicht niet- und nagelfest ist. Mein Atem rast mit meinem Puls um die Wette, als ich mich nach neuen Gegenständen zum Zerstören umsehe, doch im Wohnzimmer werde ich nicht mehr fündig. Hektisch sause ich in die Küche und setze meinen Weg der Vernichtung fort. Mal sehen, was du dazu sagst, du mickriges Ungeziefer!

***

Müde von meiner Raserei liege ich auf der Couch und warte, bis er heimkommt. Ich möchte sein Gesicht sehen, wenn er das Chaos in seiner Wohnung sieht. Als ich das Klacken des Türschlosses vernehme, öffne ich meine Augen, bewege mich allerdings keinen Millimeter. Er wird schon von allein herkommen. Ein gehässiges Grinsen durchzieht mein Gesicht bei der Vorfreude über seine erboste Reaktion, die wohl gleich erfolgen wird. Ich höre, wie sich die Tür langsam unter Knarren öffnet und schließt. Er läuft in die Küche und plötzlich bleiben die Schritte abrupt stehen. Irgendetwas fällt schallend zu Boden. Ich vermute, dass er seine Umhängetasche hat fallen gelassen. Dann vernehme ich seine schnellen Schritte, wie sie erst in das Schlafzimmer rennen, um den Schaden zu mustern und schließlich in das Wohnzimmer. Ich hebe leicht meinen Kopf und sehe, wie er sich mit weit aufgerissenen Augen panisch umsieht. Zuerst zur Anrichte, dann auf den Boden, schließlich zum Tisch und dann auf mich. Fassungslos verharrt er in seiner Bewegung und mir fällt auf, wie blass er geworden ist. Ich zucke unweigerlich zusammen und weiß nicht einmal warum.

„Du … du warst das?“, höre ich seine leise gehauchten Worte, die voller Verwunderung sind, jedoch gänzlich ohne Zorn. Im Gegenteil: Seine gesamte Anspannung scheint sich mit einem Mal zu lösen und ein erleichtertes Lächeln gleitet über sein porzellanweißes Gesicht. Er atmet tief aus und streicht sich durch seine ölverschmierten Haare.

„Mann, hast du mich erschreckt! Gott sei Dank! Und ich dachte schon, jemand wäre hier eingestiegen!“

Ich starre ihn unverändert an. Natürlich ist hier jemand eingestiegen und zwar ich! Wo bleibt seine Wut über die Verwüstung, die ich angerichtet habe? Wo bleibt der erwartete Gefühlsausbruch? Irritiert sehe ich ihm zu, wie er anfängt, die umgeschmissenen Gegenstände wieder aufzuheben und an ihren ursprünglichen Platz zu stellen. Wie kann er nur so ruhig dabei bleiben? Was stimmt mit diesem Kerl nicht? Das ist doch nicht normal! Der bringt mich total aus der Fassung!

„Du hattest bestimmt Hunger und warst enttäuscht, dass niemand da war, um dich zu füttern.“

Mick blickt mich mitfühlend an und elektrisierende Stromstöße durchschießen meinen Körper. Ich bin gelähmt, als seine warme Hand mich sanft beginnt am Nacken zu kraulen.

„Es tut mir leid, ich musste wieder Überstunden machen. Ich hole dir gleich was. Komm!“

Er gibt mir einen leichten Schubs, sodass ich von der Couch springen muss. Alles in mir sträubt sich, doch meine Pfoten setzen sich wie von allein in Bewegung und folgen ihm. Am liebsten würde ich mir selbst quer durch das Gesicht kratzen!

Wie gewohnt richtet er mir in der Küche eine Schale mit Milch und stellt diese vor mich auf den Boden. Na gut. Tun wir ihm halt den Gefallen, denn immerhin ist heute der letzte Tag seines Lebens. Artig trinke ich die dickflüssige Brühe aus, während er umhergeht und seine verwüstete Wohnung mit einer Engelsgeduld in Ordnung bringt. Gelangweilt bleibe ich im Flur sitzen und beobachte ihn dabei. Als er schließlich ins Badezimmer geht, werde ich schlagartig wach und tappe ihm vorsichtig hinterher. Ich setze mich zwischen den Türrahmen und sehe ihm gespannt zu, wie er gedankenversunken sein weites T-Shirt über seinen Kopf streift und seinen wohlgeformten Oberkörper freigibt. Leichte Bauchmuskeln zeichnen sich auf der blütenweißen Haut ab, noch schöner, als ich es mir vorgestellt habe. Achtlos lässt er sein T-Shirt auf den Boden gleiten. Er scheint mich gar nicht zu bemerken und ich habe auch nichts dagegen. Ich kann den Blick nicht von ihm abwenden, auch nicht als seine Hände verheißungsvoll zu seinem Hosenbund gleiten. Ungeduldig warte ich, bis seine schlanken Finger den Knopf und den Reißverschluss seiner Jeans öffnen und er seine Jeans fast anmutig hinunterfahren lässt. Schwarze, enganliegende Boxershorts lächeln mir verlockend entgegen und machen mir Appetit auf mehr. Ich lecke mir hungrig über meine Lippen und spüre, wie mein Herz immer lauter zu schlagen beginnt wie ein Buschfeuer im tiefsten Dschungel. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, obwohl es sich nur um wenige Sekunden handeln kann, bis seine Hände die letzte Hülle entfernen und er völlig nackt vor mir steht. Ich muss schlucken, als ich seinen knackigen Hintern sehe. Sein Körper scheint einfach perfekt. Noch nie zuvor habe ich so ein harmonisches Zusammenspiel von Muskeln und Zerbrechlichkeit gesehen. Wenngleich ich auch merke, dass mir die Entwicklung der Situation nicht gefällt, ich kann einfach nicht wegsehen und starre ihn unverblümt an. Vorsichtig steigt er in seine kleine Duschkabine. Als das Wasser auf seine Haut prasselt wie ein kleiner Regenschauer, schließt er genießend seine Augen und lässt seinen Kopf in den Nacken fallen. Durchsichtig glänzende Tropfen perlen seidig an seiner Haut nieder und vertreiben das schwarze Motorenöl auf seinem Körper, während er fast sinnlich mit dem Wasser zu spielen scheint. Sein Anblick irritiert mich und noch mehr als das: die Reaktion meines eigenen Körpers. Mein Herz rast wie wild, als wolle es aus meiner Kehle springen, und schmerzt. Mir ist unglaublich heiß, dabei hat er keine Heizung an.

Mein Blick wandert immer wieder über seine nackte Haut und ich frage mich, wie er dabei so unverschämt unschuldig aussehen kann. Ich schließe kurz meine Augen. Irgendwie muss ich mich doch seinem Bann entziehen können und wieder Herr meiner Sinne werden.

„Hey, was suchst du denn hier drin? Ich dachte, Katzen mögen kein Wasser?“

Ich zucke kurz zusammen, als ich seine fragende Stimme höre. Er ist mit der Dusche fertig und wickelt sich ein Handtuch um die Lenden. Ich seufze leicht auf, als mir der Blick auf die verführerischen Rundungen seines Hinterns wieder verwehrt wird, und starre ihn so gleichgültig wie nur möglich an, in der Hoffnung, dass er mein überlaut pochendes Herz nicht hört. Mein Atem scheint zu stocken, als er sich plötzlich ganz nah zu mir runter beugt und mich mit zusammengekniffenen Augen und ernstem Gesichtsausdruck mustert. Für einen Augenblick steht die Welt still.

„Wie ungewöhnlich … du hast ja blaue Augen!“

Er streicht mir zärtlich über den Kopf, bevor er mich hochhebt und ins Schlafzimmer trägt. Mir entfährt ein wohliges Schnurren, als ich feststelle, dass seine Haut sich genauso weich und warm anfühlt wie sie aussieht. Ein letztes Mal will ich seine Zärtlichkeit genießen, dann ist endlich Schluss mit dem Spielchen und sein Leben gehört mir.

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