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La San Felice

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Drittes Capitel.
Vater und Tochter

Fünf Minuten später stand der Chevalier San Felice und Luisa an der Thür des alten Palastes, welcher am äußerten dem Hafen entgegengesetzten Ende der Stadt sich befindet.

Der Fürst empfing Niemanden mehr. Bei den ersten Anwandlungen des Uebels hatte er, unter dem Vorwand, daß es Geschäfte zu regulieren gäbe, seine Gemahlin und seine Kinder nach Neapel geschickt.

Wollte er ihnen das Schauspiel seines Todes ersparen? Wollte er in den Armen der Person sterben, von welcher er sein ganzes Leben hindurch getrennt gewesen? Wenn wir über diesen Punkt noch Zweifel hegen könnten, so würde der von dem Fürsten Caramanico an den Chevalier San Felice gerichtete Brief hinreichen, dieselben zu zerstreuen.

Der ertheilten Instruction gemäß weigerte man sich, die Ankommenden eintreten zu lassen; kaum aber hatte San Felice sich, kaum hatte er Luisa genannt, so stieß der Kammerdiener einen Freudenruf aus und eilte nach dem Zimmer des Fürsten, indem er rief:

»Mein Fürst, er ist es! Mein Fürst, sie ist es!«

Der Fürst, welcher seit drei Tagen sein Sopha nicht verlassen und dem man den Kopf emporrichten mußte, um ihm den beruhigenden Trank einzuflößen, womit man seine Schmerzen zu stillen suchte, richtete sich mit einem Male auf seine Füße empor und sagte:

»Ha, ich wußte wohl, daß Gott, der mich so schwer geprüft, mir diesen Lohn gewähren und mich die beide noch einmal sehen lassen würde, ehe ich sterbe.«

Der Fürst öffnete die Arme.

Der Chevalier und Luisa erschienen an der Thür seines Zimmers.

An dem Herzen des Sterbenden war nur für Eins von ihnen Platz.

San Felice drückte Luisa in die Arme ihres Vaters, indem er zu ihr sagte:

»Geh, mein Kind. Es ist dein Recht.«

»Mein Vater! mein Vater!« rief Luisa.

»Ha, wie schön sie ist! • murmelte der Sterbende, »und wie treulich hast Du das Versprechen gehalten, welches Du mir gegeben, Freund meines Herzens!«

Und während er mit der einen Hand Luisa an seine Brust drückte, reichte er die andere dem Chevalier.

Luisa und San Felice brachen in Schluchzen aus.

»O weinet nicht, weinet nicht!«, sagte der Fürst mit unbeschreiblichem Lächeln. »Dieser Tag ist für mich ein Festtag. Bedurfte es nicht eines großen Ereignisses wie das, welches sich erfüllen wird, damit wir uns in dieser Welt noch einmal wiedersähen? Und wer weiß, vielleicht trennt der Tod weniger als die Abwesenheit. Die Abwesenheit ist eine bekannte, erprobte Thatsache, der Tod ist ein Geheimniß. Umarme mich, theures Kind, ja umarme mich zwanzigmal, hundertmal, tausendmal. Umarme mich für jedes der Jahre, für jeden der Tage, für jede der Stunden, welche seit vierzehn Jahren verflossen sind. Wie schön. Du bist! Und wie danke ich Gott, daß er mir erlaubt hat, dein Bild noch in mein Herz zu schließen und es mit mir ins Grab zu nehmen.«

Und mit einer Energie, deren er sich selbst nicht fähig geglaubt hätte, presste er seine Tochter an seine Brust, als ob er sie wirklich materiell seinem Herzen einverleiben wollte.

Dann wendete er sich zu dem Kammerdiener, welcher auf die Seite getreten war, um San Felice und Luisa vorbeizulassen, und sagte:

»Jetzt darf Niemand zu mir, hörst Du, Giovanni? Nicht einmal der Arzt, nicht einmal der Priester. Nur der Tod hat jetzt das Recht einzutreten.«

Der Fürst sank entkräftet von der Anstrengung in ein Sopha zurück. Seine Tochter kniete vor ihm nieder, so daß er mit seinen Lippen ihre Stirn berühren konnte. Sein Freund blieb neben ihm stehen.

Er hob langsam das Gesicht zu San Felice empor und sagte, während seine Tochter in Schluchzen ausbrach, mit matter Stimme: »

Man hat mich vergiftet. Ich wundere mich blos, daß man so lange damit gewartet hat. Man hat mir drei Jahre Zeit gelassen. Ich habe dieselben benutzt, um diesem unglücklichen Lande einiges Gute zu erzeigen. Ich muß dies meinen Feinden Dank wissen. Zwei Millionen Herzen werden mich beweinen und für mich beten.«

Dann als er bemerkte, daß seine Tochter, indem sie ihn ansah, in ihrer Erinnerung zu suchen schien, setzte er hinzu:

»Ach, Du wirst Dich meiner nicht erinnern; aber wenn Du Dich auch meiner erinnertet, so würdest Du mich doch nicht wieder erkennen. Vor vierzehn Tagen noch, San Felice, war ich trotz meiner achtundvierzig Jahre beinahe noch ein junger Mann. In diesen vierzehn Tagen bin ich um ein halbes Jahrhundert gealtert. Hundertjähriger Greis, es ist Zeit, daß Du stirbst!«

Dann sah er wieder Luisa an, legte seine Hand auf ihr Haupt und sagte:

»Ich aber, ich erkenne Dich. Du hast noch immer das schöne, blonde Haar und die großen schwarzen Augen. Du bist jetzt eine anbetungswürdige Jungfrau, aber Du warst auch schon ein höchst liebenswürdiges Kind. – Als ich sie das letzte Mal sah, San Felice, sagte ich ihr, daß ich sie auf lange Zeit, vielleicht auf immer verließe. Sie brach in Schluchzen aus, wie sie soeben wieder that, aber da es damals noch eine Hoffnung gab, so faßte ich sie in meine Arme und sagte zu ihr: »Weine nicht, mein Kind; Du macht mir Schmerz.« Und sie unterdrückte ihre Seufzer und sagte: »Schweig, Kummer, Papa will es!« Und sie lächelte mich durch ihre Thränen hindurch an. Nein, ein Engel am Thore des Himmels könnte nicht sanfter und lieblicher sein!«

Der Sterbende drückte seine Lippen auf das Haupt der Jungfrau und man sah große, stille Thränen auf das Haar herabrollen, welches er küßte.

»Ach, heute werde ich dies nicht sagen,« murmelte Luisa, »denn heute ist mein Schmerz groß. O mein Vater, mein Vater, ist denn keine Rettung möglich?

»Acton ist der Sohn eines geschickten Chemikers,« sagte Caramanico, »und er hat unter seinem Vater studiert.«

Dann wendete er sich wieder zu San Felice und sagte:

»Verzeihe mir, Luciano, aber ich fühle den Tod immer näher kommen. Ich möchte gern einen Augenblick mit meiner Tochter allein bleiben. Sei nicht eifersüchtig. Ich verlange blos einige Minuten mit ihr, und habe sie Dir vierzehn Jahre gelassen. Vierzehn Jahre! Wie glücklich hätte ich diese vierzehn Jahre sein können! O, der Mensch ist sehr thöricht!«

Der Chevalier, der tief gerührt war, sich von dem Fürsten bei dem Namen nennen zu hören, bei welchem er ihn auf dem Collegium zu nennen gepflegt, drückte die Hand, welche sein Freund ihm bot, und entfernte sich leise.

Der Fürst folgte ihm mit den Augen, und als er verschwunden war, sagte er:

»Nun sind wir allein, meine Luisa. In Bezug auf deine materielle Zukunft bin ich außer Sorgen, denn in dieser Beziehung habe ich die erforderlichen Schritte gethan; wohl aber bin ich in Sorgen in Bezug auf dein inneres Glück. Vergiß, daß ich beinahe ein Fremdling für Dich bin; vergiß, daß wir seit vierzehn Jahren getrennt gewesen. Bilde Dir ein, daß Du stets in der süßen Gewohnheit gelebt hättest, mir alle deine Gedanken anzuvertrauen. Wohlan, wenn dem so wäre und wir jetzt bei der verhängnißvollen Stunde angelangt wären, wo wir angelangt sind, was würdest Du mir zu sagen haben?«

»Weiter nichts, als dies mein Vater: Als wir hierher gingen, begegneten wir einem Manne aus dem Volke, welcher an der Thür einer Kirche kniete, in der man für Dich betete, und der sich dem allgemeinen Gebete mit dem besonderen anschloß: »Heilige Mutter Gottes, biete mein Leben deinem göttlichen Sohne, wenn das Leben eines armen Fischers wie ich das Leben unseres geliebten Vicekönigs erkaufen kann.« Dir, mein Vater, und Gott würde ich nichts Anderes zu sagen haben, als was dieser Mann zu der Madonna sagte.«

»Dieses Opfer wäre zu groß,« antwortete der Fürst mit sanftem Kopfschütteln. »Ich habe mein Leben gelebt, mag es nun gut oder schlecht gewesen sein. An Dir, mein Kind, ist es, das deinige zu leben und damit wir es so glücklich als möglich machen können, so theile mir alle deine Geheimnisse mit.«

»Ich habe keine Geheimnisse mitzutheilen,« sagte Luisa, indem sie ihren Vater mit ihren großen feuchten Augen ansah, in welchen sich ein gewisser Ausdruck von Erstaunen malte.

»Bist Du nicht neunzehn Jahre alt, Luisa?«

»Ja, mein Vater.«

»Aber Du hast doch wahrscheinlich nicht dieses Alter erreicht, ohne Jemanden zu lieben.«

»Ich liebe Dich, mein Vater, ich liebe den Chevalier, der deine Stelle an mir vertreten, damit ist der Kreis meiner Neigungen geschlossen.«

»Du verstehst mich nicht, oder thut blos, als ob Du mich nicht verstündet, Luisa. Ich frage Dich, ob Du keinen der jungen Männer ausgezeichnet hat, welche Du bei San Felice gesehen oder anderwärts getroffen hast.«

»Wir gingen niemals aus, mein Vater, und ich habe bei meinem Vormund nie einen anderen jungen Mann gesehen, als meinen Milchbruder Michele, welcher alle vierzehn Tage erschien, um die kleine Unterstützung zu holen, die ich seiner Mutter gewährte.«

»Dann bist Du also Niemanden mit wirklicher Liebe zugethan?«

»Nein, mein Vater.«

»Und Du hast bis jetzt glücklich gelebt?«

»Ja, sehr glücklich.«

»Und Du wünschtest nichts?«

»Dich wiederzusehen, weiter nichts.«

»Würde eine Reihenfolge von Tagen gleich denen, welche Du bis jetzt verlebst, Dir als ein genügendes Glück erscheinen?«

»Ich würde von Gott nichts Anderes erbitten, als einen solchen Weg, um mich zum Himmel zu führen. Der Chevalier ist so gut!«

»Höre mich an, Luisa: Du wirst den Werth dieses Mannes niemals in seinem vollen Umfange erkennen.«

»Wenn Du nicht da wärest, mein Vater, so würde ich sagen, ich kenne kein besseres, kein zärtlicheres, kein hingebenderes Wesen als ihn. O, alle Welt kennt seinen Werth, mein Vater, nur er selbst nicht, und diese Unkenntniß ist wiederum eine seiner Tugenden.«

»Luisa, ich habe seit einigen Tagen, das heißt seitdem ich nur noch an Zweierlei, an den Tod und an Dich, denke, einen Traum geträumt. Dieser Traum besteht darin, daß Du vielleicht mitten durch diese lasterhafte und verderbte Welt wandeln könntest, ohne Dich mit derselben zu vermengen. Höre, wir haben keine Zeit mit eitlen Vorbereitungen zu verlieren. Sag, die Hand aufs Herz, würdest Du Widerstreben empfinden, die Gattin des Chevalier zu werden?«

 

Luisa zuckte zusammen und sah den Fürsten an.

»Hast Du mich nicht gehört?« fragte dieser.

»O ja, mein Vater; die Frage aber, welche Du soeben an mich stelltest, war von meinen Gedanken so weit.«

»Gut, meine Luisa, sprechen wir denn nicht weiter davon,« sagte der Fürst, welcher hinter dieser Antwort einen verkappten Widerstand zu sehen glaubte. »Ich that in meinem Egoismus diese Frage mehr um meinet- als um deinetwillen. Wenn man stirbt, siehst Du, ist man voll Unruhe und Ungewißheit, besonders wenn man an das Leben zurückdenkt. Ich wäre ruhig und deines Glückes sicher gestorben, wenn ich Dich einem so großen Geiste, einem so edlen Herzen hätte anvertrauen können. Sprechen wir jedoch nicht weiter davon, sondern rufen wir ihn wieder herein. – Luciano!«

Luisa, drückte ihrem Vater die Hand, wie um ihn zu hindern, den Namen des Chevalier zum zweiten Male auszusprechen.

Der Fürst sah sie an.

»Ich habe Dir noch nicht geantwortet, mein Vater,« sagte sie.

»Nun, so antworte doch! Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

»Mein Vater, sagte Luisa, »ich liebe Niemanden, wenn ich aber auch Jemanden liebte, so würde ich doch einen von Dir in einem solchen Augenblick ausgesprochenen Wunsch als einen Befehl betrachten.«

»Ueberlege Dir es wohl,« hob der Fürst wieder an und ein Ausdruck von Freude verklärte sein Gesicht.

»Ich habe gesprochen, mein Vater!« sagte Luisa, deren Antwort die erhabene Situation Festigkeit zu leihen schien.

»Luciano!« rief der Fürst.

San Felice trat wieder ein.

Komm, komm, schnell, mein Freund, sie willigt ein sie ist es zufrieden.«

Luisa reichte dem Chevalier ihre Hand.

»Worein willigt Du, Luisa?« fragte der Chevalier in sanftem, liebkosendem Ton.

»Mein Vater sagt, er würde glücklich sterben, wenn wir ihm versprächen, ich dein Weib und Du mein Gatte zu werden. Ich meinerseits habe das Versprechen gegeben.«

Wenn Luisa auf eine solche Eröffnung wenig vorbereitet gewesen war, so war der Chevalier es noch weniger. Er sah erst den Fürsten und dann Luisa an und rief:

»Aber das ist ja nicht möglich!«

Der Blick, mit welchem er aber Luisa betrachtete, gab deutlich zu verstehen, daß von seiner Seite die Unmöglichkeit nicht kommen würde.

»Nicht möglich? Warum nicht möglich?« fragte der Fürst.

»Sieh uns doch beide an! Sie steht in der ganzen Blüthe der Jugend, an der Schwelle des Lebens. Sie kennt die Liebe nicht, aber sie sehnt sich, sie kennen zu lernen. Und dagegen ich – ich mit meinen achtundvierzig Jahren, mit meinem grauen Haar, meinem durch anhaltende Studien gekrümmten Nacken! Du siehst wohl, daß es nicht möglich ist, Giuseppe.«

»Sie hat mir aber so eben gesagt, daß sie auf der ganzen Welt Niemanden liebe als uns zwei.«

»Das ist es eben! Sie liebt uns beide mit einer und derselben Liebe. Wir beide sind, einer den andern ergänzend, ihr Vater gewesen, Du durch das Blut, ich durch die Erziehung. Bald aber wird diese Liebe ihr nicht mehr genügen. Die Jugend bedarf des Frühlings, die Knospen treiben im März, die Blumen öffnen sich im April, die Hochzeiten der Natur werden im Mai gefeiert. Der Gärtner, welcher die Ordnung der Jahreszeiten verändern wollte, wäre nicht blos ein Unsinniger, sondern auch ein Gottloser.«

»O, dann ist also meine letzte Hoffnung entschwunden,« sagte der Fürst.

»Du sieht es wohl, mein Vater,« rief Luisa, »nicht ich bin es, die sich weigert, sondern er ist es.«

»Ja, ich bin es, der sich weigert; aber ich weigere mich mit meinem Verstand und nicht mit meinem Herzen. Weist der Winter wohl jemals einen Sonnenstrahl zurück? Wenn ich Egoist wäre, so würde ich sagen: Ich nehme das Anerbieten an! Ich würde Dich in meinen Armen davontragen, wie jene räuberischen Götter des Alterthums die Nymphen davontrugen. Du weißt aber, daß Pluto, obschon er ein Gott war, als er sich mit der Tochter der Ceres vermählte, ihr nichts zur Aussteuer geben konnte als eine ewige Nacht, in welcher sie vor Trauer und Langweile gestorben wäre, wenn ihre Mutter ihr nicht sechs Monate Tag zurückgegeben hätte. Denke daher weiter nicht daran, Caramanico.

Indem Du dein Kind und deinen Freund glücklich zu machen glaubtest, würdest Du zwei Herzen mit Trauer erfüllen.«

»Er liebte mich wie seine Tochter, aber zur Gattin will er mich nicht,« sagte Luisa. »Ich liebte ihn wie meinen Vater und dennoch würde ich ihn gern als meinen Gatten sehen.«

»Sei gesegnet, meine Tochter,« sagte der Fürst.

»Und ich, Giuseppe, hob der Chevalier wieder an, »ich bin von dem väterlichen Segen ausgeschlossen. Wie,« fuhr er die Achseln zuckend fort, »wie kommt es, daß Du, der Du alle Leidenschaften erschöpft hast, Dich so über jenes große Geheimniß täuschet, welches man das Leben nennt?«

»Ha,« rief der Fürst, »eben weil ich alle Leidenschaften erschöpft, eben weil ich jene Früchte des Asphaltsees gekostet und voll Asche gefunden, eben deshalb wünschte ich Luisa ein sanftes, ruhiges, leidenschaftsloses Leben, ein Leben, so wie sie es bis jetzt geführt und in welchem sie sich, wie sie selbst versichert, so glücklich gefühlt hat. Nicht wahr, Du sagtest, Du seist bis auf den heutigen Tag stets glücklich gewesen?«

»Ja, mein Vater, sehr glücklich!«

»Hörst Du wohl, Luciano?«

»Gott ist mein Zeuge,« sagte der Chevalier, indem er Luisa beim Kopfe faßte, feine Lippen ihrer Stirn näherte und denselben Kuß darauf drückte, den er ihr alle Morgen gab, »Gott ist mein Zeuge, daß auch ich glücklich gewesen bin. Eben so ist auch Gott mein Zeuge, daß an dem Tage, wo Luisa mich verläßt, um einem Gatten zu folgen, für mich Alles dahin sein wird, was ich auf der Welt liebe, was mich ans Leben fesselt. An diesem Tage, mein Freund, werde ich mein Sterbegewand anlegen und nur noch den Tod erwarten.«

»Nun und dann?« rief der Fürst.

»Hab' ich also nicht Recht?«

»Sie wird aber lieben, sage ich Dir!« rief San Felice in einem so schmerzlichen Tone, wie seine Stimme bis jetzt noch nicht angenommen. »Sie wird lieben, und der Mann, welchen sie lieben wird, werde nicht ich sein. Sag' selbst, ist es nicht besser, daß sie als junges und freies Mädchen liebe, denn als Frau und gebunden? Ist sie frei, so wird sie davonfliegen wie der Vogel, den der Gesang eines andern lockt. Und was fragt der Vogel, welcher davonflattert, darnach, ob der Zweig, auf dem er gesessen, dann zittert, verwelkt und abstirbt?«

Mit einem Ausdruck von Melancholie, der nur dieser poetischen Natur angehörte, setzte er dann hinzu:

»Wenn der Vogel wenigstens zurückkäme, um auf dem verlassenen Zweige sein Nest zu bauen, dann würde vielleicht auch dieser sich wieder erholen.«

»Da ich Dir nicht ungehorsam sein will, mein Vater, sagte Luisa, »so werde ich mich niemals vermählen.«

»Unfruchtbares Reis des von dem Sturme niedergeworfenen Baumes, murmelte der Fürst, »verwelke denn mit ihm.«

Und er ließ den Kopf auf die Brust herabsinken. Eine Thräne fiel aus seinen Augen auf die Hand Luisas, welche diese Hand emporhob und die Thräne schweigend dem Chevalier zeigte.

»Wohlan, da Ihr es beide wollt,« sagte der Chevalier, »so willige ich darein, das heißt, ich willige in das, was ich auf der Welt am meisten gleichzeitig fürchte und wünsche, aber ich stelle eine Bedingung.«

»Welche?« fragte der Fürst.

»Die Vermählung darf nicht eher stattfinden als in einem Jahre. Während dieses Jahres wird Luisa die Welt sehen, die sie bis jetzt noch nicht gesehen. Sie wird viele junge Männer kennen lernen, welche sie noch nicht kennt. Wenn in einem Jahre keiner der Männer, die ihr begegnet sein werden, ihr gefällt, wenn sie in einem Jahre noch immer so bereit ist, auf diese Welt zu verzichten, wie sie es heute ist, wenn sie mit einem Worte in einem Jahre zu mir sagt: »Im Namen meines Vaters, mein Freund, sei mein Gatte!« dann werde ich keinen Einwand weiter erheben und, wenn auch nicht überzeugt, doch wenigstens durch die von ihr bestandene Probe besiegt sein.«

»Ach, mein Freund!« rief der Fürst, indem er die beiden Hände des Chevaliers ergriff.

»Höre an, was ich noch zu sagen habe, Giuseppe,« fuhr dieser fort, »und sei Zeuge des feierlichen Gelübdes, welches ich thue, und der unversöhnliche Rächer desselben, wenn ich ihm untreu werde. Ja, ich glaube an die Reinheit, an die Keuschheit, an die Tugend dieses Kindes, wie ich an die der Engel glaube; aber dennoch ist sie Weib, sie kann straucheln.«

»O!«, murmelte Luisa, indem sie sich mit beiden Händen das Gesicht verhüllte.

»Sie kann straucheln, wiederholte San Felice. »In diesem Falle verspreche ich Dir, Freund, ich schwöre Dir, Bruder, auf dieses Crucifix, vor welchem unsere Hände sich ineinander schließen, wenn ein solches Unglück geschähe, so schwöre ich Dir, diesem Fehltritt gegenüber nur Erbarmung und Verzeihung zu üben und über die arme Sünderin nur die Worte zu sprechen, welche unser göttlicher Erlöser über die Ehebrecherin sprach: »Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.« Deine Hand, Luisa!«

Das junge Mädchen gehorchte, Caramanico nahm das Crucifix und hielt es ihnen vor.

»Caramanico,« sagte San Felice, indem er seine Hand mit der Luisas über das Crucifix ausstreckte, »ich schwöre Dir, daß, wenn Luisa in einem Jahre noch ihre heutige Gesinnung bewahrt, sie dann an demselben Tage, in derselben Stunde mein Weib werden wird. Und nun, mein Freund, stirb ruhig. Ich habe geschworen.«

Und in der That, in der folgenden Nacht, das heißt in der Nacht vom 14. zum 15. December 1795, starb der Fürst Caramanico mit lächelndem Munde und die vereinigten Hände des Chevaliers und Luisas in der einigen haltend.

Viertes Capitel.
Ein Probejahr

Die Trauer war groß in Palermo. Das Leichenbegängniß, welches, wie gewöhnlich, während der Nacht stattfand, war prachtvoll. Die ganze Stadt folgte dem Zuge. Die ihrem ganzen Umfange nach in eine brennende Capelle verwandelte Kathedrale konnte die Menge nicht fassen. Diese Menge füllte noch den Platz vor der Kirche und, so groß derselbe auch war, bis in die Toledostraße hinein.

Hinter dem mit einem großen mit silbernen Thränen besäeten und mit den ersten Orden Europas geschmückten Tuche von schwarzem Sammet bedeckten Sarg kam, von zwei Pagen geführt, das Reitpferd des Fürsten.

Das arme Thier keuchte stolz unter seinem goldenen Geschirr, denn es kannte ebensowenig den Verlust, den es erlitten, als das Schicksal, welches seiner harrte.

Als man die Kirche verließ, nahm es wieder seinen Platz hinter dem Leichenwagen ein. In demselben Augenblick aber näherte sich der erste Stallmeister des Fürsten mit einer Lanzette in der Hand, und während das edle Roß ihn erkannte und freudig wieherte, öffnete er ihm die Drosselader.

Das Thier stieß einen schwachen Klageton aus, denn obschon der Schmerz nicht groß war, so mußte die Wunde doch tödtlich sein. Es schüttelte seinen mit Federbüschen von den Farben des Fürsten – das heißt weiß und grün – geschmückten Kopf und setzte seinen Weg weiter fort.

Ein dünner, aber ununterbrochener Blutfaden rann ihm vom Halse über die Brust herab und ließ seine Spur auf dem Pflaster zurück.

Nach Verlauf einer Viertelstunde taumelte es zum ersten Male und richtete sich wiehernd, aber nicht mehr vor Freude, sondern vor Schmerz, wieder auf.

Der Zug bewegte sich unter dem Gesange der Priester, dem Scheine der Kerzen und dem Dampf des Weihrauches durch die schwarz ausgeschlagenen Straßen, unter den Trauerbogen von Cypressen hindurch.

Auf dem Campo santo oder Begräbnißplatz der Capuziner hatte man eine einstweilige Gruft für den Fürsten bereitet, denn seine Leiche sollte später in die Capelle seiner Familie nach Neapel gebracht werden.

Am Thore der Stadt taumelte das Pferd, von dem Blutverlust immer schwächer werdend, zum zweiten Mal. Es wieherte vor Angst und sein Auge ward starr.

Zwei Fremde, zwei Unbekannte, ein Mann und eine junge Dame, führten diesen beinahe königlichen Leichenzug, welchem sich die höchsten Classen der Gesellschaft ebenso angeschlossen hatten wie die tiefsten.

Es war der Chevalier und Luisa, welche ihre Thränen mischten, und das Eine murmelte: »Mein Vater!« das Andere: »Mein Freund!«

an langte bei der Gruft an, die blos durch eine große Steinplatte bezeichnet ward, auf welcher das Wappen und der Name des Fürsten eingegraben war.

Diese Steinplatte ward aufgehoben, um den Sarg einsenken zu lassen und ein unermeßliches, von hunderttausend Stimmen gesungenes De profundis stieg zum Himmel empor.

 

Das mit dem Tode ringende Pferd, welches bis hierher die Hälfte seines Blutes verloren, war auf die beiden Knie niedergesunken. Es war, als ob das arme Thier ebenfalls für seinen Herrn betete. Als aber der letzte Ton des Gesanges der Priester verhallte, sank es auf der wieder geschlossenen Steinplatte völlig zusammen, streckte sich darauf aus, wie um den Zugang zu bewachen und hauchte den letzten Seufzer aus.

Es war dies ein Ueberbleibsel der kriegerischen und poetischen Gebräuche des Mittelalters. Das Roß durfte den Reiter nicht überleben.

Noch zweiundvierzig andere Pferde, welche die Ställe des Fürsten ausmachten, wurden auf der Leiche des ersten geopfert.

Man löschte die Wachskerzen aus und der ganze unendliche Zug kehrte schweigend wie eine Prozession von Gespenstern in die düstere Stadt zurück, wo kein Licht weder in den Straßen noch an den Fenstern zu sehen war.

Es war, als beleuchtete eine einzige Fackel die ungeheure Todtenstadt und als wäre, nachdem der Tod die Fackel ausgeblasen, Alles wieder in Nacht versunken.

Am nächstfolgenden Tage beim ersten Morgengrauen schifften San Felice und Luisa sich wieder ein und reisten nach Neapel zurück. Drei Monate wurden diesem aufrichtigen Schmerz gewidmet, drei Monate, während welcher man dasselbe Leben führte, wie in der Vergangenheit, nur trauriger.

Als diese drei Monate um waren, verlangte San Felice, daß das Probejahr begönne, das heißt daß Luisa die Welt sähe.

Er kaufte einen Wagen und Pferde, den elegantesten Wagen, die besten Pferde, die er finden konnte. Er vermehrte seinen Haushalt um einen Kutscher, einen Kammerdiener und eine Zofe, und begann sich mit Luisa unter die täglichen Spazierfahrer in Toledo und Chiaja zu mischen.

Die Herzogin von Fusco, ihre Nachbarin, eine dreißigjährige Witwe und Besitzerin eines großen Vermögens, empfing viel Besuch aus der besten Gesellschaft von Neapel. Sie hatte, durch jene in den Italienerinnen so mächtige Sympathie bewogen, ihre junge Freundin oft eingeladen, ihren Abendgesellschaften beizuwohnen, aber Luisa hatte sich stets geweigert, denselben zu folgen und sich dabei auf das zurückgezogene Leben berufen, welches ihr Vormund führte.

Jetzt war es der Chevalier selbst, welcher zu der Herzogin Fusco ging und sie bat, ihre Einladungen an seine Mündel zu wiederholen, was die Herzogin auch mit großem Vergnügen that.

Der Winter von 1796 war daher für die arme Waise gleichzeitig eine Zeit der Feste und der Trauer. Bei jeder neuen Gelegenheit, welche ihr Vormund ihr verschaffte, damit sie sich zeigen und folglich glänzen könne, setzte sie lebhaften Widerstand und aufrichtigen Schmerz entgegen, aber San Felice antwortete mit dem allerliebsten Wahlspruch ihren Kindheit:

»Geh' fort, Kummer! Papa will es.«

Der Kummer ging aber nicht fort, sondern verschwand blos von der Oberfläche. Luisa verschloß ihn in die Tiefe ihres Herzens, aber er leuchtete aus ihrem Auge und malte sich auf ihrem Gesicht, und diese sanfte Melancholie, welche sie einhüllte wie eine Wolke, machte sie nur um so schöner.

Uebrigens wußte man, daß sie, wenn auch nicht eine reiche Erbin, doch wenigstens das war, was man, wenn vom Heiraten die Rede ist, eine gute Partie nennt.

Sie besaß in Folge der von ihrem Vater gebrauchten Vorsicht und der ihrem kleinen Vermögen von dem Chevalier gewidmeten Fürsorge einhundertundzwanzigtausend Ducaten Aussteuer, das heißt eine halbe Million Francs, welche bei dem besten Hause in Neapel, nämlich bei Simon André, Backer und Comp., den königlichen Bankiers, angelegt war.

Uebrigens wußte man nicht, daß San Felice, für dessen natürliche Tochter man sie hielt, irgend eine andere Erbin hätte, und der Chevalier mußte, wenn er auch gerade kein großer Capitalist war, doch ebenfalls ein ganz anständiges Vermögen besitzen.

Wer in dergleichen Angelegenheiten einmal berechnet, der berechnet Alles.

Luisa hatte bei der Herzogin Fusco einen Mann von dreißig bis fünfunddreißig Jahren kennen gelernt, welcher einen der schönsten Namen von Neapel trug und sich in dem Kriege von 1793 bei Toulon rühmlicht hervorgethan hatte. Er hatte eben mit dem Titel eines Brigadiers das Commando eines Cavalleriecorps erhalten, welches bestimmt war, als Hilfstruppen in der österreichischen Armee während des Feldzugs zu dienen, welcher im Jahre 1796 in Italien eröffnet werden sollte. Dieser Mann hieß der Fürst von Moliterno.

Er hatte damals noch nicht jenen Säbelhieb über das Gesicht bekommen, welcher, indem er ihn eines Auges beraubte, ihm den Stempel eines Muthes aufdrückte, welchen übrigens es Niemanden eingefallen wäre, ihm streitig zu machen.

Er besaß einen großen Namen, ein ziemliches Vermögen und einen Palast in Chiaja. Er sah Luisa, verliebte sich in sie, bat die Herzogin Fusco, seine Vermittlerin bei ihrer jungen Freundin zu sein und – trug einen Korb davon.

Luisa war ferner oft in Toledo und in Chiaja, wenn sie mit ihrer schönen Equipage, welche ihr Vormund ihr gekauft, spazieren fuhr, einem liebenswürdigen Cavalier von kaum fünf- bis sechsundzwanzig Jahren begegnet, welcher gleichzeitig der Richelieu und der Saint-Georges von Neapel war.

Es war dies der älteste Bruder von Nicolino Caracciolo, mit welchem wir in dem Palast der Königin Johanna Bekanntschaft gemacht, der Herzog von Rocca Romana.

Viele Gerüchte, welche vielleicht in unsern Hauptstädten des Nordens für einen Edelmann eben nicht sehr ehrenhaft sein würden, die aber in Neapel, dem Lande der lockeren Sitten und der schmiegsamen Moral, nur dazu dienten, sein Ansehen zu erhöhen, waren in Bezug auf ihn in Umlauf und machten ihn für die goldene Jugend von Neapel zu einem Gegenstand des Neides.

Man sagte nämlich, er sei einer der ephemeren Liebhaber, welche der Favoritminister Acton der Königin gestattete, wie Potemkin der Kaiserin Katharina, nämlich unter der Bedingung, daß er selbst der unabsetzbare Liebhaber bliebe.

Eben so behauptete man auch, daß die Königin den Aufwand für die schönen Pferde und die zahlreiche Dienerschaft des Herzogs bestritte, dessen Vermögen nicht bedeutend genug war, um ihm solche Ausgaben möglich zu machen, und daß der Herzog sich einer Gunst erfreue, welche ihm den Weg überallhin bahne.

Eines Tages erschien der Herzog von Rocca Romana, welcher nicht wußte, wie er sich bei San Felice einführen sollte, im Namen des Erbprinzen Francesco, dessen Ober-Stallmeister er war. Er überbrachte dem Chevalier die Ernennung zum Bibliothekar Seiner königlichen Hoheit, einer Art Sinecure, welche der Prinz dem anerkannten Verdienste des Chevaliers anbot.

San Felice lehnte das Anerbieten ab und erklärte sich unfähig, nicht, Bibliothekar zu sein, sondern sich in die tausend kleinen Pflichten zu fügen, welche die Etikette jedem auferlegt, der ein Amt bei Hofe bekleidet.

Am nächstfolgenden Tage fuhr der Wagen des Prinzen an dem Thore des Palmbaumhauses vor und der Prinz erschien selbst, um bei dem Chevalier das Anerbieten seines Oberstallmeisters zu erneuern.

Von der Ablehnung einer solchen Ehre, die von dem künftigen Erben eines Königreiches angeboten ward, konnte natürlich keine Rede sein. San Felice schützte blos eine momentane Schwierigkeit vor und verlangte, daß Seine königliche Hoheit die Aeußerung ihres Wohlwollens noch um sechs Monate vertagen möge.

Nach Ablauf dieser sechs Monate war Luisa entweder die Gattin eines Andern oder die seinige. War sie die Gattin eines Andern, so bedurfte er der Zerstreuung, um sich zu trösten, war sie die einige, so war seine Ernennung ein Mittel, welches ihm die Pforte des Hofes öffnete und für Luisa selbst Zerstreuung gewähren mußte.

Der Prinz Francesco, ein sehr intelligenter Mann, welcher die Wissenschaft aufrichtig liebte, ging auf dieses Verlangen ein, sagte San Felice einige Schmeicheleien in Bezug auf die Schönheit seiner Mündel und entfernte sich.

Rocca Romana hatte aber nun freien Zutritt in dem Hause des Chevaliers und verschwendete an Luisa die Schätze seiner Beredsamkeit und die Wunder seiner Koketterie drei Monate lang, wiewohl vergeblich.

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