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La San Felice

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Viertes Capitel.
Dritter Tag

Wenn der Befehl, die ganze Nacht unter den Waffen zu bleiben, von dem Obergeneral auch nicht gegeben worden wäre, so hätte doch schon die Sorge für ihre eigene Erhaltung die Soldaten gezwungen, die keinen Augenblick wegzulegen.

Die ganze Nacht hindurch läutete die Sturmglocke auf allen Kirchen in den noch im Besitze der Neapolitaner gebliebenen Theilen der Stadt. Gegen alle Vorposten der Franzosen versuchten die Lazzaroni Angriffe; überall aber wurden sie mit bedeutenden Verlusten zurückgeschlagen.

Während der Nacht empfing Jeder seinen Schlachtbefehl für den nächstfolgenden Tag.

Als Salvato dem General meldete, daß er Meister des Castello del Carmine sei, erhielt er für den nächsten Tag Befehl, mit gefälltem Bajonnet und im Sturmschritt den Strand entlang mit den beiden Spitzen seines Corps gegen das Castello Nuovo vorzurücken und dasselbe um jeden Preis zu nehmen, um die Geschütze desselben sofort gegen die Lazzaroni zu kehren, während Monnier, Matthieu Maurice mit dem andern Drittel sich in ihrer Position halten und Kellermann, Dufresse und der Obergeneral sich in der Strada Foria vereinigen und über den Largo delle Pigne bis in die Toledostraße vordringen sollten.

Gegen zwei Uhr Morgens erschien ein Mann im Bivouac des Obergenerals zu San Giovanni in Carbonara. Trotz der Kleidung eines Bauers aus den Abruzzen erkannte der General doch auf den ersten Blick Hector Caraffa.

Dieser hatte eben das Castell San Elmo verlassen und kam, um Championnet zu melden, daß das Fort, welches blos noch fünf- bis sechshundert Kugeln abzufeuern habe, seine Munition nicht unnütz habe verwenden wollen. Den nächstfolgenden Tag aber werde sein Geschütz, um den Obergeneral zu unterstützen, im Rücken kämpfen, das heißt alle Lazzaroni, die von vorn angegriffen werden würden, überall, wo es möglich sei, von hinten niederschmettern.

Seiner Unthätigkeit müde, kam Hector Caraffa nicht blos, um dem General diese Meldung zu machen, sondern auch um an dem Kampfe des eben angebrochenen Tages theilzunehmen.

Um sieben Uhr schmetterten die Trompeten und wirbelten die Trommeln.

Salvato hatte während der Nacht Terrain gewonnen. Mit fünfzehnhundert Mann brach er auf das gegebene Signal hinter der Douane hervor und rückte im Sturmschritt gegen das Castello Nuovo.

In diesem Augenblick kam ihm ein von der Vorsehung gefügter Zufall zu Hilfe.

Nicolino, welcher sich sehnte, den Angriff seinerseits zu beginnen, spazierte auf den Wällen umher und ermahnte seine Artilleristen, die wenige Munition, welche sie hätten, nützlich zu verwenden.

Einer, der dreister war als die andern, rief ihn.

Nicolino ging auf ihn zu.

»Was willst Du von mir?« fragte er ihn.

»Sehen Sie die Fahne, welche auf dem Castello Nuovo weht?« hob der Artillerist wieder an.

»Allerdings sehe ich sie, entgegnete Nicolino, »und ich gestehe, daß sie mir im höchsten Grade zuwider ist.«

»Wollen Sie mir erlauben, sie zu beseitigen, Herr Commandant?«

»Womit willst Du das thun?«

»Mit einer Kugel.«

»Bist Du wirklich so geschickt?«

»Ich hoffe es, Herr Commandant.«

»Wie viel Schüsse verlangt Du?«

»Drei.«

»Ich bin es zufrieden, aber ich sage Dir im voraus, wenn Du sie mit drei Schüssen nicht herunter hat, so bekommst Du drei Tage Arrest.«

»Wenn ich sie nun aber treffe?«

»Dann bekommst Du zehn Ducaten.«

»Gut, dann sind wir einig.«

Der Artillerist richtete sein Geschütz, feuerte es ab und die Kugel ging mitten durch das Tuch der Fahne hindurch.

»Das war nicht schlecht, sagte Nicolino, »aber es ist nicht genug.«

»Ich weiß es wohl,« antwortete der Artillerist. »Auch werde ich sogleich versuchen, es noch besser zu machen.«

Die Kanone ward zum zweiten Mal mit noch größerer Sorgfalt gerichtet als das erste Mal. Der Artillerist sah erst, von welcher Seite der Wind kam, berechnete die, wenn auch unbedeutende Veränderung, welche dieser Hauch der Richtung der Kugel geben könnte, richtete sich empor, bückte sich abermals, veränderte den Zielpunkt seines Geschützes um den hundertsten Theil einer Linie und hielt dann die Lunte auf das Zündloch.

Ein lauter Knall, welcher den Tumult übertäubte, ließ sich hören und die unten am Fuße der Stange durchschossene Fahne stürzte herab.

Nicolino klatschte in die Hände und gab, ohne zu ahnen, welchen Einfluß dieser Vorfall haben würde, dem Artilleristen die zehn Ducati, die er ihm versprochen.

In diesem Augenblick erschien die Spitze von Salvato's Colonne an der Immacolatella.

Salvato marschierte, wie immer, voran. Er sah die Fahne fallen und obschon er wohl bemerkt hatte, daß ihr Verschwinden durch fremde Einwirkung herbeigeführt worden, rief er:

»Man senkt die Fahne! Das Fort ergibt sich! Vorwärts, meine Freunde, vorwärts!«

Und im Sturmschritt eilte er weiter.

Die Vertheidiger des Castells ihrerseits schrieen, als sie keine Fahne mehr sahen und in der Meinung, man habe sie wirklich freiwillig heruntergenommen, über Verrath. Die Folge hiervon war ein Tumult, während dessen die Vertheidigung erschlaffte.

Salvato benutzte diese Pause, um die Strada del Piliere im Sturmschritt zu passiren.

Er schleuderte seine Sapeurs gegen das Thor des Castells und ließ es durch eine Petarde aufsprengen.

Dann stürzte er in das Innere des Castells und rief:

»Folgt mir!«

Zehn Minuten später war das Fort genommen und das Geschütz desselben zwang, indem es den Largo del Castello und den Riesengang bestrich, die Lazzaroni, sich in die, in diese Straßen ausmündenden Seitengassen zu flüchten, in welchen sie durch die Position der Häuser vor den Kugeln geschützt waren.

Sofort ward die französische dreifarbige Fahne an der Stelle der weißen Fahne aufgepflanzt.

Eine auf dem höchsten Punkt des Castello Capuana stehende Schildwache übermittelte die Nachricht von der Einnahme des Castells an den General Championnet.

Die drei Castelle, in deren Triangel die Stadt eingeschlossen ist, waren somit in der Gewalt der Franzosen.

Als Championnet die Nachricht von der Einnahme des Castells Nuovo erhielt, bewirkte er seine Vereinigung mit Dufresse in der Stradadi Foria.

Er schickte Villeneuve über den freien Strand zu Salvato, um diesem Glück zu wünschen und ihm zu befehlen, die Bewachung des Castello Nuovo einem Officier zu übertragen und sich dann sofort bei ihm, Championnet, einzufinden.

Villeneuve traf den jungen Brigadechef auf dem Walle des Castells stehend und das Auge auf die Mergellina geheftet.

Von hier aus konnte er jenes theure Palmbaumhaus erspähen, welches er seit zwei Monaten nur noch in seinen Träumen gesehen. Sämtliche Fenster desselben waren geschlossen, dennoch aber war es ihm, als sähe er mit Hilfe seines Fernrohres die in den Garten führende Thür des Perrons geöffnet. Mitten in dieser Betrachtung überraschte ihn der Befehl des Generals.

Er übertrug das Commando sofort Villeneuve selbst, nahm sein Pferd und galoppierte davon.

In dem Augenblick, wo Championnet und Dufresse vereinigt die Lazzaroni nach der Toledostraße trieben und während ein furchtbares Feuer nicht blos von dem Largo delle Pigne, sondern auch aus allen Fenstern kam, bemerkte man plötzlich einen leichten Rauch, welcher die Wälle des Castells San Elmo krönte, dann hörte man das Krachen mehrerer schweren Geschütze und sah, daß unter den Lazzaroni eine große Verwirrung entstand.

Nicolino hielt Wort.

Gleichzeitig kam eine Abtheilung Dragoner wie ein reißender Strom durch die Strada della Stalla, während ein lebhaftes Musketenfeuer sich hinter dem Museo Burbonico hören ließ.

Es war Kellermann, welcher seinerseits seine Vereinigung mit den Corps Dufresses und Championnets bewirkte. Binnen wenigen Augenblicken war der Largo delle Pigne gesäubert und die drei Generale konnten sich hier die Hand reichen.

Die Lazzaroni zogen sich durch die Strada Santa Maria in Constantinopoli und die Salita dei Studi zurück.

Um aber über den Largo San Spirito und den Mercatello zu kommen, sahen sie sich genöthigt, unter dem Feuer des Castells San Elmo durchzupassieren, welches trotz der Schnelligkeit, womit diese Passage bewirkt ward, Zeit hatte, fünf oder sechs Todesboten in ihre Reihen zu senden.

Während so der Rückzug der Lazzaroni stattfand, brachte man einen ihrer Anführer, den man nach verzweifeltem Widerstande gefangen genommen, vor Championnet.

Mit Blut bedeckt, mit zerrissenen Kleidern, drohendem Gesicht und spöttischem Tone war er der echte Typus des sich im höchsten Stadium der Exaltation befindenden Neapolitaners.

Championnet zuckte die Achseln, kehrte ihm den Rücken und sagte:

»Es ist gut. Man erschieße diesen Burschen, um den Andern ein Beispiel zu geben.«

»Schön!« sagte der Lazzarone. »Wie es scheint, hat Nanno sich doch geirrt. Ich sollte erst noch Oberst und dann gehängt werden. Gleichwohl aber habe ich es blos bis zum Capitän gebracht und werde durch Pulver und Blei sterben. Es gereicht mir um meines Schwesterchens willen immer noch zum Troste.«

Championnet hörte diese Worte. Er stand im Begriff, den Verurtheilten näher zu befragen, da er aber in diesem Augenblick einen Reiter auf sich zugesprengt kommen sah, und in diesem Reiter Salvato erkannte, so richtete sich eine ganze Aufmerksamkeit auf diesen.

Man schleppte den Lazzarone fort, lehnte ihn an die Mauer des Museo Borbonico und wollte ihm die Augen verbinden.

Dagegen aber erhob er Einspruch.

»Der General,« rief er, »hat gesagt, man solle mich erschießen, aber nicht, daß man mir die Augen verbinden solle!«

Salvato stutzte, als er diese Stimme vernahm, drehte sich um und erkannte Michele, der seinerseits ihn ebenfalls sofort erkannte.

»Sanguedi Cristo!« rief der Lazzarone. »Sagen Sie selbst, Signor Salvato, daß man, um mich zu erschießen, mir nicht erst die Augen zu verbinden braucht.«

 

Und die ihn umringenden Soldaten zurückstoßend, kreuzte er die Arme und lehnte sich freiwillig an die Mauer.

»Michele!« rief Salvato. »General, dieser Mann hat mir das Leben gerettet; ich bitte Sie, mir das einige zu schenken.«

Und ohne die Antwort des Generals abzuwarten, denn er war überzeugt, daß dieser ihm seine Bitte nicht abschlagen würde, sprang Salvato vom Pferde, durchbrach den Halbkreis der Soldaten, welche schon ihre Musketen fertig machten, um Michele niederzuschießen, und warf sich in die Arme des Lazzarone, den er küßte und an sein Herz drückte.

Championnet erkannte sofort, welchen Nutzen er von diesem Vorfall ziehen konnte. Gerechtigkeit üben ist ein eindringliches Beispiel, aber Gnade üben, ist zuweilen eine gute Berechnung.

Er winkte sofort Salvato, der ihm Michele zuführte. Ein weiter Kreis bildete sich um die beiden jungen Männer und den General.

Dieser Kreis bestand aus siegreichen Franzosen, aus gefangenen Neapolitanern und aus Patrioten, welche herbeigeeilt waren, sei es um Championnet zu beglückwünschen, sei es, um sich unter seinen Schutz zu stellen.

Championnet, welcher diesen Kreis um die ganze Höhe seiner Büste überragt, erhob die Hand zum Zeichen, daß er sprechen wolle, und Alles schwieg

»Neapolitaner,« sagte er auf italienisch, »ich wollte, wie Ihr gesehen habt, diesen Mann, welcher mit den Waffen in der Hand und gegen uns kämpfend gefangen genommen worden, erschießen lassen; mein ehemaliger Adjutant aber, der jetzige Brigadechef Salvato, begehrt von mir die Begnadigung dieses Mannes, welcher, wie er mir sagt, ihm das Leben gerettet hat. Ich begnadige ihn daher nicht blos, sondern wünsche auch dem Manne, der einem französischen Officier das Leben gerettet, eine Belohnung zu Theil werden zu lassen.«

Dann wendete er sich zu dem über diese Sprache nicht wenig verwunderten Michele und fragte ihn:

»Welchen Grad bekleidetest Du unter deinen Landsleuten?«

»Ich war Capitän, Excellenz,« antwortete der Gefangene.

Dann setzte er mit der den Lazzaroni eigenthümlichen Vertraulichkeit hinzu:

»Dabei aber sollte ich nicht stehen bleiben, denn eine alte Hexe hat mir prophezeit, ich würde zum Oberst ernannt und dann gehängt werden.«

»Ich kann und will mich blos mit der Verwirklichung des ersten Theils dieser Prophezeiung befassen,« entgegnete der General, »aber ich befasse mich damit. Ich ernenne Dich zum Oberst im Dienst der parthenopeichen Republik. Organisiere dein Regiment. Für deinen Sold und deine Uniform werde ich sorgen.«

Michele that einen Freudensprung.

»Es lebe der General Championnet!« rief er. »Es leben die Franzosen! Es lebe die parthenopeiche Republik!«

Wir haben bereits bemerkt, daß der General von einer gewissen Anzahl Patrioten umringt war. Michele's Ruf fand daher ein ausgedehnteres Echo, als man erwartet hätte.

»Man hat,« sagte der General, sich zu den ihn umgebenden Neapolitanern wendend, »man hat Euch gesagt, die Franzosen seien Bösewichter, die weder an Gott, noch an die Madonna, noch an die Heiligen glaubten. Man hat Euch aber belogen. Die Franzosen glauben fest an Gott, an die Madonna und ganz besonders an den heiligen Januarius. Der Beweis hierfür ist, daß ich mich in diesem Augenblicke angelegentlich damit beschäftige, der Kirche und den Reliquien des hochheiligen Bischofs von Neapel den ihnen gebührenden Respect dadurch zu verschaffen, daß ich ihnen eine Ehrengarde gebe, wenn Michele die Führung derselben übernehmen will.«

»Ich übernehme sie!« rief Michele, indem er seine rothe wollene Mütze schwenkte »ich übernehme sie und noch mehr, ich bürge für sie.«

»Ganz besonders,« sagte Championnet in gedämpftem Tone, »wenn ich Dir deinen Freund Salvato zum Chef gebe.«

»Ha, für ihn und mein Schwesterchen lasse ich das Leben, Herr General.«

»Du hörst, Salvato,« sagte Championnet zu dem jungen Officier. »Deine Mission ist eine sehr wichtige. Es gilt, den heiligen Januarius unter die Republikaner anzuwerben.«

»Und mir ertheilen Sie den Auftrag, ihm eine dreifarbige Cocarde anzustecken,« antwortete Salvato lachend. »Ich hätte nicht geglaubt, daß ich so viel Beruf zum Diplomaten hätte. Doch gleichviel, man wird thun, was man kann.«

»Feder, Tinte und Papier!« rief Championnet.

Man eilte, das Verlangte herbeizuholen, und binnen wenigen Augenblicken hatte Championnet die Wahl zwischen zehn Bogen Papier und eben so viel Federn.

Ohne vom Pferde zu steigen, schrieb der General auf dem Sattelbogen folgenden an den Cardinal-Erzbischof adressierten Brief:

»Eminenz!

»Ich habe der Wuth meiner Soldaten und der Rache für die von den Volke von Neapel begangenen Verbrechen einen Augenblick lang Einhalt gethan. Benutzen Sie diese Pause, um alle Kirchen öffnen zu lassen, stellen Sie das heilige Sacrament aus und predigen Sie Ruhe, Ordnung und Gehorsam gegen das Gesetz. Unter dieser Bedingung bin ich bereit, einen Schleier über die Vergangenheit zu werfen, und werde bedacht sein, der Religion, der persönlichen Sicherheit und dem Eigenthume Achtung zu verschaffen.

»Sagen Sie dem Volke, daß ich, wer auch meinen gerechten Zorn verdient haben möge, doch der Plünderung Einhalt thun werde und daß Ordnung und Ruhe in diese verrathene und betrogene unglückliche Stadt zurückkehren werden. Gleichzeitig erkläre ich aber auch, daß, so wie ein einziger Schuß aus einem Fenster fällt, ich das betreffende Haus niederbrennen und alle darin befindlichen Bewohner erschießen lassen werde.

»Erfüllen Sie daher die Pflichten Ihres hohen Amtes und Ihr religiöser Eifer wird hoffentlich für die öffentliche Ruhe nützlich sein.

»Ich schicke Ihnen zugleich eine Ehrengarde für die Kirche des heiligen Januarius.

»Neapel, am 4. Pluviose im Jahre VII der Republik (23. Jänner 1799).

»Championnet.«

Michele, der wie alle Andern diesen Brief vorlesen gehört, suchte mit den Augen unter der Menge seinen Freund Pagliuccella. Da er ihn aber nicht fand, so wählte er vier Lazzaroni, von welchen er wußte, daß er auf sie zählen könne wie auf sich selbst, und marschierte Salvato voran, dem eine Compagnie Grenadiere folgte.

Dieser kleine Zug begab sich von dem Largo delle Pigne durch die Strada dell' Orticello, den Vico di San Giacomo di Ruffi und die Strada de l'Arcivescovado, das heißt durch einige der engsten und volkreichsten Gassen des alten Neapel, nach dem nicht weit entfernten erzbischöflichen Palast.

Die Franzosen waren bis jetzt noch nicht in diese Region der Stadt eingedrungen, wo von Zeit zu Zeit einige von dem Volk wie zur Ermuthigung abgefeuerte Flintenschüsse knatterten und wo die Republikaner im Vorüberziehen nur drei Eindrücke lesen konnten: Schrecken, Haß und Bestürzung.

Zum Glück hatte Michele, von Salvato Palmieri gerettet und von Championnet begnadigt und sich im Geiste schon in seiner Oberstenuniform auf einem schönen Pferde einhergaloppieren sehend, sich mit dem ganzen Feuer seines leicht zu lenkenden Gemüths für die Franzosen erklärt und marschierte vor ihnen her, indem er mit der ganzen Kraft seiner Lunge schrie:

»Es leben die Franzosen! Es lebe der General Championnet! Es lebe der heilige Januarius!«

Salvato, welcher bemerkte, daß die Gesichter der Einwohner sich immer noch nicht aufheitern wollten, gab Michele eine Handvoll Carlini und der neuernannte Oberst warf dieselben unter das Volk, indem er diesem auseinandersetzte, welche Mission Salvato beauftragt wäre zu erfüllen.

Es dauerte auch nun nicht lange, so zeigten die Physiognomien der Zuhörer einen sanfteren und wohlwollenderen Ausdruck.

Ueberdies richtete Salvato, der aus den neapolitanischen Provinzen stammte und das Patois von Neapel sprach wie ein Mann von Porto Baffo, von Zeit zu Zeit selbst an seine Landsleute eine kurze Ansprache, welche, durch Micheles ausgeworfene Carlini bekräftigt, ebenfalls ihre Wirkung äußerte.

So gelangte man bis vor den erzbischöflichen Palast, wo die Grenadiere sich unter dem Porticus aufpflanzten.

Michele hielt hier eine lange Rede, um seinen Landsleuten den Zweck dieser Ehrenwache zu erklären.

Er setzte hinzu, daß der dieselbe commandierende Officier ihn in dem Augenblick, wo er erschossen werden sollte, das Leben gerettet habe, und verlangte im Namen der Freundschaft, die man ihm, Michele, immer bewiesen, daß man weder Salvato noch seinen Soldaten, welche die Beschützer des heiligen Januarius geworden seien, irgend eine Beleidigung zufüge.

Fünftes Capitel.
Der heilige Januarius und Virgil

Kaum hatte Championnet den begnadigten Michele, Salvato und die französische Compagnie an der Ecke der Strada del Orticello verschwinden sehen, so fiel ihm eine jener Ideen ein, welche man eine Erleuchtung nennen kann.

Er bedachte nämlich, das beste Mittel, die Reihen der Lazzaroni, welche immer noch hartnäckig weiter kämpfen wollten, aufzulösen und der Plünderung des Privateigenthums Einhalt zu thun, bestünde darin, den Palast des Königs einer allgemeinen Plünderung preiszugeben.

Er beeilte sich diese Idee einigen der gefangenen Lazzaroni mitzutheilen, welche man unter der Bedingung in Freiheit setzte, daß sie zu den Ihrigen zurückkehrten, und diese von dem Project als von ihnen ausgehend in Kenntniß setzten.

Es war dies ein Auskunftsmittel, um sie selbst für die ausgestandenen Beschwerden und das verlorene Blut zu entschädigen.

Die Mittheilung hatte ganz den Erfolg, welchen der Obergeneral davon erwartete. Die kampflustigsten Lazzaroni gaben, als sie die Stadt zu drei Viertheilen genommen sahen, die Hoffnung zu siegen auf und fanden es folglich vortheilhafter, zu plündern, als noch weiter zu kämpfen.

Kaum war daher diese Art Ermächtigung zum Plündern unter den Lazzaroni, welchen man zu verstehen gab, daß sie vom französischen General ausginge, bekannt, so stürzte die ganze Masse in wilder Verwirrung durch die Toledostraße und die Strada dei Tribunali nach dem königlichen Palast, riß Frauen und Kinder mit sich fort, warf die Schildwachen über den Haufen, schlug die Thore und Thüren ein und überschwemmte wie eine unaufhaltsame Flut die drei Etagen des Palastes.

In weniger als drei Stunden war er bis auf das Blei in den Fenstern vollständig ausgeplündert.

Pagliuccella, den Michele auf dem Largo delle Pigne vergebens gesucht, um ihm sein Glück mitzutheilen, hatte sich unter den Ersten befunden, die nach dem Schlosse stürzten, und es mit einer Wißbegier, die nicht ohne Früchte blieb, vom Keller bis zum Dachboden und von der Façade, welche auf die Kirche San Ferdinando, bis zu der, welche auf die Darsena geht, untersuchten.

Frau Pacifico dagegen hatte, als er Alles verloren sah, die seinem gedemüthigten Muthe gebotene Entschädigung mit Verachtung abgelehnt und mit einer Uneigennützigkeit, welch seiner auf der Fregatte seines Admirals gelernten Disciplin zur Ehre gereichte, sich Schritt um Schritt und nach Art des Löwen, das heißt dem Feind fortwährend das Gesicht zukehrend, über die Infrascata und die Salita dei Capuccini in ein Kloster zurückgezogen.

Dann nachdem das Thor desselben sich hinter ihm geschlossen, hatte er seinen Esel in den Stall gebracht, seinen Stock in den Winkel gestellt und sich unter seine Collegen gemischt, welche in der Kirche das Dies irae, dies illa fangen.

Kein Mensch hätte jetzt in ihm einen der Anführer der Lazzaroni wieder erkannt, welche sich drei Tage lang geschlagen.

Nicolino Caracciolo hatte von der Höhe des Walles von San Elmo alle wechselnden Auftritte des Kampfes vom 21., 22. und 23. Januar verfolgt, und wir haben gesehen, daß er in dem Augenblick, wo er den Franzosen zu Hilfe kommen konnte, nicht verfehlt hatte, sein ihnen gegebenes Versprechen zu halten.

Sein Erstaunen war groß, als er die Lazzaroni, ohne daß es Jemanden einfiel, sie zu verfolgen, ihre Posten verlassen und ohne, wie bei einer Niederlage, die Waffen wegzuwerfen, sich nach dem königlichen Palast nicht zurückziehen, sondern im Gegentheil sich darauf stürzen sah.

Binnen wenigen Augenblicken war ihm jedoch Alles klar.

An der Art und Weise, auf welche sie die Schildwachen niederwarfen, die Thore sprengten, an den Fenstern aller Etagen zum Vorschein kamen und auf die Balcons heraustraten, sah er, daß die Kämpfer, während einer augenblicklichen Waffenruhe, um nicht die Zeit ungenutzt verstreichen zu lassen, sich in Plünderer umgewandelt hatten.

Da er nicht wußte, daß sich diese Plünderung auf Anstiften des französischen Generals organisiert hatte, so ließ er unter das ganze Gesindel drei scharfe Kanonenschüsse feuern, welche siebzehn Personen, unter diesen einen Priester, tödteten, und dem marmornen Riesen einer alten Statue des Jupiter Stator, welche den Palaisplatz schmückte, ein Bein zerschlug.

 

Wünscht der Leser zu wissen, in welchem Grade die Lust zu plündern sich der Menge bemächtigt und bei ihr jedes andere Gefühl in den Hintergrund gedrängt hatte?

Wir wollen, um diesen Wunsch zu befriedigen, von tausend Thatsachen nur zwei erwähnen. Dieselben werden eine Idee von der Beweglichkeit des Geistes dieser Menschen geben, welche soeben erst Wunder der Tapferkeit verrichtet, um ihren König zu vertheidigen.

Mitten unter diese nur auf Plünderung erpichte Menge schickte der Adjutant Villeneuve, welcher fortfuhr das Castello Nuovo zu behaupten, einen Lieutenant an der Spitze einer Patrouille von ungefähr fünfzig Mann, mit dem Befehle, die Toledostraße so weit hinaufzumarschieren, bis er die französischen Vorposten anrufen könnte.

Der Lieutenant trug Sorge, einige patriotische Lazzaroni voran marschieren zu lassen, welche riefen: »Es leben die Franzosen! Es lebe die Freiheit!«

Bei diesem Rufe fing ein Fischer von Santa Lucia, ein wüthender Bourbonist – die Fischer von Santa Lucia sind noch bis auf heutigen Tag Bourbonisten – an, seinerseits zu schreien: »Es lebe der König!«

Da dieser Ruf leicht einen Wiederhall finden und das Signal zur Niedermetzelung der ganzen Patrouille werden konnte, so packte der Lieutenant den Fischer am Kragen, hielt ihn mit ausgestrecktem Arme fest und commandierte:

»Feuer!«

Der Fischer stürzte, von mehreren Kugeln durchbohrt, unter die Menge hinein, ohne daß es dieser, die sich jetzt mit andern Interessen beschäftigte, eingefallen wäre, ihn zu vertheidigen und zu rächen.

Das zweite Beispiel betraf einen Diener des Palastes, welcher die Unklugheit beging, sich in einer goldbetreßten Livrée zu zeigen. Das Volk riß ihm dieselbe sofort vom Leibe und in Stücke, um das Gold davon abzutrennen, obschon die Eigenthum des Königs war.

In demselben Augenblicke, wo man den Diener des Königs Ferdinand im Hemde stehen ließ, um die Tressen von seiner Livrée zu lösen, langte Kellermann, der mit einem Detachement von zwei- bis dreihundert Mann von Mergellina herabgekommen war, über Santa Lucia auf dem Platze vor dem Schlosse an.

Ehe er jedoch hier ankam, hatte er an der Kirche Santa Maria di Porto Salvo Halt gemacht und nach Don Michelangelo Ciccone gefragt.

Es war dies, wie man sich erinnern wird, derselbe patriotische Priester, welchen Cirillo hatte holen lassen, um die letzten Tröstungen der Religion dem von Salvato in der Nacht vom 22. zum 23. September verwundeten Sbirren zu spenden, der am 23. September Morgens in dem Hause an der Ecke des Löwenbrunnens, wohin er geschafft worden, den Geist aufgab.

Kellermann war Ueberbringer eines Billets von Cirillo welcher den Patriotismus des würdigen Priesters in Anspruch nahm und ihn aufforderte, sich den Franzosen anzuschließen.

Don Michelangelo Ciccone hatte keinen Augenblick gezögert, sondern war Kellermann gefolgt.

Gegen Mittag hatten die Lazzaroni die Waffen niedergelegt, und Championnet durchzog als Sieger die Stadt. Die Kaufleute, die Bürger, der ganze ruhige Theit der Bevölkerung, welche nicht an dem Kampfe Theil genommen, begann nun, da er nicht mehr schießen oder schreien hörte, schüchtern die Thüren und Fenster der Kaufläden und der Häuser zu öffnen.

Schon der erste Anblick des Generals war eine Bürgschaft der Sicherheit, denn er war von Männern umringt, die sich durch ihre Talente, ihre Gelehrsamkeit und ihren Muth die Achtung und Verehrung von Neapel erworben hatten.

Es waren dies die Baffi, die Poério, die Pagano, die Cuoco, die Logoteta, die Carlo Lambert, die Bassal, die Fasulo, die Maliterno, die Rocca Romana, die Ettore Caraffa, die Cirillo, die Manthonnet, die Schipani.

Der Tag des Lohnes war endlich gekommen für alle diese Männer, welche aus dem Stadium des Despotismus in das der Verfolgung gekommen, und nun aus dem Stadium der Verfolgung in das der Freiheit übertraten.

Der General ritt, sowie er eine Thür sich öffnen sah, an dieselbe heran und bemühte sich, die Bewohner, welche sich auf die Schwelle wagten, in ihrer eigenen Sprache zu beruhigen, indem er ihnen sagte, es sei Alles aus und er käme, um den Frieden, aber nicht den Krieg zu bringen und die Freiheit an die Stelle der Tyrannei zu setzen.

Die Neapolitaner sahen, indem sie die Augen auf den Weg warfen, welchen der General hinter sich hatte, daß wirklich da, wo noch wenige Augenblicke zuvor Franzosen und Lazzaroni sich erwürgt, die Ruhe herrschte.

Sie gewannen daher wieder Vertrauen und Muth, und diese ganze Bevölkerung dimezzo ceto, das heißt der Bürgerstand, welcher den Reichthum und die Kraft Neapels ausmacht, begann, die dreifarbige Cocarde aufsteckend und unter dem Rufe: »Es leben die Franzosen! Es lebe die Freiheit! Es lebe die Republik!« sich heiter in den Straßen zu bewegen, die Taschentücher zu schwenken und sich allmälig jener enthusiastischen Freude hinzugeben, welche sich derer bemächtigt, welche, schon in den schwarzen Abgrund des Todes hinabgeschleudert, sich plötzlich und wie durch ein Wunder dem Tage, dem Licht und dem Leben wiedergegeben sehen.

Und in der That, wer kann sagen, wie viel Häuser noch gestanden hätten, und wie viel Patrioten noch am Leben gewesen wären, wenn der Einzug der Franzosen sich um vierundzwanzig Stunden verzögert hätte? Um zwei Uhr Nachmittags erließen Rocca Romana und Maliterno, die in ihrem Amte als Oberhäupter des Volkes bestätigt worden, eine Bekanntmachung in Bezug auf die Wiedereröffnung der Kaufläden. Diese Bekanntmachung war vom Jahre 1 und vom zweiten Tage der parthenopeischen Republik datiert.

Championnet hatte mit Besorgniß gesehen, daß nur der Bürgerstand und der Adel sich ihm angeschlossen hatten, während das Volk sich abseits hielt. Er beschloß daher, den nächstfolgenden Tag einen großen Streich auszuführen.

Er war überzeugt, daß, wenn er den heiligen Januarius auf seine Seite bringen könnte, das Volk demselben überall hinfolgen würde, wohin er ginge.

Er sendete einen Boten an Salvato. Dieser, welcher die Kathedrale, das heißt den wichtigsten Punkt von Neapel, bewachte, war instruiert, seinen Posten nicht anders zu verlassen, als auf einen ihm direct von dem General zugehenden Befehl. Der an Salvato abgesendete Bote instruierte ihn, sich mit der Geistlichkeit der Kathedrale zu besprechen und sie aufzufordern, den nächstfolgenden Tag die heiligen Flaschen zur öffentlichen Verehrung auszustellen, in der Hoffnung, daß der heilige Januarius, für welchen die Franzosen die tiefste Devotion hegten, sich herablassen würde, zu ihren Gunsten ein Wunder zu verrichten.

Die Geistlichen sahen sich auf diese Weise zwischen zwei Feuern.

Wenn der heilige Januarius sein Wunder verrichtete, so waren sie dem Hofe gegenüber kompromittiert.

Verrichtete er es dagegen nicht, so sahen sie sich dem Zorne des französischen Generals preisgegeben.

Sie suchten deshalb die Sache zu umgehen und antworteten, es sei jetzt nicht die Zeit, wo der heilige Januarius sein Wunder zu verrichten pflege, und sie zweifelten sehr, daß er, selbst um der Franzosen willen, von seinen gewohnten Tage abgehen werde.

Salvato ließ durch Michele den Obergeneral von dieser Antwort der Priester in Kenntniß setzen.

Championnet gab hierauf die Rückantwort, es sei dies Sache des Heiligen und nicht der Priester. Diese hätten über die guten oder schlimmen Absichten des heiligen Januarius nicht im Voraus zu urtheilen, und er selbst kenne ein gewisses Gebet, gegen welches, wie er hoffe, der heilige Januarius nicht unempfindlich bleiben würde.

Die Priester antworteten, da Championnet es durchaus verlange, so würden sie die heiligen Gefäße ausstellen, könnten aber ihrerseits für nichts stehen.

Kaum hatte Championnet diese Gewißheit, so ließ er in der ganzen Stadt die Neuigkeit verkünden, daß die heiligen Gefäße den nächstfolgenden Tag ausgestellt werden würden, und daß das Flüssigwerden des kostbaren Blute genau um halb elf Uhr Morgens zu erwarten stünde.

Für die Neapolitaner war dies eine seltsame und ganz unglaubliche Mittheilung. Der heilige Januarius hatte nichts gethan, wodurch ein Verdacht der Parteilichkeit zu Gunsten der Franzosen motiviert worden wäre. Im Gegentheil hatte er sich seit einiger Zeit bis zur Manie lauenhaft und eigensinnig gezeigt.

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