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La San Felice

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Der König fing an zu lachen.



»Wiedergeben kann ich sie bei dem besten Willen von der Welt nicht, sagte er; »wohl aber kann ich sie Euch bezahlen.«



Mit diesen Worten nahm er sämmtliche Goldstücke, die er in der Tasche hatte, heraus und gab sie der Frau.



»Was euren Berichterstatter betrifft, setzte er hinzu, »so haben wir heute den 25. März, Ihr werdet aber sehen, daß euer Prozeß schon in der ersten Aprilsitzung entschieden wird.«



In der That, als der Berichterstatter am letzten Tage dieses Monats erschien, um sich seinen Gehalt auszahlen zu lassen, ward ihm im Namen des Königs von dem Schatzmeister gesagt: »Seine Majestät haben befohlen, daß Ihr Gehalt Ihnen nicht eher ausgezahlt werde, als bis der Prozeß, den er Ihnen die Ehre erzeigt, Ihnen zur Beschleunigung zu empfehlen, entschieden sein wird.«



Ganz wie der König vorausgesehen, ward der Prozeß auch wirklich in der ersten Gerichtssitzung entschieden.



So erzählte man von dem Könige in Neapel noch eine Menge derartige Anecdoten, von welchen wir uns begnügen werden, zwei oder drei mitzutheilen.



Eines Tages, als er in dem Walde von Persano jagte, wobei er dieselbe Uniform trug wie sein Gefolge, traf er eine alte Frau, welche schluchzend an einen Baum gelehnt stand.



Er redete sie an und fragte sie, was ihr fehle.



»Ich bin Witwe und habe sieben Kinder, antwortete sie. »Meine ganze Habe besteht in einem kleinen Ackerfeld, und dieses kleine Feld ist mir durch die Hunde und die Piqueurs des Königs verwüstet worden.«



Achselzuckend und mit erneuertem Schluchzen setzte sie dann hinzu:



»Es ist sehr hart, Unterthan eines Mannes zu sein, welcher um des Vergnügens einer Stunde willen kein Bedenken trägt, eine ganze Familie zu ruinieren. Ich frage Sie: Warum verwüstet dieser Tölpel mein Feld?«



»Was Ihr da sagt, ist sehr richtig, liebe Frau,« antwortete Ferdinand, »und da ich im Dienste des Königs stehe, so werde ich ihm eure Beschwerde vortragen, aber dabei natürlich die beleidigenden Ausdrücke verschweigen, deren Ihr Euch soeben bedient habt.«



»Meinetwegen sage ihm, was Du willst, fuhr die Frau immer erbitterter fort. »Von einem solchen Egoisten hab ich nichts Gutes zu erwarten und er kann mir nicht mehr Schaden zufügen, als er mir schon zugefügt hat.«



»Na, darauf kommt weiter nichts an,« sagte der König. »Jetzt zeigt mir wenigstens euer Feld, damit ich beurtheilen kann, ob es wirklich so sehr verwüstet ist, wie Ihr sagt.«



Die Witwe führte ihn nach ihrem Felde. Die Früchte desselben waren in der That von Menschen, Pferden und Hunden niedergetreten und zerstampft, so daß die ganze Ernte verloren war.



Der König sah einige Bauern in der Nähe, rief sie herbei und forderte sie auf, den Schaden, welchen die Witwe erlitten, gewissenhaft abzuschätzen.



Sie taxierten ihn auf zwanzig Ducaten. Der König suchte in seiner Tasche. Er fand darin sechzig.



»Hier,« sagte er zu den beiden Bauern, »hier sind zwanzig Ducaten, die ich Euch als Taxationsgebühren schenke. Was die übrigen vierzig betrifft, so gehören sie dieser armen Frau. Wenn die Könige Schaden anrichten, so können sie nicht weniger thun, als daß sie dafür doppelt so viel bezahlen, als ein einfacher Privatmann bezahlen würde.«



Ein andermal reist eine Frau, deren Mann zum Tode verurtheilt worden, auf den Rath des Advocaten, welcher den Verurtheilten vertheidigt hat, von Aversa ab und kommt zu Fuße nach Neapel, um die Begnadigung ihres Mannes zu erbitten. Es war durchaus nicht schwer in die Nähe des Königs zu gelangen, welcher fortwährend zu Fuß oder zu Pferde in der Toledostraße oder an der Chiaja herumpromenirte.



Diesmal aber war er zum Unglücke oder vielmehr zum Glücke für die Bittstellerin weder im Palaste, noch in Chiaja, noch in Toledo. Er befand sich vielmehr in Capodimonte. Es war gerade die Zeit der Feigendrosseln und sein Vater, Carl der Dritte, hatte das Schloß, welches über zwölf Millionen gekostet, einzig und allein zu dem Zwecke bauen lassen, einen gut gelegenen Ort zur Jagd auf dieses von den Feinschmeckern so geschätzte kleine Wild zu haben.



Die arme Frau war todtmüde, denn sie hatte in schnellem Laufe fünf Meilen zurückgelegt. Sie erschien an der Thür des königlichen Palastes und als sie erfuhr, daß Ferdinand in Capodimonte wäre, bat sie den Commandanten des Palastes um die Erlaubniß, die Rückkehr des Königs erwarten zu dürfen.



Der Commandant ward von Mitleid ergriffen, als er ihre Thränen sah und die Ursache derselben erfuhr. Er bewilligte ihr daher ihr Verlangen. Sie setzte sich auf die erste Stufe der Treppe, auf welcher der König in den Palast heraufkommen mußte.



Wie groß aber auch ihre Angst und Unruhe war, so war die Ermüdung doch noch stärker, und nachdem sie einige Stunden gegen den Schlaf gekämpft, sank sie endlich mit dem Kopfe an die Mauer, schloß die Augen und schlief ein.



Kaum hatte sie seit einer Viertelstunde geschlafen, als der König zurückkam. Er war ein bewunderungswürdiger Schütze, und war an diesem Tage noch geschickter gewesen, als gewöhnlich. Seine Stimmung war deshalb eine außergewöhnlich wohlwollende, als er die Frau erblickte, die auf ihn wartete.



Man wollte sie wecken, der König befahl jedoch durch einen Wink, daß man sie nicht störe. Er näherte sich ihr, betrachtete sie mit einem Gemische von Neugier und Theilnahme und als er die Ecke der Bittschrift sah, welche aus ihrem Brusttuche hervorragte, zog er dieselbe vorsichtig heraus, las sie, verlangte Tinte und Feder, schrieb darunter: »Fortuna e duorme,« was unserem: »Das Glück kommt im Schlafe« entspricht, und unterzeichnete: »Ferdinand B.«



Er befahl hierauf, daß man die Bäuerin unter keinem Vorwande wecke, verbot, daß man sie bei ihm vorlasse, ertheilte Anordnung wegen Aufschub der Hinrichtung und steckte die Bittschrift wieder dahin, wo er sie weggenommen.



Nach Verlauf einer halben Stunde schlug die Bittstellerin die Augen auf, fragte, ob der König zurückgekommen und hörte, daß er, während sie geschlafen, an ihr vorübergegangen sei.



Die arme Frau war außer sich. Sie hatte die Gelegenheit verfehlt, um welcher willen sie einen so weiten und anstrengenden Weg gemacht. Sie bat den Commandanten des Palastes, ihr zu erlauben, zu warten, bis der König wieder ausginge. Der Commandant antwortete, daß ihm dies streng verboten sei und die Bäuerin machte sich verzweiflungsvoll auf den Rückweg nach Aversa.



Ihr erster Besuch nach ihrer Wiederankunft hier war bei dem Advocaten, der ihr den Rath gegeben, die Gnade des Königs anzurufen. Sie erzählte ihm, was geschehen, und wie sie durch eigene Schuld eine nie wiederkehrende Gelegenheit versäumt.



Der Advocat hatte Freunde bei Hofe. Er forderte die Frau auf, ihm die Bittschrift zurückzugeben und sagte, er würde Mittel finden, sie auf anderem Wege an den König zu befördern.



Die Frau gab dem Advocaten die verlangte Bittschrift zurück.



Mechanisch schlug er dieselbe auseinander, hatte aber kaum die Augen darauf geworfen, so stieß er einen Freudenschrei aus. In der Situation, wo man sich befand, bedeutete das von der Hand des Königs geschriebene und unterzeichnete Sprichwort so viel als eine Begnadigung und in der That ward auf die Vorstellungen des Advocaten, auf die Vorzeigung der Marginalbemerkung des Königs und ganz besonders in Folge des von dem König direkt ertheilten Befehls acht Tage später der Gefangene der Freiheit zurückgegeben.



In der Wahl seiner Liebschaften war der König nichts weniger als schwer zu befriedigen. Im Allgemeinen fragte er wenig nach Rang und Bildung, dafern die Person nur jung und schön war. In allen Forsten, worin er dem Vergnügen der Jagd oblag, besaß er hübsche kleine Häuser, die aus vier bis fünf sehr einfach, aber sehr zweckmäßig möblierten Zimmern bestanden.



Hier machte er Halt, um zu frühstücken, oder zu dinieren oder auch um blos einige Stunden auszuruhen.



In jedem dieser kleinen Häuser befand sich eine Wirthin, welche stets aus der Zahl der jüngsten und schönsten Mädchen der benachbarten Dörfer gewählt ward.



Als er eines Tages zu dem Kammerdiener, zu dessen Function es gehörte, darauf zu sehen, daß sein Herr nicht zu oft immer dieselben Gesichter wiederfände, sagte: »Nimm Dich in Acht, daß die Königin nicht erfahre, was hier vorgeht,« antwortete der Kammerdiener, welcher sich sehr frei aussprechen durfte:



»Ach, machen Sie sich doch keine Sorge, Sire, Ihre Majestät die Königin treibt es noch viel toller und geht dabei nicht mit so viel Vorsicht zu Werke.«



»Schweig!« antwortete der König. »Es kann durchaus nichts schaden, wenn die Racen sich ein wenig kreuzen.«



Und in der That, als der König sah, daß die Königin sich so wenig genierte, fand er es angemessen, sich seinerseits ebensowenig zu genieren.



Zuletzt gründete er seine berühmte Colonie Leucio, an deren Spitze er, wie wir bereits früher erzählt, den Cardinal Fabricio Ruffo gestellt hatte.



Diese Colonie zählte fünf- bis sechshundert Einwohner, die unter der Bedingung, daß die Ehemänner und Väter den König niemals in ihr Haus kommen sehen und sich niemals unterstünden, eine Thür öffnen zu lassen, welche ihre Gründe hätte, geschlossen zu bleiben, eine Menge Vorrechte genossen.



So waren sie zum Beispiel frei vom Militärdienst, hatten ihr besonderes Gericht, durften sich verheiraten, ohne der Einwilligung der Eltern zu bedürfen, und wurden, wenn sie sich verheirateten, unmittelbar vom König selbst ausgestattet.



Die Folge hiervon war, daß die Bevölkerung dieses von diesem zweiten Idomeneus gegründeten zweiten Salenta eine Art Sammlung von unmittelbar durch den König geschlagenen Medaillen ward, wo die Alterthumsforscher noch dem bourbonischen Typus finden können, nachdem er von der ganzen übrigen Erde verschwunden sein wird.



Aus allen den Anekdoten, welche wir hier erzählt, ist leicht zu ersehen, daß der König Ferdinand, wie sein Lehrer, der Fürst von San Nicandro, sehr richtig entdeckt, von Natur keineswegs grausam war.

 



Sein Leben konnte zu der Zeit, bei welcher wir angelangt sind, das heißt beim Jahre 1798, jedoch schon in zwei Phasen getheilt werden.



Vor der französischen Revolution – nach der französischen Revolution.



Vor der französischen Revolution war er der Mann, den wir gesehen, nämlich naiv, witzig, lebhaft und mehr zum Guten als zum Bösen geneigt.



Nach der französischen Revolution ist er der Mann, den wir sehen werden, das heißt furchtsam, unversöhnlich, mißtrauisch und mehr zum Bösen als zum Guten geneigt.



Bei dem moralischen Porträt, welches wir vielleicht ein wenig allzu ausführlich, aber nur durch Thatsachen, nicht durch Worte gezeichnet, haben wir den Zweck gehabt, die seltsame Persönlichkeit des Königs Ferdinand kennen zu lernen. Von Natur gute Geistesanlagen, keine Erziehung, Gleichgültigkeit gegen allen Ruhm, Abscheu vor jeder Gefahr, wenig Gefühl und Herz, zum Princip gewordene Gewissenlosigkeit, die ebenso wie bei Ludwig dem Vierzehnten zu weit getriebene Vergötterung der königlichen Gewalt, der Cynismus des politischen und des Privatlebens, so wie er durch die tiefe Verachtung der vornehmen Cavaliere, welche ihn umgaben, zu Tage trat, eine Verachtung, die sich auch auf das Volk erstreckte, welches er mit Füßen trat, und in welchem er nur Sclaven sah; niedrige Triebe, welche ihn zu physischen Genüssen verlockten, die unaufhörlich den Körper auf Kosten des Geistes materialisieren – dies sind die Anhaltspunkte, nach welchen man den Mann beurtheilen muß, welcher den Thron fast eben jung bestieg wie Ludwig der Vierzehnte, der beinahe eben alt starb als dieser, und der von 1759 bis 1825, das heißt sechzig Jahre, mit Einschluß seiner Minderjährigkeit, regierte, vor dessen Augen, ohne daß er die Höhe der Ereignisse und die Tiefe der Katastrophen zu ermessen vermocht hätte, alles Große geschah, was in der ersten Hälfte des gegenwärtigen und in der letzten Hälfte des vergangen Jahrhunderts geschehen ist.



Napoleon ging in seiner gesamten Erscheinung während seiner Regierung vorüber. Er sah ihn geboren werd und heranwachsen; er sah ihn sinken und stürzen. Sechzig Jahre vor ihm geboren, sah er ihn fünf Jahre vorher sterben und war ohne jemals einen andern Werth gesehen zu haben, als den eines einfachen gekrönten Statisten, eines der Hauptpersonen jenes riesigen Dramas, welches von Wien bis Lissabon, vom Nil bis zur Moskowa die Welt aus den Fugen hob.



Gott nannte ihn Ferdinand den Vierten, Sicilien nannte ihn Ferdinand den Dritten, der Congreß von Wien nannte ihn Ferdinand den Ersten, die Lazzaroni nannten ihn den König Nasone.



Gott, Sicilien und der Congreß irrten sich. Ein einziger von diesen vier Namen ward wirklich populär und blieb ihm. Es war dies der, welcher ihm von den Lazzare gegeben ward.



Jedes Volk hat seinen König gehabt, welcher den Geist der Nation repräsentiert hat. Die Schotten hatten Robert Bruce, die Engländer hatten Heinrich den Achten, die Deutschen hatten Maximilian, die Russen hatten Iwan den Schrecklichen, die Polen hatten Johann Sobieski, die Spanier hatten Carl den Fünften, die Franzosen hatten Heinrich den Vierten, die Neapolitaner hatten Nasone.




Sechstes Capitel.

Die Königin

Marie Caroline, Erzherzogin von Oesterreich, hatte Wien im Monat April 1768 verlassen, um sich mit Ferdinand dem Vierten in Neapel zu vermählen.



Die kaiserliche Blume betrat ihr künftiges Königreich mit dem Frühlingsmonat.



Sie zählte kaum erst sechzehn Jahre, denn sie war 1752 geboren. Ihr Verstand war jedoch bereits viel ausgebildeter, als man nach ihrem Alter hätte voraussetzen sollen.



Sie war übrigens mehr als unterrichtet, sie war gelehrt. Sie war mehr als intelligent, sie war philosophisch gebildet, obschon in einem gegebenen Augenblick diese Liebe zur Philosophie sich in Haß gegen die verwandelte, welche dieselbe übten.



Sie war schön in der vollständigen Bedeutung des Wortes und wenn sie wollte, liebenswürdig. Ihr Haar war von einem Blond, dessen Gold unter dem Puder hervorschimmerte. Ihre Stirn war breit, denn die Sorgen des Thrones, des Hasses und der Rache hatten noch nicht ihre Furchen gezogen.



Ihre Augen konnten an Durchsichtigkeit mit dem Azur des Himmels wetteifern, unter welchem sie zu regieren kam.



Ihre gerade Nase, ihr ein wenig hervorragendes Kinn, das Zeichen eines absoluten Willens, machte Profil zu einem griechischen.



Ihre Gesichtsform war oval, die Lippen waren feurig und purpurroth, die Zähne weiß wie das weiße Elfenbein.



Ein Hals, eine Brust und Schultern, welche zu schönsten Statuen von Pompeji und Herculanum oder des Museums Farnese würdig gewesen wären, vervollständigten diese prachtvolle Gesamterscheinung.



In unserem ersten Capitel haben wir gesehen, wie ihr dreißig Jahre später von dieser Schönheit noch übrig geblieben war.



Sie redete vier Sprachen korrekt und geläufig – erstens die deutsche, ihre Muttersprache, dann die französische, die spanische und die italienische.



Beim Sprechen jedoch, besonders wenn sie von einem heftigen Gefühl aufgeregt war, machte sich ein kleines Gebrechen in der Aussprache bemerklich und es klang dann, als ob sie ein Steinchen im Munde hätte. Ihre glänzend beweglichen Augen aber und der Scharfsinn und die Logik ihrer Gedanken machten diesen unbedeutenden Mangel bald vergessen.



Sie war stolz, wie es der Tochter Marie Theresiens geziemte. Sie liebte den Luxus und die Macht. Was die anderen Eigenschaften betraf, welche sich in ihr entwickeln sollten, waren dieselben noch unter der jungfräulichen Hülle der sechzehnjährigen Braut verborgen.



Mit ihren deutsch-poetischen Träumen kam sie in dieses unbekannte Land, das Land »wo die Citronen blühen«, wie der deutsche Dichter sagt. Sie kam, um die glücklichen Gefilde, die Campania Felice, zu bewohnen, in welcher Tasso geboren ward, wo Virgil starb.



Feurig und poetisch von Gemüth, versprach sie sich, mit der einen Hand am Pausilippo den Lorbeer zu pflücken, welcher am Grabe des Dichters des Augustus wuchs, mit der andern den, welcher in Sorrente die Wiege des Sängers Gottfrieds von Bouillon beschattete.



Der Gemahl, mit welchem sie verlobt war, zählte ebenfalls sechzehn Jahre. Da er jung und von vornehmer Abstammung war, so war er ohne Zweifel auch schön, galant und tapfer. War er ein Euryalus oder Tancred, ein Nisus oder ein Renaud? Sie ihrerseits war vollkommen bereit Camilla oder Herminia, Clorinde oder Dido zu sein.



Anstatt des Gebildes ihrer jugendlichen Phantasie und ihres poetischen Traumes fand sie aber den Mann, den wir bereits kennen, mit einer großen Nase, großen Händen, großen Füßen, und den Dialekt des Hafendammes mit dem Gebärdenspiel eines Lazzarone sprechend.



Die erste Zusammenkunft fand in Portellaunter einem Pavillon von mit Gold gestickter Seide statt.



Die Prinzessin war von ihrem Bruder Leopold begleitet, welcher beauftragt war, sie den Händen ihres Gemahls zu übergeben.



Wie Joseph der Zweite, sein Bruder, war auch Leopold der Zweite von philosophischen Maximen durchdrungen. Er wollte in seinen Staaten eine Menge Reformen einführen und in der That erinnert sich Toscana, daß unter seiner Regierung die Todesstrafe abgeschafft wurde, während gleichzeitig noch mehrere andere Verbesserungen stattfanden.



Ebenso wie Leopold der Pathe seiner Schwester, war Tanucci der Vormund des Königs. Bei dem erst Blick, welchen die junge Königin und der alte Minister wechselten, mißfielen sie einander wechselseitig. Caroline errieth in ihm die ehrgeizige Mittelmäßigkeit, welche ihre Gemahl, indem man ihn in seiner angeborenen Unwissenheit erhalten, alle Mittel geraubt, später einmal ein großer König oder auch nur ganz einfach ein König zu sein.



Ohne Zweifel hätte sie das Genie eines Gatten, welcher ihr überlegen gewesen, anerkannt, und in ihrer Bewunderung für ihn wäre sie wahrscheinlich dann eine unterwürfige Königin und treue Gattin gewesen.



Dem sollte nicht so sein. Sie erkannte im Gegentheil die tiefe Stufe, auf welcher ihr Gemahl in Bezug auf sein geistige Ausbildung stand, und eben so wie ihre Mutter zu ihren Ungarn gesagt: »Ich bin der König Marie Theresia, so sagte sie zu den Neapolitanern: »Ich bin der Königin Marie Caroline.«



Dies war es aber nicht, was Tanucci wollte. Er wollte weder einen König, noch eine Königin haben, er wollte Premierminister sein.



Unglücklicher Weise enthielt der Ehecontract des königlichen Paares einen kleinen Paragraphen, welcher sich eingeschlichen, ohne daß Tanucci, der die junge Erzherzogin noch nicht kannte, großes Gewicht darauf gelegt hätte. War Caroline hatte nämlich das Recht, den Sitzungen des Staatsraths beizuwohnen, sobald sie ihrem Gemahl einen Thronerben geschenkt haben würde.



Es war dies ein Fenster, welches der Hof von Wien sich in den von Neapel öffnete. Bis jetzt war der Einfluß unter Philipp dem Zweiten und Ferdinand dem Siebenten von Frankreich ausgeübt, nachdem Carl der Dritte den Thron Spaniens bestiegen, ganz natürlich von Madrid gekommen.



Tanucci begriff, daß zu diesem Marie Caroline geöffneten Fenster der österreichische Einfluß eindringen würde.



Freilich erfreute sich Marie Caroline, da sie erst fünf Jahre nach ihrer Vermählung einen Thronerben gebar, des ihr zugestandenen Vorrechtes erst vom Jahre 1774 an.



Mittlerweile hatte sie, verblendet durch Illusionen, an welchen sie hartnäckig festhielt, gehofft, ihrem Gemahl eine vollständig neue Erziehung geben zu können. Es erschien ihr dies um so leichter, als ihre Kenntnisse den jungen König mit Erstaunen erfüllt hatten.



Nachdem er sie mit Tanucci und den wenigen anderen unterrichteten Personen seines Hofes sprechen gehört, schlug er sich verblüfft vor die Stirn und sagte: »Die Königin weiß doch Alles!« Später, als er sah, wohin dieses Wissen ihn führte und wie sehr es ihn von dem Pfad ablenkte, dem er zu folgen gedacht, setzte er den Worten: »Die Königin weiß Alles noch die Bemerkung hinzu: »Und dennoch begeht sie mehr Thorheiten als ich, der ich doch nur ein Esel bin.«



Nichtsdestoweniger aber begann er dem Einflusse dieses überlegenen Geistes zu gehorchen und fügte sich in die Lectionen, welche sie ihm vorschlug. Sie lehrte ihn buchstäblich, wie wir schon gesagt haben, Lesen und Schreiben. Was sie ihn aber nicht lehren konnte, waren jene eleganten Manieren der nordischen Höfe, jene Sorgfalt für ein sauberes Aeußeres, die besonders in den heißen Ländern so selten ist, wo doch das Wasser nicht blos ein Bedürfniß, sondern auch ein Vergnügen sein sollte; jene weibliche Sympathie für die Blumen und für die Wohlgerüche, welche die Toilette von ihnen verlangt, jenes reizende, liebenswürdige Geplauder, welches halb dem Murmeln der Bäche, halb dem Gezwitscher der Heimchen und Nachtigallen entlehnt zu sein schien.



Carolinens Ueberlegenheit demüthigte Ferdinand; Ferdinands Plumpheit stieß Caroline zurück. Allerdings konnte diese in den Augen ihres Gemahls unumstößliche Ueberlegenheit streng genommen durch wirklich unterrichtete Leute streitig gemacht werden, welche in dem Geplauder der Königin weiter nichts sahen als das Ergebniß jenes oberflächlichen Wissens, welches an Ausdehnung gewinnt, was es an Tiefe verliert.



Vielleicht hätte man, wenn man sie so beurtheilte, wie sie beurtheilt werden mußte, bei ihr mehr Geschwätz als Urtheil und ganz besonders jene Pedanterie gefunden, welche den Prinzen des Hauses Lothringen eigen zu sein pflegte und welcher auch ihre Brüder Joseph und Leopold in so hohem Grade huldigten.



Joseph sprach fortwährend, ohne Jemanden Zeit zu lassen, ihm zu antworten, und Leopold besaß alle Eigenschaften eines echten Schulmeisters.



So war auch die Königin. Sie besaß ein sehr fein gechriebenes kleines Manuscript, welches sie selbst gefertigt und welches die Meinungen der Philosophen von Pytagoras an bis auf Jean Jacques Rousseau enthielt. Wenn sie nun Männer zu empfangen hatte, auf welche sie einen gewissen Eindruck zu machen wünschte, so ging sie ihr Manuscript durch und brachte je nach Umständen einige der darin enthaltenen Maximen in der Conversation an.



Seltsamerweise befreundete sie sich, trotzdem sie gern den Freigeist spielte, mit dem Volksaberglauben, welchem die untergeordneten Classen der Bevölkerung von Neapel huldigen.



Wir wollen hier zwei Beispiele von diesem Aberglauben anführen.



Wir haben in dem Buche, welches wir schreiben, nicht blos Könige, Prinzen, Höflinge, Männer, welche ihr Leben einem Princip opfern, und Männer, welche alle Principien dem Gold und königlichen Gunstbezeigungen nachsetzen, sondern auch ein bewegliches, abergläubisches, unwissendes, rohes Volk zu schildern.



Sagen wir daher, mit Hilfe welcher Mittel dieses Volk aufgewiegelt oder beschwichtigt wird.

 



Der Ocean wird durch den Sturm aufgewühlt, das Volk von Neapel dagegen durch den Aberglauben.



Es gab in Neapel eine Frau, welche man die

Steinheilige

 nannte. Sie behauptete nämlich, ohne irgendwie krank zu sein, alle Tage eine gewisse Quantität kleine Steine von sich zu geben, welche sie als Reliquien an Die vertheilte, welche ihr Glauben schenkten.



Diese Steine besaßen trotz des Weges, auf welchem sie ans Licht gelangten, die Kraft, Wunder zu thun und machten nach kurzer Zeit schon den Reliquien der angesehensten Heiligen von Neapel eine bedenkliche Concurrenz



Diese angebliche Heilige war, obschon nicht krank auf Verlangen ihres Beichtvaters und ihres Arztes in große Hospital der Pellegrini zu Neapel gebracht worden wo sie dieselbe Kost bekam wie die Directoren und schönste Zimmer des Hauses bewohnte.



Nachdem sie hier einmal festen Fuß gefaßt, spielt mit stillschweigender Begünstigung der Aerzte, die dabei ihre Rechnung fanden, die Komödie mit dem Verkauf wunderthätigen Steine in großem Maßstabe weiter.



Wir haben jedoch Unrecht, wenn wir von

Verkauf

 sprechen. Nein, verkauft wurden die Steine nicht, sondern verschenkt. Die Heilige, welche ein Gelübde gethan, niemals gemünztes Geld anzurühren, nahm Kleidungsstücke Schmucksachen, mit einem Worte Geschenke aller Art, tiefster Demuth an.



Dieser kleine Handel, welcher in jedem anderen Lande als Neapel die angebliche Heilige vor das Zuchtpolizeigericht geführt hätte, war in Neapel blos ein Wunder mehr, weiter nichts.



Die Königin ward eine der eifrigsten Anhängerin der Steinheiligen. Sie schickte ihr Geschenke und schrieb sogar an sie – die Königin war überhaupt sehr sehr selig – um sie ihren Gebeten zu empfehlen, von welcher die Erfüllung ihrer Wünsche hoffte.



Man begreift, daß von dem Augenblick an, wo man die Königin in eigener Person, und zwar eine philosophie Königin, zu der Heiligen ihre Zuflucht nehmen sah, Zweifel, wenn es deren noch gab, schwanden oder wenigstens zu schwinden schienen.



Nur die Wissenschaft blieb ungläubig.



Nun ward die Wissenschaft, wir meinen die Wissenschaft der Medicin, zu jener Zeit durch jenen Dominico Cirillo repräsentiert, welchen wir im Palast der Königin Johanna während jener stürmischen Nacht gesehen, wo der Abgesandte Championnets mit so großer Mühe den Felsen erstieg, auf welchem jener Palast steht.



Dominico Cirillo, ein Mann des Fortschritts, welcher wünschte, daß sein Vaterland der Bewegung der Erde folge, woran es nicht theilzunehmen schien, erklärte, es sei eine Schmach für Neapel, daß es in dem Augenblick, wo so viele große Geister für die Aufklärung der Menschheit thätig waren, sich diese Komödie vorspielen lasse, die kaum würdig wäre, in der Nacht des zwölften oder dreizehnten Jahrhunderts aufgeführt zu werden.



Er suchte deshalb vor allen Dingen den Arzt auf, welcher mit der Heiligen im Einverständniß war, und versuchte ihm das Geständniß abzupressen, daß dem wirklich so sei.



Der Arzt versicherte, es handle sich hier in der That um ein Wunder.



Dominico Cirillo erbot sich, wenn er die Wahrheit sagen wollte, ihn persönlich für den Verlust zu entschädigen, welcher das Bekanntwerden der Wahrheit für ihn zur Folge haben würde.



Der Arzt beharrte bei seiner Behauptung.



Cirillo sah, daß er, anstatt eines Betrügers, deren zwei zu entlarven haben würde.



Er verschaffte sich mehrere der von der Heiligen ausgeworfenen Steine, untersuchte sie und überzeugte sich, daß sie aus einfachen am Meeresstrande aufgelesenen Kieseln, aus verhärteter Kalkerde oder aus Bimssteinen befand Keiner gehörte zur Gattung derjenigen, welche sich in so der Stein- oder Grieskrankheit in dem menschlichen Körper bilden können.



Der Gelehrte machte mit seinen Steinen in der Hand bei dem betreffenden Arzte einen abermaligen Versuch, Arzt blieb aber auch jetzt noch bei seiner Behauptung, das hier ein Wunder zu Grunde liege.



Cirillo sah ein, daß der Sache durch ein eclatantes öffentliches Verfahren ein Ende gemacht werden müsse.



Da sein Talent und seine Autorität in Sachen Medicin sämmtliche Hospitäler gewissermaßen seiner Jurisdiction unterstellten, so erschien er eines schönen Morgens in Begleitung mehrerer anderer Aerzte und Chirurgen, er zu diesem Zwecke aufgefordert, plötzlich in dem großen Hospital, trat in das Zimmer der Heiligen und untersuchte ihr Product von der vergangenen Nacht.



Sie hatte vierzehn Steine zur Verfügung der Gläubigen zu stellen.



Cirillo ließ sie einschließen und zwei oder drei Tage lang bewachen. Sie fuhr fort ihrer Gewohnheit gemäß Steine zu Tage zu fördern.



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