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La San Felice

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Die Zeit, welche Luisas Schicksal entscheiden sollte, nahte heran und Luisa beharrte trotz aller Verführung, von der sie umringt war, auf ihrem Entschluß, das ihrem Vater gegebene Versprechen zu halten.

San Felice wollte ihr nun genaue Rechnung über ihr ganzes Vermögen ablegen, um es von dem einigen zu trennen und damit Luisa, obschon seine Gattin, vollständig Herrin desselben wäre.

Er bat deshalb die Bankiers Backer, bei welchen die ursprüngliche Summe von fünfzigtausend Ducaten vor fünfzehn Jahren angelegt worden, ihm, wie die Bankiers es nennen, ein Situations-Conto aufzustellen.

André Backer, ältester Sohn von Simon Backer, erschien demgemäß bei San Felice mit allen Papieren, welche diese Capitalanlage betrafen.

Obschon Luisa an allen diesen geschäftlichen Einzelheiten kein großes Interesse nahm, so wollte San Felice doch, daß sie dieser Unterredung beiwohne.

André Backer hatte sie niemals in der Nähe gesehen und ward jetzt von ihrer wunderbaren Schönheit mächtig ergriffen.

Unter dem Vorwand, daß ihm noch mehrere Papiere fehlten, erneuete er seinen Besuch und erklärte endlich seinem Clienten, daß er sich sterblich in seine Mündel verliebt habe.

Er könne, sagte er, wenn er sich verheiratete, aus dem Hause seines Vaters eine Million entnehmen und die fünfhunderttausend Francs Luisa's, wenn sie einwillige seine Gattin zu werden, in Zukunft selbst verwalten. Binnen einigen Jahren werde er dieses Vermögen verdoppelt, vervierfacht, versechsfacht haben. Luisa würde dann eine der reichsten Frauen von Neapel sein. Sie könne dann am Eleganz mit der höchsten Aristokratie wetteifern und die vornehmsten Damen durch ihren Luxus verdunkeln, wie sie dieselben jetzt schon durch ihre Schönheit in den Schatten stelle.

Luisa ließ sich aber durch diese glänzende Perspective durchaus nicht blenden und San Felice, der stolz darauf war zu sehen, wie Luisa um seinetwillen in Moliterno auf Glanz des Namens, in Rocca Romana auf Geist und Eleganz und in André Backer auf Reichthum und Luxus verzichtet hatte, lud den Sohn des reichen Bankiers ein, sein Haus zu besuchen, so oft es ihm beliebe, aber nur unter der Bedingung, daß er gänzlich darauf verzichte, es wieder als Bewerber um Luisa's Hand zu betreten.

Endlich, nachdem die von San Felice selbst festgesetzte Frist am 14. November 1795, dem Jahrestage des von ihm dem sterbenden Fürsten Caramanico gegebenen Versprechens, abgelaufen war, wurden San Felice und Luisa Molina einfach, ohne allen Pomp, nur in Gegenwart des Prinzen Francesco, welcher seinem künftigen Bibliothekar als Zeuge dienen wollte, in der Kirche von Pie di Grotta vermählt.

Unmittelbar nachdem die Vermählung vollzogen war, bat Luisa ihren Gatten, sein Haus wieder ganz auf den Fuß zurückzuversetzen, auf welchem es vorher gestanden, denn sie wünschte mit ihm ganz in derselben einfachen Weise zu leben, in welcher sie mit ihm schon vierzehn Jahre lang gelebt.

Der Kutscher und der Kammerdiener wurden deshalb verabschiedet, der Wagen und die Pferde verkauft.

Man behielt blos noch das Kammermädchen Nina, welches seiner Herrin mit aufrichtiger Anhänglichkeit ergeben zu sein schien.

Die alte Wärterin, welche sich fortwährend nach ihrem Portici gesehnt, ward pensioniert und kehrte erfreut dahin zurück, wie ein Verbannter, der in sein Vaterland zurückgekehrt.

Von allen Bekannten, welche Luisa während der neun Monate erworben, welche sie sich in der Welt bewegte, behielt sie nur eine einzige Freundin.

Diese war die Herzogin Fusco, eine reiche Wittwe, die, wie wir schon bemerkt, höchstens zehn Jahre älter war als Luisa und welcher selbst die geübteste Schmähsucht nichts nachzusagen wußte, ausgenommen, daß sie sich vielleicht ein wenig zu laut und zu frei über die politischen Maßnahmen der Regierung und das Privatleben der Königin aussprach.

Es dauerte nicht lange, so waren die beiden Freundinnen unzertrennlich.

Die beiden Häuser waren früher ein einziges gewesen und blos in Folge einer Erbschaftsrücksicht getheilt worden. Man kam überein, daß, damit man sich ungehindert zu jeder Stunde des Tages und der Nacht sehen könnte, die alte Verbindungsthür, welche seit jener Erbschaftstheilung verschlossen gewesen, wieder geöffnet würde.

Man setzte den Chevalier San Felice von diesem Vorhaben in Kenntniß und dieser ließ, weit entfernt, in die Wiedereröffnung einen Uebelstand zu sehen, vielmehr sofort die deshalb nöthigen Arbeiten bewirken. Nichts konnte ihn für seine junge Frau erwünschter sein, als eine Freundin von dem Range, dem Alter und dem Rufe der Herzogin Fusco.

Von nun an waren die beiden Frauen unzertrennlich.

Ein ganzes Jahr verging in dem vollkommensten Erdenglücke. Luisa war nun einundzwanzig Jahre alt und vielleicht wäre ihr Leben in dieser heiteren, beseligenden Ruhe verflossen, wenn nicht einige unkluge Worte, welche die Herzogin Fusco über Emma Lyonna fallen gelassen, der Königin hinterbracht worden wären.

In Bezug auf ihre Favoritin aber verstand Caroline keinen Scherz und die Herzogin Fusco ward von Seiten des Polizeiministers aufgefordert, einige Zeit auf ihren Gütern zuzubringen.

Sie hatte eine ihrer Freundinnen mitgenommen, welche ebenfalls compromittiert war und Eleonora Fonseca Pimentel hieß. Diese war angeklagt, nicht blos gesprochen, sondern auch geschrieben zu haben.

Die Zeit, welche die Herzogin Fusco in der Verbannung zubringen sollte, war unbestimmt. Eine von demselben Minister ausgehende Notiz sollte ihr melden, daß es ihr erlaubt sei, nach Neapel zurückzukommen.

Sie reiste nach der Basilicata, wo ihre Güter lagen, und übergab Luisa sämmtliche Schlüssel ihres Hauses, damit in ihrer Abwesenheit ihre Freundin jene tausenderlei Verrichtungen bewirken lassen könne, welche die Instandhaltung eines kostbaren und eleganten Mobiliars nöthig macht.

Luisa war nun allein.

Der Prinz Francesco hatte große Freundschaft zu seinem Bibliothekar gefaßt und da er in ihm unter der Hülle eines Weltmannes eine ebenso umfangreiche als tiefe Gelehrsamkeit fand, so konnte er seiner Gesellschaft, welcher er vor der feiner Höflinge den Vorzug gab, nicht mehr entbehren.

Der Prinz Francesco besaß einen sanften, schüchternen Charakter, dem die Furcht später eine außerordentliche Verstellungsgabe lieh.

Erschreckt durch die politischen Gewaltthätigkeiten seiner Mutter, welche er immer unpopulärer werden sah, während er zugleich den Thron unter seinen Füßen wanken fühlte, wollte er die Popularität, deren die Königin verlustig ging, dadurch für sich gewinnen, daß er der von der neapolitanischen Regierung befolgten Politik völlig fremd, ja selbst feindlich erschiene.

Die Wissenschaft bot ihm eine Zuflucht. Er machte sich aus seinem Bibliothekar einen Schild und schien vollständig in eine archäologischen, philologischen und geologischen Studien versenkt, ohne jedoch deshalb den Gang der täglichen Ereignisse, welche nach seiner Meinung einer Katastrophe entgegendrängten, aus den Augen zu verlieren.

Er machte daher jene geschickte, versteckte und freisinnige Opposition, welche unter despotischen Regierungen die Erben der Krone in der Regel zu machen pflegen.

Während dies Alles geschah, hatte der Prinz sich ebenfalls vermählt und mit großem Pomp jene junge Erzherzogin Marie Clementine nach Neapel heimgeführt, deren Melancholie und Blässe an diesem Hofe dieselbe Wirkung äußerten wie in einem Garten eine Nachtblume, welche stets bereit ist, sich den Strahlen der Sonne zu verschließen.

Der Prinz hatte San Felice dringend aufgefordert, seine Gattin mit zu den Festen zu bringen, welche bei Gelegenheit seiner Vermählung stattgefunden. Luisa aber, die von ihrer Freundin, der Herzogin Fusco, über die Sittenverderbniß dieses Hofes sehr genau unterrichtet war, hatte ihren Gatten gebeten, sie von jedem Erscheinen im Palast zu entheben.

Ihr Gatte, der nichts inniger wünschte als seine Gattin ihr keusches Gynäceum allen andern Orten vorziehen zu sehen, hatte sie entschuldigt, so gut er konnte.

War die Entschuldigung als triftig betrachtet worden? Dies wußte man nicht, wenigstens aber hatte man sich damit begnügt.

Seit beinahe einem Jahre aber war, wie wir schon gesagt, die Herzogin Fusco abgereist und Luisa sah sich allein. Die Einsamkeit ist die Mutter der Träume und während Luisa so allein, ihr Gatte im Palast beschäftigt und ihre Freundin in die Verbannung geschickt war, hatte sie begonnen zu träumen.

Worüber, das wußte sie selbst nicht. Ihre Träume hatten keinen Kern und wurden von keinem Phantom bevölkert. Es war ein süßes, berauschendes Streben nach dem Unbekannten. Es mangelte ihr nichts, sie wünschte nichts und dennoch fühlte sie eine seltsame Leere, deren Sitz wenn nicht in ihrem Herzen, doch wenigstens schon in der Nähe desselben war.

Sie sagte bei sich selbst, daß ihr Gatte, der ja Alles wußte, ihr ganz gewiß eine Erklärung dieses für sie so neuen Zustandes geben könne.

Aber sie wußte nicht, warum sie lieber gestorben wäre, als sich an ihn gewendet hätte, um sich über diesen Punkt Aufklärung zu verschaffen.

In dieser Gemüthstimmung befand sie sich eines Tages, als ihr Milchbruder Michele kam und ihr von der albanesischen Wahrsagerin erzählte.

Nach einigem Zögern befahl sie ihm, ihr diese Frau den nächsten Tag Abends zuzuführen, weil ihr Gatte wahrscheinlich bis spät in die Nacht hinein am Hofe durch die Festlichkeiten zurückgehalten werden würde, welche man dort zu Ehren Nelsons und des Sieges gab, den er über die Franzosen erfochten.

Wir haben gesehen, was während dieses Abends auf drei verschiedenen Punkten – in dem englischen Gesandtschaftshotel, in dem Palast der Königin Johanna und im Palmbaumhaus – vorging und wie die Wahrsagerin, durch Michele in dieses Haus eingeführt, sei es nun aus Zufall oder aus Scharfsinn, oder aus wirklicher Kenntniß der geheimmißvollen Wissenschaft, welche unter dem Namen der Kabbala aus dem Mittelalter bis auf unsere Tage gelangt ist, in dem Herzen der jungen Frau gelesen und ihr die Veränderung vorhergesagt hatte, welche das nahe Erwachen der Leidenschaften in diesem noch so keuschen und makellosen Herzen hervorrufen sollte.

 

Das Ereigniß war, sei es Zufall, sei es Verhängniß, der Vorhersagung dicht auf dem Fuße gefolgt.

Durch ein unwiderstehliches Gefühl zu dem Manne hingetrieben, dem ihr schnelles Erscheinen wahrscheinlich das Leben gerettet, floh sie, wie wir gesehen haben, weil sie zum ersten Male ein Geheimniß für sich allein hatte, die Nähe ihres Gatten, stellte sich schlafend, empfing auf ihre jetzt von so unruhigen Gedanken erfüllte Stirn den ruhigen Gattenkuß, und erhob sich, sobald San Felice das Zimmer verlassen hatte, verstohlen mit nackten Füßen, um mit angstvollem Herzen und unruhigem Blick den über dem Bett des Verwundeten schwebenden Tod zu befragen.

Lassen wir sie mit den Zuckungen einer keimenden Liebe im Herzen am Bett des tödtlich Verwundeten wachen, und sehen wir, was am Tage nach dem, wo der Gesandte Frankreichs den Gästen Sir Willam Hamiltons jenes furchtbare Lebewohl zugerufen, im Cabinetsrath des Königs Ferdinand vorging.

Fünftes Capitel.
Der König

Wenn wir anstatt einer Erzählung historischer Ereignisse, welchen die Wahrheit ein um so furchtbareres Gepräge aufdrückt und welche überdies einen unauslöschlichen Platz in den Annalen der Weltgeschichte eingenommen, blos einen Roman von zwei bis dreihundert Seiten in der Absicht schreiben wollten, einer frivolen Leserin oder einem blasierten Leser durch eine Reihenfolge mehr oder weniger malerischer Abenteuer oder aus unserer Phantasie hervorgegangener, mehr oder weniger dramatischer Ereignisse einige Zerstreuung zu bieten, so würden wir, dem Grundsatz des lateinischen Dichters folgend und der Entwicklung zueilend, unsern Leser oder unsere Leserin sofort den Berathungen jenes Cabinetsraths, zu welchem der König Ferdinand sich einfand, und bei welchem die Königin Caroline den Vorsitz führte, beiwohnen lassen, ohne uns erst die Mühe zu nehmen, sie genauer mit den beiden Souveränen bekannt zu machen, von welchen wir in unserem ersten Capitel einen flüchtigen Schattenriß angedeutet haben.

Wir sind aber überzeugt, daß unsere Erzählung dann allerdings an raschem Gang gewinnen, dagegen an Interesse verlieren würde, denn je besser man die Personen, welche man agieren sieht, kennt, desto größer ist nach unserer Ansicht das Interesse, welches man an ihren guten oder schlimmen Thaten nimmt.

Uebrigens haben die seltsamen Persönlichkeiten, welche wir in den beiden gekrönten Helden dieser Geschichte in den Vordergrund treten zu lassen haben, so viele bizarre Seiten, daß gewisse Stellen unserer Erzählung unglaublich oder unverständlich sein würden, wenn wir nicht hier einen Augenblick Halt machten, um unsere in großen Strichen hingeworfenen Skizzen in zwei sorgfältig ausgeführte Oelporträts zu verwandeln, welche, wie wir im Voraus versprechen, mit den offiziellen Abbildungen von Königen und Königinnen, welche die Minister des Innern an die Hauptorte der Departements und der Cantons schicken, damit man dort die Präfekturen und die Mairien damit verziere, durchaus nichts gemein haben werden.

Gehen wir daher in Bezug auf die Dinge oder vielmehr auf die Personen noch ein wenig weiter zurück.

Der im Jahre 1759 erfolgte Tod Ferdinands des Sechsten rief seinen jüngsten Bruder, welcher in Neapel regierte, auf den spanischen Thron, auf welchem er ihm unter dem Namen Carl der Dritte folgte.

Carl der Dritte hatte drei Söhne.

Der erste hieß Philipp und wäre bei der Thronbesteigung seines Vaters Prinz von Asturien und ein Erbe der spanischen Krone geworden, wenn nicht die schlechte Behandlung, die er von seiner Mutter erfuhr, ihn wahnsinnig oder vielmehr blödsinnig gemacht hatte.

Der zweite Namens Carl füllte die durch die Umverwendbarkeit seines ältesten Bruders entstandene Lücke aus und regierte unter dem Namen Carl der Vierte.

Der dritte endlich hieß Ferdinand und sein Vater hinterließ ihm die Krone von Neapel, welche er mit der Schärfe des Schwertes gewonnen und die er gleichwohl gezwungen war, wieder aufzugeben.

Der junge Prinz, welcher, als sein Vater nach Spanien abging, sieben Jahre zählte, ward unter eine doppelte Vormundschaft, eine politische und moralische, gestellt.

Sein politischer Vormund war Tanucci, Regent des Königreichs; ein moralischer Vormund war der Fürst von San Nicandro, sein Lehrer.

Tanucci war ein feiner, schlauer Florentiner, welcher den ausgezeichneten Platz, den er in der Geschichte einnimmt, nicht seinem eigenen großen persönlichen Verdienst, sondern dem geringen Verdienst der Minister, welche auf ihn folgten, verdankt. Groß an und für sich betrachtet, würde er doch zu einer sehr gewöhnlichen Erscheinung zusammenschrumpfen, wenn man ihn mit einem Colbert oder auch nur mit einem Louvois vergliche.

Was den Fürsten von Nicandro betraf, welcher, wie man versicherte, von der Mutter Ferdinands, der Königin Marie Amelie,4 derselben Fürstin, welche ihren ältesten Sohn durch schlechte Behandlung blödsinnig gemacht, das Recht gekauft hatte, aus ihrem dritten Sohn, wenn auch nicht einen Blödsinnigen, doch einen Ignoranten zu machen, und der, wie man versicherte, dieses Recht mit dreißigtausend Ducaten bezahlt hatte, so war er der reichste, der bornierteste und verderbteste der Höflinge, welche gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts den Thron der beiden Sicilien umschwärmten.

Man fragt sich, wie ein solcher Mann selbst mit Hilfe von Geld dazu gelangen konnte, Lehrer eines Fürsten zu werden, der einen so intelligenten Mann wie Tanucci zum Minister hatte.

Die Antwort hierauf ist sehr einfach. Taunucci, welcher Regent des Königreichs, das heißt, eigentlicher Regent beider Sicilien war, sah es gar nicht ungern, wenn diese Regentschaft auch über die Volljährigkeit eines vornehmen Mündels hinaus verlängert ward.

Als Florentiner hatte er das Beispiel der Florentinerin Katharina von Medicis vor Augen gehabt, welche nach der Reihe unter Franz dem Zweiten, Carl dem Neunten und Heinrich dem Dritten regiert hatte.

Nun konnte es ihm aber nicht fehlen, unter oder über Ferdinand, wie man will, zu regieren, wenn es dem Fürsten von San Nicandro gelang, aus seinem Zöglinge einen Fürsten zu machen, der eben so unwissend und eine eben so große Null war, wie sein Lehrer.

Wenn dies wirklich Tanuccis Wunsch war, so muß man sagen, daß der Fürst von San Nicandro ihm bereitwilligt entgegenarbeitete. Ein deutscher Jesuit war beauftragt, den König im Französischen zu unterrichten, was dieser aber niemals lernte, und da man es nicht angemessen fand, ihn italienisch zu lehren, so war die Folge davon die, daß er zur Zeit seiner Vermählung weiter nichts sprechen konnte als das Patoisde Lazzaroni, welches er von seiner Dienerschaft und den Kindern aus dem Volke gelernt, welche man zu seiner Zerstreuung zu ihm kommen ließ.

Marie Caroline brachte ihn so weit, daß er sich dieser Unwissenheit schämte, lehrte ihn lesen und schreiben, was er bis jetzt so gut wie nicht gekonnt, und ließ ihn ein wenig im reinen Italienisch unterrichten. In seinen gut gelaunten oder zärtlichen Augenblicken nannte er sie daher auch nicht anders als »meine liebe Schulmeisterin«, indem er auf diese Weise auf die Elemente seiner Erziehung anspielte, welche sie zu vervollständigen gesucht hatte.

Wünscht man ein Beispiel von der Beschränktheit des Fürsten von San Nicandro zu hören? Wir wollen eins erzählen.

Eines Tages fand der würdige Lehrer in Ferdinands Händen die »Memoiren Sullys, welche der junge Prinz zu entziffern suchte, weil er gehört, daß er von Heinrich dem Vierten abstamme und daß Sully Minister Heinrich des Vierten gewesen sei. Das Buch ward ihm sofort weggenommen und dem Unvorsichtigen, der ihm dieses schlechte Buch geliehen, ein scharfer Verweis ertheilt. Wir erwähnen diese erste Erziehung ganz besonders deshalb, damit man dem König Ferdinand für die tadelnswerthen Handlungen, die man ihn im Laufe dieser Erzählung begehen sehen wird, keine schwerere Verantwortlichkeit aufbürde, als die Gerechtigkeit gestattet.

Nachdem wir diesen ersten Punkt der historischen Unparteilichkeit festgestellt, wollen wir sehen, wie es eigentlich mit dieser Erziehung aussah.

Das Gewissen des Fürsten von San Nicandro begnügte sich nicht mit der tröstlichen Ueberzeugung, daß er, da er selbst nichts wußte, seinem Zöglinge auch nichts lehren konnte, sondern um ihn in einer ewigen Kindheit zu erhalten, während doch zugleich die physischen Eigenschaften, womit die Natur ihn begabt, durch tüchtige Leibesübungen entwickelt würden, entfernte er von ihm Alles – Mensch oder Buch – was in seinem Gemüthe das mindeste Licht über das Schöne, über das Gute und über das Wahre verbreiten konnte.

Der König Carl der Dritte war wie Nimrod ein großer Jäger vor dem Herrn. Der Fürst von San Nicandro that Alles, was in seinen Kräften stand, damit wenigstens in dieser Beziehung der Sohn in die Fußstapfen des Vaters träte. Deshalb setzte er alle tyrannischen Jagdgesetze, die selbst unter Carl dem Dritten außer Anwendung gekommen waren, wieder in Kraft. Die Wilddiebe wurden mit Gefängniß, Kettentragen und selbst mit der Wippe bestraft.

Man bevölkerte die königlichen Forsten wieder mit Hochwild. Man vervielfältigte die Aufseher, und damit die Jagd, dieses anstrengende Vergnügen, den jungen Fürsten nicht zu sehr ermüde und damit er während der dadurch nöthig gemachten Erholungszeit nicht auf den allerdings nicht wahrscheinlich, aber doch immer möglichen Gedanken verfiele, irgendeine Wissenschaft studieren zu wollen, brachten seine Lehrer ihm Geschmack am Fischfang, einem ruhigen bürgerlichen Vergnügen, bei, welches nach dem anstrengenden und königlichen Vergnügen der Jagd zur Erholung dienen konnte.

Eins von den Dingen, welche den Fürsten von San Nicandro in Bezug auf die Zukunft des Volkes, über welches sein Zögling zu regieren berufen war ganz besonders beunruhigten, war, daß dieser ein von Natur sanftes und gutes Gemüth besaß. Es war deshalb dringend nöthig, diese beiden Eigenschaften in dem Herzen eines jungen Königs nicht Wurzel fassen zu lassen.

Der Fürst von San Nicandro schlug zu diesem Zwecke folgenden Weg ein.

Er wußte, daß der älteste Bruder seines Zöglings, der, welcher Prinz von Asturien geworden und seinem Vater nach Spanien gefolgt war, während seines Aufenthaltes in Neapel es sich zum großen Vergnügen gemacht hatte, lebendigen Kaninchen die Haut abzuziehen.

Der Fürst suchte auch Ferdinand Geschmack an diesem Zeitvertreib beizubringen, der arme Knabe legte aber dagegen einen solchen Widerwillen an den Tag, daß San Nicandro beschloß, ihn die armen Thiere blos todtschlagen zu lassen.

Um diesem Vergnügen den Reiz der überwundenen Schwierigkeit zu geben, und da man aus Furcht, er werde sich selbst verletzen, einem acht- oder neunjährigen Knaben noch kein Schießgewehr in die Hand geben konnte, so trieb man vierzig bis fünfzig Stück im Netz gefangene Kaninchen in einem Hofe zusammen und jagte sie durch eine in einer Thür angebrachte Oeffnung, hinter welcher der junge König mit einem Stocke stand, und die an ihm vorbeirennenden Thiere erlegte oder fehlte.

Ein anderes Vergnügen, an welchem der Zögling des Fürsten von San Nicandro nicht weniger Geschmack fand, war das, daß er Thiere auf Tüchern prellen ließ. Leider kam er eines Tages auf die unglückliche Idee, einen der Jagdhunde des Königs, seines Vaters, prellen zu lassen, was einen strengen Verweis und das unbedingte Verbot zur Folge hatte, jemals wieder einen dieser edlen Vierfüßler zu behelligen.

Als König Carl der Dritte nach Spanien abgereist war, sah der Fürst von San Nicandro kein Hinderniß mehr, seinem Zögling die verlorene Freiheit zurückzugeben und dieselbe sogar von den Vierfüßlern auf die Zweifüßler zu erstrecken.

So sah er eines Tages, als Ferdinand Ball schlug, unter denen, welche ihm bei diesem edlen Spiel zusahen, einen magern, weißgepuderten und mit einem geistlichen Gewand bekleideten jungen Mann.

Ihn sehen und den unwiderstehlichen Wunsch, ihn prellen zu lassen, empfinden, war das Werk eines Augenblickes.

 

Ferdinand sagte einem der zum Empfang seiner Befehle bereit stehenden Lakai einige Worte ins Ohr. Der Lakai eilte nach dem Schlosse – der Vorfall ereignete sich in Portici – und kehrte mit einem großen Tuch zurück. Sobald dieses zur Stelle gebracht war, verließen der König und drei Spieler das Spiel, ließen den bezeichneten jungen Mann von dem Lakai packen, auf das Tuch, welches sie an den vier Zipfeln hielten legen, und prellten ihn unter dem Gelächter der Zuschauer und dem Beifallsgeschrei des gemeinen Volkes.

Der junge Mann, welchem diese Schmach zugefügt ward, war der jüngste Sohn einer edlen florentinischen Familie. Die Scham, die er darüber empfand, auf diese Weise dem Prinzen zum Spielwerk und dem Pöbel und Lakaientroß zum Gelächter gedient zu haben, war so groß, daß er Neapel noch denselben Tag verließ, nach Rom ging, hier gleich nach seiner Ankunft erkrankte und nach Verlauf von wenigen Tagen starb.

Der Hof von Toscana beschwerte sich bei den Cabineten von Neapel und Madrid, der Tod eines kleinen Abbé und jüngeren Sohnes war aber von zu geringer Bedeutung, als daß durch den Vater des Schuldigen oder den Schuldigen selbst irgendwelche Genugthuung gegeben worden wäre.

Man begreift, daß der König, als Kind gänzlich mit dergleichen Vergnügungen beschäftigt, sich in der Gesellschaft unterrichteter Leute langweilte und als junger Mann sich derselben schämte.

Er verbrachte deshalb seine ganze Zeit theils auf der Jagd, theils beim Fischfang oder damit, daß er Kinder seines Alters exercieren ließ, indem er sie im Hofe des Schlosses versammelte und mit Besenstielen bewaffnete, Sergeanten, Lieutenants und Capitäne ernannte und die, welche schlecht exercirten oder schlecht commandierten, mit seiner Peitsche durchhieb.

Trotz dieser mangelhaften Erziehung bewahrte der König doch einen gewissen gesunden Menschenverstand, welcher, wenn er nicht in entgegengesetzter Richtung beeinflußt ward, ihn zum Rechten und Wahren führte.

In der ersten Hälfte seines Lebens, nämlich vor der französischen Revolution und so lange er nicht das Eindringen dessen, was er die schlechten Grundsätze nannte, fürchtete, weigerte er sich niemals, Aemter oder Pensionen den Männern zu verleihen, welche ihm als verdienstvoll empfohlen wurden.

Obschon er selbst nur das Patois des Hafendammes sprach, so war er doch für eine erhabene und beredte Sprache durchaus nicht unempfindlich.

Eines Tages gelang es einem Barfüßermönch, Namens Pater Fosco, der von den Mönchen seines Klosters verfolgt ward, weil er gelehrter und ein besserer Prediger war als diese, bis vor den König zu kommen; er warf sich ihm zu Füßen und erzählte ihm, was er von der Eifersucht und Unwissenheit seiner Collegen zu leiden hatte.

Der König ließ, betroffen von der Eleganz seiner Worte und der Energie seiner Ausdrucksweise, ihn lange sprechen und antwortete dann endlich:

»Laßt mir euren Namen da und kehrt in euer Kloster zurück. Ich gebe Euch mein Ehrenwort, daß Ihr das erste erledigte Bisthum erhalten sollt.«

Das erste Bisthum, welches zur Erledigung kam, war das von Monopoli in der Provinz Bari am adriatischen Meere.

Der Gewohnheit gemäß präsentierte der Großalmosenier dem König drei Candidaten, die sämmtlich aus vornehmen Familien bestanden.

Der König Ferdinand schüttelte jedoch den Kopf und sagte:

»Seitdem Ihr beauftragt seid, Candidaten zu präsentiren, habt Ihr mich veranlaßt, sehr viele Bischofsmützen an Esel zu verleihen, für welche ein Packsattel weit angemessener gewesen wäre. Heute beliebt es mir, einen Bischof nach meiner Façon zu machen. Ich hoffe, daß er besser sein wird als alle, welche Ihr mir aufs Gewissen geladen und wegen deren Ernennung ich Gott und den heiligen Januarius um Verzeihung bitte.«

Und die drei Namen durchstreichend, schrieb er den des Pater Fosco hin.

Pater Fosco ward auf diese Weise, wie Ferdinand vorausgesehen, einer der ausgezeichnetsten Bischöfe des Königreichs und als eines Tages Jemand, der ihn predigen gehört, gegen den König nicht blos die Beredsamkeit, sondern auch den musterhaften Lebenswandel des ehemaligen Barfüßermönchs lobte, antwortete Ferdinand:

»Ich würde immer auf diese Weise wählen, bis jetzt habe ich aber nur einen einzigen verdienstvollen Mann unter den Leuten der Kirche kennen gelernt. Der Großalmosemier bringt allemal nur Esel in Vorschlag. Freilich aber kennt der arme Mann Niemanden weiter als seine Stallgenossen.«

Ferdinand gab zuweilen Beweise von einer Gutmüthigkeit und Leutseligkeit, welche an die seines Ahns Heinrichs des Vierten erinnerte.

Eines Tages, als er in Uniform im Park von Caserta spazieren ging, näherte sich ihm eine Bäuerin und sagte zu ihm:

»Man hat mir versichert, mein Herr, daß der König oft in dieser Allee spazieren ginge. Wissen Sie vielleicht, ob ich Aussicht habe, ihm heute hier zu begegnen?«

»Gute Frau,« antwortete Ferdinand, »wann der König hier vorüberkommen wird, kann ich Euch nicht sagen, wenn Ihr aber etwas bei ihm anzubringen habt, so kann ich es ihm mittheilen, weil ich Dienst bei ihm habe.«

»Nun denn,« sagte die Frau, »die Sache ist die. Ich habe einen Prozeß und da ich als arme Witwe dem Berichterstatter beim Spruchgericht kein Geschenk machen kann, so hat dieser die Sache schon seit drei Jahren liegen lassen.«

»Habt Ihr darüber eine Bittschrift aufsetzen lassen?«

»Ja, mein Herr, hier ist sie.«

« »Gebt sie mir und kommt morgen zu derselben Stunde wieder. Ich werde sie Euch, mit der Randbemerkung des Königs versehen wieder zurückgeben.«

»Und ich,« sagte die Witwe, »ich habe blos drei fette Truthühner, wenn Sie aber dies für mich thun, so gehören die drei Truthühner Ihnen.«

»Nun dann kommt morgen mit euren drei Truthühnern wieder, gute Frau, und eure Bittschrift soll erledigt werden.«

Die Witwe fand sich pünktlich ein, aber nicht pünktlicher als der König selbst. Ferdinand hatte die Bittschrift in der Hand, die Frau die drei Truthühner. Er nahm die drei Hühner und die Frau die Bittschrift in Empfang.

Während der König die Hühner betastete, um zu sehen, ob sie wirklich so fett wären, wie die Frau gesagt, schlug die gute Frau die Bittschrift auseinander, um zu sehen, ob dieselbe wirklich mit der Randbemerkung des Königs versehen wäre.

Jedes hatte treulich Wort gehalten. Die Frau entfernte sich nach ihrer Richtung, der König nach der seinigen.

Der König trat in das Zimmer der Königin, während er seine drei Hühner an den Pfoten festhielt. Da Marie Caroline das sich in den Händen ihres Gemahls sträubende Geflügel mit verwundertem Blick betrachtete, sagte er:

»Nun, meine liebe Schulmeisterin, Sie sagen immer, ich taugte zu nichts und würde, wenn ich nicht König wäre, nicht wissen, womit ich mein Brod verdienen sollte. Hier aber bringe ich drei Hühner, welche man mir für eine Unterschrift geschenkt hat.«

Und er erzählte der Königin das ganze Abenteuer.

»Die arme Frau!« sagte die Königin, als er mit seiner Erzählung fertig war.

»Warum arme Frau?«

»Weil sie ein schlechtes Geschäft gemacht hat. Glauben Sie denn, daß der Berichterstatter sich an Ihre Signatur kehren werde?«

»Daran habe ich auch gedacht,« sagte Ferdinand mit schelmischem Lächeln, »aber ich habe meine Idee.«

Die Königin hatte wirklich Recht. Die Empfehlung ihres Gemahls äußerte auf den Berichterstatter nicht die mindeste Wirkung und der Prozeß hatte keinen schnelleren Fortgang als vorher. Die Witwe kam wieder nach Caserta und da sie den Namen des Officiers, der ihr jenen Dienst geleistet, nicht kannte, so fragte sie nach dem Manne, welchem sie drei Truthühner gegeben.

Das Abenteuer war in weiteren Kreisen bekannt geworden und man meldete dem König, daß die Klägerin da sei.

Der König ließ sie eintreten.

»Nun, gute Frau,« sagte er zu ihr, »Ihr kommt wohl, um mir zu melden, daß euer Prozeß entschieden ist?«

»Nein, damit ist es nichts!« sagte sie. »Der König muß in keinem großen Ansehen stehen, denn als ich dem Berichterstatter meine Bittschrift mit der Randbemerkung Seiner Majestät übergab, sagte er: »Schon gut, schon gut; wenn der König so große Eile hat, so wird er es machen wie die Andern, nämlich warten. Wenn Sie daher, setzte die Bäuerin hinzu, »ein gewissenhafter Mann sind, so werden Sie mir meine drei Hühner zurückgeben oder wenigstens bezahlen.«

4Wir brauchen wohl nicht erst zu sagen, daß diese Königin Marie Amelie, obschon dieselben Vornamen tragend, mit der achtungswürdigen und geachteten Königin Marie Amelie, der Witwe des Königs Ludwig Philipp, nichts gemeinsam hat als die Verwandtschaft.
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