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La San Felice

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Zwölftes Capitel.

Der Kuß eines Ehemannes

Wenn die von Velasco mitgeheilte Nachricht auf Wahrheit beruhte, so war kein Augenblick zu verlieren, denn von Championnet's Gesichtspunkt aus konnte diese Abreise des Gesandten, die einer Kriegserklärung gleichkam, großes Unglück zur Folge haben. Salvato's Ankunft verhinderte vielleicht noch diese Abreise, indem sie den Bürger Garat bewog, noch zu temporisiren.



Jeder wollte Salvato nach dem französischen Gesandtschaftshotel begleiten, Salvato aber war mit Hilfe einer Erinnerung sowohl als eines Planes der Stadt recht wohl im Stande, sich allein zurechtzufinden und lehnte deshalb die ihm angebotene Begleitung hartnäckig ab.



Derjenige von den Verschworenen, welchen man mit ihm gesehen hätte, wäre, sobald der Zweck seiner Mission bekannt ward, verloren gewesen und die Beute der Polizei von Neapel oder das Ziel des Dolches der Sbirren der Regierung geworden.



Uebrigens brauchte Salvato nur dem Strand des Meeres zu folgen und sich stets links von demselben zu halten, um nach der französischen Gesandtschaft zu gelangen, welche sich in dem ersten Stockwerk des Palastes Caramanico befand.



Er lief deshalb nicht Gefahr, sich zu verirren. Die dreifarbige Fahne und die Fasces mit der Freiheitsmütze mußten ihm das Haus hinreichend kenntlich machen.



Aus Vorsicht sowohl als aus Freundschaft vertauschte er jedoch eine von dem Meerwasser naßgewordenen Pistolen gegen die Nicolinos, gürtete dann unter einem Mantel seinem Säbel um, den er aus dem Schiffbruch gerettet und welchen er kurz an den Carabinerhaken hing, um nicht durch das Klirren auf dem Steinpflaster verrathen zu werden.



Man kam überein, ihn zuerst fortgehen zu lassen. Zehn Minuten nach seinem Weggange sollten die sechs Verschworenen einer nach dem andern sich ebenfalls entfernen und jeder einzeln nach Hause zurückkehren.



Etwaige Verfolger oder Nachschleicher sollten dadurch von der Fährte abgebracht werden, daß man jenen Umwegen folgte, die in dem Labyrinth, welches unentwirrbarer ist als das der Insel Creta und welches man die Stadt Neapel nennt, so leicht zu vervielfachen sind.



Nicolino führte den jungen Adjutanten bis an die Thür und zeigte ihm die den Pausilippo hinabführende Straße und die noch hier und da in der Mergellina leuchtenden wenigen Lichter, indem er sagte:



»Dies ist Ihr Weg. Lassen Sie sich von Niemanden folgen oder anreden.«



Die beiden jungen Männer wechselten dann noch einen Händedruck und trennten sich.



Salvato schaute sich um. Die Straße war gänzlich menschenleer. Uebrigens war das Ungewitter auch noch nicht ganz vorüber und obschon der Regen aufgehört hatte herabzuströmen, so kreuzten sich noch zahlreiche und häufig vom Rollen des Donners begleitete Blitze nach allen Richtungen des Himmels.



Als Salvato die dunkelste Ecke des Palastes der Königin Johanna passirte, war es ihm, als sähe er den Schattemriß eines Mannes sich an der Wand abzeichnen. Er glaubte jedoch nicht, daß es der Mühe verlohne, deswegen stehen zu bleiben. Er war bewaffnet; was machte er sich daher aus einem Menschen?



Nachdem er jedoch etwa zwanzig Schritte zurückgelegt, schaute er sich doch um.



Er hatte sich nicht geirrt. Der Mann ging quer über die Straße hinweg und schien die linke Seite des Weges gewinnen zu wollen.



Zehn Schritte weiterhin glaubte er über der Mauer, welche nach der Seite des Meeres zu der Straße zur Brustwehr dient, einen Kopf zu erkennen, welcher bei seiner Annäherung hinter dieser Mauer verschwand.



Er neigte sich über die Brustwehr, schaute über dieselbe auf die andere Seite, sah aber weiter nichts als einen Garten mit dichtbelaubten Bäumen, deren Aeste bis zur Höhe der Brustwehr hinaufreichten.



Während dieser Zeit war der andere Mann näher gekommen und ging jetzt mit Salvato parallel. Dieser that als suchte er sich ihm zu nähern, ohne jedoch die Stelle, wo der Kopf verschwunden war, aus dem Auge zu verlieren.



Bei dem Schein eines Blitzes sah er denn auch ganz deutlich, daß ein Mann über die Mauer stieg und, wie er, nach Mergellina hinabging.



Salvato legte die Hand an seinen Gürtel, überzeugte sich, daß seine Pistolen nicht leicht herausgezogen werden konnten, und setzte seinen Weg weiter fort.



Die beiden Männer verfolgten immer noch parallel die Straße, der eine ein wenig vor ihm links, der andere ein wenig hinter ihm rechts.



Dem Landhause des Königs gegenüber standen zwei Männer mitten auf dem Wege und stritten sich mit jenem lebhaften Geberdenspiel und mißtönenden Geschrei, welches in Neapel den Leuten aus dem Volk eigen zu sein pflegt.



Salvato spannte seine Pistolen unter dem Mantel, und da er einen Hinterhalt zu argwohnen begann, weil er sah, daß die Leute nicht von der Stelle wichen, so ging er gerade auf sie zu.



»He da, Platz da!« rief er auf neapolitanisch.



»Warum denn?«, fragte einer der Männer in spöttischem Tone und den Streit, in welchem er bis jetzt begriffen gewesen, vergessend.



»Weil,« antwortete Salvato, »die Mitte des Straßenpflasters Seiner allergnädigen Majestät des Königs Ferdinand für die Edelleute bestimmt ist und nicht für Lümmel wie Ihr.«



»Und wenn man Euch nun doch keinen Platz machte, entgegnete der andere Streiter, »was würdet Ihr dazu sagen?«



»Ich würde gar nichts sagen, sondern mir selbst Platz machen.



Mit diesen Worten zog er seine beiden Pistolen aus dem Gürtel und ging auf die beiden Männer los.



Diese traten auf die Seite und ließen ihn vorbei, folgten ihm aber.



Salvato hörte den, welcher der Anführer zu sein schien, zu dem Andern sagen:



»Er ist es!«



Nicolino hatte, wie man sich erinnern wird, Salvato empfohlen, nicht blos sich nicht anreden, sondern auch sich nicht folgen zu lassen. Uebrigens verriethen die drei Worte, die er soeben vernommen, hinreichend, daß ihm wirklich Gefahr drohte.



Er blieb stehen. Als die Männer ihn stehen bleiben sahen, thaten sie dasselbe, das heißt, sie blieben ebenfalls stehen.



Sie waren ungefähr zehn Schritte einer von dem andern entfernt.



Der Ort war abgelegen und einsam.



Links stand ein Haus, dessen Fensterläden geschlossen waren und an welches die Mauern eines Gartens anstießen, über welche hinweg man die Gipfel eines Waldes von Orangebäumen zittern und den biegsamen Helmbusch einer prächtigen Pappel sich abwechselnd beugen und emporrichten sah.



Auf der rechten Seite war das Meer.



Salvato that wiederum zehn Schritte vorwärts und blieb dann abermals stehen.



Die Männer, welche gleichzeitig mit ihm weitergeschritten waren, blieben nun auch gleichzeitig wieder stehen.



Nun kehrte Salvato um. Die vier Männer, welche sich einander genähert und die, wie man mit Gewißheit voraussetzen konnte, einer und derselben Bande angehörten, erwarteten ihn.



»Ich will, sagte Salvato, als er nur noch vier Schritte von ihnen entfernt war, »ich will nicht blos, daß man mir nicht den Weg versperre, sondern ich will auch nicht, daß man mir folge.«



Zwei der Männer hatten schon ihre Messer gezogen und hielten dieselben in der Hand.



»Na,« sagte der Anführer, »vielleicht können wir, wenn es um und um kommt, uns verständigen, denn nach der Art und Weise zu urtheilen, wie Ihr das Neapolitanische sprecht, so ist es unmöglich, daß Ihr ein Franzose seid.«



»Und was geht es Dich an, ob ich Franzose oder Neapolitaner bin?



»Das ist meine Sache. Antwortet jetzt offen.«



»Ich glaube gar, Du erlaubt Dir mich auszufragen, Schurke?«



»O, was ich thue, mein Herr Edelmann, thue ich für Euch und nicht für mich. Also: Seid Ihr der Mann, welcher in französischer Uniform von Capua zu Pferde angelangt, in Pozzuolo eine Barke genommen und trotz des Sturmes zwei Fischer gezwungen hat, ihn nach dem Palast der Königin Johanna zu rudern?«



Salvato hätte mit nein antworten und von seiner Fertigkeit im Sprechen des neapolitanischen Dialekts Gebrauch machen können, um die Zweifel des Fragenden zu vermehren. Er war jedoch der Meinung, daß man selbst einen Sbirren nicht belügen dürfe und daß eine Lüge stets etwas sei, wodurch die Menschenwürde herabgesetzt werde.



»Und wenn ich nun dieser Mann wäre, antwortete er daher, »was würde dann geschehen?«



»Ah, wenn Ihr es wäret,« sagte der Mann in dumpfem Tone und den Kopf schüttelnd, »dann würde weiter nichts geschehen, als daß ich genöthigt wäre, Euch umzubringen, dafern Ihr Euch nicht dazu verstündet, mir die Papiere, deren Ueberbringer Ihr seid, gutwillig zu geben.«



»Dann müßtet Ihr euer Zwanzig sein anstatt Vier, Ihr Schurken! Euer Vier sind nicht genug, um einen Adjutanten des Generals Championnet umzubringen oder auch nur zu berauben.«



»Er ist es!« rief der Anführer. »Wir müssender Sache ein Ende machen. Hierher, Beccajo, hierher!«



Auf diesen Ruf kamen zwei Männer von einer kleinen dunklen Thür in der Gartenmauer her und näherten sich rasch, um Salvato von hinten anzufallen.



Salvato hatte aber bereits mit feinen beiden Pistolen Feuer auf die beiden Männer gegeben, welche ihre Messer in der Hand hatten, und einen davon getödtet, den andern verwundet.



Dann knöpfte er seinen Mantel auf, schleuderte ihn weit von sich hinweg, riß den Säbel aus der Scheide, spaltete mit einem Hiebe dem, welchen der Anführer unter dem Namen Beccajo zu seinem Beistande herbeigerufen, das Gesicht und versetzte dem andern eine tödtliche Stichwunde.



Er glaubte nun sich seiner Angreifer entledigt zu haben, da von sechs nun schon vier kampfunfähig waren. Er hatte es nur noch mit dem Anführer und einem seiner Sbirren zu thun, der sich klüglich zehn Schritte weit von ihm entfernt hielt, und glaubte mit diesen beiden letzten leicht fertig zu werden, als er in dem Augenblick, wo er sich nach ihnen umdrehte, um über sie herzufallen, eine Art Blitz zucken sah, welcher aus der Hand des Anführers zischend auf ihn zugeflogen kam. Gleichzeitig empfand er in der rechten Seite der Brust einen lebhaften Schmerz.

 



Der Mörder der sich ihm nicht zu nähern gewagt, hatte sein Messer nach ihm geworfen. Die Klinge war zwischen dem Schlüsselbein und der Schulter verschwunden und nur der Griff zitterte außerhalb der Wunde.



Salvato ergriff das Messer mit der linken Hand, riß es aus der Wunde und that einige Schritte rückwärts, denn es war ihm, als wenn ihm der Boden unter den Füßen entwiche.



Dann stieß er, einen Stützpunkt suchend, an die Mauer und lehnte sich an dieselbe. Fast unmittelbar darauf schien Alles mit ihm sich im Kreise zu drehen und seine letzte Empfindung war, daß er glaubte, die Mauer werde ihn eben so treulos verlassen wie der Erdboden.



Ein Blitz, welcher den Himmel spaltete, erschien ihm nicht mehr bläulich, sondern blutroth.



Er streckte die Arme aus, ließ seinen Säbel fallen und sank ohnmächtig nieder.



In dem letzten Schimmer von Bewußtsein, der ihn von der Vernichtung trennte, glaubte er die beiden Männer auf sich zustürzen zu sehen.



Er machte eine Anstrengung, um sie zurückzustoßen, aber Alles erlosch in einem Seufzer, von welchem man hätte glauben können, es sei ein letzter.



Es geschah dies einige Sekunden nachdem bei dem Doppelknalle der Pistolen das Fenster im Hause der San Felice sich geöffnet und bei dem Schreckensruf Michels: »Pasquale de Simone, der Sbirre der Königin!« die junge Frau mit dem muthigen Rufe geantwortet hatte: »Wohlan, dann ist es an mir ihn zu retten!«



Obschon aber die Entfernung von dem Boudoir nach der steinernen Rampe und von der Rampe bis zur Gartenthür nicht groß war, so waren, als Luisa mit zitternder Hand diese Thür öffnete, die Mörder doch schon verschwunden und nur der Körper des jungen Mannes, der an der Gartenthür angelehnt gelegen, fiel in dem Augenblick, wo die San Felice diese Thür öffnete, mit dem oberen Theil in den Garten herein.



Mit einer Kraft, deren sie sich selbst niemals fähig geglaubt hätte, zog die junge Frau den Verwundeten in den Garten, verschloß und verriegelte die Thür hinter ihm und rief außer sich vor Schrecken und Angst: »Nina, Michele und Nanno, zu Hilfe!«



Alle Drei kamen herbeigeeilt.



Michele hatte von seinem Fenster aus die Meuchelmörder fliehen sehen. Eine Patrouille, deren langsamen, gemessenen Tritt man vernahm, hätte sich wahrscheinlich blos damit beschäftigt, die Todten hinwegzuschaffen und die Verwundeten aufzuheben.



Es stand daher nichts mehr für die zu fürchten, welche dem jungen Officier beistanden, dessen Spur selbst für das geübteste Auge so gut wie verloren war.



Michele faßte den jungen Mann um die Mitte des Leibes und hob ihn auf, während Nina die Füße trug und Luisa den Kopf stützte.



Mit jenen sanften Bewegungen, deren Geheimniß die Frauen in Bezug auf die Kranken und Verwundeten allein besitzen, schaffte man den Verwundeten in das Innere des Hauses.



Nanno war zurückgeblieben. Zur Erde niedergebückt, murmelte sie zwischen den Zähnen magische Worte und suchte ihr bekannte Kräuter unter denen, welche in der Ecke des Gartens und in den Spalten der Mauern wuchsen.



In dem Boudoir angelangt, blieb Michele gedankenvoll stehen, dann schüttelte er plötzlich den Kopf und sagte:



»Schwesterchen, es wird nun nicht lange mehr dauern, so kommt der Chevalier nach Hause. Was wird er sagen, wenn er sieht, daß Du in seiner Abwesenheit und ohne ihn zu Rathe zu ziehen, diesen schönen jungen Menschen in sein Haus gebracht hast?



»Er wird ihn beklagen, Michele, und sagen, daß ich wohl daran gethan habe, antwortete die junge Frau, indem sie ihre von sanft heiterer Ruhe strahlende Stirn emporrichtete.



»Ja ganz gewiß würde dem so sein, wenn es sich hier um eine gewöhnliche Mordthat handelte. Wenn der Chevalier aber erfährt, daß der Mörder Pasquale de Simone ist, wird er, der zum Haushalt des Prinzen Francesco gehört, wohl das Recht zu haben glauben, einem von dem Sbirren der Königin verwundeten Manne ein Asyl zu gewähren?«



Luisa dachte eine Weile nach und hob nach einigen Secunden an:



»Du hast Recht, Michele. Wir wollen sehen, ob der Verwundete irgend ein Papier bei sich hat, welches uns andeutet, wohin wir ihn bringen lassen können.«



Man mochte aber in den Taschen des Verwundeten suchen, wie man wollte, so fand man in denselben nichts als seine Börse und seine Uhr.



Es bewies dies, daß er es nicht mit Räubern zu thum gehabt.



Was dagegen seine Papiere betraf, wenn er deren bei sich gehabt, so waren sie verschwunden.



»Mein Gott, mein Gott, was sollen wir thun?« rief Luisa. »Ich kann doch ein menschliches Wesen in einem solchen Zustande nicht verlassen!«



»Schwesterchen,« sagte Michele im Tone eines Menschen, der ein Auskunftsmittel gefunden. »Wenn der Chevalier plötzlich dazugekommen wäre, als Du Dir von Nauno wahrsagen ließest, wären wir dann nicht sofort in das Haus deiner Freundin, der Herzogin Fusco, verschwunden, welches leer steht und wozu Du die Schlüssel hast?«



»Ja, Du hast Recht, Du hast Recht, Michele!« rief die junge Frau. »Ja, tragen wir ihn in das Haus der Herzogin. Man kann ihn dort in eines der Zimmer bringen, deren Fenster auf den Garten gehen. Es gibt dort auch eine Ausgangsthür. Ich danke Dir, Michele. Wenn der arme junge Mann nicht stirbt, so können wir ihm auf diese Weise alle Pflege angedeihen lassen, welche sein Zustand verlangt.«



»Und,« fuhr Michele fort, »dein Gemahl kann, da er von nichts weiß, im Nothfall seine Unwissenheit betheuern, was er nicht thun würde, wenn man ihn von der Sache unterrichten wollte.«



»Ganz recht, Du kennst ihn. Er würde nicht läugnen. Er darf nichts erfahren – nicht als ob ich an einem guten Herzen zweifelte, sondern, wie Du sagst, ich darf ihn nicht in Widerstreit mit seiner Pflicht als Freund des Prinzen und feinem Gewissen als Christ bringen. Leuchte uns, Nanno,« sagte die junge Frau zu der Wahrsagerin, welche eben mit einem Bündel Pflanzen von verschiedenen Gattungen wieder in's Zimmer trat. »Es da in diesem Hause hier keine Spur von diesem jungen Manne zurückbleiben.«



Und der Zug setzte sich, während Nanno leuchtete, in Bewegung, durchschritt drei oder vier Zimmer und verschwand endlich hinter der Verbindungsthür, welche in das Nachbarhaus führte.



Kaum aber hatte man den Verwundeten in einem von der San Felice selbst bezeichneten Zimmer auf ein Bett gelegt, als Nina, die Zofe, welche weniger in Gedanken versunken war als ihre Herrin, dieselbe lebhaft am Arme faßte.



Luisa begriff, daß die Zofe sie auf etwas aufmerksam machen wollte und horchte.



Es ward an die Thür des Gartens gepocht.



»Das ist der Chevalier. – Schnell, schnell, Signora!« sagte Nina. »Legen Sie sich mit Ihrem Pudermantel zu Bett. Für alles Uebrige lassen Sie mich sorgen.«



»Michele! Nanno!« rief Luisa, indem sie ihnen mit einer letzten Geberde den Verwundeten empfahl.



Ein Wink von den Beiden beruhigte sie, insoweit als sie beruhigt werden konnte.



Dann bewegte sie sich wie in einem Traume befangen, an die Wände anstoßend, keuchend und unzusammenhängende Worte murmelnd nach ihrem Zimmer und hatte nur eben noch Zeit, ihre Strümpfe und ihre Pantoffeln auf einen Stuhl zu werfen, sich auf ihr Bett zu strecken und mit hochklopfendem Herzen, aber verhaltenem Athem die Augen zu schließen und sich zu stellen, als ob sie schliefe.



Fünf Minuten später trat der Chevalier San Felice, den Nina wegen des Verriegelns der Gartenthür, als sei

sie

 daran Schuld, um Verzeihung gebeten, auf den Fußspitzen, mit lächelndem Gesicht und mit dem Licht in der Hand, in das Schlafzimmer seiner Gattin.



Einen Augenblick lang blieb er vor dem Bett stehen, betrachtete Luisa beim Schimmer der rosenfarbenen Wachskerze, die er in der Hand hielt, drückte dann langsam seine Lippen auf ihre Stirn und murmelte:



»Schlafe unter der Obhut des Herrn, Du reiner Engel, und der Himmel behüte Dich vor jeder Berührung mit den Engeln der Finsterniß, die ich so eben verlassen habe.«



Die Unbeweglichkeit, welche er für Schlaf hielt, respectirend, verließ er dann das Zimmer auf den Fußspitzen, wie er es betreten, schloß leise die Thür des Schlafzimmers seiner Gattin und begab sich in das seinige.



Kaum aber war der Schimmer der Wachskerze von den Wänden des Zimmers verschwunden, als die junge Frau sich auf den Ellbogen emporrichtete und mit stierem Auge und gespanntem Ohr lauschte.



Alles war wieder in Schweigen und Dunkel versunken.



Luisa hob nun langsam die seidene Decke ihres Bettes, setzte vorsichtig ihren Fuß auf den Porzellanfußboden, ließ sich auf ein Knie nieder und stützte sich an das Kopfende des Bettes.



So lauschte sie nochmals. Durch das überall herrschende vollkommene Schweigen beruhigt, öffnete sie die Thür, welche der, durch welche ihr Gemahl eingetreten, entgegengesetzt war, gelangte in den Corridor, welcher in das Haus der Herzogin führte, öffnete die Verbindungsthür und bewegte sich leicht und stumm wie ein Schatten bis an die Schwelle des Zimmers, in welchem der Verwundete lag.



Er war immer noch ohnmächtig.



Michele stampfte Kräuter in einem metallenen Mörser und Nanno drückte den Saft dieser Kräuter auf die Wunde des Kranken.



Zweiter Theil


Erstes Capitel.

Der Chevalier San Felice

Wir glauben in einem unserer früheren Capitel, vielleicht in dem ersten, gesagt zu haben, daß der Chevalier San Felice ein Gelehrter war.



Obschon aber die Gelehrten, eben so wie nach Sterne die Reisenden, in eine Menge Kategorien und Unterkategorien getheilt werden können, so zerfallen sie doch in zwei große Hauptgattungen.



Die erste sind die langweiligen Gelehrten.



Die zweite sind die kurzweiligen Gelehrten.



Die erste Gattung ist die zahlreichste und gilt für die gelehrteste.



Wir haben im Laufe unseres Lebens einige kurzweilige Gelehrte kennen gelernt. Dieselben wurden aber in der Regel von ihren Collegen verleugnet, welche behaupteten, sie verdürben das Handwerk, weil sie den Witz und die Phantasie mit der Wissenschaft vermengten.



Wie sehr es ihm auch in den Augen unserer Leser Eintrag thun möge, so müssen wir doch gestehen, daß der Chevalier San Felice der zweiten Gattung, nämlich der Gattung der kurzweiligen Gelehrten, angehörte.



Wir haben auch schon gesagt – obschon es so lange her ist, daß der Leser es vergessen haben kann – daß der Chevalier San Felice ein Mann von fünfzig- bis fünfundfünfzig Jahren war, daß er sich in seiner äußern Erscheinung einfach, aber elegant trug und daß er, weil er in seinen Studien, die sein ganzes Leben lang dauerten, sich keinem besonderen Fach gewidmet hatte, mehr ein

Wissender

 als ein eigentlicher

Gelehrter

 war.



Selbst der Aristokratie angehörend und da er stets am Hofe oder im Umgange mit vornehmen Personen gelebt, da er übrigens in seiner Jugend große Reisen, besonders in Frankreich, gemacht, so besaß er die liebenswürdigen, unbefangenen Manieren eines Buffon, eines Helvetius und eines Holbach, deren sociale Principien er übrigens theilte. Ja er war beinahe nicht ganz frei von der philosophischen Irreligiosität dieser Herren.



Wie Galilei und Swammerdam hatte er das unendlich Große und das unendlich Kleine studiert. Er war von den im Aether kreisenden Welten herabgestiegen bis zu den in einem Wassertropfen schwimmenden Infusorien. Er hatte gesehen, daß die Gestirne in dem Geiste Gottes denselben Platz einnehmen und an der unermeßlichen Liebe, womit der Schöpfer alle seine Creaturen umfaßt, denselben Antheil haben.



Sein Geist, dieser dem göttlichen Herde entsprungene Funke, hatte sich daher daran gewöhnt, Alles in der Natur zu lieben.



Nur hatten die bescheideneren Gegenstände der Schöpfung bei ihm Anspruch auf zärtlichere Wißbegier als die erhabenen, und wir möchten beinahe behaupten, daß die Umgestaltung der Larve in die Nymphe und der Nymphe in den Käfer ihm wenigstens ebenso interessant erschien, als die langsame Bewegung des Kolosses Saturn, welcher neunhundertmal größer ist als die Erde, und mit seinem monstruösen Zubehör von sieben Monden und dem leuchtenden Ringe beinahe dreißig Jahre braucht, um seinen Kreislauf um die Sonne zu vollenden.



Diese Studien hatten ihn ein wenig über das wirkliche Leben hinausgehoben, um ihn dem contemplativen zuzuwenden.



Wenn er daher aus dem Fenster seines Hauses – des Hauses, welches auch das seines Vaters und seines Großvaters gewesen – in einer jener warmen Sommernächte von Neapel unter dem Ruder des Fischers oder im Kielwasser der Barke desselben sich jenes bläuliche Feuer entzünden sah, welches man für den Wiederschein des Vemustermes halten könnte, oder wenn er eine Stunde lang, oft auch die ganze Nacht hindurch, unbeweglich an dieses Fenster gelehnt, den Golf von Lichtern funkeln sah und wenn der Südwind die Wellen aufwühlte und mit feurigen Guirlanden an einander fesselte, welche sich für sein Auge hinter Capri verloren, ganz gewiß aber bis an die Gestade Afrikas reichten, sagte man:

 



»Was macht dieser Träumer von San Felice da?«



Dieser Träumer von San Felice versetzte sich ganz einfach aus der materiellen Welt in die unsichtbare, aus dem geräuschvollen Leben in das schweigsame.



Er sagte sich, daß diese unermeßliche Feuerschlange, deren Ringe den Erdball umschließen, nichts weiter sei als eine Anhäufung von unsichtbaren Thierchen, und seine Phantasie bebte entsetzt vor diesem unermeßlichen Reichthume der Natur zurück, welche auf unsere Welt, um unsere Welt herum Welten setzt, von welchen wir keine Ahnung haben, und durch welche die erhabene Unendlichkeit, welche sich unsern Augen in Lichtströmen entzieht, sich ohne Unterbrechung an die tiefe Unendlichkeit knüpft, welche, in den tiefsten der Abgründe hinabtauchend, sich in Nacht verliert.



Dieser Träumer von San Felice sah jenseits dieser doppelten Unendlichkeit Gott nicht wie Ezechiel ihn sah, in Stürmen vorüberbrausend; nicht wie Moses ihn sah, im feurigen Busch, sondern strahlend in der majestätisch heiteren Ruhe der ewigen Liebe, als riesige Jacobsleiter, welche durch die ganze Schöpfung hinauf- und hinabsteigt.



Vielleicht könnte man glauben, diese in gleichen Theilen der ganzen Natur zugewendete Liebe müsse jene andern Gefühle, welche den lateinischen Dichter sagen lassen: »Ich bin ein Mensch und ich erachte nichts, was menschlich ist, mir fremd,« eines Theils ihrer Kraft berauben.



Dies war aber bei dem Chevalier San Felice durchaus nicht der Fall, denn gerade bei ihm konnte man jenen Unterschied zwischen Seele und Herz machen, welche dem Vicekönig der Schöpfung gestattet, bald ruhig zu sein wie Gott, wenn er mit seiner Seele betrachtet, bald freudig oder verzweifelt wie der Mensch, wenn er mit seinem Herzen empfindet.



Von allen Gefühlen aber, welche die Bewohner unseres Planeten über die Thiere erheben, die um ihn herum leben, war die Freundschaft dasjenige, welchem der Chevalier den aufrichtigsten und eifrigsten Cultus widmete, und wir legen hierauf ganz besonders Gewicht, weil es einen gewaltigen und ganz speziellen Einfluß auf sein Leben äußerte.



Der Chevalier San Felice, Zögling des von Carl dem Dritten für junge Edelleute gegründeten Collegs, hatte auf demselben zu seinem Mitschüler einen jungen Mann, dessen Abenteuer, Eleganz und Reichthum gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts in der neapolitanischen Welt großes Aufsehen machten. Dieser junge Mann war der Fürst Giuseppe Caramanico.



Wäre der junge Fürst weiter nichts gewesen als eben Fürst, so hätte der junge San Felice für ihn wahrscheinlich weiter nichts empfunden, als jenes Gefühl von neidischer Eifersucht, welches die Kinder gegen diejenigen ihrer Genossen empfinden, die wegen ihres hohen Ranges von den Lehrern mit mehr Rücksicht behandelt werden als ihre Mitschüler. Giuseppe Caramanico war aber, abgesehen von seinem Fürstentitel, auch ein liebenswürdiger, gemüthlicher und zutraulicher Knabe, ebenso wie er später ein liebenswürdiger, ehrenhafter, rechtschaffener Mann ward.



Dennoch geschah zwischen dem Fürsten Caramanico und dem Chevalier San Felice das, was unvermeidlich bei allen Freundschaften geschieht – es gab einen Orestes und einen Pylades. Der Chevalier San Felice spielte die Rolle, welche in den Augen der Welt die am wenigsten glänzende, vor dem Auge Gottes aber vielleicht die verdienstlichste war – er ward Pylades.



Man kann sich denken, mit welcher Leichtigkeit der künftige Gelehrte mit einem scharfen Verstand und seiner Wißbegierde seine Mitschüler überflügelte und wie sehr im Gegentheile der künftige Minister in Neapel, der künftige Gesandte in London, der künftige Vicekönig in Palermo mit seiner hochadeligen Sorglosigkeit eine Studien vernachlässigte.



Dennoch hielt mit Hilfe des fleißigen Pylades, welcher für Zwei arbeitete, der träge Orestes sich immer in der ersten Reihe. Er erntete ebenso viel Prämien, ebenso viele ehrenvolle Auszeichnungen und ebenso viele Belohnungen als San Felice, und besaß in den Augen seiner Lehrer sogar noch mehr Verdienst als dieser, denn sie kannten das Geheimniß seiner Ueberlegenheit nicht, oder wollten es nicht kennen.



Diese Ueberlegenheit hielt er ebenso aufrecht, wie die seiner geselligen Stellung und ohne daß es schien, als gäbe er sich deswegen auch nur die geringste Mühe.



Orestes selbst aber kannte dieses Geheimniß und wir müssen ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen zu sagen,

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