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Eine positive Theorie zur Klärung der Funktionsweise von Systemen ist die Transaktionskostentheorie (vgl. Williamson 1979). Diese betrachtet die Verbindung zwischen Elementen als Kontrakte. Die Intensitäten und Arten der Verbindungen sind aufgrund der Kosten für die Entwicklung und die Handhabung von Kontrakten auf dieser Basis erklärbar. Ein Beispiel im Tourismus findet sich leicht bei den Distributionssystemen. Eine Distributionsverbindung resp. Distributionskanal wird um so eher genutzt, je niedriger die Administrationskosten und Kommissionen sind.
Offene, selbstreferentielle Systeme mit verschiedenen Ebenen generieren eine bedeutende Komplexität. Die Managementkybernetik befasst sich mit der Gestaltung von sozialen Systemen (vor allem Unternehmen). Für Entscheidungsträger ist bei der Gestaltung von Systemen die Komplexitätsbewältigung aus zwei Gründen von entscheidender Bedeutung: |75◄ ►76|
• beschränkte Informationsverarbeitungskapazität,
• aufgrund der Systemdynamik für jedes Element beschränkt beherrschbare Bereiche.
3.3.1. Komplexitätsbewältigung in Systemen
Komplexität kann als Eigenschaft definiert werden, viele Zustände oder Verhaltensweisen annehmen zu können. Prinzipiell ist die Komplexität eines Systems proportional zur Menge der benötigten Informationen, um einerseits ein System zu beschreiben und anderseits die Ungewissheit, welche mit dem System assoziiert ist, aufzulösen (vgl. Schwaninger 1998, 5).
In der Kybernetik wird Komplexität durch die Maßgröße Varietät ausgedrückt. Diese bezeichnet die Anzahl möglicher Zustände eines Systems. Dadurch ist sie von der Anzahl Elemente, der Anzahl Beziehungen und der Anzahl möglicher Zustände je Element abhängig. In dieser mathematischen Definition werden zwei Aspekte vernachlässigt: Erstens ist die Komplexität von der jeweiligen Betrachtungsebene abhängig und zweitens spielt die dynamische Interaktion der Komponenten eine wichtige Rolle.
Aus Managementsicht ist von vorrangigem Interesse, ob sich ein System durch komplexes Verhalten auszeichnet. In diesem Sinne sind die Bestimmungsgrößen der Varietät die Verhaltensoptionen, Verhaltensrestriktionen und Bestimmbarkeit (hier als Berechenbarkeit oder Vorhersehbarkeit verstanden) des Verhaltens (vgl. Schwaninger 1998, 6). Im Management ist überwältigende Komplexität eine grundlegende Gegebenheit. Normalerweise stehen Führungskräfte und mit ihnen die durch sie geleiteten Organisationen Situationen gegenüber, welche sie prinzipiell überfordern. Daraus folgt, dass die Komplexitätsbewältigung eine zentrale Aufgabe des Managements ist.
Komplexität kann durch eine Reduktion der Varietät bewältigt werden, d.h. es muss erreicht werden, dass nur wünschenswerte und nicht alle möglichen Zustände und Verhaltensweisen auftreten können. Dafür bieten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten an (vgl. Abbildung 26):
• Dämpfung: der Versuch, die aktuelle Varietät auf den Bereich der gewünschten Varietät einzuschränken.
• Verstärkung: die Vergrößerung des eigenen Verhaltensrepertoires, um somit den Bereich der eigenen Varietät zu vergrößern.
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Abbildung 26: Ungleichgewicht der Varietäten im Management

Quelle: Espejo/Watt 1988 in Schwaninger 1998, 7
Konzeptionelle Grundlage dieses „Varietäts-Engineering“ bildet Ashbys Gesetz: Nur Varietät kann Varietät absorbieren (vgl. Ashby 1964). Hieraus leitet sich ab, dass das Verhaltensrepertoire einer effektiven Lenkungseinheit potenziell der Komplexität der jeweiligen Situation angepasst werden muss.
Es bieten sich viele konkrete Möglichkeiten an, Varietät zu dämpfen oder zu verstärken. Im Folgenden sollen vier häufig angewandte Methoden erläutert werden:
• Modellbildung: Modelle werden als Abbilder von Wirklichkeiten verstanden. Abgeleitet aus Ashbys Gesetz können die Ergebnisse der Führungstätigkeiten nur so gut sein, wie das zugrundeliegende Entscheidungsmodell. Dies ist deshalb so wichtig, weil sich menschliches Handeln immer |77◄ ►78| auf implizite oder explizite Modelle stützt, unabhängig davon, ob dies der jeweils handelnden Person bewusst ist.
• Schwarzer Kasten („Black Box“): Bei dieser Möglichkeit wird von der Struktur des betrachteten Systems abstrahiert und lediglich Inputs und Outputs betrachtet. Aus diesen Erkenntnissen werden funktionale Zusammenhänge angeleitet. Das System wird dabei als „Black Box“ betrachet.
• Lernen: Durch Lernen kann das Potenzial für effektives Handeln erhöht und dadurch eine Erweiterung des Verhaltensrepertoires erreicht werden.
• Lenkung: Lenkung umfasst Regelung und Steuerung.
3.3.2. Lebensfähigkeit von Systemen
Als Hilfsmittel für den Umgang mit komplexen Systemen wurde das Modell lebensfähiger Systeme, das Viable System Model (VSM) entwickelt. Es spezifiziert die funktionalen und strukturellen Mindestanforderungen an ein System, um langfristig lebensfähig zu sein. Darunter wird die Fähigkeit verstanden, in einer sich dynamisch ändernden Umwelt langfristig existieren zu können (vgl. Beer 1979 und Espejo et al. 1996).
Lebensfähigkeit lässt sich in diesem Zusammenhang wie folgt von Entwicklungsfähigkeit abgrenzen: Das Ziel der Lebensfähigkeit ist die langfristige Existenz eines Systems und die dafür notwendige Anpassungsfähigkeit. Bei der Entwicklungsfähigkeit geht es zusätzlich um die Anpassung an fremde Ansprüche und Anforderungen.
Das Modell lebensfähiger Systeme verwendet als Grundlage vor allem Erkenntnisse aus der bio- und neurokybernetischen Forschung, welche auf die Humanwissenschaften allgemein und auf die Managementlehre im Besonderen übertragen wurden. Beer (vgl. Beer 1981) geht davon aus, dass das menschliche Nervensystem die Regeln aufzeigt, unter denen eine Organisation lebensfähig ist.
Ein System ist nach Beer lebensfähig, wenn es über die folgenden fünf Subsysteme, bzw. Lenkeinheiten verfügt (vgl. Abbildung 27):
• System 1: Lenkungskapazität der sich weitgehend autonom anpassenden operativen Basiseinheiten (in der Abbildung A, B, C, D). Es geht dabei vorwiegend um die Optimierung des Tagesgeschäfts. Dieses Subsystem kann auf einer untergeordneten Betrachtungsebene selbst ein lebensfähiges System darstellen. Es besteht in dieser Hinsicht eine rekursive Struktur.
Beispiel: Geschäftsbereiche einer Unternehmung
|78◄ ►79| • System 2: Abstimmung und Ausgleich zwischen den operativen Einheiten zur Koordination von Aktivitäten. Dadurch sollen Dysfunktionalitäten vermieden werden.
Beispiele: Informations- und Budgetierungssysteme, Koordinationsteams, Verhaltensstandards
Abbildung 27: Das Modell lebensfähiger Systeme (Viable System Model)

Quelle: Schwaninger 1999, 334 nach Beer 1985 (leicht abstrahierte Darstellung)
• System 3: Interne Steuerung mit dem Ziel der Gewährleistung eines Gesamtoptimums zwischen den Basiseinheiten. Dies kann vorwiegend |79◄ ►80| durch die Wahrnehmung von Synergien und eine optimale Ressourcenallokation erreicht werden.
Beispiel: die operative Unternehmungsleitung
• System 3*: Untersuchung und Validierung der Informationen, die auf Kanälen zwischen den Systemen 1, 2, und 3 fließen, mittels Aktivitäten der Überwachung (Auditing, Monitoring). Dabei wird direkter Zugriff auf die Daten der Basiseinheiten genommen.
Beispiel: Revision und diverse informale Kontrollmechanismen
• System 4: Umfassende Außen- und langfristige Zukunftsorientierung. Dieses System erfasst, diagnostiziert und modelliert die Gesamtorganisation und ihre Umwelt.
Beispiele: Unternehmungsentwicklung bzw. Strategisches Management, Forschung und Entwicklung, bestimmte Aspekte des Knowledge-Management
• System 5: Dieses System koordiniert und betreut die Interaktionen zwischen System 3 und 4. Es soll einen Ausgleich zwischen interner und externer Perspektive finden. Außerdem bestimmt es die Identität der Organisation, ihre Funktion im größeren Zusammenhang und ist eine Verkörperung der obersten Normen und Regeln.
Beispiel: das oberste, normative Management
Zusammenfassend entsprechen die Systeme 1-2-3 dem operativen Management, System 4 in Zusammenarbeit mit System 3 dem strategischen und System 5 dem normativen Management einer Unternehmung (vgl. Schwaninger 1999, 333).
Diese Funktionen müssen über die verschiedenen Ebenen einer Organisation vorhanden sein. Sobald es Mängel in diesem Gefüge gibt, welche aus fehlenden Elementen, mangelnder Kooperation oder zu geringer Kapazität bestehen können, ist die Lebensfähigkeit des Systems gefährdet.
3.4. Tourismus als selbstreferentielles System
Der neue Systemansatz im Tourismus bezieht Ungleichgewichtszustände und Veränderungen der Struktur der Netzwerke in die Analyse ein. Das System Tourismus entwickelt sich beispielsweise oft über verschiedene Ereignisse weiter. Im Folgenden soll nun zuerst das relativ statische Grundsystem Tourismus aufgezeigt, und anschließend die Veränderungsprozesse einbeziehende dynamische Betrachtungsweise eingeführt werden.
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3.4.1. Grundkonfiguration
Es kann aufgrund einer Analyse der bestehenden Arbeiten zu Grundkonfigurationen von Tourismussystemen (vgl. u.a. Krippendorf 1986; Freyer 1993; Kaspar 1996; Müller 1997; Mc Intosh et al. 2000) sowie einer auf Mehrrunden-Experteninterviews basierten Forschungsarbeit (Schräder 2000) davon ausgegangen werden, dass das Tourismussystem aus vier Teilsystemen besteht, dem
• Teilsystem Destination
• Teilsystem Verkehr
• Teilsystem Reisemittler und
• Teilsystem Nachfrage.
Abbildung 28: Das System Tourismus (statisch)

Das ganze System steht in Interaktion mit seiner Umwelt, welche durch
• Wirtschaft
• Technologie
• Gesellschaft
• Ökologie und
• Politik bestimmt wird.
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Diese Umwelten können vereinfachend auf Wirtschaft, Gesellschaft und Natur reduziert werden. Politik ist Ausdruck des gesellschaftlichen Willens. Technologie ist ein Schnittstellenbereich innerhalb Gesellschaft, Wirtschaft und Natur. Abbildung 28 zeigt die Zusammenhänge der einzelnen Elemente aufzeigen: Auf die einzelnen genannten Teilsysteme und Umweltsphären wird in den folgenden Kapiteln näher eingegangen.
Die Teilsysteme stellen auf einer untergeordneten Betrachtungsebene wiederum eigene Systeme dar. Dies soll im Folgenden am Beispiel des Teilsystems Destination dargestellt werden (vgl. Abbildung 29):
Abbildung 29: Das Teilsystem Destination

Auf der Ebene des Gesamtsystems Tourismus ist das Teilsystem Destination ein Objekt des Systems, das eine Art „Black-Box“ darstellt. Wird nur das Teilsystem Destination untersucht, zeigt sich, dass es selbst ein eigenes System ist. Es ist vereinfacht ein Netzwerk aus Unternehmen, Organisationen und Infrastruktur.
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Je nach Betrachtungsebene werden damit Subsysteme differenzierter betrachtet und deren Einzelelemente treten in Erscheinung.
3.4.2. Die Transformation von Systemstrukturen
Die „statische“ Ausgangslage wird durch verschiedene Ereignisse beeinflusst und dadurch unter Umständen verändert. Diese Tatsache wird im Folgenden anhand eines konkreten Beispiels veranschaulicht und erläutert.
Abbildung 30: Die dynamische Komponente des Systems Tourismus

Als Beispiel soll der technologische Fortschritt im Bereich der Absatzkanäle dienen. Er äußert sich direkt in der Einführung von Call-Centers und später im Aufkommen des Internets im Teilsystem Reisemittler. Die für IT-Entwicklungen notwendigen hohen Investitionen können sich nur große Tour Operators leisten. Es entsteht ein Konzentrationsprozess im Reisemittler-Bereich.
Auf einer übergeordneten Betrachtungsebene sind vor allem Veränderungen in den Beziehungen zwischen den vier Teilsystemen zu beobachten. Im gewählten Beispiel führt die durch technologische Veränderung ausgelöste Konzentration im Reisemittlermarkt zu einem vermehrten Druck auf das Teilsystem Destination (vgl. Abbildung 30 Mitte).
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Die weitere Konzentration im Reisemittlermarkt wirkt sich auch auf das Teilsystem Nachfrage aus. Der Einfluss der Reisemittler auf das Nachfrageverhalten steigt. Die Nachfrager werden ihrerseits diesem Druck ausweichen und ihre Nachfragemacht gegenüber den Destinationen verstärken wollen.
Betrachtet man nun das System Tourismus auf der Ebene der vier Teilsysteme (vgl. Abbildung 31), lassen sich auch strukturelle Veränderungen erkennen. Im dargestellten Beispiel verändern sich drei der vier Teilsysteme. Lediglich das Teilsystem Verkehr bleibt durch die geschilderten Ereignisse (vorerst) unberührt. Im Folgenden sollen schematisch die Veränderungen, die durch das gewählte Beispiel entstehen können, dargelegt werden:
Abbildung 31: Das dynamische System Tourismus

Das Aufkommen von Call-Centern führt im Reisemittlermarkt zu einer Konzentration der Reisebüros (Reisebüro B fällt aus dem Markt). Diese Konzentration und die mit ihr verbundene gestiegene Macht löst auch im Teilsystem Destination eine Konzentration der Tourismusorganisationen aus (Tourismusorganisation A verschwindet aus dem System). Dadurch gewinnt die verbleibende|84◄ ►85| Organisation an Einfluss auf die verschiedenen Leistungsträger. Durch die weitere Entwicklung in der technologischen Umwelt wird das Internet im Reisemittlermarkt immer etablierter. Aufgrund dieser Entwicklung konsolidieren sich weitere Reisebüros (Reisebüro A fällt weg). Da diese Änderungen im Vertriebssektor des Tourismus das Nachfrageverhalten stark beeinflussen, wird auch das Teilsystem Nachfrage von den Veränderungen erfasst.
3.5. Die Entwicklung der Systemanalyse im Tourismus
In den vorangegangenen Abschnitten wurde die Entwicklung der Systemtheorie und die darauf aufbauenden Anwendungen im Tourismus dargestellt. Die einzelnen Stufen sind in Abbildung 32 dargestellt.
Abbildung 32: Entwicklung der Systemtheorie im Tourismus

Was bringt nun die neue Dimension der Systembetrachtung im Tourismus:
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SENSIBILISIERUNGSFUNKTION
In der Zeit der Globalisierung mit intensiviertem Wettbewerb sowie der Technologisierung mit dem Aufbrechen der traditionellen Produktionssysteme und Branchenstrukturen, ist der ständige Wandel die einzige Konstante. Der neue Systemapproach mit der „Verzeitlichung“ der Tourismussysteme, sensibilisiert Manager und Wissenschafter auf die laufende Rekonfiguration der Tourismussysteme und ihrer Subsysteme.
So verändert die Entwicklung der IuK-Technologien die Distributionskanäle. Damit werden einzelne Stufen wie Reisebüros im Sinne einer Disintermediaton (vgl. Tomczak/Schögel/Birkhofer 1999) für spezifische Produkte wie einfache Flugbuchungen ausgelassen – sie treten als Elemente aus dem System Reisemittler aus. Andere Elemente, z.B. verbleibende Reisebüros oder Tour Operators haben ihre Geschäftsmodelle (vgl. Bieger/Rüegg-Stürm/von Rohr 2002) neu zu strukturieren. So werden Komissionierungsmodelle, die die Vermittlung, den Weiterverkauf eines Geschäftes honorieren, durch Modelle ersetzt, die eine Abgeltung für die Vermittlung eines Kunden auf der Basis seines projizierten Kundenwertes beinhalten. Dies verändert die Zusammenarbeitsstruktur in der Branche. Die „Macht“ verlagert sich vom Element, das eine Leistung verkauft zum Element, z.B. einem Internet-Portal, das den Endkunden „besitzt“.
Mit dem internationalen Wettbewerb der Destinationen, der durch die größere Reichweite der Touristen aufgrund günstigerer Flugtarife und laufender Eintritte neuer Mitbewerber getrieben wird, entsteht ein Druck auf die Restrukturierung der Destinationen. So werden in vielen Destinationen neue Eigentumsstrukturen geschaffen, um Entscheide und Reaktionsfähigkeit zu beschleunigen und Transaktionskosten zu sparen.
ANALYTISCHE FUNKTION
Die neuen Systemansätze im Tourismus bieten Instrumente für die Darstellung und Analyse von Veränderungsprozessen von Systemen aufgrund interner Prozesse. So ist das Konzept der verschiedenen Systemebenen geeignet, Veränderungsprozesse (z.B. in Destinationen) zu verfolgen. Eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse (z.B. Kauf von Hotels durch eine große Kette) führt auf der Ebene der emotionalen Netzwerke zu neuen Sympathien, Antipathien (z.B. für verbleibende kleine Anbieter) und damit auf der Ebene der logistischen Netzwerke (der Besucherströme) zu Verlagerungen (z.B. durch Empfehlungen).
Die Einführung von Ereignissen als analytische Einheit in der Systembetrachtung erleichtert die Beobachtung von Veränderungsprozessen über die Zeit. |86◄ ►87| So können durch den Bau einer Bergbahn (Infrastruktur-Ereignis), den Hinschied eines Dorfpioniers (personelles Ereignis) oder die Aufgabe eines Brauches wie einer Landsgemeinde (ritueller Brauch) als interne oder externe Ereignisse interne Veränderungsprozesse des Tourismussystems in Gang gesetzt werden. Die Kenntnis von Ereignissen und ihren Wirkungen ermöglicht die Prognose von Systementwicklungen und eine größere Fähigkeit zu deren Steuerung.
NORMATIVE FUNKTION
Die Kenntnis von Grundsätzen der modernen Systemtheorie ermöglicht auch die Ableitung von Grundsätzen im Umgang mit Systemen im Wandel. Einige Beispiele im Tourismus bspw. beim Management des Wandels in Destinationen (vgl. Bieger/Laesser 1998) oder bei Verkehrssystemen (vgl. neue Geschäftsmodelle im Airline Bereich Döring 1999 oder Bieger/Jäggi 2001) sind:
• Beeinflussung des Wandels durch bewusstes Setzen von Ereignissen. So können in der Entwicklung einer Destination durch einen rituellen Akt wie die Einführung eines Informations- und Diskussionsforums als Zukunftswerkstatt, wesentliche Teile der Bevölkerung in einem Prozess eingebunden werden (vgl. auch Bieger/Müller/Elsasser 2001). Das Ereignis der Einführung dieses Forums verändert gleichzeitig emotionale, informationelle und politische Netzwerke.
• Der Grundsatz der Anschlussfähigkeit von Ereignissen, gibt eine Leitlinie für die Wahl der Art der Eingriffe. Die Einführung des oben beschriebenen Diskussionsforums in einer Gemeinde, die vorher eine relativ unterentwickelte Kommunikationskultur aufwies, kann verhängnisvoll sein. Die Bevölkerung kann unter Umständen damit nicht umgehen. Sie kann die Veranstaltung verdrängen, die Veranstalter ausgrenzen und so quasi aus der Geschichte streichen. Die Organisatoren können jedoch den Anlass in einer Tradition einordnen. Bspw. kann ein Ortsverein, der immer schon eine öffentliche Generalversammlung durchgeführt hat, als Mitveranstalter gewonnen werden. Nach der gelungenen Veranstaltung kann ein neuer logischer Ereignispfad konstruiert werden, indem bspw. dezentrale Foren geschaffen werden.
• Ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor ist auch das Varianzmanagement. So müssen in einem Veränderungsprozess Instrumente eingesetzt werden, die der Varietät des Systemes gerecht werden. Die Varietät der Maßnahmen, d.h. die Bandbreite ihrer einzelnen Zustände, muss mindestens so groß wie die entsprechende Streuweite des zu bearbeitenden Systems sein. So ist es bei einer grundsätzlichen Neuausrichtung einer Destination |87◄ ►88| nicht sinnvoll, sofort einen Infrastruktur-Investitionsplan zu entwickeln. Vielmehr müssen übergeordnete Ziele im Rahmen eines Tourismusleitbildes evaluiert werden. Je nach Art der gewählten Ziele braucht es vielleicht gar keine Infrastrukturinvestitionen mehr. Die verbleibende Systemvarietät, die durch die eigene Managementstufe nicht bewältigt werden kann, kann und soll an nachgelagerte Managementstufen delegiert werden (vgl. auch Espejo et al. 1996, 62).
• Systeme müssen so konfiguriert werden, dass sie eine Selbststeuerungsfähigkeit erhalten. Dies bedingt Rekursionen in Form von kybernetischen Steuerungsschlaufen. Ein Beispiel dafür ergibt sich in einem Verkehrssystem durch automatische Information und Umleitung des Verkehrs bei Überlastung auf eine Ausweichachse. Zudem müssen Systeme im Sinne von lebensfähigen Systemen entwicklungsfähig sein, d.h. sie müssen sich an neue Anforderungen der Umwelt anpassen können (vgl. Schwaninger 1994, 13ff.; Espejo et al. 1996). Dies bedingt die Existenz von Intelligenz (für Interpretation der Umweltveränderung), Politik (als allgemeine Leitlinien) und ein Steuermodel (für konkrete Eingriffe). Diese Module müssen auf verschiedenen Komplexitätsstufen (normative, strategische und operative Ebene) bestehen. Auf strategischer Ebene für eine Destination könnte eine Intelligenz in Form einer Fachberatungsgruppe der Regierung, eine Politik in Form eines Leitbildes und ein Steuerungsmodul in Form eines Gemeinderates, ausgestattet mit Instrumenten für finanzielle Kontrolle für Investitionen, bestehen.
IT NETZWERKANALYSE UND SIMULATION
Aktuell wird die Analyse von touristischen Systemen wie Destinationen durch den Einsatz von IT gestützten Simulationssoftwares weiterentwickelt. Diese fokusieren meist auf die Interaktionen zwischen einzelnen Akteuren (Soziale Netzwerkanalyse durch Erfassung u.a. der Interaktionsintensität) oder auf den subjektiv bewerteten Einflüssen und Wirkungen zwischen Elementen wie Zweitwohnungsbau und Aufenthaltsqualität im Rahmen von Expertenworkshops oder Befragung von Betroffenen. Ziel ist es dabei, die Wirkung und Funktion einzelner Elemente, z. B. eines Akteurs wie der Gemeindepräsident oder eines Angebotselementes wie Zweitwohnungen, in der Dynamik zu erfassen. Verschiedene Applikationen wie bspw. die Software UCINET ermöglichen dabei die Analyse dieser Wirkungen und Funktionen.
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