... und dann geschah es

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ABEND

Es wurde ein rauschender Abend. Es floss viel Alkohol und Ihnen fiel rein gar nichts ein, wie sie sich ordentlich daneben benehmen konnten, weil es gefordert war. Schließlich brach Edmund in Tränen aus, weil ihm Alkohol immer traurige Gefühle machte. Er erzählte allen, dass an der Welt grundlegend etwas geändert werden musste, dass sie so kaum länger Bestand haben konnte, und Ezra erkannte das Potential in Edmund und man brachte ihn geeint vor Tante Tinas Tür. Dort versicherte ihm Ezra, dass hinter dieser Türe der richtige Ansprechpartner war, der wirklich etwas unternehmen würde. Edmund blickte ihn durch einen Tränenschleier an und weigerte sich. Der Alkoholpegel reichte doch noch nicht aus, dass er da hineingehen würde.

Die Musik war ziemlich laut. Man lud Tante Tina immer wieder ein, doch mitzumachen, aber hinter Tinas Fenster rührte sich nichts. Ida war schon sehr rosig und tanzte und prostete ihrem Geist im Fenster zu, - als die Anlage ausfiel.

Wolfgang machte sich auf, den Schaden zu beheben. Er verfolgte tatsächliche und vermutete Stromleitungen im Haus und Ezra hatte das Gefühl, dass der Geist genug von der Musik hatte. Er hatte von seinem Fenster aus die Anlage abgestellt, denn Wolfgang fand den Sicherungskasten intakt. Nichts ausgeschaltet. Wieso war die Anlage ausgefallen?

Wolfgang, Ezra und Esther gingen in den Keller. Vielleicht war dort das Problem? Der Keller roch eigenartig, vielleicht am ehesten nach Vanille. Sie versuchten, die Stromleitungen zu orten. Da hörten sie ein Scharren. Wer konnte das sein? Dann gab es platschende Geräusche. Es war eisig kalt. Ein Wasserwesen hier im Keller? „Habt ihr etwas gefunden?“, rief Wolfgang. Sie trafen sich wieder bei der Kellertüre. Neugierig gingen sie zur Wasserzisterne und fanden Hille unter Wasser. Sein Körper hing in dem in der Zisterne knapp unter dem Wasserspiegel. Alle drei starteten durch und hoben ihn leblos aus dem Becken. Er lag sehr kalt auf dem Beton, seine Lippen bläulich weiß. Drei entsetzte Augenpaare hielten ihn fest, suchten Spuren von Leben. Dann stürzten sich alle gleichzeitig über ihn und massierten seine Hände Füße…

Wolfgang presste Wiederbelebung in ihn hinein. Esther rannte nach oben, um eine Decke zu holen. - Da sprang die Anlage wieder an. Während sie die Decke im Arm nach unten lief, telefonierte sie mit der Rettung. Hille lag noch immer blass auf dem Boden, aber er schien zu atmen. Alle drei massierten seine Gelenke, da murmelte Hille: „Wer hat mich gestoßen?“ Sie wickelten ihn fest in die Decke und trugen ihn auf einem Brett nach oben. Als die Rettung kam, lag er dicht eingepackt im sommerwarmen Hof.

Der Hergang wurde hinterfragt. Wer konnte das wissen? Fest, viel getrunken, in die Zisterne gefallen. War das die Wahrheit? Es war eine Wahrheit, eine mögliche Wahrheit. Was waren die anderen?

Wer konnte Hille gestoßen haben? Ezra war verwirrt. Hille war einfach, Hille war harmlos, und er trank zu viel, immer. Er verlor regelmäßig seine Gleichgewichts-maschinerie, bei jedem Fest. Das wussten alle. Meistens fand man ihn am Ende des Abends jeweils an einem entlegenen Ort. Es war schon Routine, dass sie nach einem Besäufnis zu später Stunde vor dem Heimfahren Hille suchen gingen, um ihn unschädlich zu lagern. Sie wären auch heute gegangen, das wäre aber sicher viel zu spät gewesen. Für sie, für den Abend und für Hille. Ezra hatte einen kalten Rücken und einen feuchten Klumpen im Magen und einen riesigen Bedarf an Erklärungen. Wer wollte gerade Hille umbringen und wer hatte ihn gerettet? War der im ersten Stock fürsorglich und hilfreich? Hatte er die Anlage abgeschaltet? Oder war der Hausgeist bösartig und hatte er versucht, Hille zu ersäufen? Oder war Hille Opfer einer ganz anderen Person geworden?

Hille wurde ins nahe Unfallkrankenhaus gebracht und der Notarzt versicherte allen, dass sie gar nichts tun könnten. Morgen könnten sie nachfragen. Bedrückt gingen alle schlafen. Der Mond schien warm. Man öffnete die Fenster.

FRÜHER MORGEN

Der Schlaf dauerte bis halbsechs in der Früh. Dann brach ein Höllenlärm los. Zuerst gab es sehr laute Frühnachrichten, dann war das Schieben von Möbeln im Vorraum zu hören, mit Pumpern und Knirschen. Es wurden Nägel eingeschlagen. Und eine quietschende Türe im Hof etwa fünfzig Mal auf und zu gemacht. So fühlte es sich für Ezra zumindest an. Jedes einzelne Geräusch hatte ein Echo in den Gelenken, im Kopf, im Magen. Er tauchte in die Tiefe und wieder hoch und wieder in die Tiefe. Viele Male hatte er das Gefühl: Jetzt ist es vorbei. Jetzt kehrst du in die stille Landschaft zurück, die dich zärtlich aufnimmt. Und dann wieder hoch in die wild tosenden Wasser des Alltags, der etwas von ihm wollte. Er überlegte, ob er sich splitternackt mit dem Ungeist konfrontieren sollte, versprach sich aber schließlich nichts davon, vielleicht Kastration, aber keinen Sieg in seinem Zustand. In seidenweichen Blümchenshorts – einem Geschenk von Mutter – begab er sich teilweise reaktionsfähig aus seinem Schlafzimmer auf den Kampfplatz. Im Hof traf er auf eine große, runde Gestalt im Nachthemd, die gerade einen laut scheppernden Kessel an einem Seil in die Hofmitte zog.

„Was ist los?“, presste Ezra heraus, und es war eine Kunst, die Worte hochzubringen und den Rest unten zu behalten.

„Ich habe nichts übrig für Leute, die ihr Leben verschlafen“, sagte Tante Tina laut - zu laut. Ezra wählte eine stille Form des Angriffs. „Ich sehe, sie ziehen einen Kessel über den Hof, um besonders viel Lärm zu machen.“

„Ich hatte auch keine gute Nacht“, sagte Tante Tina, indem sie auf ihn zuging, „aber ich bereite dennoch ganz alleine alles vor, damit Ordnung herrscht, wenn meine Freundin kommt.“ Sie stand ganz knapp vor Ezra und überragte ihn um einen halben Kopf.

Was für eine Freundin kommt? Er musste Esther finden. Die hatte nichts davon gesagt. Er drehte sich um und ging. Ohne Höflichkeiten. Esther konnte das nicht verschlafen haben. Auf der Treppe traf er Jörg und Hubert, die wollten fahren – sie hatten Kopfweh und genug vom Lärm. Sie waren fertig angezogen und hatten ihre Sachen gepackt. Konnte er verstehen, aber sie alle waren in nur einem Auto gekommen. Ja, er würde sie dann zur Bahn bringen. Vielleicht sollten sie noch ein bisschen in die Wiese schlafen gehen. Wo war Esther? Er klopfte an Esthers Türe. Im Hof hallte Hammer auf Kessel. Sie öffnete fertig angezogen. Er huschte ins Zimmer. Esther war eine attraktive Frau, aber schließlich kannte sie ihn auch in Badehose, jetzt in Blümchenshorts.

„Was tun wir?“, fragte er heiser. Er hatte das Bedürfnis, verschwörerisch zu wispern, ließ das aber bleiben bei dem Lärm im Hof.

„Keine Ahnung.“ Die sonst so tüchtige, umsichtige Esther war ratlos.

„Sie sagt, sie muss für ihre Freundin alles vorbereiten.“

„Welche Freundin?“

„Ich habe gedacht, du weißt davon?“

„Nein, keine Ahnung. Da kann nur Ida etwas regeln“, sagte sie hilflos.

„Dann sprechen wir einmal mit Ida.“

„Das geht nicht, die schläft noch.“

„Die schläft noch! Wie soll das gehen?“

„Wenn es unangenehm wird, geht Ida immer schlafen. Sie rollt sich ein und weg ist sie. Je unangenehmer, desto fester schläft sie.“

Ezra tauschte die Blümchenshorts und fuhr zum Bahnhof, um Jörg und Hubert abzuliefern. Hille und Spital würde er am Nachmittag machen.

VORMITTAG

Um 11.30 Uhr war es dann so weit. Ein Taxi rollte in den Hof. Ihm entstieg ein schwitzender Fahrer, der sich mit einem großen Tuch Stirne und Hals wischte. Sein Fahrgast war eine ältere Dame, sehr dünn und klein. Auf dem Rücksitz neben ihr lagen einige größere Taschen und andere Behältnisse, und wie es schien, eine große Rolle Bettwäsche. Der Rücksitz war ziemlich voll, übervoll. Ezra erwartete, dass beim Öffnen der Türe eine Kaskade aus dem Auto brechen würde, und schaute gespannt. Der Taxifahrer strebte auf ihn zu. Ezra nahm ihn mit in die Küche, um ihm etwas zu trinken zu geben. Während er die Limonade anrührte und mit Eiswürfeln versah, fragte er scheinheilig: „War es sehr schlimm?“

Das half, der Staudamm brach. „Zuerst hat sie festgestellt, dass ich rauche und dass nicht einzusehen ist, warum sie sich den Gestank antun soll, dass ich ihrer Gesundheit schade. Es gibt kein anderes Taxi, so kam sie mit allen Sachen, wirklich mit allen. Sie muss eine große Wohnung haben und die hat sie ausgeräumt. Ich habe eine halbe Stunde gebraucht, um alles reinzukriegen“, fauchte er wütend. Er nahm die Demütigung für sein Fahrzeug sehr übel. „Dazu hat sie aus irgendeinem Grund verweigert, etwas auf den Vordersitz zu stellen. Als ich es versuchte, weil ich es hinten nicht mehr hineinbekommen habe, hat sie gesagt `Das würde ihnen so passen, junger Mann´, keine Ahnung was sie damit gemeint hat.“ Er war gekränkt, obwohl er wahrscheinlich gar nicht auf die Idee kam, dass der Vordersitz wegen Diebstahl nicht in Frage kam. „Dann haben wir in den zehn Minuten Fahrt die Fenster vorne, hinten, rechts und links in allen Kombinationen auf- und zugemacht, weil sie so empfindlich ist.“

Gerade kamen quiekend singende Stimmen aus dem Haus. „Tinchen, mein Tinchen. Du hast an deine arme, kleine Freundin gedacht.“

Dann die tiefe Stimme von Tante Tina. „Das schönste Zimmer für dich, mein Röschen.“

„Ich hoffe, Sie kommen sie bald wieder holen“, meinte Ezra.

„Nicht ich, sagte der Taximann entschlossen. Das soll ein Anderer machen.“ Er führte die Hand leicht grüßend an den Hut und ging.

Er war aber gleich wieder da. „Die Damen sagen, ich soll zu Ihnen wegen zahlen“, meinte er. Ezra fühlte sich nicht dazu berufen und ging Esther suchen. Esther saß hinter dem Haus mit einem gesunden Brot, an dem sie lustlos kaute. Sie hatte gerade wieder Diät - auf die kleine Unzufriedenheit kam es auch nicht mehr an.

 

Ezra teilte ihr das Problem mit.

Es wurde wortlos behoben. Was sonst? Ida war noch immer nicht zu sehen. Im Hof lag ein gewaltiger Haufen Gepäck von „Röschen“. Und Ezra beschloss, sich davonzumachen, bevor eine der Damen auf die Idee kam, ihn als Kofferträger zu benützen.

MITTAG

Hinter dem Haus wogte die verwunschene Wiese. Eine Wiese, in der noch Elfen und Kobolde hausten. Sanft hügelig und feucht genug, dass eine Vielfalt an Gewächsen hier zu Hause war. Große, gelbe Disteln und klebrige rosa Nelken und Glockenblumen und Wiesenschaum. Es summte und war einfach schön.

Ezra hatte das Bedürfnis, sich vom Haus zu entfernen, um in Ruhe die Situation klären zu können. War Hille einem Versuch zum Opfer gefallen, ihn umzubringen? Kleine, böse Gedanken wurden wach. Waren Hubert und Jörg nur so schnell gegangen, weil sie mit der Sache etwas zu tun hatten? Hatte einer von ihnen Hille gestoßen? Oder gab es einen anderen Auslöser von Hilles Unfall? An einen aggressiven Hausgeist wollte er eher nicht glauben.

Was wusste er von Hubert? Sohn reicher Eltern, ständig in Geldnöten. Papa war für arbeiten, Hubert nicht. Trotzdem hatte er unregelmäßig viel Geld und dann wieder panisch keines. Ezra vermutete, dass er an Systemen für Glückspiel rechnete. Jetzt war gerade Ebbe, deshalb hatte er mit ihnen die Wohnung geräumt. Er hatte dabei versucht, das Schlimmste an Arbeit zu vermeiden, und rechnete ständig in kleinen Heften und vor allem auf seinem Laptop.

Und hatte er nicht Hubert einmal auf der Uni mit Vorberg gesehen? Ezra hatte eine sehr feindliche Haltung gegenüber Vorberg. Vor allem im letzten Jahr hatte Ezra Remus Vorberg immer deutlicher als etwas Übles, vielleicht sogar Bedrohliches wahr genommen. Aber wie konnte der Hille gestoßen haben? Und warum sollten er oder Hubert so etwas tun?

Und Jörg? Jörg kam aus Deutschland, war schwul und verspielt, inkonsequent. Ein großer knochiger Junge, der immer lachte, auch wenn es ihm gar nicht gut ging. Dass der plötzlich Hille umbringen wollte, war nicht leicht zu glauben.

Und Hille? Er hatte Hilles Taschen durchsucht und drei besonders schöne Köder gefunden, die der, scheint es, aus dem Fischeranzug gezogen hatte. Hatte wohl nicht widerstehen können. Die Brillantringe hatte er brav abgeliefert. Still gab er an dem Abend den Fund wieder in Hilles Tasche. Was konnte jemand gerade von Hille wollen? So bedrohlich, so rücksichtslos, so mörderisch.

Er schlenderte den Weg entlang zum Nachbaranwesen. Die Sonne brannte. Im Hof war keiner. Die Kühe schnaubten im Stall. Ezra ging nachschauen. Der Stall war ziemlich düster. Es roch süßlich und nach Heu. Die Tiere regten sich träge. Er konnte nur langsam etwas erkennen. Die Fenster waren klein und mit Spinnweben zugewachsen. Er kraulte einer Kuh die Stirne und stellte dann fest, dass sie ein Stier war.

Da sah er jemanden stehen. Eine Frau. Er begrüßte sie überfreundlich. Sie schaute ihn nur düster an, mit starrem Blick. Er konnte jetzt besser erkennen. Sie hatte ein seltsam unzureichendes Gerät in der Hand, etwas wie einen verrosteten Metallbesen. Daran klebten Reste von Stalldung, und sie schien damit den Stall reinigen zu wollen. „Sie bringen Bakterien herein, das kann ganze Herden ausrotten. Es gibt Kälber hier“, sagte sie schließlich düster. Pythia, die düstere Wahrsagerin von Mord, Totschlag und Untergängen aller Art?

„Ich komm‘ von neben an, bin auf längerem Besuch und wollte nur guten Tag sagen, fragen ob ich etwas mitnehmen soll. Ich muss zu einem Freund ins Unfallkrankenhaus, da könnte ich die Dinge holen, die sie hier nicht haben.“ Ezra konnte umwerfend charmant sein. Es prallte ab. Sie schaute ihn nur böse an und kehrte verbissen an einem Kuhfladen.

Er ging vorsichtig. Als er ins Freie trat, meinte sie hinter ihm: „ - den Geist schon getroffen?“

„Ja, er hat gestern die Musikanlage auf- und abgedreht und hat gesagt, er heißt Robert.“

„Ihr glaubt, das ist ein Witz“, sagte sie Frau in ihren Hals hinein. „Das ist kein Witz.“

„Wer ist Robert?“

„Frag ihn selber.“ Sie trat auch vor die Türe und sie sahen beide zum Jaidhof hin. Im Fenster war deutlich ein Mann mit Hut zu sehen, irgendetwas war rosa, und der Hut war blau, wie ein Zylinder mit Blumen über einem weißen Kragen. „Er ist eh da“, sagte sie mit bösem Lächeln.

Warum eigentlich ein Mann? Es konnte eine Kabarettistin oder eine Zirkusdarstellerin sein mit diesem Hut und diesem weißen Kragen, aber die hießen meist nicht Robert. Die Frau ging zurück in den Stall.

Er dachte über Geister nach.

NACHMITTAG

Ezra wollte jetzt keine alten Damen vertreiben helfen, sondern fuhr zum Spital.

Hille war schon wieder guter Dinge „Ich habe überlebt, weil ich unterkühlt war, sagen die Ärzte. Wie ich es um die Jahreszeit bei den Temperaturen geschafft habe, unterkühlt zu sein, verstehen sie nicht.“ Hille hatte auch seinen Kater losgebracht und wirkte nicht einmal blass, nicht verschreckt, eigentlich lag er irrtümlich in einem Spitalsbett. Er konnte sich an rein gar nichts erinnern, nicht einmal an die Wasserzisterne, geschweige denn, ob ihn jemand gestoßen hatte, und wer. Warum er in den Keller gegangen war? Ja, er konnte das nicht so genau sagen, aber er hatte so ein dunkles Gefühl, dass irgendwas ausgegangen war. Und er brauchte Nachschub und irgendwer sagte, der sei im Keller. Beim besten Willen konnte er es nicht genauer sagen. Im Keller sind wohl meist die Flaschen. Oder nicht? Schien nicht unlogisch. Oder?

Ezra begann, mit ihm über dies und das zu reden, und lenkte das Gespräch so auf die letzten Monate. Was hatte Hille denn so gemacht die letzten drei Monate oder vielleicht vier?

Hille lief rot an. Oh das war nicht gut! Da gab es Riffe und Untiefen. Wie schwer das Problem war, konnte man bei ihm nie sagen. Er konnte Einbrüche begangen haben, mit Drogen gehandelt, vielleicht aber nur die Kassiererin von der Cafeteria in der Uni begehrt. Alles gleichermaßen sorgte mitunter für rote Flecken an seinem Hals, wie eben jetzt.

Ezra machte, als ob er nichts bemerkt hätte. „Warst recht knapp bei Kasse?“, versuchte er weiterhin in die Untiefen vorzudringen. Die roten Flecken zogen ab. Hille fühlte sich verstanden.

„Im Mai hatten sie mich zu einer Pokerrunde eingeladen und irgendwie war‘s ein schlechter Abend und dann war ich pleite mit Schulden. An denen nage ich heute noch“, meinte er unglücklich.

Ah ja, irgendwer hatte Hille gezielt ausgenommen. Keine Kunst, aber eine üble Sache. Wie auf junge Häschen schießen. „Wer war denn da?“, fragte Ezra mit Fürsorge in der Stimme.

„Naja, Remus Vorberg hat uns eingeladen. War eine ziemlich große Runde. Er fragte, ob ich in die Verbindung komme. Wollte ich doch immer schon einmal“, erzählte Hille unschuldig.

Es ging das Gerücht von einer schlagenden Verbindung mit lobbyistischen Aktivitäten dunkler Machart um, eine üble Sache. Vorberg hatte einen reichen Vater und war deshalb Anführer, Ikone dieser zweifelhaften Bruderschaft. Ezra machte einen Vermerk in seiner inneren Bibliothek, einen Vermerk über verbotenes Glückspiel. Vorberg war ein sehr mieser Typ, da gab es keinen Zweifel.

Da sagte Hille: „Jörg war auch da.“

Also Jörg war auch dabei, das konnte vieles heißen. Er hätte Jörg nicht für einen üblen Helfer böser Mächte gehalten. Der immer lächelnde, ein bisschen ungelenke Jörg als Helfer des Bösen? Das schien Ezra weit hergeholt. Er fragte weiter: „Warst du dann noch einmal dort? Ich meine bei der Verbindung?“

„Naja, ich wollte eine Stundung, weil ich ja den Job mit dir hatte. Das hätte einen Großteil der Schulden abgedeckt, anders konnte ich es ja nicht zahlen.“

„Und haben sie mit sich reden lassen?“

„Hubert hat da grade etwas abgeholt und alle waren ziemlich gereizt und Vorberg sagte zu mir: ‚Schuldner müssen draußen warten‘, und so wartete ich lange. Und dann musste ich heim, Vater helfen, und so bin ich seither nicht mehr dort gewesen. Sobald ich raus bin, zahle ich es, denn Vorberg hat gesagt, ich sollte auf meine Ohren aufpassen.“

Ezra spürte Wut hochkochen. Wie konnte dieser miese Verbindungsbruder Hille so etwas sagen? Das war eine ungeheure Frechheit, nachdem er ihn ausgenommen hatte. Und was hatte Hubert mit den Typen zu schaffen? Es war schwer zu ertragen, dass alle seine Kumpels mit Vorberg Kontakte hatten. Und die Frage war: Was für Kontakt? Hubert war ihm immer als ganz trockener, sachlicher Denker erschienen. Völlig fantasielos, fast wie ein Roboter, emotionslos. Was ist, wenn so jemand ein Spieler ist, im Poker verliert? Oder was für Geschäfte gab es da noch bei Vorberg? Wie war das mit der Verbindung?

„Hat Hubert die Unterlagen geholt?“ Keine klare Frage. Nein. War nicht gut. Hille sollte unschuldig bleiben. Aber vielleicht wusste er etwas, - etwas das nicht gleich sichtbar war, nicht leicht erkennbar, zumindest nicht für Hille.

„Keine Ahnung. Welche Unterlagen? Sah aus wie ein kleiner Werkzeugkoffer, Akkuschrauber oder so etwas, und dann hatte er seinen Laptop hergezeigt. Irgendwas war damit. Aber deshalb waren sie ja so gereizt.“

„Wegen dem Laptop?“

„Ja, Vorberg war böse. Grade als ich hereinkam, sagte er - das ist einfach nicht richtig - oder so etwas.“

„Wem gehörte denn der Laptop?“

„Weiß ich eigentlich nicht. Ich dachte, Hubert. Der hat ihn mitgenommen.“

Ezra verabschiedete sich.

Hatte Hille etwas gesehen, was er nicht sehen sollte? Er wünschte sich, Vorberg mit Händen voll fremdem Geld zu erwischen. Und dann wollte er ihn stolpern lassen, eine Bauchlandung, heftig und schmerzhaft und alle Geheimnisse lägen auf der Straße, für alle sichtbar. Das war es, was er mit Vorberg machen wollte. Harmlose Bürger ausnehmen beim Poker! Und dann präpotent und bedrohlich den armen Kerl einschüchtern wollen!

Aber vor allem stellte Ezra sich die Frage, ob Remus Vorberg eine große Nummer war. Ezra hielt ihn eher für einen Blender. Mehr Show als Mann. Hatte Vorberg Hilles Unfall auf dem Gewissen? Aber er war nicht anwesend, Hubert schon.

Was für eine Rolle hatte Hubert bei der Sache? Die Gedankenschlingen fuhren mit im Auto, ringelten sich ums Lenkrad, um den Schaltknüppel, um Hubert, um Hille – aber der schlief fest im Spital. Und Ezra kam zu keiner Lösung - es gab zu viele Möglichkeiten.

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