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Im Reiche des silbernen Löwen I

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»Werden sich hüten!«

»O doch! Die Snuffles wissen, daß sie verloren sind, wenn ich sie nicht rette; es wird ihnen also nicht einfallen, zu verraten, daß noch jemand bei ihnen gewesen ist. Die Roten werden freilich nachforschen und dabei die Maultiere und die Flinten der Snuffles finden. Hierauf werden sie überzeugt sein, daß die Brüder wirklich allein waren, denn wenn noch jemand bei ihnen gewesen wäre, der hätte die Tiere und Gewehre gewiß fortgeschafft.«

»Ah, das ist freilich pfiffig! Aber die Indianer werden unsere Spuren sehen!«

»Nein, denn die sind bis morgen früh undeutlich geworden. Und selbst wenn sie noch zu sehen wären, würden die Roten nicht weiter forschen, nachdem sie die Maultiere gefunden haben.«

»Ob sie aber wirklich hierher kommen und sie finden?«

»Hierher? Es fällt mir ganz und gar nicht ein, sie grad hierher zu locken, denn da würden sie allerdings erfahren, daß mehr als nur zwei Menschen hier gewesen sind. Das Gras und Moos ist hier so fest niedergedrückt, daß es sich bis morgen früh unmöglich ganz wieder erheben kann. Nein. Wir schaffen die Tiere fort, an einen Ort, wo sie leicht zu finden sind. Und dabei sollt Ihr mir helfen, wenn Ihr wollt.«

»Natürlich will ich. Welcher Ort wird das wohl sein?«

»Tim Snuffle ist von der Höhe gerutscht. Die Roten werden also zunächst da oben suchen. Dort binden wir die Tiere an.«

»Wann? – Früh?«

»O nein, denn da würden die Spuren bemerkt, welche wir dabei machen.«

»So müssen wir sie jetzt hinschaffen; da vergehen die Spuren bis morgen früh.«

»Richtig! Das werden wir thun. Aber Ihr seid gefesselt gewesen. Wird das Gehen Euch nicht Schmerzen machen?«

»O nein, denn Ihr habt mich nicht in der Weise gebunden gehabt, wie die Indianer dies zu thun pflegen.«

»So wollen wir nicht säumen, sondern gleich an das Werk gehen. Mr. Dschafar ist nicht gewöhnt, des Nachts durch den Wald zu gehen; er wird also hier bleiben und auf uns warten.«

Wir banden jedem der beiden Maultiere eines der Gewehre an das Sattelzeug und führten sie dann fort. Ich ging natürlich voran und Perkins folgte mir. In der Nähe der Stelle angelangt, wo Tim abgerutscht war, banden wir die Tiere an und kehrten dann zu Dschafar zurück, welcher nicht nur über seine Befreiung entzückt war, sondern sich auch darüber freute, daß er sein Pferd wieder hatte.

»Ich wollte, es wäre das meinige,« sagte Perkins, »denn nun muß ich laufen.«

»Seid Ihr denn ein guter Läufer?« erkundigte ich mich.

»Leider nicht.«

»So gebe ich Euch mein Pferd, und ich gehe.«

»Das wolltet Ihr wirklich?«

»Ja.«

»Ich bin Euch sehr dankbar dafür; aber ist es nicht unvorsichtig von Euch, Mr. Shatterhand?«

»Warum unvorsichtig?«

»Weil Ihr vorhin sagtet, daß Ihr mir Euer Vertrauen nicht gleich schenken könntet.«

»Was hat das mit der Unvorsichtigkeit zu thun?«

»Wie leicht kann ich Euch durchgehen, wenn ich reite, während Ihr lauft!«

»Pshaw! Ich brauchte nur zu pfeifen, so würde mein Pferd trotz aller Reitkünste mit Euch zu mir zurückkehren. Es hat indianische Dressur. Und wenn dies auch nicht der Fall wäre, so würde Euch meine Kugel sofort vom Pferde holen. Old Shatterhand weiß stets, was er wagen darf oder nicht. jetzt wollen wir aufbrechen.«

Wir führten unsere Pferde in der vom Flusse abgewendeten Richtung aus dem Walde hinaus. Als wir in das Freie gelangt waren, stiegen Dschafar und Perkins auf, um mir, der ich den Führer machte, zu folgen.

Hier war es heller als im Walde. Die Sterne schienen, und es gab also keinen Zweifel darüber, wohin ich die Schritte zu lenken hatte.

Längere Zeit hatte jeder mit seinen Gedanken zu thun; dann sagte Perkins, indem er das Schweigen unterbrach:

»Ihr wißt also genau, wohin es geht, Sir. Dürfen wir es auch erfahren?«

»Natürlich! Nach einer Anhöhe, welche von den Comantschen Makik-Natun genannt wird. Dort wollen sie bei den Gräbern ihrer Häuptlinge die Gefangenen töten. Heut war nichts mehr zu machen; ich hoffe aber, morgen ihnen die Gefangenen zu entreißen.«

»Auf welche Weise?«

»Das weiß ich jetzt noch nicht; der Augenblick muß es ergeben.«

»Wenn aber kein solcher Augenblick kommt?«

»So führe ich ihn herbei. Ich glaube, für zwei passende Gelegenheiten sorgen zu können; eine von ihnen muß ergriffen und benutzt werden.«

»Welche sind das?«

»Eine halbe Tagreise zwischen hier und dem Makik-Natun liegt ein Regenbett, welches im Frühjahr so viel Wasser führt und während der übrigen Zeit so viel Feuchtigkeit besitzt, daß dort ein Wald entstanden ist. Ich nehme mit Sicherheit an, daß die Indianer ihren Ritt dorthin richten, um ihre Pferde dort ausruhen, trinken und grasen zu lassen. Anderswo fänden sie keinen solchen Platz. Vielleicht finden wir dort Gelegenheit, die Gefangenen zu befreien.«

»Wenn aber nicht?«

»So bleibt uns freilich nichts übrig, als den Roten bis zum Makik-Natun zu folgen, wo die Gelegenheit sich dann unbedingt finden muß, und wenn ich sie bei allen Haaren herbeiziehen sollte.«

»Ihr seid ein couragierter Mann, Mr. Shatterhand. Wagt ja nicht gar zu viel!«

»Was ich wage, das wage ich für mich. Euch werde ich nicht zumuten, Euer Leben auf das Spiel zu setzen.«

»Ist Euch denn das Regenbette bekannt, von dem Ihr spracht?«

»Ja; ich war schon dort, wenn auch nicht von hier aus.«

»Nicht von hier? So können wir es ja sehr leicht verfehlen!«

»Das sagt Ihr und wollt ein Scout, ein Führer sein? Old Shatterhand hat sich noch nie verirrt; er ist stets dahin gekommen, wohin er kommen wollte.«

Dies war eine Bemerkung, welche ihn veranlaßte, die Unterhaltung nicht weiter fortzusetzen. Dafür begann Dschafar mir zu erzählen, wie er von den Roten überfallen ward. Er hatte sich verteidigt und mit seinen Kugeln zwei Indianer getroffen. Daher das Blut, welches wir gesehen hatten. Dafür war er viel fester gefesselt worden als die andern, und für einen qualvolleren Tod bestimmt. Hieran schloß er eine Beschreibung der Behandlung, welche ihm zu teil geworden war und eine Schilderung des Glückes, welches er nun empfand, wieder frei zu sein. Er sprach englisch, aber in einer so blumenreichen Weise, daß ich ihn für einen Orientalen gehalten hätte, auch wenn mir noch nichts über ihn gesagt worden wäre.

Wir unterhielten uns längere Zeit miteinander. Ich hätte gern Näheres erfahren, da er aber seine Verhältnisse nicht von selbst berührte, so hielt ich es nicht für angezeigt, ihn nach denselben zu fragen. Ein gebildeter Mann war er jedenfalls, gebildet nicht nur nach orientalischem, sondern sogar nach europäischem Begriffe. Er mußte sich wohl längere Zeit im Abendlande aufgehalten haben.

Später hielten sich beide zusammen, und während ich voranschritt, sprachen sie, wie es schien, von mir, denn sie dämpften zuweilen ihre Stimmen zum Flüstertone und blieben auch weiter hinter mir, als sie wohl gethan hätten, wenn ich nicht der Gegenstand ihres Gespräches gewesen wäre.

Perkins bot mir einigemal mein Pferd an; da ich aber nicht müde war, konnte er es behalten. So verging die Nacht, und der Morgen brach an. Als es so hell geworden war, daß wir uns sehen konnten, sagte er:

»Jetzt werden die Comantschen nach uns suchen und die Maultiere finden, Sir.«

»Gewiß. Und da es feucht im Walde ist, sind unsere Fußstapfen nicht mehr zu sehen. Je feuchter das Gras oder Moos ist, desto eher richtet es sich wieder auf. Sehen die Roten keine Spur, so nehmen sie an, daß die Snuffles keine Begleiter gehabt haben, und forschen nicht weiter nach.«

»Aber nach Mr. Dschafar werden sie suchen!«

»Auch nicht allzulange. Sie könnten ihn doch nur in dem Falle wieder ergreifen, wenn sie seine Fährte fänden. Da dies aber, wie ich voraussetze, nicht der Fall ist, so werden sie nicht viele Zeit auf eine Mühe verwenden, von der sie sich sagen müssen, daß sie fruchtlos ist.«

»Ich möchte bemerken, daß sie sein Verschwinden nicht begreifen können und darum ganz begierig darauf sein werden, eine Erklärung zu finden.«

»Unter gewöhnlichen Verhältnissen würden sie allerdings wohl die ganze dortige Gegend nach ihm absuchen; aber wir wissen ja, was sie vorhaben und daß sie eilen müssen. Sie dürfen nicht warten, bis die Ansiedler, die sie überfallen wollen, dies ahnen oder gar davon Wind bekommen. Darum werden sie den ihnen auf eine so rätselhafte Weise entwischten Mann lieber laufen lassen, als daß sie eine lange, nutzlose Suche nach ihm veranstalten. Wie ich diese Roten und ihre Gewohnheiten kenne, werden sie höchstens die ersten zwei Tagesstunden darauf verwenden und dann den Ritt nach dem Makik-Natun fortsetzen.«

»Wann werden sie im Walde am Regenbette ankommen?«

»Da sie schneller reiten werden, als wir jetzt bei Nacht reiten konnten, werden sie wohl grad zu Mittag dort sein.«

»Und wir?«

»In vielleicht einer Stunde, wenn mich meine Vermutung nicht täuscht.«

»So haben wir ja fast fünf Stunden Zeit, dort auf sie zu warten. Wenn wir ein Wild dort fänden! Wir haben nichts zu essen.«

»Jagen dürfen wir leider dort nicht, denn wir müssen uns sehr hüten, sie ein Zeichen unserer Anwesenheit finden zu lassen. Aber – — – schau, da ist uns ja gleich geholfen!«

Kaum hatte Perkins den Wunsch nach einem Wilde ausgesprochen, so sprangen zwei Prairiehasen vor uns auf. Ich nahm schnell den Henrystutzen vom Rücken und schoß sie nieder.

»Allah!« rief Dschafar aus. »Was für ein Schütze seid Ihr! Ich sehe, daß Perkins mir vorhin doch die Wahrheit gesagt hat, als er mir von Old Shatterhand erzählte.«

Diese kindliche Bewunderung nötigte mir ein fröhliches Lachen ab. Ich nahm die Hasen auf, hing sie mir an den Gürtel, und dann ging es weiter.

Die zwei Schüsse schienen die Aufmerksamkeit Dschafars auf meine beiden Gewehre gelenkt zu haben. Er betrachtete sie wiederholt in einer Weise, welche auf ein ungewöhnliches Interesse schließen ließ, und endlich gab er diesem Interesse Ausdruck, indem er mich fragte:

 

»Sir, hat dieses schwere Gewehr hier einen besonderen Namen?«

»Ja.«

»Welchen?«

»Man nennt es einen Bärentöter.«

»Allah! Sonderbar! Diesen Namen habe ich schon gehört, aber in arabischer Sprache. Giebt es mehr solche Gewehre?«

»Ja, wenn auch nicht so alt und so schwer wie gerade dieses.«

»Wievielmal könnt Ihr wohl mit dem kleineren schießen?« »Fünfundzwanzigmal.«

»Allah! Auch das stimmt. Wie heißt es?«

»Es ist ein Henrystutzen.«

»Auch diesen Namen habe ich arabisch gehört. Ist es nicht ein außerordentlicher Zufall, daß Ihr grad zwei Gewehre der Arten besitzet, wie die waren, von denen man mir erzählte?«

»Wo habt Ihr von ihnen gehört?«

»Am Tigris.«

»Am Tigris? Allerdings höchst sonderbar!«

»Kennt Ihr diesen Fluß?«

»Jawohl. jedes Schulkind kennt ihn vom geographischen Unterrichte her. So seid Ihr also wohl dort gewesen, Mr. Dschafar?«

»Ja.«

»Wann?«

»Vor zwei Jahren. Ich bin nämlich ein Perser, müßt Ihr wissen, und werde in der Heimat Mirza Dschafar genannt. Ihr werdet wohl nicht darüber unterrichtet sein, was das bedeutet?«

»Doch.«

»Nun, was?«

»Mirza ist, dem Namen vorangesetzt, der Titel eines Gelehrten; steht das Wort aber dem Namen nach, so bedeutet es einen Prinzen von Geblüt.«

»Wahrhaftig, Ihr wißt es! Also ich werde Mirza Dschafar genannt und reiste über Bagdad nach Konstantinopel. Diese Reise ging am Ufer des Tigris nach Mossul, und unterwegs war ich Gast beim Stamme der Hadeddihn, bei denen ich von den Gewehren hörte.«

»Sollte es dort auch Henrystutzen und Bärentöter geben?« fragte ich, außerordentlich gespannt, ohne dies aber merken zu lassen.

»Nein. Sie gehörten einem Fremden.«

»Wer mag der gewesen sein?«

»Er hieß Emir Kara Ben Nemsi Effendi.«

»Das ist doch ein arabischer Name; also war dieser Mann doch wohl kein Fremder!«

»Doch! Wenn Ihr arabisch verständet, so würdet Ihr wissen, daß Nemsi ein Deutscher ist. Der Scheik der Hadeddihn erzählte mir von ihm und von seinen Gewehren.«

»Wie hieß dieser Scheik?«

»Er war ein kleines, aber höchst tapferes und kluges Männchen und hieß Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah.«

»Welch ein Name! Fast länger als eine Riesenschlange!«

»Ja, in Euern Ohren klingt das wohl lächerlich, aber im Orient ist es Sitte, daß man dem eigenen Namen diejenigen der Ahnen nachfolgen läßt. Dadurch ehrt der Mann sich und seine Vorfahren zugleich. Uebrigens durfte dieser Hadschi Halef Omar gar wohl einen so langen Namen tragen, denn er war ein sehr berühmter Mann, der von vielen Heldenthaten erzählen konnte. Er hatte den Löwen und den schwarzen Panther gejagt und mit vielen Feinden gekämpft, die er alle besiegte.«

Es versteht sich ganz von selbst, daß ich mich ganz außerordentlich freute, hier, was übrigens kaum glaublich war, etwas von meinem kleinen Hadschi Halef zu hören. Der kleine Kerl hatte, wie das so seine Weise war, hier wieder einmal von seinen Erlebnissen in orientalischer Uebertreibung erzählt und sich als den Vollbringer von Thaten aufgespielt, die eigentlich auf meine Rechnung kamen. Ich machte mir den Spaß, zu verschweigen, daß ich jener Emir Kara Ben Nemsi Effendi gewesen war, und fragte:

»War jener deutsche Emir bei diesen Thaten zugegen gewesen?«

»Ja. Er hatte sogar an ihnen teilgenommen und niemals einem Feinde den Rücken gezeigt. Die Hadeddihn verdanken es ihm, daß sie heut noch bestehen, denn er hat sie vor einer Niederlage bewahrt, welche ihren Untergang nach sich gezogen hätte. Auch ich halte ihn in besonderem Angedenken, weil ich ihm sehr zu Dank verpflichtet bin.«

Das war mir neu. Ich wußte mit vollster Sicherheit, daß ich diesem Dschafar nie begegnet war, ihn nie gesehen und nie etwas von ihm gehört hatte, und er sollte mir Dank schulden? Ich mochte ihn wohl fragend anblicken, denn er fuhr fort:

»Er hat nämlich einen Verwandten von mir vom Tode errettet, indem er ihm im Kampfe half. Dann begleitete er ihn nach Bagdad und stand ihm in allen Fährlichkeiten bei, was aber leider nicht verhinderte, daß dieser Verwandte doch später überfallen und ermordet wurde.«

Wenn man im wilden Westen von Amerika einen persischen Mirza aus der Gefangenschaft der Indianer befreit, so ist das ein Ereignis, welches man gewiß ungewöhnlich nennen darf; wenn man aber von diesem Mirza hört, daß man vorher drüben am Tigris einen Verwandten von ihm vom Tode errettet hat, dann sagt das Wort »ungewöhnlich« jedenfalls noch zu wenig. Darum entriß mir, obwohl ich hatte schweigen wollen, die Ueberraschung die schnelle Frage:

»Einen Verwandten von Euch? – — – im Kampfe beigestanden? – — – nach Bagdad begleitet? – — – doch noch ermordet worden? Meint Ihr etwa Hassan Ardschir-Mirza?«

Jetzt war die Reihe, zu erstaunen, an ihm. Er hielt sein Pferd an, so daß auch ich stehen blieb, warf die Arme vor Verwunderung empor und rief aus:

»Hassan Ardschir-Mirza, der entflohene Prinz! Ihr kennt diesen Namen! Allah thut noch heut die größten Wunder! Wo habt Ihr denn von ihm gehört?«

»Gehört? Ich habe ihn gesehen!«

»Gesehen?!«

»Mit ihm gesprochen!«

»Gesprochen – — —!«

»Und an seiner Leiche gekniet, als mich schon die Pest in ihren grausigen Armen hatte!«

»Leiche – — —! Pest – — —!«

»Neben ihm lag Dschanah, sein Weib, sein Stolz, zu gleicher Zeit mit ihm ermordet!«

Es war eine sonderbare Scene. Wir standen oder vielmehr hielten voreinander und schrieen uns diese Ausrufe zu, daß Perkins hätte denken mögen, wir seien beide verrückt geworden. Dschafars Augen starrten kugelrund auf mich herab; er hatte den Mund offen und rang nach Worten, die ihm nun versagt zu sein schienen. Da machte er eine große, würgende Anstrengung und brüllte förmlich mich an:

»Dschanah, seine Seele, seine Perle! Die war es ja, durch welche ich verwandt mit ihm bin! O, Mr. Shatterhand, ich muß Euch fragen, ob ich träume oder mich im Fieber befinde. Ihr waret bei den Haddedihn?«

»Ja.«

»Als Hadschi Halef Omar noch nicht zu ihnen gehörte?«

»Ja.«

»Ihr waret dabei, als Mohammed Emin, ihr berühmter Scheik, starb?«

»Ich habe ihn mit begraben, ihn der mir einst Rih, meinen herrlichen Rappen schenkte. Er starb ja, als wir Hassan Ardschir-Mirza im Kampfe gegen die Kurden beistanden.«

»Das stimmt, das stimmt! Aber dann seid Ihr ja – — – seid Ihr – — —«

Er griff sich mit der Hand an die Stirne und fuhr dann fort:

»Da müßt Ihr doch jener Emir Kara Ben Nemsi Effendi sein!«

»Der bin ich allerdings. Mein Vorname Karl wurde in Kara verwandelt; Ben Nemsi bezeichnete meine Nationalität, und die andern Titel Emir und Effendi gab man mir ohne Examen und Verdienst.«

Nun folgte eine ganze Menge von Fragen, die ich beantworten mußte, bis ich die Reihe derselben mit der Bemerkung abschnitt:

»Das ist ein Zusammentreffen, welches man kaum für möglich halten sollte; aber wir wollen uns von unserm Erstaunen nicht länger hier halten lassen. Denken wir erst an die naheliegende Pflicht und dann, wenn diese erfüllt ist, an die Vergangenheit! Wollen uns beeilen, nach dem Regenbette zu kommen.«

»Wie Ihr wollt, Sir; aber Ihr könnt es mir glauben, daß mir die Aufregung in alle Glieder gefahren ist.

Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi Effendi sind Eins, sind dieselbe Person! Was werdet Ihr mir alles erzählen müssen!«

»Und Ihr mir auch. Ich muß natürlich bis ins kleinste wissen, wo und wie Ihr meinen kleinen, treuen Hadschi Halef gefunden habt. jetzt aber weiter! Kommt!«

Wir setzten den aus einem so seltenen Grunde unterbrochenen Marsch fort; es wurde uns beiden schwer, zu schweigen; aber es war wirklich besser, wenn wir unsere Gedanken jetzt nur auf die Gegenwart und ihre Forderungen richteten. Was Perkins betrifft, so schien er von unserm Erstaunen angesteckt worden zu sein, denn er machte ein Gesicht, als ob in seiner Gegenwart der Sultan von Stambul über den Kaiser von China hinweggestolpert sei.

Meine Vorhersagung bewahrheitete sich: ich verfehlte das Regenbette nicht; nach ungefähr einer Stunde sahen wir im Osten vor uns einen dunkeln Strich erscheinen, welcher Wald bedeutete. Notabene, das Regenbette lag nördlich von dem Beaver-Creek; wir hatten aber einen Umweg nach Westen gemacht und kamen also aus dieser Himmelsrichtung nach dem Regenbette. Der Grund dazu war der, daß die Comantschen, welche sehr wahrscheinlich die gerade, direkte Linie ritten, nicht auf Spuren von uns treffen sollten.

Es muß gesagt werden, daß der Wald am Regenbette ein längliches Viereck bildete, welches keine bedeutende Fläche bedeckte. Siebzig Indianer konnten ihn recht gut in einer Stunde so genau durchsuchen, daß sie einen darin versteckten Menschen unbedingt finden mußten. Dazu kam der Umstand, daß wir die Stelle, an welcher die Comantschen lagern würden, nicht vorher wissen konnten. Wir mochten für uns wählen, welche Stelle wir wollten, so mußten wir gewärtig sein, daß sie grad auch zu derselben kommen würden. Und selbst wenn dies nicht der Fall war, so konnten wir durch irgend einen Umstand aufgefunden, vielleicht durch das Schnauben von Dschafars Pferd verraten werden. Denn dieses Tier hatte noch keinem Westmanne gehört, und jedes ungeschulte Pferd pflegt laut zu werden, wenn andere Pferde in seine Nähe kommen. Darum antwortete ich, als Perkins mich nach unserm Verstecke fragte:

»Wir verstecken uns nicht, sondern bleiben auf dem freien, offenen Camp, wenigstens ihr beide.«

»Aber da werden wir ja gesehen!«

»Nein. Diese offene Lage ist das beste Versteck, welches es unter den heutigen Verhältnissen geben kann.«

Er, der sich am liebsten ganz verkrochen hätte, wollte Einwände erheben; da ermahnte ihn Dschafar:

»Widersprecht ihm nicht! Seit ich weiß, daß er Kara Ben Nemsi ist, bin ich überzeugt, daß er stets das Richtige trifft.«

»Wenn auch nicht stets, sondern möglichst oft,« berichtigte ich sein Lob. »Wir halten gleich da an, wo wir uns jetzt befinden; das ist der geeignetste Punkt für uns.«

»Warum der geeignetste?« fragte Perkins doch. »Ich bin auch Westmann und als Scout engagiert. Ich denke, daß ich ein Wort mit dreinzureden habe.«

»Wenn ich es Euch erlaube! Ihr wißt ja, auf welche Weise wir uns kennen gelernt haben, und ich bitte, dies nicht zu vergessen. Dennoch will ich Euch meine Gründe sagen.«

Während sie abstiegen und die Pferde anhobbelten, fuhr ich fort:

»Der Wald ist klein, und die Comantschen zählen siebzig Krieger. Sie brauchen sich gar nicht sehr zu zerstreuen, um uns zu entdecken, zumal wir nicht wissen, an welcher Stelle sie lagern werden. Unsere Pferde machen Spuren, welche nicht verschwinden, bis die Roten kommen, und ein einziges Schnauben oder gar Wiehern kann uns sehr leicht das Leben kosten.«

»Hm, das ist wahr,« gab er ängstlich zu.

»Nehmt dagegen diese Stelle hier an! Die Comantschen kommen von Süden nach dem Walde und verlassen ihn in nördlicher Richtung; wir aber befinden uns westlich von ihm; sie werden also nicht hierher kommen, uns gar nicht sehen. Und käme ja einer von ihnen in Sicht, so kann man, wenn man gut aufpaßt, sich schnell entfernen, ehe er einen bemerkt hat. Ist es da nicht vorteilhafter, hier zu liegen, als drin im Walde, wo die Entdeckung fast sicher und das unbemerkte Entfernen ganz unmöglich ist?«

»Ja,« gestand er ein. »Aber wie sollen die Gefangenen befreit werden, wenn wir hier bleiben, während die Indianer sich im Walde befinden?«

»Das laßt meine Sache sein! Ich habe Euch ja gesagt, daß ich Euch keiner Gefahr aussetzen werde, und Mr. Dschafar kennt den wilden Westen und seine Bewohner zu wenig, als daß ich ihm zumuten dürfte, sich zu beteiligen. Ich gehe also allein nach dem Walde, und Ihr bleibt hier, bis ich zurückkehre.«

»Und wenn die Roten indessen doch hierher kommen?«

»So reitet Ihr schnell westlich fort und kehrt, wenn sie verschwunden sind, wieder nach hier zurück. Ihr müßt sie ja auf alle Fälle eher sehen als sie Euch.«

»Ihr nehmt Euer Pferd mit?«

»Welch eine Frage! Das wäre ein Fehler, wie er größer kaum zu denken ist. Ich vertraue es Euch an.«

»Aber wenn wir fliehen müssen und nicht zu Euch zurückkönnen?«

»Sorgt Euch nicht um mich! Ich komme auf jeden Fall wieder zu Euch und zu meinem Pferde. Ich habe das gute Vertrauen zu Euch, daß Ihr mir gar nicht mit ihm durchgehen könnt. Ich bleibe hier bei Euch, bis ich denke, daß die Indsmen bald kommen; dann gehe ich nach dem Walde und – — —

»Und laßt Euch grad so entdecken, wie sie uns entdecken würden,« fiel er mir in die Rede.

 

»Ihr werdet spaßhaft, Mr. Perkins. Aber vielleicht wird aus dem Scherze Ernst, und ich komme auf den Gedanken, mich entdecken zu lassen. Es versteht sich ganz von selbst, daß ich die sechs Gefangenen weder durch offenen Kampf noch nur durch List zu befreien vermag. Ich allein kann weder die siebzig Indianer niederhauen noch mich und die Gefangenen unsichtbar machen und mit ihnen verschwinden. Es handelt sich hier vielmehr um ein Wagestück, zu dessen Ausführung allerdings beides, Gewalt und List, gehört und welches mir schon einigemal gelungen ist. Ich habe es sogar bei diesem To-kei-chun schon einmal mit gutem Erfolge angewendet und bin infolgedessen auf den Gedanken gekommen, es heut nochmals zu versuchen. Nämlich wenn es mir gelingt, mich des Häuptlings zu bemächtigen, haben wir gewonnenes Spiel; er bekommt die Freiheit nur gegen Entlassung der Gefangenen wieder.«

»Das ist verwegen, außerordentlich verwegen!«

»Nicht so sehr, wie es den Anschein hat, wenigstens für den, welcher eine gewisse Uebung in solchen Dingen besitzt. Das scheinbar Schwere ist oft viel leichter als das, was leicht erscheint und auch leicht ist.«

»Aber wie wollt Ihr es anfangen, ihn in Eure Hand zu bekommen?«

»Das überlasse ich den Umständen, und sind diese mir nicht günstig, so erzwinge ich es. In diesem Falle kommt es mir gar nicht darauf an, mitten unter die Roten hineinzuspringen und dem Alten das Messer an die Kehle zu setzen mit der Drohung, sofort zuzustechen, wenn jemand die Hand gegen mich erhebt und die Bleichgesichter nicht freigegeben werden.«

»Sir, das würde der pure Wahnsinn sein!«

»Hab‘s dennoch schon gethan. Der Schreck, die Angst, das Entsetzen sind dann die besten Verbündeten; wer sich aber schon vorher selbst fürchtet, der mag die Hand von solchen Streichen lassen. Jetzt wollen wir den Hasen die Felle über die Ohren ziehen; Holz zu einem Feuer giebt es ja.«

Der Wald sandte einzelne Büsche wie Vorposten in die Ebene hinaus; sie standen bis zu uns heran, und mehrere waren aus Mangel an Feuchtigkeit verdorrt. Perkins mußte dieses Material sammeln, und bald brannte ein Feuer, über welchem die Hasen brieten. Während dieses angenehmen Geschäftes und des darauffolgenden Essens hatte ich Dschafar über frühere Ereignisse Rede und Antwort zu stehen, und das Wagnis, welches ich heute unternehmen wollte, wurde nicht erwähnt. Auch später wurde nicht davon gesprochen, bis ich aufstand und, die Gewehre überhängend, mich zum Gehen anschickte. Da fragte Perkins:

»Wollt Ihr jetzt fort, Sir, nach dem Walde?«

»Ja.«

»Mit den Gewehren? Sie werden Euch hinderlich sein, wenn Ihr Euch anschleichen müßt. Wollt Ihr sie uns nicht lieber hier lassen?«

»Nein. Das Pferd kann ich Euch anvertrauen, diese Waffen aber nicht, denn wenn mir der Gaul ja abhanden käme, könnte ich ihn nur durch sie mir wieder holen.«

»Aber wenn die Roten Euch ergreifen sollten, so sind diese kostbaren Gewehre für Euch für immer verloren.«

»Nur in dem Falle, daß ich selbst verloren sein würde.«

»Nein, sondern auch dann, falls es Euch gelingen sollte, ihnen wieder zu entkommen. Wenn sie Euch fangen, nehmen sie Euch doch alles ab, und wenn Euch auch die Flucht glückt, zu den Waffen kommt Ihr dann nicht wieder.«

»Ihr irrt Euch. Ich würde nicht ohne meine Gewehre fortgehen.«

»Die hätten sie aber doch an sich genommen, und Ihr müßtet Euch ihnen zeigen, wenn Ihr sie ihnen wieder abnehmen wolltet!«

»Allerdings; aber es wäre nicht das erste Mal, daß dies geschähe. Bin schon wiederholt gefangen gewesen, wobei mir meine Waffen abgenommen wurden, und doch stets entkommen, ohne sie zurückzulassen. Seid also ja nicht bange um mich; wir sehen uns auf alle Fälle wieder.«

Mit diesen Worten ging ich fort.

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