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Abdahn Effendi

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Zwei von ihnen waren bejahrte Männer, aber noch rüstig. Ihre Bewegungen waren würdevoll, ihre Haltung stolz und fest, beinahe militärisch. Sie trugen Vollbärte. Der dritte war bedeutend jünger als sie, stark und kräftig gebaut, mit einem ungewöhnlich offenen, intelligenten Gesicht, in dem er nur den Schnurrbart trug. Sein Anzug zeigte die Spuren der Arbeit, doch sah man ihm an, daß er nicht als Untergebener tätig war. Er behandelte die beiden älteren Männer mit sichtbarer Hochachtung.

»Ob das etwa Ben Adl, der Müller, ist?« fragte Halef.

»Sehr wahrscheinlich«, antwortete ich.

»Die beiden anderen sind nicht von hier«, fuhr er fort. »Das sind nicht Männer, sondern Herren. Und sie kommen nach dem Wege, der hinunter in das Haupttal und dann nach uns zu Hause führt. Weißt du, Effendi, welcher Gedanke mir da annehmbar erscheint?«

»Der Gedanke, daß es die beiden Fremden sind, die in den Zimmern über uns wohnen?«

»Ja, wahrhaftig, so vermute ich!«

»Ich auch, obwohl ich gar keine Haltepunkte hiefür habe. Wenn Abdahn Effendi uns verboten hat, hieher zu gehen, so ist wohl anzunehmen, daß er es auch den beiden anderen Gästen untersagte.«

»Die aber ganz so wie wir der Meinung waren, daß sie nicht verpflichtet sind, ihm zu gehorchen! Doch still! Sie sind schon da!«

Wir waren der Ansicht gewesen, daß diese Leute an uns vorübergehen würden. Das taten sie aber nicht, sondern sie blieben an der Stelle, wo der Weg aus dem Walde mündete, stehen. Wir sahen und hörten sehr bald, warum. Wir hatten uns nicht geirrt. Sie waren die, für die wir sie gehalten hatten, nämlich der Sägemüller und die beiden Fremden aus Basra und Laristan, die gerade über unseren beiden Zimmern wohnten. Sie hatten im Garten ein wichtiges Gespräch gehabt, nach welchem der Müller seinen Besuch nun bis hieher begleitete, wo ihr Heimweg durch den Wald begann. Da blieben sie nun für einige Augenblicke stehen, um sich voneinander zu verabschieden.

»Hierbei hat es also zu bleiben«, sagte einer der beiden älteren Herren in arabischer Sprache, doch hielt ich ihn infolge seines Dialekts sofort für einen Perser. »Es bleibt uns leider kein anderes Mittel mehr übrig. Ist auch das ohne Erfolg, so geben wir diese Forschungen auf und kehren in unsere Garnisonen zurück.«

»Das verhüte Gott!« wünschte der Müller, indem er die Hände faltete.

»Ein anderes bleibt uns dann allerdings nicht übrig,« bestätigte der andere ältere Herr, der unbedingt ein Türke war. »Wir geben zu, daß diese drei Personen im höchsten Grade verdächtig sind; aber wir können nichts auf sie bringen. Der Zoll bringt nichts mehr ein, und doch wissen wir, daß ganz bedeutende Mengen von Waren gerade hier durch Dschan nach beiden Richtungen gehen. Wir hofften auf dich. Du lebst ja hier und kennst die Verhältnisse. Du behauptest, daß dein Vater und der Vater deiner Frau unschuldig bestraft worden seien. Du hast also das größte Interesse daran, uns nachweisen zu helfen, was für Schurken die drei Kerle sind. Was aber haben wir entdeckt?«

»Nichts, gar nichts!« antwortete der Perser schnell. »Nur eins haben wir gefunden, nämlich, daß die beiden Achmed Agha sich als Oberst und die beiden Selim Agha sich als Leutnants bezeichnen, obwohl kein Mensch daran gedacht hat, sie avancieren zu lassen. Die Achmeds sind heute noch Leutnants und die Selims heute noch gewöhnliche Soldaten. Aber das gibt keinen Grund, sie zu bestrafen. Sie würden einfach sagen, daß es ein Scherz sei oder daß sie diese Täuschung der Schmuggler für notwendig gehalten haben, um zu imponieren und sie vom Verbrechen abzuschrecken. Sie haben in ihren Berichten sich niemals als etwas Höheres bezeichnet, als sie sind, und darum könnte auf diese falsche Rangbezeichnung dem Zivil gegenüber höchstens ein Verweis erfolgen, zumal sie niemals Uniform getragen haben, am allerwenigsten diejenige einer Charge, die sie nicht bekleiden. Diese drei Männer sind entweder so grundehrliche Leute, oder so abgefeimte Schurken, daß wir nicht die geringste Waffe gegen sie in die Hand bekommen haben, obwohl du uns hilfst und wir schon zwei Wochen lang, von ihnen unerkannt, bei ihnen wohnen und sie so scharf beobachtet haben, daß uns sicherlich nichts von dem, was während dieser Zeit geschah, entgangen ist. Nun haben wir nur noch die Wirkung unseres neuen Planes abzuwarten. Der von mir in Teheran bestellte Bote wird von heute an in vier Tagen ankommen – —«

»Der, den ich in Bagdad bestellt habe, ungefähr an demselben Tage,« bestätigte der Türke, indem er ihm in die Rede fiel.

»Sie kommen also wohl an einem und demselben Tage nach Dschan,« sagte der Sägemüller, »und die beiden sogenannten Oberste werden also zu gleicher Zeit die Meldung erhalten, daß ein persischer und ein türkischer hoher Adjutant kommen werde, um eine Untersuchung gegen sie einzuleiten. Daß diese beiden Adjutanten schon da sind, das wissen sie und das ahnen sie nicht. Sie werden durch diese Botschaft in eine gewaltige Aufregung versetzt werden. Sie werden hin- und herrennen. Sie werden Tag und Nacht arbeiten und alles in Bewegung setzen, die Spuren ihrer verbrecherischen Tätigkeit zu verwischen. Sie werden ihre Ruhe verlieren und weniger vorsichtig sein. Wir aber werden unsere Aufmerksamkeit verdoppeln und es sofort bemerken, wenn sie sich durch irgend etwas verraten.«

»Das ist es, was wir hoffen,« gestand der Perser. »Daß dann auch dein Vater und der Vater deines Weibes unterwegs sind, wird nicht in den Meldungen stehen. Sie werden fürchterlich erschrecken, wenn sie beide sehen, und der Augenblick dieses Schreckes wird, so hoffe ich, sie so betroffen machen, daß sie alle ihre Geheimnisse verraten.«

»Und dann kommen unsere Väter frei?« erkundigte sich der Müller.

»Nur für den Fall, daß erwiesen wird, daß sie damals unschuldig waren. Denn was die drei Schurken nachher taten, kann eure Väter nicht befreien.«

»Wir bitten Gott täglich um Hilfe.«

»Das ist umsonst!«

»Warum? Wohl weil ich Christ bin?«

»O nein!« lächelte der Perser. »Nicht deshalb! Ich bin Schiit; mein Kamerad hier ist Sunnit und du bist Christ. Wir sind das nur, weil unsere Väter das waren, was wir sind. Das gewöhnliche Volk aber rechnet sich das als Verdienst an. Es verlangt für dieses Verdienst, daß Allah stets bereit sei, ihm zu dienen. Es betet; das heißt, es belästigt ihn, es fordert von ihm Dinge, zu denen er nicht verpflichtet ist. Mein Kamerad hier ist zwar Moslem, er leugnet aber Allah ganz. Ich, der Schiit, will ihn zwar nicht leugnen, aber ich mute ihm auch nicht zu, unser Packträger und Wunscherhörer zu sein, so oft wir es von ihm verlangen. Wenn du glaubst, daß er etwas auf das Plappern und Beten der anderthalbtausendmillionen Menschen, die es gibt, achtet, so bist du unheilbar irr im Kopf!«

»Ich glaube es aber,« versicherte der Müller, indem er beide Hände beteuernd auf die Brust legte.

»So bist du also unheilbar, bist irr!«

»Nein; Ihr seid irr!«

»Beweise es!«

»Das kann ich nicht. Das kann nur Gott!«

»So mag er es beweisen!«

»Ja, das ist so die Art der Ungläubigen,« nickte der Müller. »Erst sagen und behaupten sie, daß es keinen Gott gebe, und dann verlangen sie, daß er sie dennoch höre und sich ihnen offenbare. Es sind also sehr schwache Füße, auf denen Euer Unglaube steht!«

»Spotte nicht!« gebot ihm der Türke. »Du bist Müller, weiter nichts. Du sägst dein Holz und staubst deine Gebete wie Sägemehl in die Luft. Sie fallen ganz von selbst wieder nieder. Wir aber wissen das besser. Du behauptest, es sei ein Gott, kannst es aber nicht beweisen. Ich aber glaube, daß es gar keinen Gott gibt, und mein Kamerad, der Schiit, behauptet, daß ein Gott, selbst wenn es einen gäbe, ganz unmöglich auf dein Lallen hören kann. Wir werden dir das beweisen. Du betest täglich, daß der Gott der Christen euch von Abdahn Effendi und allen seinen Freunden erlösen möge?«

»Ja.«

»Dein Weib und deine Kinder beten dasselbe?«

»Ja.«

»Und ihr glaubt, daß er es hört?«

»Ja.«

»Dann muß er euch erhören, muß, muß, muß! Sonst ist er ja noch schlimmer als dieser Abdahn Effendi nebst allen seinen Schmugglern, Dieben und Betrügern! Sage ihm das! Laß es ihm auch durch deine Frau und deine Kinder sagen! Und sage ihm auch noch folgendes: Wenn es wirklich einen Gott gibt, der die Gebete der Christen hört, so verlangen wir von ihm, daß er das eurige erfüllt, und zwar nicht durch uns, sondern eben auch durch einen Christen, und – — «

»Und,« fiel ihm der Perser in die Rede, »und wir verlangen ferner vor ihm, daß Abdahn Effendi selbst zu ihm beten soll: Erlöse uns von Abdahn Effendi und allen seinen Freunden! Hast du das verstanden, Ben Adl?«

Der Gefragte war vor Schreck einige Schritte zurückgetreten. Er antwortete:

»Verstanden habe ich es. Aber das ist ja Gotteslästerung!«

»O nein! Wir geben dem Gott der Christen nur Gelegenheit, zu beweisen, daß er wirklich existiert und daß seine Ohren offen stehen, zu hören, was man betet!«

»Aber das ist es ja eben, was ich als Gotteslästerung, als Frevel gegen Gott bezeichne!«

»So mag er ihn hören, diesen Frevel!«

»Das heißt soviel, wie ihn bestrafen!« rief der Müller entsetzt.

»Laß es so heißen; wir fürchten uns nicht!« befahl ihm der ungläubige Türke. »Wenn es einen Gott der Christen gibt, ist er noch lange nicht ein Gott der Mohammedaner!«

»Er ist beides! Er ist der Gott aller Menschen, der Herr und Vater der ganzen erschaffenen Welt!«

»Der meine nicht! Er lasse mich in Ruhe! Doch nun, leb wohl, Ben Adl; wir gehen!«

Er reichte ihm die Hand und ging. Auch der Perser gab ihm die Hand und sprach:

»Leb wohl! Ich verwerfe Allah nicht ganz. Ich behaupte nur, daß er viel zu hoch steht, als daß er sich um uns bekümmern kann. Leb also wohl, und laß dich von ihm behüten – wenn er will!«

Er folgte dem Türken. Dieser war schon einige Schritte in die Waldung hineingegangen. Da drehte er sich noch einmal um, nickte dem Müller zu und sagte:

 

»Also laß es ihm wissen, was wir von ihm verlangen! Einen Christen hat er zu senden. Wenn er das tut, werde ich an ihn glauben!«

Da blieb auch der Perser wieder stehen und fügte hinzu:

»Und Abdahn Effendi hat in eigener Person und mit seinem eigenen Munde ihn zu bitten, daß er Euch von ihm erlöse!«

»Und die Strafe für diese eure Lästerung?« fragte der Müller mit einer Stimme, welche man zittern hörte.

»Die gibt es nicht!« beteuerte der Türke.

»Und wenn es sie doch gibt?«

»So mag sie kommen,« antwortete der Perser. »Wir fürchten uns nicht!«

Dann gingen sie. Der Müller blieb noch eine kurze Weile stehen. Er schaute in die Richtung, die sie genommen hatten.

»Gott hat es gehört! Gott hat es gehört!« sagte er, indem er seine Hände zusammenschlug. »Er wende es zu unserem Heil und Segen!«

Nach diesen Worten ging er fort, der Mühle zu. Wir warteten noch einige Zeit, ehe wir unser duftendes Jasminversteck verließen. Dann schauten wir hinter ihm drein, bis er in der Mühle verschwand.

»Sihdi, was sagst du hiezu?« fragte Halef.

»Nichts. Wir gehen,« antwortete ich.

»Warum?«

»Für heute haben wir genug gehört und gesehen. Einstweilen haben wir es nur noch mit dem Bär zu tun.«

»Hm!« brummte der Hadschi, dem dies gar nicht paßte.

»Wir haben zunächst zu erfahren,« fuhr ich fort, »ob dieser Bär ein herumziehender Vagabund ist, oder ob er sich seßhaft gemacht hat, vielleicht gar mit Frau und Kindern. Die Kinder wären jetzt vier Monate alt, sie ständen also in ihrer drolligsten Jugendzeit – —«

»Aber Bär und Bärin sind darum um so wilder,« fiel er ein. »Ja, gehen wir, um den alten Fisch- und Wildhüter aufzusuchen.«

Abdahn Effendi hatte uns nämlich an einen alten Kurden gewiesen, den er als Waldläufer angestellt hatte, um sowohl die Fische als auch das Wild zu bewachen, damit nichts gestohlen werde. Der Weg zur einsamen Hütte, in welcher dieser Mann wohnte, war uns so genau beschrieben worden, daß wir gar nicht irren konnten. Das Glück war uns günstig. Wir trafen ihn daheim. Aus dem, was wir von ihm erfuhren, ließ sich schließen, daß es sich nicht um einen einzelnen Herumtreiber, sondern um eine ganze, fest angesessene Bärenfamilie handelte, und da dieses Jagderlebnis nur eine Nebenepisode ist, so will ich hier gleich im voraus bemerken, daß es mir und meinem Halef gelang, die beiden Alten zu erlegen. Sie waren Prachtexemplare, gewiß vier Zentner schwer, und es gehörte ein ganzer Trupp von Menschen dazu, sie aus dem Walde nach Abdahns Ansiedlung zu schaffen. Die beiden Jungen brachten wir lebend heim. Durch diesen Beweis von Mut, den weder der Effendi noch die vier Agha besaßen, wurde unser Ansehen befestigt. Abdahn beauftragte uns, ihm so viel Wild wie möglich abzuschießen. Er wollte es versenden und verkaufen. Ich ging recht gern darauf ein, weil uns dies ein guter Behelf war, hier zu bleiben und uns mit den obwaltenden Geheimnissen zu beschäftigen. Die Bevollmächtigung zur Jagd gab uns gute Ursache, überall herumzustöbern, ohne daß es Aufsehen erregen konnte.

Dies sei also schon im voraus gesagt. Heute sahen und sprachen wir den Fisch- und Wildhüter zum ersten Male, fragten ihn aus und ließen uns die Stellen zeigen, wo er dem Bären wiederholt begegnet, aber schleunigst vor ihm ausgerissen war. Dann wanderten wir heim, um die eigentliche Suche erst morgen zu beginnen. Für heute war es zu spät. Wir hatten uns zu beeilen, noch vor Abend heimzukommen.

Unterwegs verhielt sich Halef ganz gegen seine Gewohnheit sehr schweigsam. Was über die Bärenjagd zu sagen gewesen war, das hatten wir besprochen. Nun schien er an die Mühle zu denken und an das, was wir gesehen, gehört und erfahren hatten. Auch ich war nachdenklich. Er aber konnte das nicht lange aushalten; er mußte reden.

»Sihdi,« sagte er, »du glaubst an keinen Zufall?«

»Nein,« antwortete ich.

»So wurden wir hiehergeführt?«

»Ja.«

»So hältst du dich also für den Christen, der retten und helfen soll?«

»Ja.«

Hierauf schwieg er eine Weile, dann fuhr er fort:

»Du weißt, daß ich dich in der ersten Zeit, nachdem wir uns kennen gelernt hatten, immer zum Islam bekehren wollte. Nun aber hast du beinahe gesiegt. Ich bin fast Christ geworden, ohne daß du den geringsten Versuch, mich zu überzeugen, nötig hattest. Das ist die Macht des Glaubens, der nur in Taten lehrt! Aber heute bist du doch zu kühn. Heute ist dein Glaube gar zu groß!«

»Wieso?«

»Auch ich bin überzeugt, daß wir sehr bald entdecken werden, was diese beiden heimlichen Adjutanten nicht herausbekommen haben. Wenn uns das gelingt, so ist die Bedingung, welche der Türke stellte, erfüllt. Aber die Bedingung des Persers! Abdahn Effendi soll selbst beten, daß Gott die Menschen von ihm erlöse! Hältst du das überhaupt für möglich?«

»Es ist in fast jeder Beziehung eine Unmöglichkeit, nur in einer nicht, nämlich in Beziehung auf meinen Glauben. Noch vor einer Woche wollten wir nach Mossul. Wir hätten es für unmöglich gehalten, heute hier in Dschan zu sein. Heute sind wir dennoch hier! Aus welchem Grunde? Nur ganz allein, weil mir der Gedanke kam, nach Teheran zu gehen, obgleich es gar nichts zu diesem Entschlusse Treibendes gegeben hat. So gibt es auch für Abdahn Effendi jetzt keinen Grund, ein solches Gebet gegen sich selbst zu tun; aber wenn es noch über ihn beschlossen ist, daß es geschehe, so kann er nicht widerstehen, sondern hat zu gehorchen. Zerbrechen wir uns nicht den Kopf, sondern warten wir es ab!«

»Gut, warten wir es ab! Aber wenn sich deine Zuversicht bewähren sollte, so bin ich ganz besiegt und muß für immer schweigen!«

Hiermit hatte er seinem Herzen Luft gemacht und war nun wieder still. Als wir daheim ankamen, sah ich den türkischen Achmed Agha, der von der Anhöhe herabgestiegen war, um das Abendbrot bei Abdahn Effendi zu essen. Die vier Agha waren nämlich alle unverheiratet und pflegten ihre Mahlzeiten bei ihrem dicken Freunde einzunehmen. Als der »Mir Alai« mich sah, grüßte er mich schon von weitem. Das veranlaßte mich, stehen zu bleiben und das Gewehr, welches ich mitgenommen hatte, Halef mit der Bitte zu geben, es mit dem seinigen hinauf zu uns zu tragen. Ich ging dem Oberst, der nicht Oberst war, die kurze Strecke, die uns trennte, entgegen. Er verbeugte sich außerordentlich höflich, reichte mir die Hand und fragte:

»Schon zurück? Wie steht es mit dem Bären?«

»Es sind mehrere,« erwiderte ich. »Ich hoffe, sie baldigst zu bekommen.«

»Es ist Essenszeit. Speisest du mit?«

»Ja.«

»Dein Hadschi Halef Omar auch?«

»Gewiß!«

»Das freut mich. Ich habe ihn sehr schnell liebgewonnen, er mich aber auch. Und das ist gar kein Wunder, denn weißt du, ich bin eine Seele von einem Menschen, und was ich anderen Leuten an den Augen absehen kann, das tue ich. Auch dein Herz wird mir bald gehören. Also komm!«

Er schritt der Tür des Hauses zu. Da erscholl von der anderen Seite her eine rufende Stimme. Ich sah den persischen Achmed Agha kommen. Er grüßte auch schon von weitem, und ich ging ihm die kurze Strecke, die zwischen uns lag, entgegen. Er verneigte sich tief, drückte mir die Hand und sprach:

»Ich freue mich außerordentlich, daß ihr schon zur Essenszeit wieder heim seid. Ihr speiset doch mit?«

»Ja,« antwortete ich.

»Da erlaube mir, mich neben dich zu setzen. Ich habe dich nämlich sehr schnell liebgewonnen, denn ich bin wirklich eine Seele von einem Menschen, wie du wohl schon bemerkt haben wirst. Wenn es mir gelänge, auch deine Teilnahme zu finden, so würde ich sehr glücklich sein! Komm mit herein!«

Soeben kam Halef wieder von oben herab. Wir traten in dieselbe Stube, in der wir schon gewesen waren. Da saß Abdahn Effendi. Er aß schon. Indem wir bei ihm Platz nahmen, fragte er nach dem Erfolge unseres Ausfluges. Ich gab ihm dieselbe Auskunft, die schon der »Mir Alai« bekommen hatte.

»Freut mich!« nickte er vergnügt, indem er weiterkaute und mich mit seinen verschobenen Äuglein anblinzelte. »Habt Ihr mit Ben Adl, dem Müller, gesprochen?«

»Nein,« antwortete Halef.

»Oder mit einem andern Menschen aus der Mühle?«

»Nein.«

»Das freut mich, freut mich sehr! Ich bin nämlich ein Gemütsmensch, aber wenn man mir nicht gehorcht, so schlage ich zu und schmeiße alles hinaus. Das müßt ihr euch merken!«

Zu essen gab es genug. Fleisch, Reis, anderes Gemüse, auch Mehlgebackenes. Als Halef um Wasser bat, sahen die drei einander fragend an; dann erkundigte sich der Dicke:

»Trinkt Ihr nur Wasser?«

»Nein, sondern auch alles andere, was nicht giftig ist,« lachte Halef.

»Auch Wein?«

»Ja. Warum sollten wir nicht?«

»Weil er dem Moslem verboten ist.«

»Da irrst du dich! Der Kuran verbietet alles, was betrunken macht. Also darf man von allem trinken, bis man bemerkt, daß sich der Rausch einstellt; dann aber hört man auf.«

»Hamdulillah, bist du ein kluger Kerl!« rief der Effendi, und die beiden anderen stimmten in dieses Lob mit ein. Man hatte nur gewartet, was wir sagen würden; nun man unsere Ansicht aber kannte, wurde sofort nach Wein gerufen, den man in einem Kruge brachte und der aus irdenen Bechern getrunken wurde. Es war jene orientalische, dicke, schwere Sorte, welche man jahrelang auf Harz oder Tannenzapfen liegen läßt, um sie haltbar zu machen. Wir beide waren vorsichtig; wir nippten nur. Die anderen aber genossen dieses starke Getränk wie Wasser. Wir wurden wegen unserer Mäßigkeit ausgelacht. Man sprach von allen möglichen Getränken und ihren Wirkungen. Das Allerbeste und Allerherrlichste, was sie kennen gelernt hatten, war ein heißer Trank mit viel Zucker gewesen, aber nicht aus Wein, sondern aus etwas anderem; auch Zitrone sei dabei. Ein Engländer, der mit einer großen Dienerschaft nach Isfahan wollte, hatte hier übernachtet und seinen eigenen Koch und seine eigenen Getränke mitgehabt. Dieser Koch hatte dieses Getränke in der Küche zubereitet und dem Wirt und den beiden Obersten je ein Glas davon gegeben.

»Haben sie nicht gesagt, wie der Name dieses Trankes lautet?« fragte Halef. »Mein Sihdi weiß alles. Wenn er den Namen hört, kann er das ebenso gut machen, wie dieser englische Koch.«

»Wirklich, wirklich?« fragte da der Dicke, und »Wirklich, wirklich?« riefen auch die beiden Achmeds, denen dieses Thema ebenso willkommen zu sein schien wie dem Effendi.

»Ja, wirklich!« versicherte Halef.

Da stand der Dicke von seinem Sitze auf, sah mir erwartungsvoll in das Gesicht und sagte, indem er jedes einzelne Wort betonte:

»Dieser – Wundertrank – heißt – — Plöntsch!«

»Plöntsch?« fragte Halef, sich besinnend. »Das kenne ich nicht. Plöntsch habe ich noch nie getrunken. Du wohl auch nicht, Effendi?«

»O doch!« antwortete ich. »Und auch du hast schon von ihm getrunken. Nur heißt der Name nicht Plöntsch, sondern Pöntsch. Wir Deutschen sagen Punsch.«

»Ja, Pöntsch, Pöntsch, Pöntsch!« rief der Oberst mit dem Vogelgesicht.

»Pöntsch, Pöntsch, Pöntsch!« stimmte der Oberst mit dem Bulldoggesicht bei.

»Pöntsch, Pöntsch, Pöntsch!« fiel der Dicke in seinem seligsten Tone ein. »Pöntsch ist richtig, Pöntsch! Du weißt es ja noch viel besser als ich! Aber, sag: Kannst du das machen, Sihdi?«

»Ja. Aber nur dann, wenn ich alles habe, was dazu gehört.«

»Und was gehört dazu?«

»Hast du Rum oder Arrak?«

»Beides!« antwortete er ganz leise, indem er beide Hände in Form einer sich heimlich öffnenden Doppelklappe vor den Mund legte.

»Dann ist´s ja gut! Der Zoll, die Steuer und solche Dinge gehen mich ja nichts an. Also, wer Pöntsch machen will, muß haben Rum, Arrak, Zucker, Zitronen, Zwiebeln, Knoblauch, heißes Wasser und – und – — und etwas, was dir leider fehlen wird.«

»Was mir fehlen wird? Was ist das?« fragte er in höchster Spannung.

»Aloe!« antwortete ich.

»Aloe? Die hab´ ich!« jubelte er auf.

»Er hat sie!« rief der eine Achmed.

»Er hat sie!« schrie der andere Achmed.

»Ja, ich habe sie!« brüllte er selbst. »Wie mich das freut! Weißt du, Sihdi, ich bin ein Gemütsmensch! Ich habe immer alles, was andere Leute brauchen. Es sollte ´mal ein ganzer, großer Korb voll hier durchgepascht werden; der wurde von der Behörde konfisziert. Nun habe ich ihn! Du kannst ihn bekommen! Den ganzen Korb voll, wenn du ihn brauchst!«

»Wieviel enthält der Korb?«

»Eine halbe Maultierlast?«

»Das ist mir fast zu viel für einen einzigen Pöntsch,« lachte ich. »Gib mit ein Stück, welches so groß ist wie eine Pflaume, hiezu acht große Zwiebeln, sechs Knollen Knoblauch, zwölf Zitronen, dazu eine Flasche Rum, eine Flasche Arrak und den nötigen Zucker, so sollst du einen Pöntsch bekommen, der auf alle Fälle noch weit besser als der des Engländers ist. Aber ich stelle die Bedingung, daß ich ihn selbst machen darf, in der Küche, und daß es keinem Menschen erlaubt ist, mich dabei zu stören!«

 

»Das wird geschafft! Das wird alles geschafft! Und niemand soll es wagen, dir dabei nahe zu kommen!« versicherte der Dicke. »Allah segne dich, Effendi, Allah segne dich! Du bist ein von ihm begnadeter Mann! Erstens weil du das Rezept so genau weißt, und zweitens weil du es unterwegs nicht vergessen hast! Man darf zwar keinem Menschen wissen lassen, daß man Rum und Arrak hat, weil nämlich ein entsetzlich hoher Zoll darauf liegt, zu dir aber haben wir Vertrauen; dir darf man alles sagen. Ich werde also selbst gehen, um dir diese Dinge zu besorgen, gleich, sofort! Dann führe ich dich in die Küche!«

Er rannte fort, so schnell sein Körperbau es ihm gestattete. Halef machte ein Gesicht wie ein Kaninchen, dessen Bau verregnet ist. Die Aloe, der Knoblauch und die Zwiebeln wollten ihm nicht in den Kopf; ich aber blieb ernst und tat, als ob ich von den Gewissensschlägen, die er fühlte, gar keine Ahnung hätte. Wir aßen weiter, bis der Wirt mich nach einiger Zeit in die Küche holte. Das war ein großer, auf der andern Seite des Hauses liegender, nur von brennenden Spänen erleuchteter Raum, in dem mehrere weibliche Gestalten unter dem Kommando einer ewig langen und unendlich dürren Frau beschäftigt waren, für das leibliche Wohl der Gäste zu sorgen. Der Effendi sagte mir, daß dies seine Gattin sei, daß er keine Töchter habe und daß seine beiden Söhne sich in Bagdad und Teheran als Kaufleute niedergelassen hatten. Er schnippste dabei mit den Fingern, um mir anzudeuten, wie vorzüglich sie sich in ihren Geschäften ständen. Ich vermutete, daß ihre einträgliche kaufmännische Tätigkeit in sehr naher Beziehung zu dem hiesigen Schmuggel stehe. Dann führte er mich an einen separatstehenden Tisch, auf welchem ich alles stehen und liegen sah, was ich für nötig befunden hatte.

»Darf ich zusehen, wie du es machst?« fragte er.

»Leider nein«, antwortete ich. »Du würdest mich in meiner Andacht stören. Man hat bei der Bereitung dieses Trankes gewisse geheimnisvolle Verse herzusagen. Paßt man da nicht auf, so schmeckt er bitter und derart widerwärtig, daß man ihn nicht genießen kann.«

Er ging. Nun gab ich der Frau das Stückchen Aloe, um es im Mörser zu Mehl zu stoßen, die Zitronen, um sie zu schälen, und die Zwiebeln und den Knoblauch, um sie auf dem Reibeeisen klar zu machen. Das hatte den Erfolg, daß die Frauenzimmer alle zu niesen begannen. Inzwischen sah ich mich nach einem Gefäße um, welches sich dazu eignete, als Bowle oder Terrine benützt zu werden. Zwei alte, ziemlich große Krüge erschienen mir an geeignetsten dazu.

Ich spülte sie in dem fließenden Wasser aus, welches in sehr praktischer Weise vom Bache her durch die Küche geleitet war und gerade an meinem Tische vorüberfloß. Als dann die Ingredienzen mir in verfeinerter Form zurückgegeben wurden und auf dem Herde das Wasser zu sieden begann, machte ich mich an die Arbeit. Aloe, Zwiebeln, Knoblauch und so viel von den Zitronen, wie ich zuviel genommen hatte, ließ ich heimlich in das Wasser fallen; es verschwand, ohne daß man es bemerkte. Der Rum und Arrak gaben gerade und genau die zwei Krüge voll Punsch, dessen Duft durch die ganze Küche ging. Ich winkte die Frau herbei und gab ihr zu kosten. So lang und schmal sie war, so verschüchtert sah sie aus. Sie hatte so große Augen und einen so traurigen Blick, daß ich mich herabließ, freundlich mit ihr zu sein, das machte sie so verlegen, daß sie kein Wort zu sprechen wagte. Aber indem sie kostete, sagte mir ihr Gesicht, daß ihr das Getränk im höchsten Grade deliziös vorkam. Ich sagte ihr, daß der eine Krug für uns sei, der andere aber für sie und ihre Dienerinnen und Schützlinge unter den armen Gästen der Karawanserei. Da griff sie schnell nach meiner Hand, um sie zu küssen, und faßte strahlenden Auges dann nach ihrem Kruge. Ich trug den meinen in das Speisezimmer, welches eigentlich das Wohnzimmer des Effendi war und nicht von jedermann betreten werden durfte. Man empfing mich mit großer Spannung. Man probierte. Man schnalzte mit den Zungen. Man war entzückt; man trank! Man war des Lobes voll! Man versicherte, daß der Pöntsch des Engländers nicht halb so gut gewesen sei als der meinige! Ich trank ganz wenig, Halef auch. Umso fleißiger waren die drei anderen. Der Inhalt des Kruges reichte gerade aus, sie in jene Stimmung zu versetzen, in der man mit der Seligkeit keines andern Menschen tauscht; um sie aber betrunken zu machen, war es zu wenig. Wir bekamen eine Menge Lobeserhebungen und Liebeserklärungen anzuhören, denn die beiden Obersten, die nicht Oberste waren, erhielten durch den Punsch eine Redseligkeit sondergleichen. Wenn der eine soeben zum zehnten Male versichert hatte, daß er eine wahre Seele von einem Menschen sei, so behauptete der andere bereits zum zwölften oder dreizehnten Male, daß er das von sich gar nicht erst zu sagen brauche, denn das wisse doch schon alle Welt. Der Effendi aber wurde still. Nur in den Augenblicken, in denen es ihm gar zu gut schmeckte, schlug er mit der Faust auf den Tisch und schrie:

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