Amy Foster

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Amy Foster
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Amy Foster

Joseph Conrad

Spiel des Zufalls

© 1903 by Joseph Conrad

Erstmals erschienen 1903 in dem Erzählband

Typhoon and Other Stories

Aus dem Englischen von Elise Eckert 1908

© Lunata Berlin 2019

Inhalt

Amy Foster

Über den Autor

Amy Foster

Kennedy ist Landarzt und wohnt in Colebrook an der Küste von Eastbay. Die Anhöhe, die sich unmittelbar hinter den roten Dächern der kleinen Stadt erhebt, drängt die hübsche Hauptstraße gegen den gemauerten Wall, der sie gegen das Meer schützt. Jenseits des Mauerwalles dehnt sich in weitem, regelmäßigem Bogen der unfruchtbare, kiesbedeckte Strand, an dem sich das Dorf Brenzett dunkel gegen das Wasser abhebt, – ein Kirchturm in einem Haufen von Bäumen –, während noch weiter draußen die senkrechte Säule eines Leuchtturmes, in der Entfernung nicht größer als ein Bleistift aussehend, den äußersten noch sichtbaren Punkt des Landes bezeichnet. Das Land im Rücken Brenzetts ist niedrig und flach; doch ist die Bucht ziemlich gut gegen die Wogen geschützt, und gelegentlich macht auch ein größeres Schiff, von widrigen Winden aufgehalten oder vom Ungestüm der Wogen bedrängt, von dem Ankerplatze Gebrauch, der eine und eine halbe Meile in nördlicher Richtung von dem Gasthause zum »Schiff« in Brenzett entfernt liegt. Eine verfallene Windmühle, die in der Nähe ihre zerbrochenen Arme von einem Hügel erhebt, der nicht größer ist als ein Kehrichthaufen, und ein kurzer, dicker Martelloturm am Rande des Wassers, eine halbe Meile südlich von den Häuschen der Küstenwächter, sind den Führern kleinerer Fahrzeuge vertraute Dinge. Es sind dies die offiziellen Seezeichen für den Fleck zuverlässigen Grundes, der auf den Admiralitätskarten durch ein unregelmäßiges Oval von Punkten bezeichnet ist, mit einem winzigen Anker mitten darin und der Randschrift »Schlamm und Muscheln« um das Ganze.

Die Höhe des Hügellandes überragt den viereckigen Kirchturm von Colebrook. Der Abhang ist grün und von einer weißen Straße durchzogen. Steigt man diese Straße hinauf, so gewinnt man den Blick in ein breites und flaches Tal, eine weite grüne Mulde von Weideland und Hecken, die sich ins Binnenland erstreckt und in eine Fülle von purpurnen Schattierungen und ineinanderfließenden Linien ausläuft.

Über dieses Tal hinunter bis nach Brenzett und Colebrook und wieder hinauf bis Darnford, dem vierzehn Meilen entfernten Marktflecken, erstreckt sich die Praxis meines Freundes Kennedy. Er hatte seinen Beruf als Wundarzt in der Marine begonnen, war dann Begleiter eines berühmten Reisenden gewesen zur Zeit, wo es noch Kontinente mit unerforschtem Innern gab. Seine Veröffentlichungen über die ausländische Tier- und Pflanzenwelt machten ihm einen Namen in wissenschaftlichen Kreisen. Und jetzt hatte er eine Landpraxis inne aus eigener Wahl. Sein durchdringender Verstand hatte wie eine ätzende Flüssigkeit seinen Ehrgeiz zerstört – so erschien es mir wenigstens. Seine Begabung ist die echt wissenschaftliche, der das Forschen innerstes Bedürfnis ist und die in jedem Geheimnis der Natur ein Stück allgemeiner Wahrheit findet.

Es ist jetzt schon viele Jahre her, daß er mich bei meiner Rückkehr vom Ausland zu einem längeren Besuche einlud. Ich kam gerne, und da er seine Patienten nicht vernachlässigen konnte, um mir Gesellschaft zu leisten, so nahm er mich auf seine Rundfahrten mit – oft dreißig Meilen weit an einem Nachmittag. Ich erwartete ihn dann auf der Straße, indes das Pferd den Kopf nach den belaubten Zweigen streckte, und hoch oben auf dem Wagen sitzend, konnte ich gelegentlich Kennedys Lachen durch die halboffene Türe eines Hauses hören. Er hatte ein lautes, herzliches Lachen, das einem zweimal so großen Mann zu gehören schien, eine heitere, lebhafte Art, ein gebräuntes Gesicht und ein Paar graue, scharfblickende Augen. Er hatte die Gabe, die Leute zu offener Aussprache zu veranlassen, und hörte mit unermüdlicher Geduld ihre Geschichten an.

Eines Tages, als wir am Ausgange eines großen Dorfes in eine schattige Allee einbogen, erblickte ich zu unsrer Linken ein niedriges schwarzes Häuschen mit blitzenden Scheiben in den Fenstern, efeubewachsener Wand, einem kiesbedeckten Dache und einigen Kletterrosen an dem gebrechlichen Gitterwerke der kleinen Vorhalle. Kennedy ließ das Pferd langsamer gehen. Eine Frau, die im vollen Sonnenlichte stand, warf eben eine triefende Bettdecke über eine zwischen zwei alten Apfelbäumen gezogene Leine; und während der kurzgeschwänzte, langhalsige Braune eigensinnig nach der linken, mit einem dicken Hundslederhandschuh bedeckten Hand des Doktors stieß, rief dieser über die Hecke: »Wie geht's deinem Kind, Amy?«

Ich hatte Zeit, ihr stumpfes rotes Gesicht zu sehen. Es war rot, nicht von aufsteigender Röte, sondern als ob ihre flachen Wangen heftig geschlagen worden wären. Sie war von untersetzter Gestalt und trug das spärliche, staubig-braune Haar in einen festen Knoten am Hinterkopf zusammengedreht. Dabei sah sie ganz jung aus, und ihre Stimme klang leise und schüchtern.

»Gut; ich danke.«

Wir fuhren weiter. »Eine junge Patientin von dir?« bemerkte ich, worauf der Doktor murmelte: »Ihren Mann habe ich behandelt.«

»Sie scheint ein langweiliges Geschöpf zu sein,« bemerkte ich gleichgültig.

»Ganz recht,« sagte Kennedy. »Sie ist eine sehr passive Natur. Es genügt, die roten Hände an diesen kurzen Armen hängen zu sehen und in diese ausdruckslosen, vorstehenden braunen Augen zu blicken, um die Trägheit und Schwerfälligkeit ihres Innenlebens zu erkennen, eine Schwerfälligkeit, die es für alle Zeiten vor allen Überrumpelungen der Einbildungskraft zu sichern scheint. Und doch, wer von uns ist dagegen gesichert? Jedenfalls hat sie, so wie du sie gesehen hast, Einbildungskraft genug gehabt, um sich zu verlieben. Sie ist die Tochter eines gewissen Isak Foster, der von einem kleinen Pächter zum Schafhirten herabgesunken ist. Der Anfang seines Mißgeschicks datierte von seiner heimlichen Heirat mit der Köchin seines verwitweten Vaters – eines vermögenden, apoplektischen Viehzüchters, der ihn voll Zorn enterbte und heftige Drohungen gegen sein Leben ausstieß. Aber diese alte Geschichte, skandalös genug, um Gegenstand eines griechischen Trauerspieles zu sein, erwuchs aus der Gleichartigkeit der Charaktere von Vater und Sohn. Es gibt andre Trauerspiele, weniger skandalös und von feinerer Tragik, die aus unversöhnlichen Gegensätzen und aus jener Furcht vor dem Unverstandenen hervorgehen, das über uns allen schwebt – über uns allen ...«

Der müde Braune fiel in Schritt, und der Rand der Sonnenscheibe, die rot und voll an einem wolkenlosen Himmel stand, berührte vertraulich das obere Ende einer umgepflügten Bodenerhebung in der Nähe der Straße, wie ich ihn unzähligemal den fernen Horizont des Meeres hatte berühren sehen. Die eintönige braune Farbe des aufgerissenen Feldes erglühte in rosigem Lichte, als ob die zerklüfteten Schollen in winzigen Blutperlen die Arbeit ungezählter Pflüger ausgeschwitzt hätten. Vom Rande eines Gehölzes her rollte ein mit zwei Pferden bespannter Wagen leicht auf dem Grate entlang und zeichnete sich, über die Horizontlinie hervorragend, in ungeheurer Größe auf der roten Sonnenscheibe ab, wie ein Wagen von Riesen, den zwei feierlich schreitende Rosse von märchenhaften Größenverhältnissen zogen. Die plumpe Gestalt des zu Häupten des Sattelpferdes stapfenden Mannes stellte sich auf dem Hintergrunde der Unendlichkeit in reckenhaften Umrissen dar. Das Ende seiner Fuhrmannspeitsche zitterte hoch oben im Blau des Himmels. Kennedy sprach weiter: »Sie ist die Älteste einer großen Kinderschar. Als sie fünfzehn Jahre alt war, kam sie auf den Neubarnshof in Dienst. Damals behandelte ich Frau Smith, die Frau des Pächters, und sah das Mädchen dort zum ersten Male. Frau Smith, eine feine Dame mit einer scharfen Nase, ließ sie jeden Nachmittag ein gutes Kleid anziehen. Ich weiß nicht, warum sie mir überhaupt auffiel. Es gibt Gesichter, die durch einen seltsamen Mangel an Bestimmtheit der Züge und des Ausdrucks unsre Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wie wir etwa, im Nebel gehend, aufmerksam auf irgend eine unbestimmte Form sehen, die schließlich nichts Merkwürdigeres ist als ein Anschlagpfosten. Das einzig Eigentümliche, das ich an ihr bemerkte, war eine Art von einleitendem Stottern, das mit dem ersten gesprochenen Wort verschwindet. Wenn sie unfreundlich angefahren wurde, war sie imstande, vollständig den Kopf zu verlieren; aber sie hatte ein sehr gutes Gemüt. Man hatte nie ein abfälliges Wort gegen irgend ein menschliches Wesen aus ihrem Munde gehört, und jedes lebende Geschöpf durfte sich ihrer Fürsorge erfreuen. Sie war von großer Anhänglichkeit an Frau Smith, an Herrn Smith, an ihre Hunde, Katzen und Kanarienvögel, und Frau Smiths grauer Papagei übte mit seinen merkwürdigen Fähigkeiten einen förmlichen Zauber auf sie aus. Trotzdem lief sie, als dieser ausländische Vogel, von der Katze angegriffen, in menschlichen Lauten nach Hilfe schrie, mit zugehaltenen Ohren in den Hof hinaus und tat nichts, um das Unheil zu verhindern. Für Frau Smith war dies ein neuer Beweis ihrer Dummheit, über die sie oft seufzte, während andrerseits der Mangel an äußern Reizen bei Smiths bekanntem Leichtsinn ein großer Vorzug war. Ihre kurzsichtigen Augen konnten angesichts einer armen gefangenen Maus in Tränen schwimmen, und einmal hatten Knaben sie gesehen, wie sie im nassen Grase kniete, um einer Kröte Hilfe zu leisten. Wenn es wahr ist, was ein Deutscher gesagt hat, daß es ohne Phosphor kein Denken gibt, so ist es noch wahrer, daß ohne ein gewisses Maß von Einbildungskraft keine Herzensgüte denkbar ist. Das Mädchen hatte etwas Phantasie, mehr sogar, als man braucht, das Leiden andrer zu verstehen und von Mitleid bewegt zu werden. Sie verliebte sich auch unter Umständen, die darüber keinen Zweifel lassen; denn man muß Einbildungskraft haben, um sich überhaupt einen Begriff von Schönheit zu bilden, und mehr noch, um sein Ideal in einer fremdartigen Gestalt zu entdecken.

 

Wie sie zu dieser Anlage kam und wodurch sie gefördert wurde, ist ein unergründliches Geheimnis. Sie war im Dorfe geboren und war nie weiter davon weggekommen als nach Colebrook oder vielleicht nach Darnford. Vier Jahre war es, daß sie bei Smiths diente. Neubarns ist ein einzeln liegender Pachthof, eine Meile von der Landstraße entfernt, und es genügte ihr vollkommen, Tag für Tag dieselben Felder, dieselben Bodenerhebungen und -senkungen, dieselben Bäume und Hecken zu sehen, dieselben Gesichter der vier Taglöhner des Gutes – Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Sie zeigte nie ein Bedürfnis nach Unterhaltung, und es schien mir, als verstehe sie nicht zu lächeln. Manchmal an Sonntagnachmittagen zog sie ihr bestes Kleid an, dazu ein Paar derbe Stiefel, setzte einen großen grauen Hut mit schwarzer Feder auf (ich habe sie selbst in diesem Staate gesehen), nahm einen auffallend dünnen Sonnenschirm in die Hand, kletterte über zwei Zäune und trappte über drei Felder und etwa zweihundert Meter Wegs entlang – nie weiter. Dort stand Fosters Häuschen. Sie half ihrer Mutter den jüngeren Geschwistern den Tee zu geben, spülte das Geschirr, küßte die Kleinen und ging auf den Pachthof zurück. Das war alles – alle Abwechselung, alles Ausruhen, alle Erholung. Sie schien nie nach anderm zu verlangen. Und dann verliebte sie sich – schweigend, eigensinnig – vielleicht hilflos. Es kam langsam, aber es wirkte wie ein mächtiger Zauber; ihre Liebe war von der Art, wie die Alten sie auffaßten: ein unwiderstehlicher, verhängnisvoller Impuls – ein Besessensein! Ja, so war es: ein Gesicht, ein Bild hatte sich ihrer bemächtigt, hatte Besitz ergriffen von ihrem Denken und Fühlen, daß sie davor anbetete, wie die Heiden unter einem schönen Himmel – bis sie endlich aufgeweckt wurde aus dieser geheimnisvollen Selbstvergessenheit, dieser Verzauberung, dieser Verzückung, durch eine Furcht, die der unerklärlichen Angst eines Tieres glich.«

Die Sonne stand tief am westlichen Himmel, und das weite, von den Grabenböschungen des ansteigenden Bodens umrahmte Wiesenland nahm einen düstern Glanz an. Ein Gefühl durchdringender Wehmut, wie wir es beim Anhören einer traurigen Melodie empfinden, schien von den abendlich stillen Feldern auszugehen. Die Menschen, an denen wir vorüberkamen, gingen langsam, ohne ein Lächeln, mit niedergeschlagenen Augen, als ob die Last des Erdenelendes ihre Füße niederzöge, ihre Schultern beugte und ihre Blicke am Boden festhielte.

»Ja,« sagte der Doktor auf meine Bemerkung hierüber, »man könnte denken, die Erde stehe unter einem Fluche, weil von all ihren Kindern die, welche in engster Berührung mit ihr leben, plump und roh von Gestalt sind und so schwerfällig von Gang, als ob ihr Gemüt mit Ketten belastet wäre. Und doch hättest du gerade auf diesem Wege mitten unter diesen schwerfälligen Menschen einen jungen Mann wandeln sehen können – biegsam, geschmeidig und feingliedrig, schlank und gerade wie eine Tanne, – der etwas Aufwärtsstrebendes in seiner Erscheinung hatte, als ob er ein leichtes, fröhliches Herz in sich trage. Vielleicht war es nur der Gegensatz, aber wenn er an einem der hiesigen Dorfbewohner vorüberging, schienen mir die Sohlen seiner Füße den Staub der Straße nicht zu berühren. Er sprang über die Zäune, schritt diese Anhöhen mit langen, elastischen Schritten hinan, an denen man ihn schon in großer Entfernung erkannte, und hatte glänzende schwarze Augen. Er war so verschieden von der gesamten Menschheit hier, daß er mich mit seiner Freiheit der Bewegung, seinem sanften, etwas verwunderten Blick, seinem olivenfarbigen Teint und seiner anmutigen Haltung an ein Geschöpf des Waldes erinnerte. Er kam von dort.«

Dabei deutete der Doktor mit seiner Peitsche abwärts, und von der Höhe des Hügels sahen wir tief unter uns, jenseits der wogenden Baumwipfel eines Parkes an der Seite der Straße die weite Meeresfläche sich dehnen, dem Fußboden eines ungeheuren Gebäudes vergleichbar, eingelegt mit Bändern aus dunklen, krausen Wellen und silbernen Streifen, und am Rande des Himmels in einem breiten Gürtel kristallenen Wassers endigend. Das leichte Rauchwölkchen eines unsichtbaren Dampfers verschwamm auf dem klaren Horizonte wie die Trübung des Hauches auf einem Spiegel. Nahe am Ufer tauchten die weißen Segel eines Küstenfahrers hell und klar über dem dunklen Laube der Bäume auf, deren Zweige sie zuerst gefangen gehalten zu haben schienen.

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