Ein neues Ich

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Giganten der Geschichte: Warum ihre Träume »unrealistischer Unsinn« waren

Die größten Persönlichkeiten der Geschichten engagierten sich standhaft für ein zukünftiges Schicksal, ohne dafür von ihrer Umwelt direktes Feedback zu benötigen. Es war ihnen einfach egal, wenn ihnen ihre Sinne noch keine Hinweise auf den von ihnen gewünschten Wandel lieferten und es auch keine entsprechenden physischen Anzeichen dafür gab; sie erinnerten sich wohl täglich der Realität, auf die sie sich konzentrierten. Ihr Geist war ihrer aktuell existierenden Außenwelt vorausgeeilt, da diese Umwelt keine Kontrolle mehr über ihr Denken hatte. Sie waren im wahrsten Sinn des Wortes ihrer Zeit voraus.

All diese Berühmtheiten hatten noch etwas gemeinsam: Sie waren sich vollkommen klar, was sie genau wollten. (Und wie wir ja schon gehört haben, überlassen wir das Wie einem höheren Geist – und das wussten sie anscheinend.)

So mancher Zeitgenosse hat diese Persönlichkeiten als »unrealistisch« bezeichnet. Und es stimmt, sie waren völlig unrealistisch, und ebenso ihre Träume. Das von ihnen in ihren Gedanken, Handlungen und Emotionen verinnerlichte Ereignis war nicht realistisch, denn diese Realität fand noch nicht statt. Ignoranten und Zyniker verspotteten ihre Visionen vielleicht sogar als »Unsinn«, und diese Bedenkenträger hatten durchaus recht: Die Vision einer zukünftigen Wirklichkeit war »Un-Sinn«, denn sie existierte in einer Realität jenseits der Sinne.

Auch Jeanne d’Arc wurde als töricht, ja sogar verrückt angesehen. Ihre Vorstellungen stellten die Überzeugungen ihrer Zeit infrage und machten sie zu einer Bedrohung des herrschenden politischen Systems. Doch als ihre Vision sich dann tatsächlich manifestierte, wurde sie als tugendhaft und rechtschaffen gefeiert.

Wer an seinem Traum, ganz unabhängig vom jeweiligen Umfeld, festhält, ist eine große Persönlichkeit. Wir werden noch sehen, dass das Überwinden der Umwelt untrennbar mit dem Überwinden von Körper und Zeit verbunden ist. Gandhi ließ sich durch die äußeren Geschehnisse (Außenwelt) nicht von seinen Idealen abbringen, er scherte sich nicht um seine Gefühle und das, was ihm hätte zustoßen können (Körper), und es war ihm egal, wie lange es dauern würde, seinen Traum von der Freiheit in die Wirklichkeit umzusetzen (Zeit). Er wusste einfach: All das würde sich früher oder später seinen Absichten beugen.

Haben all diese Großen der Geschichte in ihrem geistigen Labor ihre Ideen vielleicht so ausgetüftelt, dass ihr Gehirn meinte, die Erfahrung wäre schon passiert? Können auch wir rein durch Gedankenkraft unser Ich verändern?

Der mentale Probelauf: Wie unsere Gedanken zu unserer Erfahrung werden können

Nach neurowissenschaftlichen Erkenntnissen können wir tatsächlich unser Gehirn verändern – und damit auch unsere Verhaltensweisen, Einstellungen und Überzeugungen –, einfach indem wir anders denken (also ohne im äußeren Umfeld etwas zu verändern). Durch mentales Proben (sich immer wieder vorstellen, wie man etwas Bestimmtes tut) können sich die Schaltkreise im Gehirn umorganisieren, sodass sie unsere Ziele widerspiegeln. Wir können unsere Gedanken so real gestalten, dass das Gehirn sich verändert und so ausschaut, als wäre das Ereignis in der physischen Wirklichkeit bereits eingetreten. Wir können das Gehirn vor jeglicher tatsächlicher Erfahrung in der Außenwelt verändern.

Dazu ein Beispiel: In meinem Buch »Schöpfer der Wirklichkeit« habe ich davon berichtet, wie Probanden, die mental fünf Tage hintereinander zwei Stunden täglich einhändige Fingerübungen fürs Klavier übten (und dabei nie ein echtes Klavier unter die Hände bekamen!), fast dieselben Veränderungen im Gehirn aufwiesen wie diejenigen Versuchsteilnehmer, die genau dieselben Fingerbewegungen physisch auf einer Klaviertastatur über denselben Zeitraum übten.2 Wie funktionelle Hirnscans nachwiesen, waren bei allen Teilnehmern im gleichen Gehirnbereich Neuronengruppen aktiviert und vergrößert worden. Die Gruppe, die ihre Tonleitern und Akkorde nur mental übte, konnte dabei ihr Gehirn um fast dieselbe Anzahl an Verschaltungen erweitern wie die Gruppe, die tatsächlich physisch übte.

Diese Studie zeigt zwei wichtige Punkte auf: Wir können durch Umdenken nicht nur unser Gehirn verändern. Das Gehirn unterscheidet nicht einmal zwischen der Innenwelt des Geistes und der tatsächlichen Erfahrung in der Außenwelt, wenn wir uns wirklich auf das eine Ziel fokussieren. So können unsere Gedanken zur Erfahrung werden.

Diese Vorstellung ist entscheidend für den Erfolg, wenn Sie versuchen, alte Gewohnheiten (verkrustete alte Nervenverbindungen) durch neue (frisch keimende Nervennetzwerke) zu ersetzen. Es lohnt sich also, sich einmal genauer anzuschauen, wie jene Versuchspersonen, die physisch nie auch nur eine Note gespielt, sondern nur mental geübt hatten, dieselben Lernprozesse durchliefen.

Egal ob wir physisch oder mental etwas Neues erlernen, es sind immer vier Elemente an der Veränderung des Gehirns beteiligt: Wissen erlernen – praktische Anleitung erhalten – aufmerksam sein – wiederholen.

Lernen schafft synaptische Verbindungen; Anweisungen beziehen den Körper mit ein, sodass eine neue Erfahrung stattfinden kann, die wiederum das Gehirn bereichert. Wenn wir dann auch noch mit Aufmerksamkeit dabei sind und die neuen Fähigkeiten durch Wiederholung regelmäßig praktizieren, verändert sich das Gehirn.

Die Gruppe, die physisch auf dem Klavier Tonleitern und Akkorde spielte, erzeugte neue Verschaltungen im Gehirn, weil sie dieser Formel folgte.

Auch die Teilnehmer, die mental übten, befolgten diesen Ablauf, bezogen aber den Körper nicht mit ein. Doch mental konnten sie sich einfach vorstellen, Klavier zu spielen. Nach wiederholtem mentalem Üben wiesen ihre Gehirne die gleichen neurologischen Veränderungen auf wie jene der Teilnehmer, die tatsächlich Klavier spielten. Neue Neuronennetzwerke wurden ausgebildet, und das zeigte: Sie hatten effektiv bereits Tonleitern und Akkorde auf dem Klavier geübt, ohne wirklich am Klavier zu sitzen. Ihre Gehirne existierten sozusagen in der Zukunft schon im Vorfeld des physischen Klavierspielens.

Dank des vergrößerten menschlichen Stirn- bzw. Frontallappens und der einzigartigen Fähigkeit, Gedanken realer zu machen als alles andere, kann das Vorderhirn bzw. der Neocortex die »Lautstärke von draußen« herunterfahren, sodass nur noch ein einziger, auf ein bestimmtes Ziel gelenkter Gedanke verarbeitet wird. So können wir so starke mentale Bilder erzeugen, dass das Gehirn seine Verschaltungen verändert, ohne das tatsächliche Ereignis erlebt zu haben. Wenn wir in der Lage sind, unseren Geist unabhängig von unserer Umwelt zu ändern und uns dann unerschütterlich und mit beständiger Konzentration auf ein Ideal zu fokussieren, ist das Gehirn der Umwelt voraus.

Dieser sogenannte mentale Probelauf ist ein wichtiges Hilfsmittel in unserem Bemühen, unser gewohntes, altes Ich aufzugeben und ein neues Ich zu kreieren. Indem wir immer und immer wieder nur etwas ganz Bestimmtes im Sinn haben, kommt irgendwann der Moment, in dem der Gedanke zur Erfahrung wird. Dann haben sich die physischen Strukturen neu verschaltet, um den Gedanken als Erfahrung zu reflektieren. Genau dann verändert unser Denken unser Gehirn und damit auch unseren Geist.

Um erfolgreich ein neues Ich zu erschaffen, müssen wir unbedingt verstehen, dass neurologische Veränderungen auch dann stattfinden können, wenn es keinerlei physische Interaktionen in der Außenwelt gibt. Und die umfassenderen Auswirkungen des Fingerübungs-Experiments? Indem wir etwas, das wir uns wünschen, anhand dieses mentalen Probelaufs »einüben«, können wir unser Gehirn schon vor der konkreten Erfahrung verändern.

Wenn Sie Ihr Gehirn dahingehend beeinflussen können, sich bereits vor der Erfahrung eines beabsichtigten zukünftigen Ereignisses zu verändern, schaffen Sie dadurch die passenden neuronalen Schaltkreise, die es Ihnen ermöglichen, sich entsprechend Ihrer Absicht zu verhalten, noch bevor es in Ihrem Leben Wirklichkeit wird. Durch wiederholtes mentales Proben (einer besseren Denk-, Handlungs- oder Seinsweise) »installieren« Sie sozusagen die erforderlichen physischen Nervenleitungen, um sich auf das neue Ereignis physiologisch vorbereiten zu können.

Doch Sie tun sogar noch mehr. Die »Hardware« des Gehirns sind seine physischen Strukturen, seine Anatomie bis hin zu den Neuronen. Wenn Sie Ihre neurologische Hardware immer weiter installieren, verstärken und ausbauen, entsteht durch die Wiederholung ein Nervennetzwerk – eine neue »Software«. Wie bei einem Computer läuft dieses Programm (beispielsweise eine Verhaltensweise, eine Einstellung oder ein emotionaler Zustand) dann automatisch ab.

Sie haben Ihr Gehirn also auf die neue Erfahrung vorbereitet, und Ihr Geist ist dafür gerüstet, mit dieser Herausforderung umzugehen. Wenn Sie Ihren Geist verändern, verändert sich auch Ihr Gehirn. Und wenn Sie Ihr Gehirn verändern, verändert sich auch Ihr Geist.

Sofern Sie also einmal in die Situation kommen, ein Idealbild demonstrieren zu müssen, das gar nicht zu den aktuellen äußeren Umständen passt, können Sie durchaus mit unerschütterlicher Überzeugung entsprechend diesem Ideal denken und handeln. Je stärker Sie sich Ihr Verhalten in der Zukunft vorstellen, desto einfacher wird es für Sie sein, auf neue Art zu leben und zu sein.

Können Sie an eine Zukunft glauben, die Sie zwar mit Ihren Sinnen noch nicht sehen oder erfahren können, über die Sie aber schon so oft nachgedacht haben, dass Ihr Gehirn sich tatsächlich so verändert hat, als hätte die Erfahrung bereits vor dem physischen Ereignis in der Außenwelt stattgefunden? Falls ja, dann bewahrt Ihr Gehirn nicht mehr nur die Erinnerung an Ihre Vergangenheit, sondern zeigt Ihnen auch den Weg in die Zukunft.

 

Jetzt wissen Sie also, wie Sie durch Umdenken Ihr Gehirn verändern können. Sind Sie damit auch in der Lage, Ihren Körper so zu verändern, dass er »ausschaut«, als hätte er eine bestimmte Erfahrung ebenso schon vor dem tatsächlichen beabsichtigten Ereignis gemacht? Sind Sie wirklich so mächtig?

Bleiben Sie dran, dann werden Sie es erfahren!

Kapitel 3
Den Körper überwinden

Sie denken nicht im Vakuum. Bei jedem Gedanken läuft im Gehirn eine biochemische Reaktion ab – Sie produzieren eine chemische Verbindung. Das Gehirn sendet an den Körper bestimmte chemische Signale, sozusagen die Boten, die den Gedanken übermitteln. Daraufhin passt sich der Körper sofort an, löst die entsprechende Reaktion in Übereinstimmung mit dem Gedanken aus und schickt dem Gehirn eine Botschaft zurück, dass er jetzt genau so fühlt, wie das Gehirn denkt.

Um diesen Prozess verstehen zu können – wie Sie normalerweise analog zum Körper denken und wie man einen neuen Geist bilden kann –, muss man zunächst einmal anerkennen, welch große Rolle das Gehirn und seine chemischen Abläufe in unserem Leben spielen.

Wie die Forschung der letzten paar Jahrzehnte ergeben hat, interagieren das Gehirn und der Rest des Körpers über starke elektrochemische Signale. Zwischen unseren Ohren sitzt eine große Chemiefabrik, die unzählige Körperfunktionen aufeinander abstimmt. Aber keine Angst, das hier wird nur ein Chemie-Grundkurs, Sie müssen nur ein paar Begriffe kennen.

Alle Zellen haben Rezeptorstellen an der Außenseite, um Informationen von außen empfangen zu können. Passen die Chemie, die Frequenz und die elektrische Ladung zwischen einer solchen Rezeptorstelle und einem eingehenden Signal von außen zusammen, wird die Zelle sozusagen »eingeschaltet« und erledigt bestimmte Aufgaben.

Zellaktivitäten


Abbildung 3A. Eine Zelle mit Rezeptorstellen, die lebenswichtige Informationen von außen empfangen. Das Signal kann die Zelle dazu bringen, unzählige biologische Funktionen auszuführen.

Neurotransmitter, Neuropeptide und Hormone sind die chemischen Verbindungen, die im Gehirn und Körper für Ursachen und Wirkungen verantwortlich sind. Innerhalb von Millisekunden können diese drei unterschiedlichen Arten an chemischen Verbindungen, die als Liganden bezeichnet werden (abgeleitet vom lateinischen Wort »ligare« = »binden«), sich mit der Zelle verbinden, mit ihr interagieren bzw. sie beeinflussen.

Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe, die hauptsächlich Signale zwischen Nervenzellen übertragen und so für die Kommunikation zwischen Gehirn und Nervensystem sorgen. Es gibt verschiedene Arten von Neurotransmittern, die jeweils für eine bestimmte Aktivität zuständig sind: Manche erregen das Gehirn, andere beruhigen es, und wieder andere machen uns schläfrig oder wach. Sie können einem Neuron sagen, dass es sich von seiner derzeitigen Bindung losmachen oder sie festigen soll. Sie sind sogar in der Lage, die Botschaft umzuschreiben – noch während sie an ein Neuron gesandt wird –, sodass alle angebundenen Nervenzellen eine andere Botschaft erhalten.

Neuropeptide, die zweite Art von Liganden, machen den Großteil dieser Botenstoffe aus. Die meisten Neuropeptide werden im Hypothalamus des Gehirns produziert (manche auch vom Immunsystem, wie neueste Forschungen gezeigt haben). Diese chemischen Verbindungen werden über die Hypophyse bzw. Hirnanhangdrüse geleitet, die daraufhin eine chemische Botschaft mit bestimmten Anweisungen an den Körper schickt.

• Auf ihrem Weg durch die Blutbahn heften sich die Neuropeptide an alle möglichen Gewebezellen an (in erster Linie Drüsen) und aktivieren die dritte Art von Liganden, die Hormone, die weiteren Einfluss auf unsere Gefühle ausüben. Neuropeptide und Hormone sind die chemischen Verbindungen, die für unsere Gefühle zuständig sind.

Für unsere Zwecke können Sie sich Neurotransmitter als chemische Botenstoffe vorstellen, die hauptsächlich aus dem Gehirn und dem Geist kommen. Neuropeptide sind die chemischen Signalgeber; sie fungieren als Brücke zwischen Gehirn und Körper, damit wir uns so fühlen, wie wir denken. Hormone wiederum sind die chemischen Verbindungen, die hauptsächlich mit den Gefühlen im Körper zu tun haben.

Übersicht über die Rolle der Liganden in Gehirn und Körper


Abbildung 3B. Neurotransmitter sind diverse chemische Botenstoffe zwischen Neuronen. Neuropeptide sind die chemischen Kuriere, die den verschiedenen Drüsen im Körper das Signal geben, Hormone zu produzieren.

Haben Sie zum Beispiel eine sexuelle Fantasie, treten alle drei in Aktion. Sobald Sie entsprechende Gedanken hegen, zaubert Ihr Gehirn ein paar Neurotransmitter hervor. Diese aktivieren ein ganzes Neuronennetzwerk, das wiederum in Ihrem Geist Bilder entstehen lässt. Diese chemischen Verbindungen setzen bestimmte Neuropeptide in der Blutbahn frei. Wenn diese die Geschlechtsdrüsen erreichen, heften sie sich an die Zellen dieser Gewebe an und aktivieren das Hormonsystem – und schon geht’s los. Sie haben im Geist Ihre Fantasie so real gestaltet, dass Ihr Körper sich für eine tatsächliche sexuelle Erfahrung rüstet (vor dem tatsächlichen Ereignis). So stark hängen Geist und Körper zusammen.

Falls Sie Ihren Sohn, der seit Kurzem den Führerschein hat, in Gedanken schon mit der neuen Beule im Auto konfrontieren wollen, läuft es ähnlich ab: Ihre Neurotransmitter setzen den Gedankenprozess im Gehirn in Gang, sodass eine bestimmte Geisteshaltung entsteht. Ihre Neuropeptide senden dem Körper bestimmte chemische Signale, und Sie regen sich daraufhin auf. Die Peptide gelangen zu Ihren Nebennieren, die daraufhin die Hormone Adrenalin und Cortisol ausschütten – und schon sind Sie »auf hundertachtzig«. Chemisch betrachtet ist Ihr Körper jetzt kampfbereit.

Die Gedanken- und Gefühlsschleife

Sie denken also alle möglichen Gedanken, und Ihr Gehirn aktiviert entsprechende Sequenzen, Muster und Kombinationen, die wiederum eine Ihren Gedanken entsprechende Geisteshaltung erzeugen. Sind diese neuronalen Netze aktiviert, produziert das Gehirn spezielle chemische Stoffe, deren Signatur genau zu ebendiesen Gedanken passt, sodass Sie das fühlen, was Sie gerade gedacht haben.

Hegen Sie also großartige, liebevolle oder freudige Gedanken, produzieren Sie auch die chemischen Verbindungen, die in Ihnen großartige, liebevolle oder freudige Gefühle auslösen. Dasselbe gilt für negative, ängstliche oder ungeduldige Gedanken: Innerhalb von Sekunden fühlen Sie sich negativ, ängstlich oder ungeduldig.

Zwischen Gehirn und Körper findet in jedem Augenblick eine gewisse Synchronizität statt. Wenn wir Gefühle entwickeln, die zu unserem Denken passen – das Gehirn kommuniziert ständig mit dem Körper –, entwickeln wir Denkweisen, die zu unseren Gefühlen passen. Das Gehirn wacht beständig über die Gefühle des Körpers und erzeugt anhand des chemischen Feedbacks weitere Gedanken, die wiederum den Gefühlen des Körpers entsprechende chemische Verbindungen produzieren. Wir fühlen uns also zunächst so, wie wir denken, und dann denken wir so, wie wir fühlen.

Zyklus von Denken und Fühlen


Abbildung 3C. Die neurochemische Beziehung zwischen Gehirn und Körper. Bestimmte Gedanken produzieren chemische Stoffe, die Gefühle auslösen, welche genau zu den Gedanken passen. Und wenn man sich dann so fühlt, wie man denkt, fängt man an, so zu denken, wie man fühlt. Dieser beständige Kreislauf erzeugt eine Feedback-Schleife; wir nennen sie »Seinszustand«.

Diese Vorstellung werden wir im Lauf des Buches noch eingehender erforschen. Sie müssen vor allem eines wissen: Die Gedanken haben in erster Linie mit dem Geist (und dem Gehirn) zu tun, die Gefühle stehen mit dem Körper in Verbindung. Wenn sich also die Gefühle des Körpers auf die Gedanken ausrichten, die auf einem bestimmten Seinszustand des Geistes beruhen, arbeiten Geist und Körper wie eine Einheit zusammen. Erinnern Sie sich: Sind Geist und Körper im Einklang, entsteht als Endprodukt ein »Seinszustand«. Man könnte auch sagen, der Prozess ständigen Denkens und Fühlens und ständigen Fühlens und Denkens erzeugt einen Seinszustand, der sich auf unsere Realität auswirkt.

Seinszustand bedeutet: Wir haben uns mit einem mental-emotionalen Zustand vertraut gemacht, einer Denk- und Gefühlsweise, die zu einem integralen Bestandteil der Ich-Identität geworden ist. Und so beschreiben wir uns – wer wir sind – über unsere Denkweise (und damit Gefühlsweise) bzw. Seinsweise im jeweiligen Moment: »Ich bin wütend; ich bin inspiriert; ich bin verunsichert; ich bin schlecht drauf …«

Doch bestimmte Gedanken und entsprechende Gefühle hegen wir seit Jahren und denken dann wiederum entsprechend diesen Gefühlen (der Hamster im Laufrad); diesen Seinszustand prägen wir uns ein, und so erklären wir mit Nachdruck: »Ich bin so und so …« Wir sind also an einem Punkt angelangt, an dem wir uns selbst als diesen Seinszustand definieren. Gedanken und Gefühle sind miteinander verschmolzen.

Wir sagen zum Beispiel: »Ich war schon immer faul; ich bin ein ängstlicher Mensch; ich bin nicht sehr selbstbewusst; ich habe zu wenig Selbstwertgefühl; ich fahre schnell aus der Haut und bin ungeduldig; ich bin keine große Leuchte« etc. Diese erinnerten Gefühle formen unsere Persönlichkeitsmerkmale.

Aufgepasst: Wenn unser Denken von Gefühlen geleitet wird bzw. wir nicht »größer«, also über unsere Gefühle hinausdenken können, ist keine Veränderung möglich! Veränderung heißt: über die Gefühle hinauszudenken. Veränderung heißt: über die vertrauten Gefühle des erinnerten Ich hinaus zu handeln.

Ein praktisches Beispiel: Sie fahren heute Morgen zur Arbeit und denken an das hitzige Streitgespräch mit einem Kollegen vor ein paar Tagen. Durch die Gedanken an diese Person und diese bestimmte Erfahrung werden im Gehirn chemische Stoffe ausgeschüttet, die im Körper zirkulieren. Und ganz schnell fühlen Sie sich genau so, wie Sie gedacht haben. Wahrscheinlich werden Sie wütend. Ihr Körper schickt eine Botschaft an Ihr Gehirn zurück: »Ich bin echt sauer.« Und natürlich wird Ihr Gehirn, das ja ständig mit dem Körper kommuniziert und die inneren chemischen Abläufe überwacht, von dieser plötzlichen Veränderung Ihrer Gefühle beeinflusst und denkt neue Gedanken (sobald Sie so fühlen, wie Sie denken, fangen Sie an zu denken, wie Sie fühlen). Unbewusst verstärken Sie ebendieses Gefühl, indem Sie auch weiterhin wütende und frustrierte Gedanken im Kopf haben – was Ihre Wut und Ihren Frust weiter verstärkt. Jetzt kontrollieren Ihre Gefühle Ihre Gedanken. Ihr Körper steuert Ihren Geist.

Dieser Kreislauf setzt sich weiter fort, Ihre Gedanken produzieren immer mehr chemische Signale für den Körper, welcher wiederum die chemischen Stoffe der Nebennieren aktiviert, die mit Ihren wütenden Gefühlen zu tun haben. Jetzt haben Sie eine echte Wut im Bauch und werden aggressiv. Sie laufen rot an, Sie haben einen Knoten im Magen, Ihr Kopf hämmert, und Ihre Muskeln verkrampfen sich. All diese intensiven Gefühle überfluten den Körper und verändern seine Physiologie; dieser chemische Cocktail setzt im Gehirn bestimmte Schaltkreise in Gang, was Sie dazu bringt, analog zu diesen Emotionen zu denken.

Jetzt sagen Sie Ihrem Kollegen im stillen geistigen Kämmerlein auf zehn verschiedene Arten so richtig die Meinung. Sie beschwören voller Empörung eine ganze Litanei an Vorkommnissen aus der Vergangenheit herauf, die Ihre derzeitige Aufregung rechtfertigen, und verfassen im Kopf einen Beschwerdebrief. In Ihrer geistigen Vorstellung haben Sie diesen Brief bereits Ihrem Chef übergeben, bevor Sie überhaupt in der Firma angekommen sind. Sie steigen wie benommen aus dem Auto und sind kurz davor, den Typen totzuschlagen.

Hallo, Sie wandelndes Modell eines Wutentbrannten, all das wurde von einem einzigen Gedanken ausgelöst! In diesem Moment scheint es schlichtweg unmöglich, über Ihre Gefühle hinauszudenken. Und deshalb fällt Veränderung so schwer.

 

Als Resultat dieser zyklisch verlaufenden Kommunikation zwischen Gehirn und Körper reagieren Sie tendenziell berechenbar auf solche Situationen. Sie erzeugen Muster aus denselben vertrauten Gedanken und Gefühlen, Sie verhalten sich unbewusst ganz automatisch, Sie sind in diese Routinen verstrickt. So funktioniert das chemische »Ich«.

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