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Väter und Söhne

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Einundzwanzigstes Kapitel

Die beiden Freunde wechselten beinahe kein Wort, bis sie an Fedotes Haus angekommen waren. Bazaroff war mit sich selber nicht zufrieden, und Arkad war ärgerlich auf seinen Freund. Er fühlte überdies jene unbestimmte Traurigkeit, welche nur jungen Leuten beim ersten Eintritt in das Leben bekannt ist. Als umgespannt war und der Kutscher wieder auf dem Bock saß, fragte er, ob er rechts oder links fahren solle.



Arkad erbebte. Der Weg zur Rechten führte nach der Stadt und von da auf das Gut seines Vaters, der zur Linken führte zu Frau Odinzoff.



Er sah Bazaroff an.



»Links, Eugen?« sagte er.



Bazaroff wandte sich ab.



»Welche Dummheit!« murmelte er zwischen den Zähnen.



»Ich weiß wohl, daß es eine Dummheit ist,« antwortete Arkad. »Aber was tuts, 's ist nicht die erste, die wir begehen.«



Bazaroff schlug den Schirm seiner Mütze herunter.



»Tu wie du willst!« sagte er zuletzt.



»Fahr links!« rief Arkad dem Kutscher zu.



Der Tarantaß rollte in der Richtung von Nikolskoi dahin. Die beiden Freunde aber, nachdem sie jetzt entschlossen waren, eine Dummheit zu machen, beobachteten ein noch hartnäckigeres Schweigen als zuvor: sie schienen beinahe ergrimmt.



Aus der Art, wie der Haushofmeister der Frau Odinzoff sie auf der Treppe des Hauses empfing, merkten unsere jungen Reisenden gleich, daß es unbesonnen gewesen war, ihrem Einfall Folge zu leisten. Es war leicht zu bemerken, daß man sie durchaus nicht erwartete. Eingeladen, in den Salon zu treten, mußten sie längere Zeit warten und spielten da eine traurige Figur. Frau Odinzoff erschien endlich; sie redete sie mit ihrer gewöhnlichen Liebenswürdigkeit an, schien aber über ihre schnelle Wiederkehr erstaunt; sie war nicht besonders entzückt, sie wiederzusehen, soviel sich nach ihren gemessenen Worten und Bewegungen urteilen ließ. Sie beeilten sich, ihr mitzuteilen, daß sie nur im Vorbeikommen angesprochen hätten, und daß sie in zwei oder drei Stunden nach der Stadt zurückzukehren gedächten. Ihre ganze Antwort war ein schwacher Ausruf der Überraschung; sie bat Arkad, seinen Vater von ihr zu grüßen, und schickte nach ihrer Tante; die Fürstin kam ganz verschlafen an, was den gewöhnlich bösen Ausdruck ihres gelben und welken Gesichts noch erhöhte. Katia war unwohl und verließ ihr Zimmer nicht. Arkad empfand in diesem Augenblick, daß er Katia ebensosehr wie die Herrin des Hauses zu sehen gewünscht hätte.



So vergingen vier Stunden in gleichgültigem Gespräch; Frau Odinzoff sprach und hörte zu, ohne zu lächeln. Nur im Augenblick der Abreise schien ihre alte Freundlichkeit wieder aufzuleben.



»Sie müssen mich recht mürrisch finden,« sagte sie, »aber bekümmern Sie sich nicht darum, und besuchen Sie mich beide bald wieder; hören Sie?«



Bazaroff und Arkad antworteten nur mit einer Verbeugung, stiegen wieder in den Wagen und ließen sich direkt nach Marino zurückfahren, wo sie ohne Aufenthalt am Abend des anderen Tages ankamen. Während der Fahrt sprach weder der eine noch der andere den Namen der Frau Odinzoff aus; Bazaroff beobachtete sogar ein beständiges Schweigen und starrte hartnäckig ins Weite.



In Marino wurden sie mit offenen Armen empfangen. Die lange Abwesenheit seines Sohnes fing an, Kirsanoff zu beunruhigen; er stieß einen Schrei aus, sprang auf das Sofa und stampfte mit den Füßen, als Fenitschka mit freudestrahlenden Augen ins Zimmer trat und ihm die »jungen Herren« meldete. Selbst Paul empfand eine angenehme Überraschung und lächelte mit Gönnermiene, als er den Neuangekommenen die Hand drückte. Man plauderte von der Reise; Arkad war der, welcher am meisten sprach, besonders beim Abendessen, und das Mahl zog sich weit über Mitternacht hinaus. Kirsanoff hatte mehrere Flaschen Porter auftragen lassen, der von Moskau kam, und er mundete ihm so vortrefflich, daß seine Wangen purpurrot wurden und er aus einem kindlichen und zugleich nervösen Lachen nicht herauskam. Diese allgemeine gute Laune ergriff sogar die Dienerschaft. Duniascha tat nichts, als wie närrisch hin und her laufen und die Türen hinter sich zuschlagen, und Peter versuchte es noch morgens zwei Uhr vergeblich, einen Kosakenwalzer auf der Gitarre zu spielen. Die Saiten des Instruments ließen in der ländlichen Stille wehmütigliebliche Töne durch die Nacht erklingen. Aber der gebildete Kammerdiener kam nie über die ersten Läufe hinaus. Die Natur hatte ihm das musikalische Talent versagt, wie überhaupt jedes Talent.



Gleichwohl waren die Bewohner Marinos nicht frei von jeder Sorge, und der arme Kirsanoff hatte sein gut Teil davon. Die Farm verursachte ihm jeden Tag mehr Ärger, kleinen, erbärmlichen Ärger. Die gedungenen Arbeiter bereiteten ihm wahrhaft unerträgliche Verlegenheiten. Die einen forderten eine Lohnerhöhung und verlangten Abrechnung, die anderen liefen davon, nachdem sie Vorschuß erhalten hatten; die Pferde wurden krank, die Fuhrwerke waren jeden Augenblick dienstuntüchtig, die Arbeit wurde schlecht bestellt. Eine Dreschmaschine, die man von Moskau hatte kommen lassen, wurde zu schwer für den Gebrauch befunden; eine Putzmühle zerbrach am ersten Tage, wo man sie probierte; der Viehhof brannte zur Hälfte nieder dank einer alten halbblinden Viehmagd, welche bei einem starken Winde ihre kranke Kuh mit brennenden Kohlen hatte entzaubern wollen, und dieselbe Alte versicherte später, das Unglück sei erfolgt, weil der Herr sich habe beikommen lassen, Käsebereitung und derartige Neuerungen anzufangen. Der Verwalter wurde plötzlich faul und fett, wie jeder Russe, der auf Kosten eines anderen lebt. Seine ganze Tätigkeit beschränkte sich darauf, einem Ferkel, das vorüberging, einen Stein nachzuwerfen, oder ein kleines halbnacktes Kind zu schelten, sobald er Kirsanoff bemerkte. Er schlief beinahe die ganze übrige Zeit. Die Bauern, welche Zins zu zahlen hatten, zahlten nichts und stahlen Holz; die Wächter fingen nachts manchmal, ohne auf starken Widerstand zu stoßen, Bauernpferde ein, die auf den Gutswiesen weideten. Kirsanoff hatte eine Strafe auf die Vergehen gesetzt; aber meist wurden die gepfändeten Tiere ihren Eigentümern zurückgegeben, nachdem sie einige Tage in dem Stall des Gutsherrn gefüttert worden waren. Um der Verwirrung die Krone aufzusetzen, fingen die Bauern auch noch untereinander Händel an; Brüder verlangten die Teilung, weil ihre Weiber nicht mehr unter dem gleichen Dache leben konnten; jeden Augenblick kam eine Schlacht im Dorfe vor; ein Haufen Bauern rottete sich plötzlich und als ob er einem Befehlsworte gehorchte, vor der Amtsstube des Verwalters zusammen, ging von da mit zerschlagenem Gesicht und oft betrunken zu dem Gutsherrn und forderte mit lautem Geschrei Gerechtigkeit; und in all den Lärm mischte sich das Schluchzen und gellende Jammern der Weiber mit dem Geschrei und Geschimpf der Männer. Man mußte den Streit schlichten, die Stimme erheben, bis man heiser wurde, und wußte doch im voraus, daß all diese Anstrengung vergeblich war. Bei der Ernte fehlte es an Händen; ein benachbarter »Odnodvorets«, dessen ehrliches Gesicht das größte Vertrauen einflößte, und der sich verbindlich gemacht hatte, zum Preise von zwei Rubeln für die Dessätine Arbeiter herbeizuschaffen, brach auf die schmählichste Weise sein Wort; die Bauernweiber des Ortes forderten einen unerhörten Tagelohn, und inzwischen fing das Getreide an auszufallen; dieselbe Not wiederholte sich bei der Heuernte, und als obs an all diesen Sorgen noch nicht genug gewesen wäre, forderte die Pupillenkammer unter Drohungen die sofortige Bezahlung der verfallenen Zinsen.



»Ich bin mit meinen Kräften zu Ende!« rief Nikolaus Petrowitsch mehr als einmal. »Es ist nicht möglich, daß ich diese Leute da selber bessern kann, und meine Grundsätze erlauben mir nicht, die Hilfe der Polizei dazu in Anspruch zu nehmen. Gleichwohl werden sie ohne Furcht vor Strafe nie etwas tun.«



»Ruhig! Ruhig!« antwortete Paul Petrowitsch, schien aber, während er seinem Bruder Ruhe empfahl, selber sehr unzufrieden zu sein und strich sich den Schnurrbart.



Bazaroff blieb all dieser »Misere« fremd, zudem erlaubte ihm seine Stellung im Hause nicht wohl, anders zu handeln. Den Tag nach seiner Rückkehr nach Marino hatte er seine Untersuchungen über die Frösche und Jufusorien und über gewisse chemische Verbindungen wieder aufgenommen und war ganz in diese Arbeiten vertieft. Was Arkad betrifft, so hielt er es für seine Pflicht, wo nicht seinem Vater zu Hilfe zu kommen, doch wenigstens seine Bereitwilligkeit dazu zu zeigen. Er hörte ihn geduldig an und wagte es eines Tags, ihm einen Rat zu geben, nicht so ganz in der Hoffnung, ihn befolgt zu sehen, als um wenigstens seinen guten Willen zu beweisen. Die häuslichen Geschäfte erregten ihm keinen Widerwillen; er nahm sich sogar vor, sich dereinst mit Liebe der Landwirtschaft zu widmen; für den Augenblick aber hatte er andere Gedanken im Kopf. Zu seiner großen Verwunderung mußte er beständig an Nikolskoi denken; früher hätte er die Achseln gezuckt, wenn ihm jemand gesagt hätte, daß er sich unter dem gleichen Dach mit Bazaroff, und unter welchem Dach noch dazu! unter dem väterlichen Dach, würde langweilen können; aber er langweilte sich in der Tat und wäre gern weit weg gewesen. Er nahm sich vor, lange Spaziergänge zu machen, aber das half ihm nichts.



Als Arkad eines Tages mit seinem Vater plauderte, erfuhr er, daß dieser mehrere ziemlich interessante Briefe aufbewahrt hatte, welche die Mutter der Frau Odinzoff einst an seine Frau gerichtet hatte, und er bat so inständig um dieselben, daß Nikolaus Petrowitsch sie nicht ohne Mühe unter seinen alten Papieren hervorsuchte und ihm einhändigte. Einmal im Besitz dieser halbverblaßten Briefe, fühlte er sich ruhiger, als ob er endlich das Ziel gefunden hätte, nach dem er streben müsse. »Und zwar beide; hören Sie! hat sie von selber hinzugesetzt.« Dieser Gedanke wollte ihm nicht aus dem Kopf. »Ich gehe hin! Ich gehe hin, ja der Teufel soll mich holen!« Wenn er sich aber dann an den letzten Besuch in Nikolskoi und an den kalten Empfang erinnerte, gewann seine Schüchternheit wieder die Oberhand. Endlich jedoch trug das »Wer weiß« der Jugend, der stille Wunsch, sein Glück zu versuchen, seine Kräfte ohne Zeugen und ohne Beschützer zu erproben, den Sieg davon. Noch waren keine zehn Tage seit der Rückkehr der jungen Leute nach Marino verflossen, als er unter dem Vorwand, die Einrichtung der Sonntagsschulen zu studieren, aufs neue in die Stadt und von da nach Nikolskoi reiste. Die Art, wie er den Kutscher beständig zur Eile antrieb, hatte etwas von einem jungen Offizier, der zum Kampfe eilt; Freude, Furcht und Ungeduld teilten sich in sein Herz. »Vor allem darf man nicht reflektieren,« wiederholte er sich unaufhörlich. Der Kutscher, der ihn führte, war ein durchtriebener Bauer, der vor jeder Kneipe anhielt und fragte: »Soll man nicht den Wurm umbringen?«

 



Wenn aber der Wurm umgebracht war, stieg er wieder auf seinen Bock und schonte seine Pferde nicht. Endlich zeigte sich das hohe Dach des wohlbekannten Hauses den Blicken Arkads.



»Was tu ich da?« fragte er sich plötzlich, aber es war nicht mehr möglich, umzukehren.



Die Pferde waren im vollen Lauf; der Kutscher feuerte sie mit Schreien und Pfeifen an.



Schon dröhnte die kleine hölzerne Brücke unter den Hufen der Pferde und unter den Rädern; da ist die lange Allee von Tannen, die wie Mauern geschnitten sind. Ein Rosakleid hebt sich von dem dunkeln Grün ab; ein jugendliches Gesicht blickt unter den feinen Fransen eines Sonnenschirms hervor … Arkad hat Katia erkannt und sie ihn auch. Er befiehlt dem Kutscher, die Pferde anzuhalten, die immer noch im Galopp liefen, springt aus dem Wagen und läuft ihr entgegen.



»Sie sinds!« rief Katia leicht errötend. – »Kommen Sie zu meiner Schwester; sie ist hier im Garten, es wird ihr sehr angenehm sein, Sie wiederzusehen.«



Katia führte Arkad in den Garten. Ihre Begegnung schien ihm glückverheißend; das Wiedersehen erfüllte ihn mit einer Freude, als ob sie eine seiner nahen Verwandten gewesen wäre. Alles ging zum besten. Kein Haushofmeister mit seinen feierlichen Gebärden, kein Warten im Salon. Er gewahrte Frau Odinzoff am Ende einer Allee; sie kehrte ihm den Rücken zu und wandte sich beim Geräusch der Schritte ruhig um. Arkad war nahe daran, aufs neue aus der Fassung zu kommen, aber die ersten Worte, die sie sprach, gaben ihm wieder seine volle Sicherheit.



»Guten Tag, Flüchtling!« sagte sie mit ihrer gleichmäßigen und schmeichelnden Stimme; damit ging sie ihm lächelnd und vor Sonne und Wind mit den Augen blinzend entgegen. – »Wo hast du ihn gefunden, Katia?«



»Ich bringe Ihnen etwas,« begann Arkad, »was Sie wohl schwerlich erwarten …«



»Sie haben sich selber gebracht, das ist die Hauptsache.«



Zweiundzwanzigstes Kapitel

Nachdem er Arkad mit ironischem Bedauern und gewissen Worten, welche zu verstehen gaben, daß er den wahren Zweck seiner Reise wohl errate, an den Wagen begleitet hatte, fing Bazaroff an, ganz zurückgezogen zu leben; er schien von einem Arbeitsfieber erfaßt zu sein. Er stritt nicht mehr mit Paul, da dieser bei solchen Gelegenheiten gar zu aristokratische Manieren annahm und weniger mit Worten als mit unartikulierten Lauten antwortete. Ein einziges Mal hatte sich Paul in einen Streit mit dem Nihilisten eingelassen über die Rechte des Adels in den baltischen Provinzen, welche damals an der Tagesordnung waren; er brach jedoch plötzlich ab und sagte mit kalter Höflichkeit:



»Übrigens werden wir uns nie verständigen. Ich wenigstens habe nicht die Ehre, Sie zu begreifen.«



»Ich zweifle nicht daran,« rief Bazaroff. »Der Mensch kann alles begreifen: die Schwingungen des Äthers und die Veränderungen, die in der Sonne vorgehen; aber er wird nie begreifen, daß man sich anders schneuzen könne, als er es tut.«



»Sie finden das geistreich?« erwiderte Paul und setzte sich ans andere Ende des Zimmers.



Gleichwohl kam es ihn an, Bazaroff um die Erlaubnis zu bitten, seinen Versuchen beiwohnen zu dürfen. Paul näherte sogar einmal sein gewaschenes und mit den seltensten Essenzen parfümiertes Gesicht dem Mikroskop; es galt, ein durchsichtiges Infusorientier ein grünliches Atom verschlingen zu sehen, das es mit gewissen in seinem Schlund befestigten Ansätzen hin und her drehte. Nikolaus Petrowitsch kam viel öfter auf Bazaroffs Zimmer als sein Bruder; er wäre alle Tage gekommen, um seinen Unterricht zu nehmen, wie er sagte, wenn ihn die häuslichen Geschäfte nicht anderswohin gerufen hätten. Er störte den jungen Naturforscher durchaus nicht; er setzte sich in eine Ecke des Zimmers, folgte den Versuchen desselben mit Aufmerksamkeit und erlaubte sich nur selten, eine bescheidene Frage an ihn zu stellen. Beim Mittag- und Abendessen suchte er die Unterhaltung auf Physik, Geologie oder Chemie zu leiten, da alle andern Gegenstände, selbst landwirtschaftliche Fragen, von politischen Angelegenheiten wohlverstanden gar nicht zu reden, vielleicht Streit oder doch wenigstens unangenehme Erörterungen herbeiführen konnten. Kirsanoff war überzeugt, daß die Abneigung seines Bruders gegen Bazaroff nicht abgenommen habe. Ein übrigens unbedeutender Umstand bestärkte ihn in dieser Ansicht. Die Cholera fing an, sich in der Umgegend zu zeigen, und hatte sogar zwei Bewohner Marinos weggerafft. Paul wurde in einer Nacht ziemlich heftig von ihr befallen; er litt Schmerzen bis zum Morgen, ohne zu der Kunst Bazaroffs seine Zuflucht zu nehmen. Als ihn dieser am andern Morgen besuchte und fragte, warum er ihn nicht habe rufen lassen, antwortete er ihm noch ganz bleich, aber gleichwohl sorgfältig gekämmt und rasiert: »Ich meine, Sie sagen gehört zu haben, daß Sie nicht an die Medizin glauben.« Das alles hinderte Bazaroff nicht, seine einsamen Arbeiten unablässig fortzusetzen; gleichwohl gab es im Hause jemand, dem er sich allerdings nicht ganz erschloß, dessen Gesellschaft ihm aber sehr angenehm war: das war Fenitschka. Er begegnete ihr gewöhnlich des Morgens früh im Garten oder im Hof; er betrat ihr Zimmer niemals, und sie näherte sich nur ein einziges Mal seiner Türe, um ihn zu fragen, ob sie wohl tun würde, Mitia zu baden. Und doch hatte sie, weit entfernt, ihn zu fürchten, das vollste Vertrauen zu ihm und fühlte sich in seiner Gegenwart sogar freier und ungezwungener als vor Nikolaus Petrowitsch. Es wäre ziemlich schwer, den Grund hiervon anzugeben; vielleicht war es, weil sie instinktiv begriff, daß Bazaroff durchaus nichts vom gnädigen Herrn, vom »Baron«, an sich habe, nichts von jener Art Überlegenheit, die zugleich anzieht und einschüchtert. Er war in ihren Augen ein vortrefflicher Doktor und ein braver Mann. Seine Gegenwart hinderte sie nicht, sich mit ihrem Kinde abzugeben, und einmal, als sie sich plötzlich von Schwindel und Kopfweh befallen fühlte, nahm sie von seiner Hand einen Löffel Arznei. In Nikolaus Petrowitsch Anwesenheit zeigte sie sich weniger vertraut mit Bazaroff, keineswegs aus Berechnung, sondern aus einer Art von Schicklichkeitsgefühl. Paul flößte ihr mehr als jemals Furcht ein; er schien seit einiger Zeit ihr Benehmen auszukundschaften und kam, als ob er aus der Erde gestiegen wäre, in seinem englischen Anzug, mit seinem unbeweglichen Gesicht, seinem durchbohrenden Blick und die Hände in den Taschen, plötzlich hinter Fenitschkas Rücken zum Vorschein. »Man bekommt einen förmlichen Schauder vor ihm,« sagte Fenitschka zu Duniascha, und diese antwortete mit einem Seufzer, den ihr die Erinnerung an einen andern Gefühllosen erpreßte. Das war Bazaroff, der, ohne es zu wissen, der grausame Tyrann ihres Herzens geworden war.



Wenn Bazaroff Fenitschka gefiel, so wurde dieses Gefühl erwidert. Wenn er mit dem jungen Mädchen sprach, bekam sein Gesicht einen anderen Ausdruck, es wurde heiterer, beinahe sanft, und zugleich mischte sich eine Art spöttischer Artigkeit mit seinem gewöhnlichen nachlässigen Wesen. Fenitschka wurde von Tag zu Tag schöner. Es kommt eine Zeit für die jungen Frauen, wo sie plötzlich anfangen, sich zu entfalten und aufzublühen wie die Sommerrosen: diese Zeit war für Fenitschka gekommen. Alles trug dazu bei, selbst die Hitze des Juli, der eben begonnen hatte. In ihrem leichten weißen Kleide erschien sie selber noch weißer und leichter; die Sonne verbrannte sie nicht, und die Hitze, vor der man sich unmöglich bergen konnte, färbte ihre Wangen und Ohren mit zartem Rot, verbreitete über ihr ganzes Wesen eine süße Mattigkeit und verlieh, indem sie ihren schönen Augen das Schmachten des Halbschlummers gab, ihren Blicken eine unwillkürliche Zärtlichkeit. Sie konnte beinahe nichts arbeiten, die Hände glitten ihr sozusagen von ihren Knien. Kaum fühlte sie sich imstande, zu gehen, und hörte nicht auf, mit einer komischen Entkräftung zu klagen.



»Du solltest öfter baden,« sagte Kirsanoff zu ihr. Er hatte zu diesem Behuf ein großes Zelt über einem seiner Teiche errichten lassen, der noch nicht ganz ausgetrocknet war.



»Oh! Nikolaus Petrowitsch! aber ehe ich an den Teich komme, bin ich tot, oder ich sterbe auf dem Rückwege. Sie wissen ja, daß es in dem Garten gar keinen Schatten gibt.«



»Das ist wahr,« erwiderte Kirsanoff und rieb sich die Stirne.



Eines Morgens gegen sieben Uhr traf Bazaroff bei seiner Rückkunft vom Spaziergang Fenitschka in der Fliederlaube, die zwar schon lange abgeblüht, aber noch frisch und grün war. Fenitschka saß auf der Bank, das Haupt mit einem weißen Taschentuch bedeckt; neben ihr ein Haufen roter und weißer Rosen, auf denen noch der Tau lag. Er bot ihr guten Morgen.



»Ah! Eugen Wassilitsch,« sagte sie, indem sie einen Zipfel des Taschentuches aufhob, um ihn anzusehn, wobei sich ihr Arm bis zum Ellbogen entblößte.



»Was machen Sie da?« fragte Bazaroff, indem er sich neben sie setzte; »Sträuße?«



»Ja, um sie beim Frühstück auf die Tafel zu stellen. Nikolaus Petrowitsch liebt das sehr.«



»Aber man frühstückt ja noch nicht so bald. Welche Masse Blumen!«



»Ich pflückte sie eben, ehe die Hitze mich am Ausgehen hindert. Man kann ja nur um diese Zeit atmen. Ich kann nicht mehr vor Hitze; ich fürchte, ich werde krank.«



»Wo denken Sie hin! Kommen Sie, ich will Ihnen einmal den Puls fühlen.«



Bazaroff nahm ihre Hand, legte den Daumen auf die feine, unter einer zarten, feuchten Haut wohlverborgene Pulsader und gab sich nicht einmal die Mühe, die ruhigen Schläge zu zählen.



»Sie werden hundert Jahre alt,« sagte er, ihre Hand lassend.



»Ach, Gott bewahre mich davor!« rief sie.



»Warum? liegt Ihnen denn nichts daran, lange zu leben?«



»Hundert Jahre? meine Großmutter ist achtzig alt geworden, und sie war ein wahres Marterbild! ganz schwarz, taub, entstellt, immer hustend, wahrhaft sich selber zur Last. Heißt das leben?«



»Es ist also besser, jung zu sein?«



»Ich denke wohl!«



»Und warum? sagen Sie mir das.«



»Wie? aber nehmen Sie mich zum Beispiel; ich bin noch jung und kann alles tun; ich gehe, ich komme, ich bediene mich selbst und habe niemand nötig, was brauchts mehr?«



»Was mich betrifft, mir liegt nichts daran, ob ich jung oder alt bin; das ist mir gleichgültig.«



»Wie können Sie sagen, daß Ihnen das gleichgültig ist? Es ist unmöglich, daß Sie so denken.«



»Urteilen Sie selbst, Fedosia Nikolajewna: was hab ich von der Jugend? ich lebe allein, eine wahre Waise …«



»Das hängt nur von Ihnen ab!«



»Da täuschen Sie sich. Niemand will sich meiner erbarmen.«



Fenitschka sah ihn verstohlen an, antwortete aber nichts.



»Was haben Sie da für ein Buch?« fragte sie ihn einige Augenblicke darauf.



»Das ist ein gelehrtes Werk und schwer zu verstehen.«



»Sie studieren immer! langweilt Sie denn das nicht? Sie sollten doch schon alles wissen, mein ich.«



»Mir scheints nicht. Versuchen Sie's einmal, ein wenig in diesem Buche zu lesen.«



»Aber ich werde nichts davon verstehen. Ist es russisch?« fragte Fenitschka, indem sie den dicken Band, welchen Bazaroff hielt, mit beiden Händen faßte: – »Wie dick er ist.«



»Gewiß ist es russisch.«



»Das ist einerlei, ich versteh es doch nicht.«



»Ich weiß es wohl, aber ich möchte Sie lesen sehen. Wenn Sie lesen, bewegt sich Ihre Nasenspitze so allerliebst.«



Fenitschka, die halblaut eine Abhandlung »Über das Kreosot« zu entziffern suchte, fing an zu lachen und stieß das Buch zurück, das auf den Boden fiel.



»Ich liebe auch Ihr Lachen,« versetzte Bazaroff.



»Gehen Sie doch!«



»Ich liebe auch, Sie sprechen zu hören; es klingt wie eines Bächleins Murmeln.«



Fenitschka wandte sich ab.



»Wie drollig sind Sie doch!« sagte sie und fuhr mit der Hand über die Blumen. »Wie sollten Sie auf mich hören, da Sie sich sicher schon mit vielen gelehrten Damen unterhalten haben!«



»Ach, Fedosia Nikolajewna! glauben Sie mir, alle gelehrten Damen der Welt sind nicht einmal soviel wert wie Ihre Ellbogen.«

 



»Was Ihnen nicht alles einfällt!« sagte Fenitschka halblaut und die Arme an den Körper drückend.



Bazaroff hob das Buch auf.



»Das ist ein medizinisches Buch,« sagte er, »warum haben Sie's auf die Erde geworfen?«



»Ein medizinisches Buch?« wiederholte Fenitschka und wandte sich nach ihm um. »Erinnern Sie sich, daß Sie mir Tropfen gegeben haben? Nun, seit der Zeit schläft Mitia wie verzaubert. Wie dank ichs Ihnen! Sie sind so gut! wahrhaftig!«



»Streng genommen müßte jede Arznei bezahlt werden,« erwiderte Bazaroff lächelnd, �

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