Verstrickung des Herzens

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Из серии: MacKenzies Saga #2
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»Mir auch«, gestand sie leise.

In der Halle wurden Instrumente gestimmt, dann erklang ein Walzer, und Robert verneigte sich. »Darf ich bitten?«

»O ja, sehr gern.«

Er führte sie zur Tanzfläche, wo sich bereits mehrere Paare drehten.

»Warren«, wiederholte er seufzend.

»Ja, ich weiß – ein Monstrum.«

»Wie gut, daß Sie auch so denken! Ich fürchtete schon, ich hätte Ihre Gefühle verletzt. Ein solcher Mann – und eine so bezaubernde Tochter ...«

Lächelnd bedankte sie sich für das charmante Kompliment. »Er ist ja auch nur mein Stiefvater.«

»Trotzdem ...«

Anmutig wirbelte sie in seinen Armen über das Parkett. Sie hatte schon lange nicht mehr getanzt, und sie genoß die Gesellschaft des liebenswürdigen jungen Mannes. Plötzlich blieb er stehen. Jemand hatte auf seine Schulter geklopft.

»Darf ich dir deine Partnerin entführen, Robert?« fragte James McKenzie.

»Wenn’s unbedingt sein muß ... So ist das Leben nun mal, grausam und unerbittlich.«

Wieder wurde Teela im Kreis herumgeschwenkt, diesmal von einem Halbindianer, der eine seltsame Faszination auf sie ausübte. Er tanzte ausgezeichnet, und sie glaubte zu schweben. In seinen erstaunlichen blauen Augen las sie Neugier, aber auch Verachtung. Weil sie eine Weiße war? Weil sie seine Unverschämtheit geduldet hatte, statt ihn zu ohrfeigen? »Halten Sie nur mich für ein Ärgernis?« fragte sie. »Oder alle weißen Frauen?«

Sein bedauerndes, fast wehmütiges Lächeln überraschte sie. Offenbar hatte er nicht mit einer solchen Frage gerechnet. »Alle weißen Frauen.«

»Oh, das beruhigt mich.«

»Aber Sie ganz besonders.«

»Warum tanzen Sie dann mit mir?«

»Weil ich’s immer noch auf Ihr schönes Haar abgesehen habe.«

»Aber Sie würden mich doch nicht im Haus Ihres Bruders skalpieren.«

»Vielleicht möchte ich diese wunderbaren Locken gar nicht abschneiden.«

»Was haben Sie dann vor?«

»Da bin ich mir nicht ganz sicher ...« Seine Stimme nahm einen seltsamen Klang an. »Wirklich nicht.«

Abrupt verstummte die Musik. Sie blieben voreinander stehen und starrten sich an. Und dann hörte Teela, wie ihr Name gerufen wurde. »Miss Warren! Ah, da sind Sie ja!« Ihr Gastgeber, Jarrett McKenzie, bahnte sich einen Weg durch die Gästeschar. »James! Oh, du hast unseren Gast schon kennengelernt.«

James’ Augen verengten sich. »Was? Das – eh, das Kind, das Tara erwähnt hat?«

»Nun, sie ist ein bißchen älter, als wir dachten.«

»Soeben hast du sie Miss Warren genannt.« In diesen Worten schwang eine eisige Kälte mit.

»Sie ist seine Stieftochter ...«, begann Jarrett.

Aber James hörte ihm nicht mehr zu. Er neigte sich zu Teela hinab. »Sie heißen Warren?« stieß er hervor, und sie schluckte mühsam.

»Ja – Teela Warren.«

Zu ihrer Verblüffung brach er in lautes Gelächter aus. »Warren! Jetzt weiß ich, warum Sie mich interessieren! Weil ich Ihre ganze verdammte Familie ins ewige Höllenfeuer schicken möchte!«

Grußlos wandte er sich ab und ging mit langen Schritten davon. Teela fröstelte, und es dauerte lange, bis sie merkte, wie leise er gesprochen hatte. Nur für ihre Ohren war jene bittere Drohung bestimmt gewesen. Nicht einmal sein Bruder hatte sie gehört.

Neue Tanzmusik erfüllte die Halle.

4

Während James auf der Balustrade der Veranda saß und ins Dunkel starrte, streifte ein milder Wind sein Gesicht. Er schloß die Augen und lauschte. Aus dem Haus drangen fröhliche Stimmen und Musik. Aber er hörte auch die Geräusche der Nacht – die plätschernden Wellen des Flusses, die flüsternde Brise zwischen den Ästen der Eichen und Zypressen.

Die Moskitos schienen in dieser Nacht keine Opfer zu suchen. Vielleicht wehte der Wind etwas zu schnell für ihren Geschmack. Wie schön und ruhig es hier ist, dachte James. Kein einziger Schuß störte die friedliche Atmosphäre von Cimarron.

Schade, daß er solche Orte nur selten aufsuchen konnte ... Er lehnte seinen Kopf an eine Säule. Durch die geöffnete Tür drang Gelächter aus der Halle. Die meisten Partygäste waren Freunde, die er seit Jahren kannte. In diesen Kreisen hatte er seine Ausbildung genossen. Und er war in Charleston, in dem Haus, das der Großvater seines Bruders bewohnt hatte, willkommen gewesen. Weil er von einem weißen Vater abstammte, ignorierten viele Amerikaner sein Indianerblut. Sein Mitgefühl galt deshalb vielen Weißen, die unter dem Krieg litten. Schaudernd dachte er an eine der jungen Witwen. Sie hatte ihren Mann sterben und ihr Farmhaus brennen sehen. Und dann war sie skalpiert worden. Um zu überleben, hatte sie sich totgestellt und später erzählt, die Seminolen seien schreiend und triumphierend vor den Flammen umhergesprungen.

Auch James hatte grausige Kampfszenen beobachtet. Erst letztes Jahr hatte Andy Jackson, damals noch Präsident, dem Gouverneur von Florida, Richard Keith Call, das Kommando der U.S. Army übertragen. Zielstrebig rückte Call mit seinen Truppen in den Sumpf vor. Obwohl viele Männer dem Fieber zum Opfer fielen, entschloß er sich am Withlaoochee River zu einer Großoffensive gegen die Indianer. Als erster versuchte Major David Moniac den Fluß zu überqueren, aber eine Seminolenkugel warf ihn ins Wasser. Danach wagte sich niemand mehr in die dunklen Wellen. Absurderweise war der Major ein Vollbkut-Creek gewesen, ein Absolvent der U.S.Militärakademie. Die Weißen wollten die Seminolen veranlassen, nach Westen zu gehen und sich ihren entfernten Verwandten anzuschließen, den Creek. Aber im Kampf gegen die Seminolen setzten sie Creek-Soldaten ein. Eine bittere Ironie ...

An jenem Tag hatte James auf seiten der Seminolen gekämpft, um die Unschuldigen hinter der Front zu schützen. Verzweifelt feuerte er sein Gewehr ab, von der ständigen Angst gequält, er könnte einem weißen Soldaten begegnen, den er kannte, mit dem er Wihskey oder Wein getrunken, diskutiert oder gepokert hatte.

Zwischen zwei Welten gefangen, gehorchte er seinen eigenen moralischen Gesetzen. Wenn die Weißen angriffen, würde er die Seminolen verteidigen. Er hatte keine Wahl. Aber er würde sich niemals an Plünderungen beteiligen, niemals einen Krieg gegen Frauen und Kinder führen. So wie er dachten zahlreiche Indianer, auch Osceola, obwohl er als Kriegerhäuptling oft genug wegschaute, wenn seine Leute unschuldige Menschen niedermetzelten.

James wußte, daß es unter den Weißen ebenso viele anständige Männer gab, die Frauen und Kinder schonten – trotz zahlloser Greueltaten, von Kommandanten wie Michael Warren begangen.

Allein schon der Gedanke an diesen Namen beschleunigte James’ Herzschläge immer wieder – auch an diesem Abend, an dem er auf dem Geländer der Veranda von Cimarron saß. Und wie so oft dankte er dem Schicksal, weil Naomi und seine kleine Tochter Sara nicht durch die Hände weißer Soldaten, sondern am Fieber gestorben waren. Nicht durch die Hände eines brutalen Schurken wie Warren ermordet ...

Plötzlich öffnete er die Augen. Im Haus erklang das Gelächter einer Frau. Sie war hier, die Tochter dieses Mannes.

Als sie in die Halle herangekommen war, hatte er den Atem angehalten. Welch eine Schönheit – ein elfenbeinweißes, ebenmäßiges Gesicht, Haare wie tanzende dunkle Flammen und Augen, die ihn an einen schattigen Wald im Regen erinnerten ... Sie stand am Fuß der Treppe, groß und schlank. Provozierend wölbte sich der Busenansatz im Dekolleté des grünen Samtkleids. Ich begehre sie, war James’ erster Gedanke. Er wollte ihr Haar berühren und sehen, ob er sich verbrennen würde, die Alabasterwange streicheln und herausfinden, ob sie sich wie Seide anfühlte. Am liebsten hätte er sie vom Treppenpfosten weggezerrt, um ihr Samt und Satin und Spitzen vom Leib zu reißen. War die Leidenschaft echt, die in ihr zu brennen schien? Würde sie seinen Schmerz und den Zorn und den Haß verdrängen können, das ganze Chaos, in das sich seine Welt verwandelt hatte?

Augenblicke des Wahnsinns, des Hungers ...

Doch dann kehrte sein Verstand zurück. Neugierig musterte sie ihn. Nur ein weiteres hübsches Mädchen, das von seiner exotischen äußeren Erscheinung fasziniert war. Und doch – sie unterschied sich von den anderen. Sie kokettierte nicht, wirkte aufrichtig, klug und mutig. Während er mit ihr tanzte, kehrte die anfängliche Faszination zurück.

Dann hatte er ihren Namen gehört ... Seine Hände bebten, wilder Zorn trübte seinen Blick. Hinter ihrer Schönheit glaubte er zertrümmerte Kinderköpfe zu sehen, erstochene Frauen, verstümmelte alte Männer. Er wollte sie packen und schütteln und ihr ins Gesicht schreien, sie sei das Kind eines Monstrums. Nein, nicht im Haus seines Bruders ... Und so war er in die Nacht hinausgeflohen, zum Flüstern des Windes, zu den zirpenden Grillen.

»James!«

Aus seinen Gedanken gerissen, wandte er sich zu einem schlanken, blonden Mann mit bernsteinfarbenen Augen, der eine Uniform trug.

Hatte Tara nicht versprochen, auf dieser Party würde kein Militär erscheinen? Aber James ärgerte sich nicht. Er war schon lange mit Lieutenant John Harrington befreundet, der manchmal als Verbindungsoffizier fungierte, so wie er selbst.

»Guten Abend, John. Heute abend hatte ich dich nicht zu sehen erwartet.« James stand auf und reichte ihm die Hand.

»Für mich war’s auch eine Überraschung. Ich muß einen Auftrag erledigen. Reine Routine.« Grinsend schlug Harrington auf die Schulter seines Freundes. »Freut mich, dich hier zu treffen – und nicht an der Front.«

»Solche Begegnungen fürchte ich genauso wie du.«

»Jarrett hat mir erzählt, ein Teil deines Clans würde nach Westen ziehen.«

»Was davon noch übrig ist. Vier Frauen, drei alte Männer und zehn Kinder. Alle anderen sind tot, und die Überlebenden können vor lauter Schwäche nicht mehr davonlaufen. Wenn sie hierbleiben, würden sie verhungern.«

 

»Und deshalb verlassen sie den Sumpf. Ein tapferer Entschluß, nachdem euer grandioser Osceola einen seiner eigenen Männer ermorden ließ, der nach Westen gehen wollte ... Womöglich wird dein Clan zwischen die Fronten geraten, James. Du kannst von Glück reden, daß Osceola dir noch keine Kugeln in deine Brust gejagt hat. Immerhin machst du keinen Hehl aus deinen freundschaftlichen Gefühlen für gewisse weiße Leute.«

»Du kennst Osceola, und du weißt, daß er kein tobsüchtiger Wilder ist. Außerdem fließt auch in seinen Adern das Blut weißer Vorfahren. Und er haßt nicht alles, was weiß ist.«

»Oft genug hat er seine Feinde gnadenlos getötet.«

»Um sein Volk und dessen Lebensart zu retten.«

»Hoffentlich weiß er zu schätzen, daß er einen so eifrigen Führer in dir gefunden hat, und wird sich niemals gegen dich wenden – so wie gegen Charlie Emathla.«

»Das brauchst du nicht zu befürchten. Er versteht meine Situation, respektiert Jarrett und bewundert Tara. Glücklicherweise beurteilt er jeden Menschen individuell, ob rot oder weiß. Und er ist stets zu Verhandlungen bereit. Daß er hin und wieder zur Grausamkeit neigt, ist verständlich, nachdem die U.S.-Regierung einen Vertrag nach dem anderen bricht.«

Seufzend lehnte sich John an die Balustrade. »Ja, das weiß ich. Aber mit seinem Verhalten erreicht Osceola nur, daß immer mehr Soldaten in dieses Land kommen. Und es bestärkt die Regierung in ihrem Entschluß, den Krieg zu gewinnen.«

Auch die Army ist kriegsmüde. Viele Männer, die sich für einen kurzen Kriegsdienst verpflichtet haben, würden lieber heute als morgen nach Hause laufen. Ein paar Kommandanten haben sogar schon Selbstmord begangen.«

»Ich habe Angst um uns alle«, gestand John. »Wohin wird dieses Grauen führen? Weißt du noch, wie’s begonnen hat? Mit dem Massaker an Major Dade und seinen Leuten. Und wo war der grandiose Kriegerhäuptling Osceola an jenem Tag? Er brachte den Indianeragenten Wiley Thompson um.«

»Auch Weiße waren der Meinung, Thompson habe den Tod verdient.«

»Darauf kommt es nicht an, mein Freund. Osceola hätte Dade gemeinsam mit seinen Kriegern angreifen und dieses gräßliche Gemetzel verhindern müssen. Aber seine persönliche Rache war ihm wichtiger.«

»Vergiß nicht – Thompson hatte ihn in Ketten gelegt. Für einen Indianer eine unerträgliche Demütigung ...«

»Und Osceola überfiel Plantagen – Männer, Frauen und Kinder. Red dir bloß nicht ein, er sei ein guter, anständiger Mensch!«

»Sind wir nicht alle gut und böse? Je nachdem, wie man’s betrachtet?«

»Das bestreite ich nicht.« Traurig schüttelte John den Kopf. »Wie du weißt, habe ich viele Freunde unter den Indianern. Und ich fürchte den Tag, an dem ich einem an der Front gegenüberstehen werde – an dem wir einander die Hälse aufschlitzen müssen ... Großer Gott, James, ich wünschte, du würdest dich immer so kleiden wie heute abend und im Haus deines Bruders wohnen ...«

»... und ein Weißer werden?«

»Du bist ein Weißer.«

»Das habe ich nie bestritten. Mein Vater war ein großartiger Mensch, und Jarrett ist sein Ebenbild. Aber ich kann unmöglich die Augen vor den Dingen verschließen, die meinem Volk angetan werden. Sonst wäre ich kein ganzer Mann.«

»Ich werde für dich beten.«

»Und ich für dich«, versprach James lächelnd.

»Vielleicht werden wir beide überleben und eines Tages an einem idyllischen Fluß im Zypressenschatten angeln.«

»Hoffen wir’s ... Und was für ein Routine-Auftrag hat dich nach Cimarron geführt?«

»Ein sehr angenehmer ... Aber ich wage kaum, davon zu erzählen, weil ich weiß, was du vom Colonel hältst.« John schnitt eine Grimasse. »Ich soll seine Tochter zu ihm bringen. Hast du sie gesehen? Einfach bildschön ... Und dabei hatte ich solche Angst, als er mir vorschlug, das Mädchen zu heiraten. Ob ich nun mag oder nicht, er ist mein Vorgesetzter. Ich dachte, sie wäre so ein häßliches Monstrum wie er, womöglich mit Schnurrbart. Also kam ich mit sehr gemischten Gefühlen hierher, und dein verdammter Bruder war wahrlich keine Hilfe.« Er verdrehte die Augen und seufzte abgrundtief. »Dann stand ich vor ihr und brachte kaum ein Wort hervor. Wahrscheinlich lacht Jarrett immer noch über mich.«

Um seine Gefühle zu verbergen, biß James die Zähne zusammen. Dann fragte er beiläufig: »Meinst du Miss Warren?«

»O ja. Hast du sie kennengelernt?«

»Allerdings«, erwiderte James grimmig.

»Was für eine intelligente, wißbegierige junge Frau! Sie stellte mir ein Dutzend Fragen über unsere Wildnis. Ich glaube, sie könnte es verstehen, daß ein Mann dieses Land liebgewinnt. Sicher wäre sie eine gute Gefährtin.«

»Wann sollst du sie zu ihrem Vater bringen? Und wohin? Als ich zuletzt von ihm hörte, ermordete er gerade Männer, Frauen und Kinder südlich von Ocala. Jeder, der irgendwie mit ihm in Verbindung steht, wäre in dieser Gegend gefährdet.«

»Vorerst reisen wir nicht ab. Ich muß ein paar Depeschen in Tampa abliefern. Dann komme ich mit einer größeren Eskorte hierher zurück. Warren hat ein Haus in Tallahassee gekauft. Aber ich weiß noch immer nicht, wohin ich seine Tochter bringen soll. Vermutlich will er nach dem Krieg in die Politik gehen, so wie viele Männer, die gegen die Indianer gekämpft haben. Zum Beispiel Andy Jackson.«

»Ja, Jackson hat alle seine Kriege überlebt. Mal sehen, ob Michael Warren diesen hier übersteht.«

»Immerhin ist er ein zäher Knochen.«

»Was auch auf unsere Kriegerhäuptlinge zutrifft. Verdammt, am liebsten würde ich den Schurken niederknallen.«

»Aber seine Tochter ist ganz anders«, erwiderte John.

»Wie kannst du dir da so sicher sein?«

»Weil ich angeregt mit ihr geplaudert habe. Sie interessiert sich für alles. Auch für dich.«

»Wie bitte?«

»Offenbar hast du ihre Neugier erregt.«

»Was wollte sie denn wissen?«

»Alles über deine Vergangenheit, deine Erziehung. Sie gehört nicht zu jenen albernen Frauen, die Indianer für wilde Tiere halten. Verzeih, James, aber manche Leute denken eben so ...«

»Das weiß ich. Sprich weiter.«

»Nun, sie möchte sich über die Sprache und die Lebensart der Indianer informieren.«

»Wenn sie Pech hat, wird sie viel zuviel darüber erfahren.«

»Heute abend bist du ziemlich düster gestimmt, James.«

»Ich führe ja auch ein düsteres Leben.«

»Mein Freund, du solltest lernen, die wenigen friedlichen Augenblicke zu genießen, die uns vergönnt sind.«

Schuldbewußt runzelte James die Stirn. Er war tatsächlich viel zu schlecht gelaunt. Einerseits ärgerte er sich über Johns Auftrag, andererseits beneidete er ihn darum. Dazu kam noch der Haß gegen Warren, geschürt von der Begegnung mit der Stieftochter dieses Bastards. Gewiß würden Harrington und das Mädchen großartig zueinander passen. Und er sollte sich für seinen Freund freuen.

Statt dessen dachte er an die heiße Erregung, die Teela in ihm geweckt hatte und die noch nicht erloschen war.

Aber für ihn war sie nicht bestimmt. Also lächelte er schwach. »Vielleicht hast du recht, ich sollte die friedlichen Momente genießen, solange ich’s noch kann.«

Während er sprach, sah er seine Schwägerin auf der Schwelle stehen. »Da seid ihr ja, ihr zwei! Was macht ihr hier draußen?«

»Wir lösen Kriegsprobleme«, antwortete James, »zumindest zwischen uns beiden.«

»Wenn es nur nach euch ginge, gäb’s keinen Krieg. Und in meinem Haus wird auch nicht gekämpft. Kommt herein! Auf Jarretts Geburtstagstorte brennen schon die Kerzen, und er muß sie alle mit einem Atemzug ausblasen.«

Die beiden Freunde folgten Tara ins Haus. Obwohl James beschlossen hatte, Miss Warren keines Blickes zu würdigen, schaute er unentwegt zu ihr hinüber. Er blieb im Hintergrund, als Jarrett – von seiner Frau und den Gästen aufgefordert – die Kerzen auf seiner Torte auspustete, was ihm tatsächlich mit einem einzigen Atemzug gelang. Nach dieser imposanten Leistung erklärte man ihm, er müßte zum Kreis der hohen Tiere gehören, die alle in Tallahassee versammelt waren, und fröhliches Gelächter erklang.

Dann begann das kleine Orchester wieder zu spielen. Jeeves, der adrette, ebenholzschwarze Butler – der wahre Herrscher von Cimarron, wie James ihn liebevoll nannte – eilte mit einem Silbertablett voller Champagner zu ihm. »Junger Mann, Sie schauen viel zu ernst drein.«

»Das höre ich heute abend nicht zum erstenmal«, bemerkte James und ergriff ein Glas. »Genießen Sie die Nacht, denn der nächste Morgen wird unweigerlich anbrechen.«

»Jetzt sind Sie viel zu ernst«, meinte James und prostete ihm zu.

Lächelnd entblößte Jeeves seine erstaunlich weißen Zähne. »Ich wollte nur betonen, Sir, daß wir alle ein sehr schweres Leben führen. Deshalb sollte man jeden schönen Augenblick auskosten.«

»Wenn’s Ihnen Spaß macht, werde ich den ganzen restlichen Abend von einem Ohr bis zum anderen grinsen, mein Freund«, versprach James und trank den Champagner.

Mit seiner freien Hand reichte der Butler ihm noch ein Glas. »Das wird Ihnen sicher helfen, Sir. Amüsieren Sie sich.« Würdevoll ging er davon.

James betrat den Salon, wo sich einige Gäste im Takt heiterer Geigenklänge drehten.

Wenn er sie auch nicht suchte – er entdeckte sie sofort. Major John Harrington, ein bißchen steif in seiner Uniform, wirbelte Miss Warren umher und starrte sie hingerissen an. Davon schien sie nichts zu bemerken. Sie redete unentwegt.

Schließlich verstummte die Musik, und James beobachtete, wie John sich verneigte und sie allein ließ – offenbar, um Punsch oder Champagner zu holen. Nun erklang eine Ballade in langsamerem Rhythmus, eine melancholische Melodie.

Ehe James wußte, was er tat, eilte er zu Miss Warren, nahm sie in den Arm und begann zu tanzen, gab ihr keine Gelegenheit zuzustimmen oder zu protestieren.

Aber sie versuchte auch gar nicht, sich zu wehren. Die Brauen erhoben, schaute sie direkt in seine Augen, während er sie zwischen den anderen Paaren hindurchdirigierte, in die Halle, hinaus auf die Veranda.

Im gedämpften Licht der Lampions und des Mondes trafen sie niemanden an. Die Musik wehte zur offenen Tür heraus, und sie tanzten weiter.

»Also haben Sie Ihren Verlobten bereits kennengelernt, Miss Warren.«

»Wen meinen Sie?«

»Meinen guten Freund, Major Harrington.«

»Nein, der Major ist nicht ...« Ihre Stimme erstarb.

»Bisher sind mir nur wenige weiße Männer begegnet, die sich mit ihm messen könnten.«

»Gewiß, er ist sehr charmant, aber nicht mein Verlobter.«

»Doch. Allem Anschein nach ist Colonel Warren fest entschlossen, Sie mit Harrington zu verheiraten.«

»Colonel Warren kann nicht entscheiden, wie meine Zukunft aussehen soll.«

»Immerhin unterstehen Sie Warrens Vormundschaft. Als Army-Kommandant ist er es gewohnt, Befehle zu erteilen.«

»Nicht mir«, erwiderte sie kühl. »Ich nehme von niemandem Befehle entgegen.«

»Vielleicht werden Sie in unserer Wildnis eine Überraschung erleben, Miss Warren. Glauben Sie mir, manchmal ist es am besten, Befehlen zu gehorchen. In diesem Sumpf könnte Harringtons Ehefrau ein angenehmeres Leben führen als Warrens Tochter.«

»Gut, daran werde ich denken, Mr. McKenzie. Nun bin ich neugierig geworden. Was hat mein Stiefvater Ihnen angetan?«

»Meinen Sie – mir direkt?«

»Natürlich. Hat er Sie verletzt oder beleidigt?«

Alle seine Muskeln spannten sich an. Unwillkürlich umfaßte er ihre Taille noch fester und sah sie zusammenzucken. »Nein, Miss Warren, er hat mich niemals angerührt. Sonst wäre er bereits tot. Aber seine Brutalität hat mich tief getroffen.«

»Auch die Weißen wurden brutal behandelt, von vielen Indianern ...«

»Nicht von mir, Miss Warren.«

»Sie tun mir weh! Halten Sie mich nicht so fest ...«

»Vielleicht sollte ich Sie gar nicht halten.« Abrupt blieb er stehen, und sie verlor das Gleichgewicht, so daß sie an seine Brust sank. In ihrer Verwirrung trat sie nicht zurück. Und er spürte ihren Herzschlag an seinem, roch ihren süßen, femininen Duft, starrte in ihre Smaragdaugen.

»Oh, da seid ihr ja!« rief jemand, und James erkannte Harringtons Stimme. Sofort schob er Miss Warren von sich. »Champagner?« fragte der Major fröhlich. »Teela, James?«

»Danke, ich habe schon genug.« James verneigte sich vor Miss Warren. »Wenn Sie mich entschuldigen würden ...«

 

Er kehrte in die Halle zurück, begrüßte alte Freunde, die ihm den Weg versperrten und sich nach der Kriegssituation erkundigten. Geduldig beantwortete er die Fragen, versuchte die Leute zu beruhigen und sein Volk zu verteidigen.

Aber wie konnte man den Krieg verteidigen?

Endlich gelang es ihm, in den Oberstock zu flüchten. Er schaute nach Jarretts kleinem Sohn, der friedlich in der Wiege neben dem Bett seiner Mutter schlummerte. Dann schlich er in Jennifers Zimmer. Auch sie schlief tief und fest, ein Lächeln auf dem Engelsgesicht. Behutsam küßte er ihre Stirn, und sein Herz sehnte sich erneut schmerzlich nach der Frau und dem Kind, die er verloren hatte.

Er ging in sein Zimmer und zog die Weste und das Rüschenhemd aus. Nur mit seinen Breeches und den Stiefeln bekleidet, betrat er den Balkon und schaute zum Zypressenwald hinüber. Zwischen den alten Bäumen wand sich der Fluß dahin. Fruchtbares Land lag im Osten, jetzt abgebrannt und verwüstet von den Kämpfen zwischen Weißen und Indianern, die immer weiter nach Süden gedrängt wurden.

Plötzlich hörte er ein Geräusch und wandte sich zur benachbarten Balkontür. Sie stand am Geländer, vom Mondschein umflossen, und blickte zum Himmel hinauf.

Im sanften Nachtwind flatterte ihr frisch gebürstetes, offenes Haar, das über ihrem Rücken hinabhing, voller roter Glanzlichter. Sie trug ein schlichtes, weißes Nachthemd, unter dem sich ihre hoch angesetzten, runden Brüste abzeichneten, die schmale Taille, die schön geschwungenen Hüften.

Was für ein verführerisches Bild sie bot ... Gegen seinen Willen erhitzte sich sein Blut. »Zum Teufel mit ihr!« murmelte er, und sie starrte ihn erschrocken an.

Er stand im Schatten, an der Hausmauer. Nun trat er vor, und sie schrie unterdrückt, eine Hand auf den Mund gepreßt. »Was machen Sie hier?« fragte sie atemlos und runzelte die Stirn.

»Das ist mein Zimmer.« Die Arme vor der Brust verschränkt, neigte er sich zu ihr hinüber und glaubte, sie würde zurückweichen. Doch sie blieb stehen und musterte ihn im nächtlichen Silberschein.

»Wenn das Ihr Zimmer ist, sollten Sie hineingehen.«

»Warum? Ich war zuerst hier draußen, und Sie haben mich gestört.«

Viel zu deutlich zeichneten sich ihre Brüste unter dem dünnen Nachthemd ab, perfekt wie Marmor. Die Versuchung war zu groß, und er berührte ihre Wange, ihre Schultern, zog sie an sich, getrieben von einem unwiderstehlichen Verlangen, diese vollen Lippen zu kosten.

Süß schmeckte ihr Mund, nach frischer Minze. Die Finger in ihr dichtes Nackenhaar geschlungen, schob er seine begierige Zunge zwischen ihre Zähne. Nicht genug. Mit der anderen Hand liebkoste er eine ihrer Brüste und streichelte die zarte Knospe.

Ihr Atem stockte, ihre Finger glitten zu seinen Schultern hinauf, und ein halb erstickter Laut begleitete den Kuß.

In wachsender Erregung begann James zu zittern. Um Himmels willen, was tat er da? Das durfte nicht geschehen.

Energisch stieß er sie von sich. Sie bebte am ganzen Körper und starrte ihn verwirrt an. Weil er sie so leidenschaftlich geküßt und dann losgelassen hatte?

»Gehen Sie in Ihr Zimmer zurück!« befahl er ärgerlich.

»Sir, Ihr Benehmen ist einfach unterträglich!« fauchte sie, hob eine Hand und schlug ihm ins Gesicht.

Damit hätte er rechnen müssen. Aber sein Gehirn war von wilder Begierde umnebelt worden. Nun bewegte er sich instinktiv, packte ihr Handgelenk und riß sie an sich. In ihren Augen las er keine Entschuldigung, keine Angst.

Obwohl er sie schmerzhaft festhielt, zuckte sie nicht mit der Wimper, und sie wehrte sich auch nicht. Statt dessen beobachtete sie ihn wütend und wartete, bis er sie losließ. »Diesmal kommen Sie mir noch mal davon«, warnte er sie. »Aber bedenken Sie, wir befinden uns im Kriegszustand. Wenn Sie einen Indianer schlagen, schlägt er zurück.« Schweigend hielt sie seinem Blick stand, und er schob sie wieder von sich. »Gehen Sie in Ihr Zimmer!«

Sie schlenderte gemächlich zu ihrer Tür, wo sie sich noch einmal umdrehte. »Diesmal werde ich Ihrer höflichen Bitte Folgen leisten, Sir. Aber in Zukunft sollten Sie berücksichtigen, daß das auch mein Balkon ist. Hier darf mich niemand herumkommandieren.«

Erbost verschwand sie in ihrem Zimmer und warf krachend die Tür hinter sich zu.

James sank in sein Bett. Während einer unendlich langen Nacht suchten ihn alle Qualen der Hölle heim.

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