Verstrickung des Herzens

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Из серии: MacKenzies Saga #2
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2

Cimarron

Während James über den Rasen ritt und das Heim seines Bruders betrachtete, schlug sein Herz höher. Zusammen mit Jarrett hatte er dieses Haus erträumt und erbaut, und er liebte es.

Sie hatten beabsichtigt, ein zweites Haus für ihn selbst zu errichten. Obwohl beide zumeist bei den Seminolen aufgewachsen waren, hatten sie einen Teil der Jugend bei ihrem gütigen schottischen Vater verbracht und die Kultur der Weißen ebenso kennengelernt wie die indianische. James wußte, wie man ein solches Haus plante und baute. Genausoviel verstand er von der Viehzucht und Feldwirtschaft. Er kannte auch die Werke Defoes, Bacons, Shakespeares und anderer Autoren, ebenso wie Beethovens und Mozarts Musik.

Als blutjunger Mann hatte er eine Indianerin liebgewonnen und sich ihrem Clan angeschlossen, weil er gebraucht worden war. Zu den Vorfahren seiner Mutter zählte ein mico. Deshalb wurde er mit dem Amt des Häuptlings betraut und lebte mit seinem Stamm in einem großen, schönen Dorf. Bis der Krieg begonnen hatte ...

Aber obwohl er dem weißen Feind erbittert grollte – er liebte seinen Bruder, so wie er den Vater geliebt hatte. Daran konnten die gräßlichen Kämpfe nichts ändern.

»James!«

Als der Ruf zu ihm drang, stieg er ab und sah seine Schwägerin Tara die Verandastufen herunterlaufen. Lachend nahm er sie in die Arme. Sie war eine schöne Blondine mit blauen Augen, zart wie Porzellan und doch stark und entschlossen, genau die richtige Frau für seinen Bruder.

Mißbilligend musterte sie seine Kleidung – eine Drillichhose, eine ärmellose Lederweste und Mokassins. »Du wirst dich erkälten. Wenn der Frühling auch begonnen hat – es ist immer noch kühl.«

»Unsinn, ich friere nie. Was macht meine Tochter?«

»Oh, sie blüht und gedeiht. Ein unglaublich hübsches, kluges Mädchen! Und sie kann großartig mit dem Baby umgehen.«

»Wie entwickelt sich mein Neffe, der kleine Racker?«

»Prächtig, aber so darfst du ihn nicht nennen«, protestierte Tara. »Er ist doch erst sechs Monate alt, und in diesem Stadium sind alle Kinder die reinsten Engel.«

»Dabei wird’s nicht mehr lange bleiben, da er der Sohn meines Bruders ist«, warnte James. »Und Jennifer geht’s gut?« Seine Stimme klang ein wenig gepreßt. Manchmal konnte er die Angst nicht bezwingen. Er war dem Krieg sogar dankbar, der ihn daran hinderte, allzu gründlich nachzudenken, zu wünschen, er könnte selbst sterben, dem unheilbaren Schmerz in seiner Seele entrinnen – seinem Haß gegen die Weißen ...

»Natürlich«, versicherte Tara und ergriff seine Hand. »Komm, ich bringe dich zu ihr.« Während sie zum Haus wanderten, fragte sie: »Gibt’s Neuigkeiten?«

»Nur über Colonel Warrens letzte Schandtaten.«

»Davon habe ich schon gehört«, seufzte sie bedrückt.

Warren, dessen Macht in den militärischen Kreisen des Territoriums ständig wuchs, war ein blutrünstiger Bastard. Im Lauf der Kämpfe hatte James festgestellt, daß man mit vielen Weißen vernünftig reden konnte – sogar mit jenen, die in der Seminolen-Emigration nach Westen die einzige Lösung des ›Indianerproblems‹ sahen. Die meisten U.S.-Soldaten weigerten sich auch, Frauen und Kinder zu töten. So wie in der Indianer weit gab es bei den Weißen gute und böse Menschen. Warren gehörte eindeutig zu den letzteren.

Seit Kriegsbeginn kämpfte James immer wieder gegen das Volk seines Vaters, weil ihm nichts anderes übrigblieb. Wenn auf seine indianischen Verwandten und Freunde geschossen wurde, feuerte er zurück. Aber er hatte niemals die Plantagen der Weißen niedergebrannt, weder Frauen noch Kinder getötet.

Wann immer es möglich war, übernahm er die Rolle des Vermittlers. Er half den Seminolen, die sich dem Diktat der Weißen beugen und nach Westen ziehen wollten, und er kämpfte für jene, die sich nicht aus ihrer Heimat vertreiben ließen. Oft genug mußte er gefährliche Gratwanderungen bewältigen. Doch es gelang ihm, seine respektable Position in Indianerkreisen zu verteidigen, ohne die Freundschaft der Weißen zu verlieren, die ihm nahestanden. Im Grunde haßte er diesen Zwiespalt. Seit dem Tod Naomis und seines Kindes fürchtete er, eines Tages könnte er sich von seinem Zorn hinreißen lassen und wilde, grausame Rache an den Weißen üben ...

Die beiden waren nicht niedergeschossen oder mit Bajonetten erstochen worden (wie die Frauen und Kinder und alten Leute in dem Dorf, das Warren kürzlich überfallen hatte), sondern an einer Seuche gestorben.

Viel zu lebhafte, grauenvolle Erinnerungen ... Auf der Flucht waren sie erkrankt. Die weißen Soldaten trieben sie immer tiefer in den Sumpf hinein – Soldaten, die alle Indianer getötet hätten, alte und junge, Männer und Frauen und Kinder.

Als James’ Familie vom Fieber befallen wurde, verhandelte er gerade in der Nähe von Fort Brooke mit Vertretern der amerikanischen Regierung, beauftragt von entmutigten, kriegsmüden Seminolen, die sich bereiterklärt hatten, in den öden, dürren Westen zu ziehen. Dort sollten die Indianer mit dem Segen der Weißen ein freies Leben führen.

Von Freunden erfuhr er, seine Frau sei unfähig, die Flucht fortzusetzen. So schnell er konnte, ritt er zu ihr. Aber er kam zu spät, ebenso wie sein Bruder, der am Boden kniete und die tote Schwägerin im Arm hielt. Jarretts Tränen tropften auf das schöne, fahle Gesicht.

Schluchzend preßte James seine Frau an sich, bis seine Tränen versiegten.

Auch sein Kind hatte er verloren. Er wollte nicht weiterleben. Tagelang trauerte er, ohne Nahrung, ohne Wasser. Und Jarrett war bei ihm geblieben.

Nein, er konnte den Bruder niemals hassen. Aber ein heißer, fast übermächtiger Zorn gegen die Weißen und quälende Rachsucht erfüllten sein Herz.

»Wie viele Menschen wurden bei Warrens Überfall getötet?« fragte Tara und holte ihn in die Gegenwart zurück.

»Fast hundert. Kurz zuvor ließ er verlauten, die Indianer, die innerhalb eines Monats nach Westen übersiedelten, würden Kleidung, Lebensmittel und Goldmünzen bekommen. Viele Frauen, die von der Flucht völlig erschöpft waren und ihre Kinder verhungern sahen, glaubten ihm. Wäre ich rechtzeitig zu ihnen gelangt, hätte ich sie eines Besseren belehrt. Aber ich hielt mich gerade bei Micanopy auf, während sie südlich von St. Augustine lagerten. Sie wollten sich ergeben, und Warren fiel nachts über sie her. Gegen diese unmenschliche Attacke protestierten sogar die Florida-Siedler, die den Indianern feindlich gesinnt sind. Aber er behauptete, er habe geglaubt, das Lager würde von Seminolen-Kriegern bewohnt, die einen Angriff auf die Farmen der Weißen planten.«

Die Einzelheiten wollte er Tara nicht zumuten. Die Soldaten hatten alle Leichen verscharrt. Trotzdem sickerten gewisse Information durch. Den Kindern hatte man einfach die Köpfe eingeschlagen – warum sollte man Kugeln vergeuden? Frauen waren aufgeschlitzt, alte Männer verstümmelt und regelrecht abgeschlachtet worden.

»Nun wissen wir, was von der Feuerpause zu halten ist, die für den März vereinbart wurde.«

James runzelte die Stirn.

»O Gott, es tut mir so leid«, beteuerte Tara. »Bitte, denk daran, nicht alle Weißen sind so ...«

»... wie Warren«, vollendete er den Satz. »Trotzdem – es gibt viel zu viele von seiner Sorte.«

Inzwischen hatten sie die Veranda erreicht. Tara führte ihn zu der Wiege, die sanft im Wind schaukelte. Darin lag sein kleiner Neffe Ian und schlief friedlich. James lächelte. Zweifellos war der Junge ein echter McKenzie, mit dichtem, glänzendem schwarzem Haar. »Vor diesem Engel mußt du dich in acht nehmen«, erinnerte er Tara.

Belustigt drohte sie ihm mit dem Finger. »Und jetzt ...«

Mehr konnte sie nicht sagen. James’ fünfjährige Tochter Jennifer stürmte aus dem Haus und warf sich in seine Arme. »Daddy!«

Liebevoll hob er sie hoch, drückte sie ganz fest an seine Brust, spürte ihren lebhaften Herzschlag, roch Taras Parfüm, das sie ausprobiert hatte. Nichts auf der Welt bedeutete ihm so viel wie Jennifer.

Seit dem Tod seiner Mutter und seiner Schwester wohnte sie bei Tara und Jarrett, und sie verstand, daß der Vater sich nur selten um sie kümmern konnte. Für ihr Alter war sie schon sehr vernünftig.

Voller Stolz betrachtete er ihr hübsches, goldbraunes Gesicht, die bernsteinbraunen Augen mit den grünen Pünktchen, von der Mutter geerbt. Pechschwarze Locken reichten ihr bis zur Taille, und sie war so elegant gekleidet wie die kleinen Kinder der Weißen, weil Tara immer wieder hübsche Sachen für sie nähte.

In diesem Haus wurde sie mit Liebe überschüttet.

Armes Kind, dachte James, was habe ich dir angetan? So wie er selbst würde sie stets zwischen zwei Welten hin und her wandern und sich zerrissen fühlen. Er drückte seine Tochter wieder an sich, und über ihre Schulter hinweg schaute er die Schwägerin an. Danke, formten seine Lippen.

»Wie gut du aussiehst, Daddy!« Jennifer nahm sein Gesicht zwischen ihre dicken Händchen. »So formidabel! Und so gefährlich! Ganz einfach toll!«

Erstaunt über diese Ausdrucksweise einer Fünfjährigen, wandte er sich zu Tara, die unbehaglich errötete.

»Nun ja, du erregst großes Aufsehen in dieser Gegend«, erklärte sie. »Neulich kamen Chloe, die Tochter der Smithsons, und ihre Kusine Jemma Sarne zum Tee.«

»Und?« fragte er verständnislos.

»Die beiden sind blutjunge Mädchen und leicht zu beeindrucken. In ihren Augen bist du ein grandioser ...«

»Wilder?«

»James!«

»Schon gut. Also plappert meine Tochter diesen Unsinn nach.«

»Du bist ja auch sehr attraktiv, James. Das habe ich dir schon oft genug gesagt.«

»Und du bist außer meinem Bruder die einzige weiße Person, die ich mag. Verschone mich mit deinen Freunden, die für edle, grandiose Barbaren schwärmen.«

 

»So ist es doch gar nicht ...«

»O Tara, ich habe deine Parties oft genug besucht, um zahlreiche Angebote von scheinbar sittsamen Damen zu erhalten, die mich in meiner Trauer trösten wollten. Seltsam, welche Wirkung ich erziele, wenn ich in meiner hocheleganten europäischen Kleidung auftrete ... Würden mich diese Damen im Lendenschurz sehen, in voller Kriegsbemalung, wären sie wohl nicht so fasziniert.«

»Vielleicht wärst du überrascht.«

»Dann frag doch einmal die Väter dieser illustren Mädchen, wie es ihnen gefiele, wenn ihre Töchter eine Affäre mit einem Halbblut hätten.«

»So voreingenommen, wie du tust, bist du gar nicht. Immerhin habe ich schon einige Gerüchte über deine Liebschaften gehört.«

Er seufzte unmutig und stellte Jennifer auf den Boden. »Siehst du Othello da drüben?« Er zeigte auf seinen hochbeinigen braunen Hengst. »Nimm ihn am Zügel und führ ihn zu den Büschen, da wächst saftigeres Gras.«

Erfreut und sichtlich stolz, weil ihr eine so wichtige Aufgabe anvertraut wurde, rannte sie davon.

James schaute ihr nach. Dann wandte er sich wieder zu seiner Schwägerin. »Tara, ich bin ein unglücklicher, verbitterter Mann. Sicher, seit Naomis Tod habe ich mich mit einigen Frauen eingelassen. Doch das waren keine ›Liebschaften‹. Ich überlege mir sehr genau, bei wem ich Trost suche. Denn ich habe nichts zu geben. Deine kichernden Freundinnen amüsieren und ärgern mich gleichermaßen. Erst werfen sie mir begehrliche, schmachtende Blicke zu, dann laufen sie davon, sobald ihre gestrengen Väter ins Zimmer kommen. Aber ich habe ohnehin keine Lust, mit irgendwelchen Frauen zu flirten, weder mit roten noch mit weißen oder gestreiften, wie du’s mal formuliert hast.«

»Wart’s doch ab. Morgen gebe ich eine Party. Nur gute alte Freunde, keine Soldaten, nicht einmal Tyler Argosy. Übrigens, er hat mir einen seltsamen Brief geschrieben. Er wollte nach Fort Brooke reiten, um das Kind irgendeines Kommandanten abzuholen. Aber er ist verhindert, und deshalb soll es vorerst bei uns wohnen. Jarrett wird’s mitbringen. Heute abend oder morgen kommt er nach Hause, und wir werden seinen Geburtstag feiern. Du bleibst doch hier?«

»Tara ...«

»Hör mal, James, es ist der Geburtstag deines Bruders.«

»Also gut, dann werde ich mich wieder mal herausputzen und zur Schau stellen und den Leuten zeigen, wie zivilisiert sich ein Wilder benehmen kann.«

»James!«

»Tut mir leid. Mein Groll gilt nicht dir. Natürlich bleibe ich hier. Ich muß ohnehin einiges mit Jarrett besprechen, und ich möchte ihn wiedersehen.«

Lächelnd küßte sie seine Wange. »Dann werde ich Jeeves jetzt sagen, daß du zum Dinner bleibst und bei uns übernachtest. Dein Zimmer ist bereit, so wie immer.«

»Danke. Eine gute Mahlzeit und ein weiches Bett – das kann ich wirklich gebrauchen.«

»Gleich bin ich wieder da«, versprach sie und eilte ins Haus.

Ein paar Minuten später kehrte Tara McKenzie auf die Veranda zurück.

James schaute nach Westen, zur Grenze des Anwesens, wo dichte Büsche und Bäume wuchsen. Im goldenen Licht des Sonnenuntergangs schimmerte seine Haut wie Kupfer. Sie sah die breite, kraftvolle Brust unter der offenen Weste, die muskulösen Schultern und Arme.

In diesem Augenblick sah er tatsächlich wie ein grandioser Wilder aus. Unwillkürlich erschauerte sie. Mochte der Himmel allen beistehen, die jemals seinen Zorn erregen würden ...

Tara kehrte unbemerkt ins Haus zurück und ließ ihn mit seinen Gedanken allein.

3

In erstaunlich kurzer Zeit erreichte Jarrett McKenzies Schiff den heimatlichen Kai am Flußufer. Die Sonne hatte den Zenit eben erst überschritten. Schon seit mehreren Stunden stand Teela im Bug und schaute sich fasziniert um.

Jarrett beobachtete sie lächelnd. Warrens Tochter! Wer hätte das gedacht? Stieftochter, verbesserte er sich. Darauf hatte sie energisch hingewiesen.

Doch sie war in Michael Warrens Obhut aufgewachsen und irgendwie dem Bösen entronnen, das ihm wie eine unheilbare Krankheit anzuhaften schien. Ein lebhaftes, kluges, offenherziges Mädchen – und bildschön ...

Zum Glück führte er eine gute Ehe. Sonst wäre es ihm vielleicht schwergefallen, seiner Frau zu erklären, warum sich ein so reizvolles Geschöpf an Bord seines Schiffes befand, noch dazu ohne Anstandsdame.

Teela Warrens kastanienrotes Haar schimmerte im Sonnenlicht, die grünen Augen, die ein herzförmiges Gesicht mit einer zierlichen kleinen Nase und provozierend geschwungenen dunklen Brauen beherrschten, glichen einer Sommerwiese. Für eine Frau war sie ziemlich groß, und sie besaß eine Schlanke, wohlgeformte Figur. Ihr rastloses Temperament wirkte genauso bezaubernd wie ihre offensichtlicheren Vorzüge. Sicher würde sie Tara ebensogut gefallen wie ihm.

Und es freute ihn diebisch, daß er einen Entschluß gefaßt hatte, der Warren ärgern würde.

Am vergangenen Abend hatte er sich eine Zeitlang mit Teela unterhalten. Liebevoll erzählte sie von ihrer Mutter und gab zu, die Klatschgeschichten würden der Wahrheit entsprechen. Sie habe vor dem Traualtar tatsächlich nein gesagt. Aber ihr sei nichts anderes übriggeblieben. Das amüsierte ihn. Allem Anschein nach war sie eine Kämpfernatur. Und wenn sie glaubte, man würde sie hier verurteilen, mußte sie diese Wildnis voll tapferer Flüchtlinge erst noch richtig kennenlernen.

Er würde sie sehr gern in seinem Haus beherbergen, so lange sie es wünschte. Doch sobald der Stiefvater nach ihr schicken würde, konnte Jarrett nichts mehr tun. Nicht Warren hatte ihn um seine Gastfreundschaft gebeten, sondern ein alter Freund, Lieutenant Tyler Argosy. Dessen Brief hatte er erhalten, als er nach Tampa geritten war, um Vorräte zu kaufen. Tyler – oder ein tüchtiger junger Soldat namens John Harrington – sollte das Mädchen eskortieren, weil beide das Terrain und die Gefahr kannten, die von seiten der Indianer drohte. Wie Jarrett erfahren hatte, wollte Warren seine Stieftochter mit Harrington verheiraten, der einer gutsituierten, in politischen Kreisen einflußreichen Familie entstammte.

Sicher wird John Harrington der geplanten Hochzeit mit gemischten Gefühlen entgegenblicken, dachte Jarrett belustigt. Da er die junge Dame nicht kennt, muß er sie für eine weibliche Version von Michael Warren halten. Und nun erwartet ihn eine angenehme Überraschung ...

Jarrett befahl seinen Leuten, das Schiff zur Anlegestelle zu steuern, und ging zu Teela, die an der Steuerbordreling stand. »Was halten Sie von Cimarron, Miss Warren?«

Verwundert schüttelte sie den Kopf. »Höchst ungewöhnlich ...« Nicht einmal in Charleston, wo man großen Wert auf prächtige Residenzen legte, hatte sie ein schöneres, eleganteres Haus gesehen. Mächtige Säulen säumten die Veranda, die sich an der ganzen weißgetünchten Fassade entlangzog. Trotz des kühlen Wetters war die Tür geöffnet.

Während Jarrett McKenzie und die Besatzungsmitglieder an Land sprangen, eilte eine schöne blonde Frau über den Rasen herab und winkte eifrig.

Tara McKenzie, dachte Teela, die Frau, die der Captain vergöttert. Am letzten Abend hatte er kaum ein Thema angeschnitten, das sich nicht um seine Gemahlin und seinen kleinen Sohn drehte. Nun rannte er ihr entgegen, mit ausgebreiteten Armen. Er hob sie hoch, preßte sie an seine Brust, und sie küßten sich – so leidenschaftlich und zärtlich, daß Teela rasch wegschaute.

Glücklicherweise gab es genug zu sehen. Am Kai herrschte reges Leben und Treiben, obwohl er nur zu einem einzigen Anwesen gehörte. Mehrere Männer liefen aus dem Haus und von den Feldern heran, schüttelten den Besatzungsmitgliedern die Hände, schleppten Kisten und Fässer den Hang hinauf. Als sie Teela entdeckten, lächelten sie ihr freundlich und neugierig zu.

»Miss Warren!« Nun hatte sich der Hausherr wieder an sie erinnert. Sie wandte sich zu dem Ehepaar, das am Fuß der Laufplanke stand, und ging an Land. Zu ihrer eigenen Verblüffung empfand sie eine plötzliche Scheu.

Doch dazu bestand kein Grund. Tara McKenzie umarmte sie herzlich. »Willkommen auf Cimarron! Wie ich gestehen muß, bin ich etwas überrascht, denn ich habe Tylers Brief entnommen, Jarrett würde ein Kind hierherbringen.«

»Ein Kind bin ich nicht mehr«, erwiderte Teela, »aber ich befinde mich immer noch in der Obhut meines Vormunds.«

Tara nickte. Was dieses Thema anging, behielt sie ihre Meinung für sich. »Wir freuen uns über Ihren Besuch. Und Sie sind gerade rechtzeitig angekommen. Heute abend geben wir eine kleine Party, um den Geburtstag meines Mannes zu feiern. Unsere kleine Gemeinde wird Sie sicher mit offenen Armen aufnehmen – vor allem, weil wir endlich wieder Gesprächsstoff brauchen«, fügte sie scherzhaft hinzu.

»Jag ihr doch keine Angst ein!« mahnte Jarrett.

»Oh, sie wird sich genauso an den Tratsch und Klatsch gewöhnen wie ich. Kommen Sie, meine Liebe, ich zeige Ihnen das Haus.«

Arm in Arm wanderten die beiden Frauen über den gepflegten Rasen, und Tara zeigte ihrem Gast, in welcher Richtung die nächsten Nachbarn wohnten.

»Haben Sie hier keine Angst vor den Indianern?« fragte Teela.

»Nein«, erwiderte Tara schlicht. Mittlerweile hatten sie die Veranda erreicht. Dort stand eine große schwarze Frau, ein Baby im Arm.

Lächelnd wollte Tara nach dem Kind greifen, aber Jarrett kam ihr zuvor. »Darf ich, Jeanne?« bat er höflich, obwohl es schließlich sein eigener Sohn war. Als er das Baby in die Luft schwenkte, kreischte es fröhlich.

»Ian McKenzie«, verkündete Tara, und Teela beobachtete das Kind entzückt. »Herzlichen Glückwunsch! Was für ein hübscher kleiner Junge!«

»Danke. Möchten Sie ihn mal halten?«

»Wenn Sie’s erlauben ...«

Jarrett reichte Teela seinen Sohn, der grinsend einen einzelnen Zahn entblößte und nach ihrem Haar griff. Belustigt hielt sie die winzigen Fingerchen fest. Zum erstenmal, seit sie gemeinsam mit ihrer Mutter Arme und Kranke gepflegt hatte, spielte sie wieder mit einem Baby.

»So ein süßes Kind!« rief sie begeistert und drückte Ian an sich, der angenehm nach Seife duftete. Dann legte sie ihn in die Arme der farbigen Kinderfrau.

»Freut mich, daß Sie sich so schnell mit ihm angefreundet haben.« Tara führte ihren Gast in die Eingangshalle.

Bewundernd musterte Teela das glänzend polierte Parkett und die Tapete, die der neuesten europäischen Mode entsprach. »Oh, das glaube ich einfach nicht. Ein solches Haus! Hier!«

»Danke«, entgegnete Jarrett, »das betrachte ich als Kompliment.«

»So war’s auch gemeint.«

»Jetzt haben Sie auf Cimarron ein Zuhause gefunden, für alle Zeiten, wenn Sie wollen«, erklärte Tara lachend, »nachdem Sie gelobt haben, was dem Herzen meines Mannes am nächsten steht – seinen Sohn und sein Haus.«

»Da muß sie erst mal deine Vorzüge würdigen«, protestierte er.

»Ihre Frau ist bildschön und liebenswert, Mr. McKenzie«, versicherte Teela feierlich.

»Gut, nun darf sie bleiben«, gestattete er großzügig. »Für immer.«

»Dann haben Sie ja noch genug Zeit, das restliche Haus zu besichtigen, Miss Warren«, meinte Tara. »Ich zeige Ihnen jetzt erst mal Ihr Zimmer, damit Sie sich frisch machen können.«

»Vielleicht braucht sie ein bißchen Ruhe«, bemerkte Jarrett. »Heute nacht hörte ich sie stundenlang an Deck umherwandern.«

»Oh, tut mir leid, ich wollte Sie nicht stören«, entschuldigte sich Teela. »Aber ich konnte einfach nicht widerstehen – ich mußte das Ufer betrachten. Nie zuvor habe ich ein so tiefes Dunkel gesehen.«

»Ja, manchmal kann einem dieses Land angst machen«, meinte Tara leichthin. »Wenn Sie müde sind, sollten Sie sich hinlegen. Ich lasse Ihnen Badewasser bringen. Kurz vor Sonnenuntergang erwarten wir unsere Gäste. Bis dahin sind Sie bestimmt wieder frisch und munter.«

»Ich würde gern ein wenig schlafen«, gestand Teela.

»Und du, Jarrett?« fragte Tara ihren Mann. »Möchtest du dich auch ausruhen?«

»Eigentlich habe ich was anderes vor ...«

Als er sie wieder umarmte und küßte, wandte sich Teela rasch ab. In ihren Augen brannten Tränen. Sie fand es wundervoll, daß diese beiden liebenswürdigen Menschen glücklich miteinander waren. Aber sie hatte sich noch nie in ihrem Leben so einsam gefühlt.

Seltsam – als Michael Warren beschlossen hatte, sie zu verheiraten, war ihr der Bräutigam keineswegs unsympathisch gewesen. Doch sie hatte ihn nicht geliebt. Jetzt, wo sie die McKenzies beobachtete – oder nicht zu beobachten versuchte, wußte sie, wonach sie sich gesehnt hatte. Nach leidenschaftlicher Liebe. Wenn sie die nicht fand, wollte sie ein unabhängiges Leben führen.

 

So leicht zu erträumen, so schwer zu erreichen ...

Tara befreite sich lachend aus den Armen ihres Mannes, führte Teela eine geschwungene Treppe hinauf und öffnete eine Tür. »Das ist Ihr Zimmer. Hoffentlich finden Sie dort alles, was Sie brauchen. Wenn nicht, läuten Sie bitte nach Jeeves.«

»Danke, das ist sicher nicht nötig.«

Ehe Teela die Tür schloß, sah sie, wie die McKenzies eng umschlungen den Flur entlanggingen. Müde kleidete sie sich aus und sank aufs Bett. Wie schön es hier ist, dachte sie. Zweifellos würde Warren jemanden nach ihr schicken. Aber bis es soweit war, wollte sie den Aufenthalt in diesem Haus genießen und nicht an die bedrohliche Zukunft denken.

Seufzend schloß sie die Augen, und wenige Minuten später schlief sie ein.

Als es an der Tür klopfte, erwachte sie. »Teela, bald treffen unsere Gäste ein!« rief Jarrett. »Kommen Sie runter, wenn Sie fertig sind!«

»Vielen Dank!«

Während sie geschlafen hatte, mußten die Dienstboten heißes Wasser und ihr Gepäck ins Zimmer gebracht haben. Hastig wusch sie sich und schlüpfte in ein Abendkleid. Nachdem sie ihr zerzaustes Haar frisiert und hochgesteckt hatte, ging sie in die Halle hinunter.

Inzwischen war Cimarron auf die Party vorbereitet worden. Die Vorder- und die Hintertür, die zu hohen Bäumen und den Ställen führte, standen offen. Über den Veranden hingen Lampions. Auch die Türen der Salons und Wohnräume zu beiden Seiten der Halle waren geöffnet.

Am Fuß der Treppe angelangt, spähte Teela in den Hauptsalon und sah einen hochgewachsenen schwarzhaarigen Mann vor dem Kaminfeuer stehen. Zunächst dachte sie, es wäre der Hausherr. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Kopf leicht gesenkt, starrte er in die Flammen. Er trug ein elegantes weißes Rüschenhemd, eine rote Weste und eine schwarze Hose.

Dann drehte er sich um, und Teela blinzelte verwirrt. Er war nicht Jarrett McKenzie, obwohl ihr sein Gesicht vertraut erschien. Noch nie hatte sie so faszinierende Züge gesehen. Von der bronzebraunen Haut hoben sich strahlend blaue Augen ab. Offenbar ein Halbblut, dachte sie und spürte seine Vitalität, ein eigenartiges Feuer, das in ihm zu brennen schien.

Als er ihren Blick erwiderte, beschleunigten sich ihre Atemzüge. Plötzlich lächelte er, bitter und spöttisch. Erriet er ihre Gefühle? Ahnte er, welche Anziehungskraft er auf sie ausübte?

Höflich verneigte er sich. »Guten Abend.«

Seine tiefe Stimme klang angenehm und kultiviert. Absurderweise begann sie zu zittern und hielt sich am Treppenpfosten fest. Irgend etwas in ihr erwachte zu neuem Leben, erhitzte ihr Blut. Doch sie riß sich zusammen. Kein Wunder, daß sie etwas durcheinander war ... Sie hatte bisher nur wenige Indianer getroffen.

»Sprechen Sie englisch?« fragte er und schlenderte zur Tür des Salons.

»Ja.«

»Wollen Sie sich die ganze Nacht am Treppenpfosten festklammern? Vor mir müssen Sie sich nicht fürchten. Im Haus meines Bruders habe ich noch nie eine Frau skalpiert, Miss ...?«

Heftig hämmerte ihr Herz gegen die Rippen. Jarretts Bruder ... Und er wußte nicht, wer sie war. Was würde der Mischling denken, wenn er erfuhr, daß sie Warren hieß – so wie der Mann, der so viele Indianer getötet hatte?

In würdevoller Haltung ging sie zu ihm. Dann zögerte sie wieder. Bangte ihr vor der Nähe dieses Mannes? Aber sie war es nicht gewöhnt, Angst zu zeigen. Wenigstens das hatte sie als Michael Warrens Stieftochter gelernt.

Entschlossen betrat sie das Zimmer, wanderte zum Feuer, und er folgte ihr. »Um meinen Skalp mache ich mir keine Sorgen, Sir.«

»Das sollten Sie aber. In diesem Land sind alle Skalps gefährdet.«

»Wie Sie soeben erwähnten, haben Sie hier noch niemanden skalpiert. Und Sie wissen sich allem Anschein nach zivilisiert zu benehmen. Also wäre es sehr unhöflich, wenn Sie heute abend Ihren ersten Skalp in diesem Haus erobern und sich ausgerechnet einen Neuankömmling aussuchen würden, um dieser grausamen Sitte zu frönen.«

Erschrocken zuckte sie zusammen, als er eine seidige Locke berührte, die aus ihrem Haarknoten herabhing. »Was für eine herrliche Beute das wäre ... Nehmen Sie sich in acht, Ma’am. Im nächtlichen Dunkel könnte diese kastanienrote Pracht unwiderstehlich leuchten.« Unwillkürlich wich sie ein paar Schritte zurück, erstaunt über ihre eigene Nervosität. »Ah, und dieser angstvolle Schimmer in Ihren Augen müßte einen Mann geradezu herausfordern ...«, fuhr er fort.

»Da irren Sie sich, Sir. Mr. McKenzie, ich fürchte mich nicht vor Ihnen.«

Er hob die Brauen. »Wieso kennen Sie meinen Namen?«

»Nun, Sie haben erklärt, dies sei das Haus Ihres Bruders.«

»Und wenn Jarrett mein Stiefbruder mütterlicherseits wäre?«

»Verzeihen Sie. Sind Sie ein McKenzie?«

»Ja«, bestätigte er leise und zögernd. »Zumindest für manche Leute ... Warum sind Sie hier?«

Weil mein Stiefvater gerade in Florida zu tun hat und alle Indianer auszurotten versucht ...

Nein, diesen sarkastischen Gedanken durfte sie nicht aussprechen. »Ich bin auf dem Weg zu meinem Stiefvater. Da er zu beschäftigt war, um mich im Hafen von Tampa abzuholen, brachte Ihr Bruder mich freundlicherweise hierher. Ich heiße Teela«, fügte sie hinzu und streckte ihre Hand aus, die er umfaßte und aufmerksam betrachtete.

Dann neigte er sich hinab und küßte ihre Fingerspitzen – eine viel zu sinnliche, viel zu intime Berührung, die sie nicht gestatten dürfte. Aber ehe sie sich befreien konnte, ließ er sie los und trat zurück. »Teela ...«, wiederholte er lächelnd. »Haben Sie auch einen Nachnamen?«

»Haben Sie einen Vornamen?« konterte sie.

Da vertiefte sich sein Lächeln, und er wollte antworten. Doch da drang ein Ruf von der Tür herüber. »James, mein Lieber!«

Sie drehte sich um und sah einen attraktiven jungen Mann hereinkommen, so elegant gekleidet, als würde er einen der vornehmsten Salons zwischen Boston und Savannah besuchen.

»Ah ...« Bei ihrem Anblick hielt er inne und verbeugte sich formvollendet. »Welche neue Blume ziert unsere Wildnis? James, eine Freundin? Würdest du uns bitte miteinander bekannt machen?«

»Auch ich habe diese rote Rose eben erst kennengelernt, Robert. Teela, das ist Mr. Robert Grant – Robert, Miss Teela ...?«

Noch immer weigerte sie sich, ihren Nachnamen zu nennen, und reichte dem jungen Mann ihre Hand. »Guten Abend, Mr. Grant. Wie geht es Ihnen?«

»Plötzlich ganz ausgezeichnet«, erwiderte er und neigte sich über ihre Hand.

Sein Lächeln wirkte ansteckend. Unauffällig verglich sie die beiden Männer miteinander. Mr. Grant war nicht so groß wie James McKenzie, dessen Vornamen sie inzwischen erfahren hatte, und einfach nur charmant – während ihr der Mischling faszinierend erschien.

»Oh, da sehe ich unsere Gastgeberin«, bemerkte James. »Ich muß mit ihr reden. Inzwischen könnt ihr beide euch besser kennenlernen.«

Mit einer knappen Verbeugung verließ er den Salon. Tara McKenzie stieg gerade die Treppe herab und begrüßte zwei ältere Ehepaare, die soeben eingetroffen waren. Immer mehr Gäste betraten die Halle.

»In diesem Haus bin ich sehr oft eingeladen«, erklärte Robert Grant. »Doch ich hatte keine Ahnung, daß wir heute abend einen Neuankömmling begrüßen dürfen.«

»Ich bin erst heute nachmittag angekommen, auf Jarretts Schiff.«

»Bleiben Sie länger bei uns?«

»Das – das weiß ich noch nicht«, entgegnete Teela zögernd, und er wartete geduldig, bis sie fortfuhr. »Mein Vater – mein Stiefvater ist bei der Army, und er hat mich nach Tampa beordert. Aber im Augenblick ist er beschäftigt, und so wird es wohl noch eine Weile dauern, bis mich eine Eskorte zu ihm bringt.«

»Und wer ist Ihr Stiefvater?«

»Michael Warren«, antwortete sie nach einer kurzen Pause.

»Warren!« Robert Grant schnappte nach Luft, aber er faßte sich sofort wieder. »Tut mir leid ...«

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