Wechselspiel der Liebe

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Из серии: MacKenzies Saga #1
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Wechselspiel der Liebe
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Kurzbeschreibung:

Heather Grahams dramatischer Liebesroman aus Florida!

Tara Brent muss um ihr Leben bangen, als man sie eines Verbrechens beschuldigt, das sie nicht begangen hat. Auf der Flucht vor ihren Peinigern lernt sie in New Orleans den vereinsamten Jarrett McKenzie kennen, der in Florida riesige Ländereien besitzt. Jarrett glaubt in Tara endlich die Frau gefunden zu haben, die den leeren Platz in seinem Herzen einnehmen könnte. Ohne zu zögern, folgt ihm Tara in die Wildnis, in ein Land voller Gefahren und Kämpfe fernab der Zivilisation. Aber die Vergangenheit holt sie auch hier ein.

Heather Graham

Wechselspiel der Liebe

Roman

Ins Deutsche übertragen von Heather Graham

Edel Elements

Edel Elements

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2019 Edel Germany GmbH

Neumühlen 17, 22763 Hamburg

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Copyright © 2020 by Heather Graham

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Agentur Meller

Covergestaltung: Anke Koopmann, Designomicon, München

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-96215-339-7

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ANMERKUNG DER AUTORIN

Schon immer wollte ich einige Romane über Florida schreiben. Für mich ist es mehr als nur ein Land – es ist meine Heimat. Hier habe ich im Lauf meines Lebens drastische Veränderungen beobachtet. Aber was immer sie auch bewirken – Florida war stets ein Land der Gegensätze, vom stillen Frieden der moosbehangenen Eichen bis zum gefährlichen, von Alligatoren bevölkerten Sumpfgebiet.

Manche Menschen lieben Florida, andere hassen es. Manche leiden unter der drückenden Hitze, andere träumen davon, wenn sie im winterlichen Norden frieren. In meinen Augen gleicht die Heimat einer nahen Verwandten, die ich mit all ihren guten und schlechten Seiten liebe. Und nun beginne ich voller Freude an einer Romanreihe zu arbeiten, die über Jahrzehnte hinweg die Veränderungen in Florida schildert – im Florida, das ich am besten kenne.

Die Vorbereitungen erschienen mir einfach. Zeit meines Lebens hatte ich sehr viel über die Geschichte des Staates erfahren. Doch darin liegt natürlich ein Problem. Die Hälfte von allem, was wir hören, ist Legende, ein Viertel Wahrheit, ein Viertel Lüge.

Erstaunlicherweise erschwert das ›Wissen‹ die Recherchen. Ich fand mühelos einschlägige Bücher, aber es war schwierig zu entscheiden, welche Version verschiedener Historiker, die über Ereignisse in einem anderem Jahrhundert berichteten, den Tatsachen entspricht. So wie jeder Zuschauer einen Film mit anderen Augen sieht, wird auch dieses oder jenes Geschehen auf unterschiedliche Weise erlebt. Es ist verständlich, daß die Seminolen die Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachteten als die weißen Soldaten, auch wenn sich beide zum selben Zeitpunkt am selben Ort befanden.

Besonders krasse Unterschiede weisen die historischen Interpretationen in den Berichten über einen Mann auf, der eine Hauptrolle in meinen ersten beiden Romanen spielt: der legendäre Osceola alias Billy Powers oder Asi Yaholo, ein Black-Drink-Sänger.

In einigen Büchern las ich, der weiße Powell habe Osceolas Mutter geheiratet, sei aber nicht sein Vater gewesen. Andere behaupten, Osceola stamme ohne jeden Zweifel von Powell ab. Eine Untersuchung des Skeletts deutet auf eine weiße Erbmasse hin, wenn die Historiker auch die Tatsache beklagen, daß man dem Kriegerhäuptling nach dessen Tod den Kopf abgehackt hatte. Stünden der Schädel und bestimmte Halswirbel zur Verfügung, könnte man genauere Forschungsergebnisse erzielen. Interessanterweise ergab die Untersuchung von Osceolas Gebeinen auch einen gewissen Prozentsatz an schwarzem Blut, was zu der Ära paßt, in die der Häuptling hineingeboren wurde. Was meine Romane betrifft, so stelle ich Osceola als leiblichen Sohn eines Weißen namens Powell dar, was sicher Proteste heraufbeschwören wird. Einige Historiker meinen, er habe die englische Sprache nicht beherrscht.

Aber angesichts der Situation, in der er zur Welt kam, und seiner vielen Beziehungen zu Weißen fällt es mir schwer, das zu glauben. Ich meine eher, daß der Häuptling englisch sprach – wenn er wollte. Von wem immer er abstammte, er übte beträchtliche Macht in einem schmerzlichen Krieg aus und wurde später zur Legende. Er war leidenschaftlich, mutig, allzu menschlich in seinem Versagen und letzten Endes ein bemerkenswerter Mann.

Zur Zeit des Konflikts lebten viele einheimische Völkergruppen in Florida. Einige waren während des siebzehnten und des achtzehnten Jahrhunderts nach Süden gezogen und vermischten sich mit den restlichen Mitgliedern der Stämme, die das Joch europäischer Krankheiten und früherer Kämpfe dezimiert hatte. Man kann nicht einmal zweifelsfrei behaupten, die meisten seien Creeks gewesen, da der Begriff ›Creek‹ auf den Umstand zurückzuführen ist, daß die betreffenden Menschen an einem Creek (Bach) lebten.

Osceola wurde als Creek geboren, aber zur Zeit des Konflikts wurden alle in Florida lebenden Indianer als Seminolen bezeichnet. Für das weiße Militär spielten Sprachgruppen oder die Herkunft keine Rolle.

Sogar der Begriff ›Seminole‹ ist strittig. Ich habe viele Definitionen gelesen und jene gewählt, die mir am präzisesten erschien – ›Flüchtling‹, nach dem spanischen cimarrón.

Ich hoffe, das Buch gefällt Ihnen, und Sie gewinnen einen Eindruck vom wilden, rauhen, exotischen Neuland im Süden, das damals die Aufmerksamkeit der Amerikaner erregte – ein fantastisches Paradies, eine brennende Hölle.

Willkommen in meiner Heimat. Hoffentlich bleiben Sie eine Weile bei mir.

Heather Graham, Florida, 5. Januar 1994

PROLOG
Ein schicksalhafter Beginn ...

20. November 1835

Der Tag war schön und frisch, einer jener Spätherbsttage, die das Land in ein Paradies verwandeln. Kiefernnadeln bildeten einen weichen grünen Teppich. Zwischen den Ästen schimmerte ein klarer Bach, und sogar aus der Ferne sah man, wie sich zahllose wilde Orchideen schwankend im Wasser spiegelten. Am Ufer wuchsen Zypressen, vermischt mit mächtigen Eichen, an deren Zweigen limettengrüne Moosstränge hingen. Eine herbstlich kühle Brise bewegte die Blätter. Im Sommer litt man unter drückender Hitze, aber selbst dann wirkten die glitzernden Wellen einladend und belebend, und im Schatten der Bäume fand man Schutz vor der gnadenlosen Sonne.

Jenseits des Waldes ging der Sumpf in fruchtbares Ackerland über, das sich über Hügel und Ebenen erstreckte. In den Flüssen des Sumpfgebiets tummelten sich Alligatoren und jagten exotische Vögel. Ein paar wilde Büffel streiften immer noch umher, inmitten zahlloser Hasen, Bären und Eichhörnchen. Im Gestrüpp gediehen Beeren, zwischen vereinzelten Kokospalmen. Es war ein exotisches Paradies, aber zahlreiche Schlangen konnten leichtsinnige Wanderer angreifen.

Der Weiße Tiger – diesen Namen hatte man ihm gegeben, als er ein Mann geworden war – zügelte sein Pferd und lauschte den leisen Geräuschen zwischen den Zypressen im Sumpfgebiet. Obwohl keine Tiger durch das Land streiften, wurden die kraftvollen Panther oft als Tiger bezeichnet. Aus Hochachtung hatte man ihn so genannt, was ihn mit Dankbarkeit erfüllte. Er war tief in die Indianerregion von Florida hineingeritten, die er gut kannte, und nun merkte er, daß er beobachtet wurde.

Er neigte nicht zu abergläubischen Fantasien. Aber heute spürte er den Einfluß einer schicksalhaften Macht, so als würde er einen Weg betreten, auf dem er nicht mehr umkehren konnte.

Reglos saß er im Sattel, hörte das Wasser plätschern, die Zypressenzweige im sanften Herbstwind rascheln. Ein Vogel zwitscherte, dann erklang ein anderer Ruf, und die welken Blätter am Boden wurden nicht mehr von der Brise bewegt.

Er hob die Hände, um zu zeigen, daß sein Messer in der Lederscheide am Schienbein steckte, sein Gewehr in der Lederschlinge am Sattel. Geschmeidig schwang er ein Bein hoch und sprang vom Pferd. »Ich bin allein gekommen!«

Sofort erschienen drei Männer in Lederhosen und bunten Baumwollhemden, einer war mit Messingepauletten geschmückt, am Hals eines anderen hingen schimmernde Silberketten. Wie die ernsten Gesichter zweier Männer verrieten, floß weißes Blut in ihren Adern. Der eine war mittelgroß, mit dunklen, klugen Augen, die den Weißen Tiger unverwandt musterten. Seine hohe Position hatte er nicht geerbt, denn in der Muskogee-Kultur mußte ein Kriegerhäuptling keiner Herrscherdynastie entstammen. Als er zum Mann gereift war, hatte er von seinem Volk den Kriegernamen Asi Yaholo erhalten. Das bedeutete ›Sänger des schwarzen Tranks‹. Um beide Namen zusammenzufügen, nannten die Weißen ihn Osceola.

Der zweite Mischling war hoch gewachsen und jünger, schlank und muskulös. Sein hübsches Gesicht vereinte die edelsten Züge beider Kulturen, mit ausgeprägten, bronzebraunen Wangenknochen, vollen Lippen und hoher Stirn, von glattem, ebenholzfarbenem Haar umrahmt. Die Augen strahlten in verwirrendem Blau. Den Namen ›Laufender Bär‹ hatte er sich als Krieger verdient, denn auf der Jagd konnte er die schnellsten behendesten Tiere übertrumpfen. Er begrüßte den Weißen Tiger als erster, umarmte ihn, trat schweigend zurück. Und er war es auch, der diese Begegnung herbeigeführt hatte. Selbst ein mächtiges Familienoberhaupt, das seinen eigenen Fähigkeiten vertrauen durfte, zollte er den beiden Kriegern, die ihn begleiteten, Respekt und Anerkennung.

 

Von rein indianischer Herkunft, hieß der dritte im Bunde Alligator, der Schwager des Häuptlings Micanopy vom alten Alachua-Stamm. Nun wollte er den Mann beeinflussen, den sie inmitten der Wildnis trafen, denn sein Erbe verband den Weißen Tiger nicht nur mit den Seminolen, die Muscogee sprachen, sondern auch mit der Hitichi-Sprache der Mikasukis.

In Alligators dunklen Augen las der Weiße Tiger, daß dieser Mann nicht auf eine friedliche Zukunft hoffte.

Osceola wies auf eine kleine Lichtung zwischen den Zypressen, und die vier Männer setzten sich. Ohne Umschweife begann der Weiße Tiger zu sprechen, da er Osceolas Ungeduld spürte. »Ich bin gekommen, um von der Sorge vieler guter weißer Männer zu berichten, die den Mico Osceola kennen.«

Wortlos nickte Osceola und wartete. Auch die anderen schwiegen.

»Soviel ich weiß, hält Asi Yaholo nicht alle Weißen für schlecht. Das ist ein kluger Mann, der das Gute aus beiden Welten verbindet und nutzt. Unter den Weißen hatte er zahlreiche Freunde.«

»Und Feinde«, warf Alligator erbost ein.

Leise seufzte der Weiße Tiger. »Osceola, einige gute Männer hörten, du hättest dein Messer durch den Friedensvertrag gestoßen, als Wiley Thompson dich aufforderte, westwärts zu ziehen. Sicher weißt du, welch großen Kummer Thompson so manchen Weißen bereitete, als er dich fangen und in Ketten legen ließ.«

»Nichts kann die Seminolen schmerzlicher kränken«, betonte der Laufende Bär.

»Alle Verträge waren Lug und Trug!« stieß Alligator zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und erinnerte den Weißen Tiger an das Reptil, dessen Namen er trug. »Moultrie Creek versprach uns Land für zwanzig Jahre – neun sind noch übrig. In dem Gebiet, wo wir zusammengepfercht wurden, sind wir fast verhungert. Und wenn wir’S notgedrungen verließen, um zu fischen, zu jagen und Nahrung zu suchen, schlug uns der Feind zurück.«

Außerdem hatten sie Vieh gestohlen und Haß heraufbeschworen, aber nur, um dem Hungertod zu entrinnen. Das wußte der Weiße Tiger. In diesem Jahr herrschte mildes Wetter, aber die bittere Kälte des letzten Winters hatte fast die ganze Ernte vernichtet. Viele Weiße glaubten, die verzweifelte Lage würde die Indianer nachgiebiger stimmen. Doch ihr Kampfgeist erlosch nicht.

»Ich habe euch etwas mitgebracht«, erklärte der Weiße Tiger und stand auf. »In einigem Abstand folgen mir meine Männer, um den Seminolen das Geschenk zu übergeben, wenn Osceola es annehmen möchte.«

»Stammt dieses Vieh aus unseren eigenen Herden?« fragte Osceola.

»Teilweise. Und aus den Herden einiger Weißer, die Osceola respektieren und sich bei ihm entschuldigen wollen. Diese Männer sind deine Freunde, und ich habe sie mit dir bekannt gemacht.«

»Aber das ist keine offizielle Entschuldigung von deiner Regierung«, bemerkte Osceola lächelnd.

»Nein«, gab der Weiße Tiger ehrlich zu.

Auch Osceola, Alligator und der Laufende Bär erhoben sich. Osceola reichte dem Weißen Tiger seine schmale Hand. »Natürlich hast du recht – ich verdamme nicht dein ganzes Volk. Und ich nehme dein Geschenk an, weil viele unserer Leute hungern. Leider muß ich dir mitteilen, daß ich Thompsons verräterische Maßnahmen nicht verzeihen kann. Ebensowenig bedauere ich, was ich tun mußte, um meinen Brüdern zu helfen, oder was ich in Zukunft beabsichtige.«

Diese letzten Worte bedrückten das Herz des Weißen Tigers.

»Du schweigst«, sagte Osceola leise.

»Weil ich immer noch auf Frieden hoffe. Der Krieg bringt nur Leid, Hunger und Not.«

»Aber der Friede hat uns genug Hunger gebracht!« entgegnete Alligator.

»Trotzdem ist der Krieg das größere Übel. Friede bedeutet Leben.«

»Was ist ein Leben ohne Ehre?« fragte Osceola. »Ich wollte dich nicht betrügen, und ich weiß, du sorgst dich um unser Volk. Eins mußt du bedenken – wir vergessen niemals unsere Freunde.«

»Unsere Brüder«, ergänzte der Laufende Bär.

Sogar Alligator nickte.

»Und ich werde nicht die Waffen gegen meine Brüder erheben«, erwiderte der Weiße Tiger. »Ich werde weiterhin um den Frieden beten und ihn mit meiner Seele suchen.«

Nachdenklich sah Osceola ihn an. »Wir alle beten um Frieden, aber ob er uns vergönnt wird, müssen unsere Götter entscheiden.«

»Ein Gott, ein und derselbe Gott«, erklärte der Weiße Tiger. »Ishtahollo, der große Geist der Seminolen, ist ebenso der einzige Gott aller weißen Christen – ganz gleich, wie er genannt wird. Und ich glaube, er will deinem und meinem Volk ein friedliches Leben schenken.«

Obwohl Osceola lächelte, stimmte er nicht zu. »Wohin du auch reitest, mein Freund, dir wird nichts zustoßen. Wo du lebst, ist der Boden heilig. Dort sollst du alle deine Lieben um dich versammeln, dann sind auch sie sicher.«

»Mico Osceola, ich bitte dich, denk gründlich nach, ehe du dich für den Krieg entscheidest ...«

»Du bist zu stolz, um zu bitten, sondern selber ein Krieger, ein Soldat.«

»Jetzt bin ich Zivilist. Und in meinen Träumen sehe ich dein Land als Paradies, in dem wir alle leben können.«

»Sei beruhigt, ich überstürze nichts.« Wieder lächelte Osceola. »Früher warst du ein blutjunger, kampflustiger Mann. Du wandtest dich gegen die Briten und auch gegen meine Leute.«

»Damals war ich ungestüm, aber ich lernte meine Lektion.«

»Du warst ein guter Krieger, und du hast auch erkannt, daß man den Tod nicht auf die leichte Schulter nehmen darf.«

»Und daß der Krieg nicht nur Ehre bedeutet.«

»Soviel ich höre, willst du dein Heim verlassen und auf Reisen gehen?«

»Das hatte ich vor. Aber wenn es nötig ist, daß ich bleibe ...«

»Nein, du mußt dich um deine Geschäfte kümmern. Ich habe deine Worte vernommen. Hier kannst du nichts tun. Segle nur munter davon. Der Laufende Bär hat mir erzählt, du würdest gern segeln und dabei innere Ruhe finden. Möge der Meereswind den Schmerz davonwehen, den dir dein Verlust bereitet.« Osceola wandte sich ab, doch dann schaute er den Weißen Tiger noch einmal an. »Unsere Gedanken werden dir folgen. Und wir sind stolz darauf, daß du dich für uns eingesetzt und jenen widersprochen hast, die behaupten, wir trügen die Schuld am Tod deiner guten Frau. Ich fürchte, deine Worte können den Haß zwischen unseren Völkern kaum mildern. Trotzdem danken wir dir.«

»Ich habe nur die Wahrheit gesagt.«

»Aber manchen Menschen fällt es schwer, die Wahrheit zu erkennen. Geh nur auf Reisen, mein Freund. Wenn du zurückkehrst, mußt du vielleicht nicht mehr vor deinem Leid fliehen.«

»Ich verreise nur aus geschäftlichen Gründen ...«

»Ja, das ist gut.«

Von Alligator gefolgt, ging Osceola davon. Aber der Laufende Bär blieb stehen und legte eine Hand auf die Schulter des Weißen Tigers. »Gott sei mit dir.«

»Welcher Gott?« Ein schwaches Lächeln umspielte die Lippen des Weißen Tigers.

»Haben wir nicht soeben festgestellt, wir würden ein und demselben Gott dienen?«

»Num, wir haben versucht, uns darauf zu einigen. Was wird geschehen?«

Der Laufende Bär schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. In meinen Adern fließt zuviel weißes Blut. Manchmal nehme ich an der Ratsversammlung teil, manchmal nicht. Auch ich trete für den Frieden ein. Thompson war ein Narr, weil er Osceola festnahm. Er behauptet, Osceola sei grausam und unberechenbar. Aber du kennst Osceola. Vermutlich wollte Thompson beweisen, daß ihm kein Indianer Bedingungen stellen kann. Nun ist Osceolas Herz von heißem Zorn erfüllt. Seine Pläne kenne ich nicht. Natürlich geht es nicht nur tun den Zwischenfall, den Thompson verursacht hat. Zwischen den Indianern und den weißen Siedlern kommt es immer wieder zu Streitigkeiten. Sie sagen, wir würden sie bestehlen, und sie jagen auf unserem Land. Bis jetzt hat sich kaum etwas geändert. Offenbar glauben die Amerikaner, es wäre ihre Bestimmung, den ganzen Kontinent zu überrollen.«

»Für dieses Problem muß es eine Lösung geben.«

»Das ist dein Wunsch. Aber ob er erfüllt wird, bleibt abzuwarten. Nun wollen wir Abschied nehmen. Vielleicht findest du auf deiner Reise ein neues Glück. Wer weiß? Wenn du auch immer noch trauerst, eines Tages solltest du wieder heiraten.«

»Das will ich nicht«, entgegnete der Weiße Tiger tonlos.

Der Laufende Bär nickte mitfühlend. »Dann solltest du dir eine Geliebte nehmen. Nach allem, was man so hört, bist du kein Mönch.«

»Verdammt, wie schnell sich so etwas herumspricht!« rief der Weiße Tiger ärgerlich, dann sah er die Sorge in den Augen seines Freundes, seufzte und lachte leise. »Du wirst wohl nie aufhören, mir deshalb in den Ohren zu liegen, was?«

»Oh, doch. Eines Tages. Gute Reise.«

»Paß auf dich auf!«

Sie umarmten sich, dann folgte der Laufende Bär den anderen. Wenig später war er aus dem Blickfeld verschwunden.

Eine Zeitlang blieb der Weiße Tiger noch zwischen den Zypressen stehen. Im Wasser spiegelten sich die Farben des Sonnenuntergangs – malvenrosa, goldgelb und rot. Er schloß die Augen, spürte den Wind auf den Wangen, roch den klaren Duft des Wassers und des Sumpflands, lauschte dem Rascheln der Blätter.

In der Ferne verriet ein leises Plätschern, daß ein Alligator vom Ufer in die Wellen geglitten war.

Das elegante Haus lag in einer der zivilisiertesten Städte der jungen amerikanischen Nation. Hier trugen die Frauen Samt und Seide, Kaffee und Tee wurden aus silbernen Kannen eingeschenkt. Perserteppiche bedeckten polierte Holzböden, Damastvorhänge schützten die Fenster vor der Nacht, die allmählich herabsank.

Plötzlich krachte ein Schuß ... Donnerhall durchbrach die Stille, die das Zimmer erfüllt hatte.

Verwundert starrte die junge Frau den Mann an, der sich erheben wollte, aber er konnte es nicht.

Groß und kräftig gebaut, mit dichtem, eisengrauem Haar, war er ihr unbesiegbar erschienen. Doch nun breitete sich ein roter Fleck auf seinem weißen Rüschenhemd aus. Die Kugel hatte ihn mitten ins Herz getroffen. Erstaunt sah er dem Tod ins Auge, mit einem letzten Atemzug sank er zu Boden.

Sie schaute auf die Waffe in ihren Händen hinab.

Aber es waren doch nur Platzpatronen gewesen ... Ihr entsetzter Blick wanderte an dem Toten vorbei, begegnete einem Augenpaar in einem grausamen, intelligenten Gesicht. Als ein leises Rascheln hinter ihr erklang, drehte sie sich um.

Für diesen Tag war der große Salon in ein Theater verwandelt worden. Sie hatte auf der improvisierten Bühne gestanden, dem Publikum zugewandt, das im Halbkreis vor ihr saß. Nun beobachtete sie, wie der Vorhang herabfiel, der den Hintergrund bildete. Dort hatte jemand gestanden und eine echte Kugel abgefeuert, in derselben Sekunde, wie sie selbst die Platzpatrone – ein Requisit, das zu ihrer Rolle gehörte.

Plötzlich wurde die Grabesstille durchbrochen, die dem Knall gefolgt war. Alles schrie durcheinander.

»Packt sie!«

»Sie hat ihn getötet!«

»Mörderin!«

»Oh, mein Gott, haltet die Mörderin fest!« Die schön gekleideten Damen und Herren eilten auf die Bühne, und die junge Schauspielerin glaubte in allen Augen wilden Blutdurst zu lesen.

Großer Gott, man hatte ihr eine Falle gestellt – eine heimtückische Falle ...

Aber sie würde sich wehren. Für das Verbrechen eines anderen wollte sie nicht büßen. Sie würde laufen, so weit sie nur konnte ...

Die Zeit schien stillzustehen. Ein letztes Mal erwiderte die junge Frau den harten, glitzernden Blick des Mannes, der einen gemeinen Mord angeordnet hatte, um sie in eine Falle zu locken.

Nein, es durfte nicht geschehen. Blitzschnell kehrte sie ihm den Rücken und rannte zum Fenster.

In der Waldesmitte überlief ihn ein Schauer, und er holte tief Atem. Er konnte nur hoffen, die Spannungen zwischen den Weißen und den Seminolen würden nachlassen.

Plötzlich frischte der Wind auf, welkes Herbstlaub wirbelte empor, und das Rascheln klang wie eine geflüsterte Warnung. Ärgerlich verfluchte er sich, weil die Fantasie ihm einen Streich spielte. Dann pfiff er leise, um sein Pferd herbeizurufen, stieg auf und lauschte.

Der Wind erstarb so schnell, wie er aufgekommen war, die Blätter schwiegen.

Vorerst.

Er drückte seine Fersen in die Pferdeflanken und ritt den Pfad hinab.

William, dachte sie, während sie durch das Fenster kletterte, um dem Geschrei und den Schritten der Verfolger zu entfliehen. Oh, mein Gott, William!

 

Aber William konnte nicht darin verstrickt sein, er war bei Marina und in Sicherheit. Natürlich würde er erkennen, daß ihr keine Wahl blieb – sie mußte davonlaufen. Wie er sich sorgen würde, halb krank vor Angst ...

Doch er würde es verstehen. Die Zeit war kostbar, und sie hatte nur noch wenige Sekunden ...

Ihre Füße berührten den Boden, und sie stürmte über den gepflegten Rasen, zu den Bäumen.

Er verließ den gewundenen Pfad zwischen den Zypressen und erreichte die breitere Straße. Offenbar spürte das Pferd die Stimmimg seines Herrn, denn es begann zu galoppieren. Tief über den Hals des kraftvollen Hengstes gebeugt, umklammerte er die Zügel.

Bald würde er zu Hause eintreffen – nur um sofort wieder aufzubrechen. Er wollte den Meereswind auf den Wangen fühlen, den wachsenden Spannungen entrinnen ... davonlaufen.

Vor dem beharrlichen Schmerz, den einsamen Nächten und Tagen.

Sie tauchte im Schatten der Bäume unter, weit entfernt vom Haus.

Sicher, sie waren hinter ihr her. Aber in ihrer Verwirrung folgten sie ihr zu langsam, und sie hatte einen beruhigenden Vorsprung gewonnen. Rasch eilte sie zwischen den Bäumen hindurch.

William, großer Gott, William ...

Zunächst mußte sie sich verkleiden, ihre Frisur verändern, und sie durfte nicht innehalten.

Am Waldrand sah sie den Weg, der aus der Stadtmitte herausführte. Ihre Beine schmerzten, aber sie zwang sich weiterzulaufen, immer weiter ...

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