Читать книгу: «Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung», страница 3

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Das problemaufrechterhaltende Muster ist gekennzeichnet u. a. durch eine intensive Dissoziation zwischen expliziten, narrativen und impliziten Bereichen, die gegeneinander arbeiten. Auf der bewussten Ebene interpretieren z. B. die meisten Menschen mit Problemen ihre unwillkürlichen Erlebnisprozesse mit Erklärungen, Bewertungen, Schlussfolgerungen (narrativer Aspekt) etc., welche die unwillkürlichen, aus dem impliziten Bereichen kommenden Reaktionen abwerten und mit gegen sie gerichteten Lösungsversuchen verbunden sind. Für Therapie und Beratung kann daraus z. B. klar abgeleitet werden, dass Interventionen besonders darauf abzielen sollten, leidvolle unwillkürliche Prozesse zu unterbrechen und gewünschte unwillkürliche Prozesse anzuregen. Dabei sollten unbedingt auch nonverbale, z. B. auch körperorientierte Angebote gemacht werden. Weiter sollte zielgerichtet darauf hingearbeitet werden, dass die antagonistische, oft mit Selbstabwertung assoziierte Beziehung zwischen willkürlichen und unwillkürlichen Prozessen durch eine kooperative, wertschätzende Beziehung zwischen diesen Teilbereichen des Erlebens abgelöst werden kann.

Da ein entscheidender Teil der problemaufrechterhaltenden Prozesse die eingeengte Fokussierung von Aufmerksamkeit auf die Angst- und Stressprozesse und ihre Dominanz auch im Arbeitsspeicher des Kurzzeitgedächtnisses ist, kann das Problemmuster entscheidend beeinflusst werden durch systematische Angebote der Aufmerksamkeitsfokussierung in entlastende, auf schutz-, kraft- und zuversichtorientierte Erfahrungen. Diese Angebote rufen dann eine wirksame Beeinflussung des Arbeitsspeichers hervor, helfen bei der Stärkung von Hippocampus-Prozessen und bei einer befreienden Differenzierung des Erlebens mit mehr Wahlmöglichkeiten. „Beim Ablauf impliziter Prozesse sind andere Hirnareale aktiv als bei expliziten Prozessen. Wenn implizite Prozesse in den expliziten Funktionsmodus überführt werden sollen, ist es daher wichtig, eine Verbindung zu den Hirnarealen herzustellen, die mit der Qualität von Bewusstsein verbunden sind. Hauptsächliche Mittel dafür sind Steigerung der Reizintensität und -dauer sowie insbesondere eine gezielte Lenkung der Aufmerksamkeit auf diese Prozesse“ (Grawe 2004, S. 125).

Auf neuronaler Ebene lassen sich alle Wahrnehmungs- und Erlebnisprozesse beschreiben als Ausdruck der Aktivität neuronaler Netzwerke, in denen über Synapsenverbindungen diverse Nervenzellen sich zu Mustern von Zellverbänden verknüpfen. Die Beschreibung der neuronalen Muster lässt sich nahtlos ergänzen durch die Beschreibung von Mustern auf der interaktionellen Ebene (Interaktionsmuster) und dann auf der Ebene der subjektiven sinnlichen Erfahrung (internale psychophysiologische Muster), wie wir sie in der hypnosystemischen Arbeit nutzen, quasi so, als ob man jeweils das Mikroskop auf unterschiedliche Vergrößerungsdimensionen einstellte. Die letztlich entscheidende Ebene der Wirksamkeit ist sicher die der neuronalen Netzwerke. Dies heißt aber nicht, dass sie als die „Ursache“ angesehen werden könnte. Denn auch sie wird ja permanent in Wechselwirkung wieder beeinflusst und verändert davon, wohin jeweils der Aufmerksamkeitsfokus sinnlich und interaktionell gerichtet wird. Unser Gehirn ist offensichtlich, anders als man dies früher vermutete, lebenslang plastisch gestaltbar und umbaubar (siehe z. B. Hüther 1998).

Die neuronalen Netzwerke und ihre jeweils gegenwärtige Struktur lassen sich zwar zu neuen Mustern umstrukturieren, aber erst allmählich und auch relativ langsam (Grawe 2004). In dieser Übergangszeit ist mit größter Wahrscheinlichkeit auch zu erwarten, dass die bisher bevorzugt benutzen alten Muster immer wieder blitzschnell aktiviert werden und sich auch oft genug zunächst unwillkürlich durchsetzen dürften. Deshalb reicht es nicht aus, einfach schöne und auch zunächst sehr wirksam erscheinende Szenarien der gewünschten Lösung zu fokussieren und wirksam werden zu lassen. Wir brauchen auch viele Interventionen, die uns gut und kompetent darauf vorbereiten, dass die alten Problemmuster wieder unwillkürlich „anspringen“, sodass wir auch dann kompetent in die gewünschte Richtung auf sie antworten können, ja sie sogar zieldienlich gut nutzen können.

Wollen wir, was für die Gestaltung von Erleben äußerst wichtig ist, mit den entwicklungsgeschichtlich älteren Bereichen unseres Gehirns kommunizieren und kooperieren, müssen wir eben auch ihre Kommunikations- und Funktionsweise berücksichtigen. Bei den Alligatoren und Kühen wird eben noch nicht so viel gesprochen, sehr wohl aber viel „gebildert“ wird. Deshalb greifen auch Interventionen, die vor allem auf sprachliche Beeinflussung setzen, für viele Themen viel zu kurz und wirken schlicht nicht hilfreich genug. In den für diese hier vorgestellten Konzepte sehr interessanten Arbeiten aus dem Gebiet der Paläoanthropologie stellt man sich deshalb systematisch die Frage: „Sprechen Sie Limbisch?“ (Jonas u. Heyne 1992), womit gemeint ist, dass man die metaphorische Eigensprache jedes Menschen sehr wortwörtlich ernst nehmen und auf ihre unbewusste und unwillkürliche Wirkung hin untersuchen sie und nutzen sollte. Auch Forschungen zur Wirksamkeit von EMDR (eye movement desensitization and reprocessing), legen den Schluss nahe, dass viele massives Leid erzeugende Erlebnismuster über sprachliche, kognitive Interventionen einfach nicht genügend erreichbar und beeinflussbar sind, sehr wohl aber über nonverbale, mehr körperlich orientierte Maßnahmen (wie z. B. die Augenbewegungen, die als wesentlicher Bestandteil von EMDR-Interventionen angeregt werden; vgl. Hofmann 1999).

Dieses intuitive, vorbewusste Wissen repräsentiert sich dort aber auf andere Art, quasi mit einer anderen Sprache als das so genannte bewusste Wissen. Es drückt sich in einer anderen Form von Logik aus (mehr i. S. v. Sowohl-als-auch, also im Gegensatz zur aristotelischen Logik), in Bildern, Empfindungen, mehr oder weniger diffusen Gefühlen, eben in vorsprachlicher, sinnlicher Weise. Für unsere rationale, bewusste Denkwelt wirkt dies oft fremd und unverständlich, meist werden die aus der irrationalen Welt kommenden Botschaften in unserer Kultur nicht so ernst genommen oder sind sogar als Grundlage von Entscheidungsprozessen verpönt. Die moderne Erickson’sche Sicht plädiert nun keineswegs dafür, dass dieser intuitive Bereich allein dominieren und die Kompetenzen des bewussten, rationalen Denkens übergehen sollte.

Offenbar kann als besonders wirksame Art der Kommunikation mit dem Bereich unwillkürlichen Erlebens der Weg über Bilder, Metaphern, Imaginationen, aber auch über Gesang, Rhythmik, Tanz, rituell sich wiederholende Bewegungsabläufe, überhaupt über die Gestaltung von Ritualen u. Ä. genutzt werden. Auch an den Ergebnissen der Hirnphysiologieforschung und aus neurobiologischer Sicht lässt sich zeigen, wie wirksam und wichtig der Prozess von Imaginationen für die Abläufe in unserem Gehirn und damit auch in unserem ganzen Erleben ist (Hüther 2000). Darauf, dass imaginative Prozesse äußerst wirksam sind, weisen auch die Untersuchungen zum Phänomen des „psychogenen Tods“ hin (Schmid 2000). Sie zeigen, dass schon allein aufgrund von selbst organisierten inneren Imaginationsprozessen selbst bei völlig gesunden Menschen innerhalb von Tagen der Tod eintreten kann, wenn sie z. B. in ihrem relevanten Beziehungssystem als wichtig geltende Tabus gebrochen haben und dies in diesem System so behandelt wird, dass man dann sein Leben verwirkt hat. Diese enorme Wirkkraft kann aber auch durchaus zu Optimismus beitragen: „Wenn ein Mensch mit dem geistig-seelischen Potenzial, das er in sich birgt, sich selbst zu töten vermag, sollte er auch sich heilen können“ (Schmid 2000).

3. Aufmerksamkeitsfokussierung – Eine zentrale Beschreibungsebene des Verständnisses dafür, wie Erleben und Verhalten entstehen und gestaltet werden

Wenn unwillkürliche Prozesse so zentral für menschliches Erleben sind, erscheint es wichtig für Therapie und Beratung, sie systematisch einzusetzen und für die gewünschten Ergebnisse zu nutzen, für welche jeweils Aufträge erteilt werden. Dies ist das Ziel aller Hypnotherapie. Sie kann beschrieben werden als das systematische und gezielte Arbeiten mit Prozessen der Aufmerksamkeitsfokussierung, insbesondere zur Aktivierung von unwillkürlichen Prozessen (gewünschter Art).

Als Aufmerksamkeitsfokussierung kann die selbst organisierte Form des assoziativen Zusammenfügens von sinnlichen Erlebniselementen bezeichnet werden. Verbunden werden z. B. visuelle Elemente (innere/äußere Bilder, Filme), auditive Elemente, innere und äußere Dialoge, kinästhetische, gustatorische und olfaktorische Eindrücke, Alters- und Größenerleben, Atemmuster, Körperkoordination mit Verhalten, Bewertungen und Bedeutungsgebung synchron verbunden. Auch diese Verkoppelungen werden als „Muster“ bezeichnet. Erleben ist Ergebnis solcher selbst (auf willkürlicher und unwillkürlicher Ebene) zusammengefügter Muster. Hirnphysiologisch lassen sich solche Muster als aktives Feuern von neuronalen Netzwerken verstehen, die sich als Verbindungen vieler Synapsen beschreiben lassen (für ausführlichere Beschreibungen s. Schmidt 2004, S. 88 ff. und 179 ff.).

Das Wissen darüber, wie Aufmerksamkeitsfokussierung geschieht, hilft uns sehr dabei, das Phänomen „Hypnose“ und auch „Hypnotherapie“ endlich zu entmystifizieren und den Wust undifferenzierter, total verzerrender Vorurteile über diese Verfahren aufzulösen. Milton Erickson betonte zu Recht immer wieder, dass Hypnotherapie nur völlig natürliche, von allen Menschen permanent im üblichen Alltagsleben praktizierte Prozesse nutzt. In einer Hypnotherapie geschieht grundsätzlich eigentlich gar nichts Neues, es kann niemals von außen etwas „in den Menschen hineingebracht“ werden, was nicht ohnehin schon längst als gelebtes Potenzial gespeichert ist. Das hier im weiteren Verlauf dargelegte Wissen hilft außerdem, ein umfassendes Metamodell zur Beschreibung von Problem- und Lösungsmustern und vor allem für die Planung und das Angebot von zieldienlichen Interventionen abzuleiten und so eine übersichtliche Systematik zu bringen in die Informationsflut und in die vielfältigen Erlebnisprozesse, die sich während einer Therapie oder Beratung ergeben.

Da die Bedeutung einer Botschaft immer autonom vom Empfänger bestimmt wird, zielt die Erickson’sche Konzeption darauf ab, durch viele offene, indirekte Angebote Menschen zu selbst organisierten Fokussierungsprozessen anzuregen, z. B. durch so genannte Einstreutechniken, Implikationen, auch Konfusionstechniken, Fragen, welche die Aufmerksamkeit auf einen gewünschten Bereich lenken sollten, besonders auch das Angebot von Metaphern und Symbolen und das Erzählen von Anekdoten, welche eigenständige innere Imaginations- und Fokussierungsprozesse anregen sollten.

3.1 Hypnotherapeutische Prozesse und Aufmerksamkeitsfokussierung – völlig natürliche Alltagsphänomene und Belege für die „Potenzialhypothese“

Die Autopoiesetheorie belegt in aktueller wissenschaftlicher Form nur noch einmal die Erickson’sche Grundannahme, dass alle hypnotischen Induktionsprozesse letztlich immer selbsthypnotische Prozesse sind. Auch das übliche nächtliche Träumen von Menschen zeigt, wie natürlich hypnotische Phänomene sind. Der Prozess eines spontanen Traums ist dem Erleben sehr ähnlich, das sich auch in einer gelingenden Hypnotherapie entwickelt (im Traum wirkt es oft aber noch intensiver). Folgendes Beispiel kann auch modellhaft veranschaulichen, was generell im Prozess menschlichen Erlebens und menschlicher Wahrnehmung passiert.

Stellen wir uns also vor, wir würden nachts zu Bett gehen und uns schlafen legen. Nehmen wir nun an, dass es uns zu diesem Zeitpunkt ausgezeichnet geht. Wir fühlen uns sehr behaglich, sicher, haben das Gefühl, in unserem Leben laufe es zur Zeit optimal, wir fühlen uns sehr zufrieden und auch körperlich völlig im Lot (denkbar wäre ja ein solches Erleben, nicht wahr?). Sicher werden wir nun, wie bei jedem üblichen Schlaf, unsere üblichen REM-Phasen erleben und träumen. Träumen heißt ja aber im Grunde nur, dass wir in selbst organisierter Weise eine eigene „Multimediashow“ (auf allen Sinneskanälen) inszenieren. Wir sind dabei Drehbauchautor, Regisseur, Schauspieler, Beobachter etc. in einem. Die Art aber, wohin wir träumen, quasi welchen Traumfilm wir gerade produzieren, entscheidet nun mit machtvoller Konsequenz darüber, was wir erleben, ja sogar, zu wem wir ganzkörperlich werden. Wenn wir z. B. nun einen Albtraum träumen würden, dann kann es uns vorher noch so gut gegangen sein, in Sekunden wird sich nicht nur unsere emotionale Reaktion verändern, sondern auch unsere körperlichen Prozesse werden massiv verändert. In kürzester Zeit ändern sich unser Blutdruck, unser Puls, unsere Atmung, sogar das Blutbild und die Hormonsituation werden nachhaltig verändert, möglicherweise (je nach Trauminhalt) erleben wir Todesangst, einen Schweißausbruch etc. Wenn nun aber, was in Träumen ja oft geschieht, plötzlich selbst organisiert ein anderer Trauminhalt eingespielt wird (Szenenwechsel, quasi Director’s Cut), z. B. eine sehr schöne Szene, dann ändern sich wieder in kürzester Zeit alle diese Prozesse, wir werden wieder schnellstens zu jemand anderem, auch ohne verstanden zu haben, woher das vorherige Erleben kam, oder ohne es „durchgearbeitet“ zu haben. Dies alles ist nur ein Ergebnis davon, wohin wir unsere Aufmerksamkeit ausrichten im Traum. Ein zentrales Element kommt allerdings noch hinzu: Es ist sehr entscheidend, aus welcher Beobachterposition wir das alles erleben. Im üblichen Traum sind wir sehr intensiv assoziiert mit dem, was wir im Traum beobachten. Würden wir aber z. B. die Methode des „luziden Träumens“ nutzen (La Berge 1991; Tholey u. Utecht 2000), bei der man einfach lernt, während des Träumens den eigenen Traum zu beobachten, sich also auf eine Art Metaebene zu begeben und sich so vom Traumgeschehen etwas zu dissoziieren (und dabei auch mehr Willkürlichkeit einzuführen), könnten wir sogar den jeweiligen Traum beeinflussen und unser Erleben mehr wunschgemäß gestalten.

Allein schon aus diesen einfachen Beispielen kann klar abgeleitet werden, dass es grundsätzlich niemals der Inhalt der Phänomene selbst sein kann, der angenehme oder unangenehme Wirkungen mit sich bringt, auch wenn uns das subjektiv in unserer üblichen bewussten Wahrnehmung so erscheint. Der zentrale Wirkfaktor sind vielmehr immer die Position, aus der heraus ich die Phänomene wahrnehme (wozu auch meine Haltung dabei gehört), und die Nähe oder Distanz, die ich zu den beobachteten Phänomenen herstelle. Behalten wir dies in unserem Blickfeld, können wir sehr viele befreiende Interventionschancen entwickeln, selbst wenn die Inhalte, mit denen wir uns zu beschäftigen haben, zunächst sehr schrecklich erscheinen mögen. (Im Bereich der Traumatherapie ist z. B. diese Interventionsrichtung des Aufbauens geschützter Beobachterpositionen in den letzten Jahren – u. a. durch Anregungen von anderen und von mir aus der Hypnotherapie – zu einer zentralen Maßnahme geworden; z. B. Reddemann 2002, 2004).

Abb. 2

Abbildung 2 soll die gerade beschriebenen Prozesse noch einmal verdeutlichen. Der größere Kreis soll dabei das gesamte Erlebnispotenzial sinnbildlich darstellen, das einem Menschen grundsätzlich möglich wäre, ich nenne es deshalb unseren „Möglichkeitsraum“. Was wir dann tatsächlich jeweils als „echte Wirklichkeit“, als „real“, als „So ist es doch!“ erleben, wird hier verstanden als jeweils nur ein möglicher Ausschnitt aus diesem Möglichkeitsraum, also als der Sektor der Wahrnehmungsmöglichkeiten, den wir jeweils gerade auswählen (wobei dies keine bewusste Wahl sein muss, meist sogar quasi automatisiert abläuft). Wenn der aktuelle Alltagsfokus z. B. im Traumgeschehen durch den Traumfokus abgelöst wird, werde ich als Träumender körperlich und seelisch auch zu jemand anderem.

Dabei ist aber immer auch entscheidend, aus welcher Wahrnehmungsposition als „Beobachter“ ich das erlebe. Bin ich stark assoziiert, werde ich das Fokussierte intensiv als einzig „wirkliche Wirklichkeit“ erleben und psychophysiologisch entsprechend reagieren (Prinzip der wortwörtlichen Wirkung aller Fokussierungen).

Bin ich eher dissoziiert, kann ich das Traumgeschehen mehr aus einer hilfreichen Distanz erleben und erfahre damit meist auch mehr Wahlmöglichkeiten. Ist mein aktueller Fokus gerade so ausgerichtet, dass dies mit leidvollem Erleben einhergeht, nutzt es mir gar nichts, dieses Erleben jetzt noch mehr zu betrachten (z. B. mit dem Bemühen, es zu verstehen), es sei denn, diese Betrachtung verändert meine Beobachterposition von assoziiert zu mehr dissoziiert. (Genau diese Art der Dissoziation findet übrigens als Selbstrettungsversuch immer spontan statt, wenn jemand massive Traumatisierungen erleidet.) Viel hilfreicher wirkt es sich in aller Regel in einer solchen leidvollen Situation aus, nicht weiter im Problemfokus zu bleiben, sondern so schnell und intensiv als möglich einen Erlebnisfokus aus dem Möglichkeitsraum auszuwählen, mit dem alle die Ressourcen und Kompetenzmuster assoziiert sind, die ich brauche für eine hilfreiche Lösung.

Solche jedem Menschen ja vielfach zugänglichen Erfahrungen sind ein klarer Beleg für die „Potenzialhypothese“, also die Annahme, dass grundsätzlich jeder Mensch praktisch immer schon alle Kompetenzen für eine hilfreiche Lösung als Potenzial in sich trägt, auch wenn dies oft zunächst schwer zugänglich sein mag, da die hauptsächlich und zur jeweiligen Zeit am meisten aktivierten Synapsennetzwerke zunächst noch dominieren. Gerade die Traumerfahrungen zeigen dabei auch, dass selbst dann, also wenn lange eher Leid verursachende Muster dominiert hatten, schnell eine wirksame (zumindest für die Dauer des Traums) Umfokussierung möglich ist und dann auch sehr schnell andere Erlebnismuster wirksam aktiviert werden können. Wenn man also auch nach langer Symptomdauer nur ähnlich wirksam wie im Traum umfokussieren könnte (und die Hypnotherapie ermöglicht das), dann kann man auch solch massiv gebahnte und vernetzte Problemmuster wirksam transformieren, auch nach langen Jahren leidvoller Symptompräsenz. Die Grundkompetenzmuster, die für eine gesunde Auflösung von psychischen, psychosomatischen und/oder interaktionellen Problemen verwendet werden, sind auch dann im Erfahrungsspektrum der Beteiligten gespeichert (Erickson u. Rossi 1981; Gilligan 1991; Schmidt 1992a).

Wenn man z. B. beachtet, welche psychosomatischen Umschaltprozesse spontan-unwillkürlich innerhalb eines Traumgeschehens ablaufen, wie schnell sich z. B. Blutdruck und Herzschlagfrequenz einfach dadurch erhöhen oder erniedrigen lassen, je nachdem, welche Trauminhalte wir gerade produzieren, können wir eine Vorstellung davon entwickeln, wie sich diese Potenziale z. B. für die Regelung von Blutdruck, Herzfrequenz und vielen sonstigen Prozessen systematisch einsetzen lassen – und zwar ohne jede Medikation. Dafür gibt es zahlreiche Forschungsbelege aus der Hypnotherapie (Revenstorf 2003). Auch das weiße Blutbild (und damit auch das Immunsystem) kann beeinflusst werden, je nachdem, in welche Richtung man eine Imagination bei sich anlegt (Bongartz u. Bongartz 2000).

Aus dieser Sicht werden Menschen als „multiple Persönlichkeiten“ in einem sehr positiven Sinne gesehen, bei denen die jeweils gerade gelebte und erlebte „Persönlichkeit“ durch die Art der Aufmerksamkeitsfokussierung bestimmt wird. Ebenso verfügen Familien und Organisationen über viele Variationen von Organisations- und Interaktionsmustern, sind ebenso „multipel“. Je nachdem, wohin, d. h., auf welche der vielen möglichen Erlebnisbereiche gerade fokussiert wird, wird man partiell zu jemand anderen, springt praktisch eine unserer vielen möglichen Persönlichkeitsvarianten ins Bewusstsein und übernimmt die „Regierungsfunktion“ (siehe auch Ornstein 1992). Quasi gibt es uns gar nicht als statische Wesen, wir er-finden und er-zeugen uns eigentlich Sekunde für Sekunde unseres Er-Lebens durch Fokussierung von Aufmerksamkeit.

Hypnotherapie macht sich diese natürlichen Prozesse nur zunutze. Dies ist allerdings keine neue Entdeckung. Alle schamanistischen Heilungsprozeduren seit tausenden von Jahren gehen nach dem gleichen Prinzip vor. In der schamanistischen Tradition von Hawai wird dies z. B. kurz zusammengefasst mit dem Spruch: „Energy flows, where attention goes …“ Dort, wo die Aufmerksamkeit hingeht, geschehen verwirklichte Physiologie, Emotion und Denken.

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