Reisen Band 1

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Am 25. machten wir zweiundzwanzig Leguas und übernachteten wieder in einem einsamen Haus, das übrigens, wie alle anderen Estancias, ebenfalls seinen besondern Namen trug. Hier war die Unreinlichkeit wieder zu Hause. Als uns Abends das Essen in einer schmutzigen hölzernen Schüssel gebracht wurde, legte die Frau - nicht einmal ausgebreitet, sondern wie ein zusammengedrücktes Taschentuch - einen Lumpen darunter, der die Spuren verschiedener fetten Speisen und Rußflecke seit Gott weiß wie vielen Wochen trug und /91/ mich so anekelte, daß ich kaum ein paar Bissen hinunterwürgen konnte. Dabei saß der „Herr vom Hause" daneben und langte mit Fingern, die keinenfalls in diesem Monat Wasser gesehen, fortwährend in unsere Schüssel hinein, einzelne Stücke Fleisch herauszuholen, und - Doch ich will den Leser nicht mit der Wiederholung all' des Ekelerregenden, was ich dort sehen mußte, ermüden - es erreichte aber, gerade in dieser Provinz, seinen höchsten Grad, denn die Frauen suchten und verzehrten sogar das Ungeziefer, eine vom Kopf der andern, und boten mir dann wieder die Matehröhre, an der sie vorher mit denselben Lippen gesogen. Ich kann gewiß viel vertragen, aber das war mir ein klein wenig zu stark. So viel übrigens zur Rechtfertigung der Pampas, daß diese letzte scheußliche Sitte nur in der Provinz Santa-Fé vorkommen soll, und die Bewohner derselben haben sogar einen Ekelnamen danach bei den übrigen Argentinern.

Bis hierher war die Ebene, über die wir gekommen, durch keinen Hügel, durch keinen Baum unterbrochen worden. Hier aber, und zwar vom Rio-Tertio aus, an dem wir einen ganzen Tag hinritten, zeigte sich uns Morgens in der Ferne ein ausgebreiteter Wald mit stattlichem Holzwuchs, der mir der Formation der Bäume nach aus Eichen zu bestehen schien. Das ließ sich jedoch - denn er mußte noch viele Meilen entfernt liegen - auf solche Distanz nicht deutlich unterscheiden. Ich machte meinen Begleiter darauf aufmerksam, weil ich etwas Derartiges gar nicht erwartet hatte; er schien mich aber nicht zu verstehen, denn er sagte nur „arboles?" und schüttelte dann lachend mit dem Kopf. Ich schwieg, denn ich war überzeugt, wir würden bis Mittag nahe genug gekommen sein, genau unterscheiden zu können, von welcher Ausdehnung der Wald hier sei, griff aber ordentlich dem Pferd vor Erstaunen in die Zügel, als nach etwa viertelstündigem Ritt ein Hirsch vor uns aufstand, mit flüchtigen Sätzen über die Steppe und zwar gerade dem Wald zu setzte, in dem er gleich darauf verschwand, aber bei jedem hohen und flüchtigen Satz hinter den ersten Bäumen wieder mit dem halben Körper zum Vorschein kam. Nicht fünf Minuten später erreichten wir das, was ich für einen Wald stattlicher /92/ Eichen gehalten hatte, und fand nichts als - ein breites Dickicht niederer Dornbüsche, die aber in ihrer ganzen Form und Gestalt, nur in Miniatur, unseren deutschen Eichen auf ein Haar glichen und jetzt, da man die Umrisse der einzelnen deutlich und genau erkennen konnte, gar so lieb und zierlich aussahen. Die meisten glichen, wie gesagt, unseren Eichen, andere aber wieder Apfel- und Birnbäumen, und die Verhältnisse zwischen Stamm und Laub stimmten auf das Genaueste und Täuschendste.

Am 26. zeigten sich die ersten Berge: zur Rechten breitete sich noch in blauer Ferne die Cordobahügelkette aus, und unsere Richtung lag jetzt der äußersten Spitze derselben zu. Die Nacht blieben wir in einem kleinen Städtchen am Rio-Quarto, und ich freute mich auf den Ort, weil mir gesagt war, ich würde dort einen Engländer finden. Leider befand sich der aber gerade zufällig in Cordoba; dafür jedoch erhielt ich die, wie sich der Leser gewiß denken kann, freudige Nachricht, daß ein Deutscher, ein Landsmann von mir, im Orte schon seit langen Jahren wohne. - Es sei ein Hutmacher, hieß es, und es gehe ihm ganz wohl. Aus dem Haus schickten sie gleich Jemand ab, der ihn bitten mußte doch einmal auf die Post zu kommen, weil ein Landsmann von ihm gerade von Deutschland eingetroffen sei. Vergebens wartete ich aber den ganzen Abend, und zwar so lange, bis es zu spät geworden war ihn selber aufzusuchen; er kam nicht, und da ich selber, vom langen Ritt ermüdet, keine große Lust mehr verspürte weit herumzulaufen, der Correo mir auch sagte, daß wir am nächsten Morgen nicht so gar früh aufbrechen würden, so verschob ich den Besuch auf den andern Tag.

Mit uns zugleich war ein anderer, gerade von Mendoza kommender, Correo eingetroffen, der nach Cordoba bestimmt war. Er hatte außer seinem sonstigen Gepäck noch vier kleine Körbe mit eben so vielen Kampfhähnen bei sich, die er in Cordoba zu einem sehr bedeutenden Preis zu verkaufen hoffte. Die Gauchos sind nämlich ganz versessen auf Hahnengefechte - sie scheinen eine Vorliebe für dies Vergnügen zu haben, weil Blut dabei fließt - und die beiden Correos ver-/93/gaßen im ersten Augenblick wirklich die Indianer, um nun erst die verschiedenen Tugenden und Eigenschaften der Hähne zu besprechen und zu bewundern. Dann aber ging es natürlich auch auf los Indios über, und der junge Correo erzählte meinem Alten, daß die Pampas-Indianer kürzlich Desaguadero überrumpelt, von den Männern aber Niemanden erwischt und nur eine alte Frau zu Hause gefunden hätten. Sie schienen sich jedoch dort ziemlich gut benommen, oder wenigstens nichts mehr gestohlen zu haben, als was sie gerade für ihren eigenen Bedarf brauchten.

Für uns war das allerdings keine tröstliche Nachricht, denn Desaguadero lag gerade in unserem Weg; doch hatten wir ja auch den Beweis, daß der erst getroffene Omnibus von den Wilden ebenfalls nicht gesehen worden und glücklich durchgekommen war. - Glück muß der Mensch haben, und wir rechneten etwas darauf.

Ich schrieb den Abend etwas an meinen Notizen, und stand am nächsten Morgen mit Tagesanbruch auf, um meinen mir versprochenen Landsmann zu besuchen. - Der Correo gab mir zu diesem Zweck einen der jungen Burschen aus dem Gasthaus zum Führer mit, und durch ein paar enge Gassen und über die Plaza hingehend, erreichte ich bald darauf das Haus. Hätte ich aber fünf Meilen deshalb marschiren müssen, der Mann wäre mir nicht zu theuer erkauft gewesen.

Es war ein kleines, ausgetrocknetes Männchen mit einem dünnen melancholischen Gesicht und hellblauen müden Augen. - Er trug einen schwarzen alten Seidenhut - Schraube, wie ihn die Matrosen nennen - und einen sehr schmutzigen rothen Poncho - die Cheripa wie die Argentiner statt der Hosen, und nicht einmal Unterkleider darunter, denn die nackten dünnen Waden schauten aus dem Faltenwurf der letzten wie mit leisem Vorwurf heraus, und die ebenfalls nackten Füße staken in einem Paar gerade so abgetragenen rindledernen Schuhen. Der Mann hieß Hüter und war aus der Gegend von Mainz gebürtig. Früher Steinhauer gewesen, hatte er das Geschäft aber in den Pampas, wo es nur höchstens an einigen Flüssen Kieselsteine gab, nicht fortsetzen können, die Hutmacherei angefangen, und natürlich /94/ eine Frau genommen. Mit der Frau bekam er eine unbestimmte Anzahl von Kindern und ein kleines Materialgeschäft, eine Art Kramladen, mit dem er aber auch noch als Zweiggeschäft eine Art Speisehaus zu verbinden schien. Selbst während ich dort war, kamen mehrere Soldaten herein, und verzehrten gleich am Ladentisch ein Stück Wurst und Brod.

In einer Reihe von siebzehn Jahren, die er jetzt im Lande lebte, hatte er sich aber ein sehr schlechtes Mainzer-Spanisch und nebenbei noch all' die Unreinlichkeit der Eingeborenen angeeignet. Es sah wahrhaft greulich bei ihm aus, und wenn ich auch für die frühe Morgenstunde etwas Entschuldigung gelten lassen will, so könnte das doch nicht all' den entsetzlichen Schmutz subtrahiren. Das Eigenthümliche dabei war, daß der Mann fast gar kein Deutsch mehr sprechen konnte. Deutschland war ihm ebenfalls ganz fremd geworden, und Nachrichten von dort schienen ihn wenig zu interessiren. Wunderbarer Weise hatte auch er schon davon gehört, daß in Deutschland eine Revolution gewesen sei, er glaubte es aber noch nicht so recht. Ueberhaupt schienen seine Ansichten über deutsche Verhältnisse etwas verworren. Nur an Mainz erinnerte er sich noch ziemlich deutlich, und sagte kopfschüttelnd, als ich ihm versicherte, auch dort seien Unruhen ausgebrochen, „Mainz wäre eine gute Stadt und die könnten sie nicht sogleich nehmen".

Trotzdem übrigens, daß er doch nach so langem Aufenthalt in den Pampas von Südamerika und durch seine Familie hier ganz eingebürgert war, schien es ihm keineswegs so gut zu gefallen, als sich das vermuthen ließ. - Das Land war, wie er mir versicherte, gut, aber die Leute bauten hier nichts, weil, wie er sich ausdrückte, zu viele „schlechte hombres" (Menschen) in der Nähe wären, welche die Producte viel schneller wegstählen, als sie wachsen könnten. Er selbst hatte früher etwas gebaut, es aber auch wieder aufgegeben, er mochte nicht „für die Spanier" arbeiten. - In Buenos-Ayres sei es jetzt wohl ruhig, man könne aber nie wissen, wie lange das dauern werde, und stürbe Rosas einmal, dann sei es auch wieder eine Frage, wer an die Ober-/95/herrschaft käme, und ob die überhaupt gleich wieder Jemand, und sicher, in die Hand nähme.

Diese Furcht schien mir im Lande der Hemmschuh jedes vernünftigen und sonst gewiß schon aus sich selber entstehenden Fortschritts, und daß sie nicht unbegründet ist, beweist schon ihre Allgemeinheit. Obgleich Rosas jetzt gestürzt ist und eine andere, anscheinend mildere Regierung an der Spitze steht, wird das diese Furcht nicht heben. Wer weiß, wie lange es dauert, und das Volk der Gauchos ist eine wilde, schwer zu bändigende Menschenrace, die wie die Lava der arbeitenden Vulkane wohl eben eine harte, scheinbar kalte Rinde anzusetzen gestattet, innerlich aber fortwährend kocht und gährt und einmal über Nacht wieder Alles, was sich ihr anvertraut, über den Haufen wirft.

Das gesellige Leben hier war, wie der alte Mann weiter erzählte, nun gar erst trüb' und traurig. Zwischen all' den Spaniern lebte er seine Tage still und einförmig hin, und sein einziger Wunsch sei, wieder einmal nach Deutschland zurückkehren zu können. Dazu gehörte aber Geld, baares Geld, und das könne man sich hier nur ungemein schwer verdienen. Andere Deutsche lebten nicht, weder in seiner Nachbarschaft noch sonst in der Nähe, und wenn ja einmal einer dort kleben geblieben wäre ( e r sah wirklich so aus), so hätte er es doch nie lange ausgehalten.-- Bei ihm wäre das aber 'was Anderes, er hätte Frau und Kinder, und müsse wohl.

 

Trotzdem schien es mir nicht, als ob er sich wirklich speciell nach Deutschland zurücksehnte - er wollte nur fort von Südamerika. In einer Sache freute ich mich aber auch wieder, einen ächten Deutschen in ihm gefunden zu haben. - Die Ursache nämlich, weshalb er mich gestern Abend nicht aufgesucht hatte, war niemand Anderes als die Polizei gewesen, vor der er sich gefürchtet. - Es lagen in dem Nest nämlich, der draußen herumspukenden Indianer wegen, eine Menge Soldaten, und die Polizei hatte derentwegen den Befehl erlassen, zu später Stunde nicht mehr in den Straßen herumzuschwärmen. - Nun ging das allerdings gar nicht auf ihn, die Polizei hätt' es aber doch vielleicht /96/ übel nehmen können, wenn er draußen gesehen würde, und mit der mochte er's nicht gern verderben.

Leider durfte ich nicht so lange mit ihm plaudern, als ich es wohl gewünscht hätte, denn der Correo stand schon wieder zum Abmarsch gerüstet, und wir nahmen Abschied von einander. Er sagte, als er mir die Hand reichte, ,,es kämen wohl manche Deutsche in die Gegend, sie gingen aber immer wieder gleich fort, wie ich, und dann bleibe er wieder mit den Spaniern allein;" so erfuhr er denn auch sehr wenig von Dem, was in „Allemanje" vorfiel.

Der Ritt am 27. ging fast den ganzen Tag durch eine jetzt wirklich traurige Einöde. Das Steppengras stand überall gelb und welk, und der Winter übte hier augenscheinlich seine Macht aus. Vor uns hatten wir dabei die starren, von keiner Vegetation bedeckten niederen Hügelkuppen, die weiterhin mit den Cordobabergen in Verbindung zu stehen schienen, und nicht einmal Wild fand sich in dieser trostlosen Steppe. Die ganze Natur war wie ausgestorben, und eine entsetzlich lange Station ermüdete die armen Thiere noch außerdem bis zum Niedersinken. Endlich erreichten wir die ersten Felsklippen, die wahrlich nicht aussahen, als ob sie einen freundlichen Wechsel in der Scenerie hervorbringen könnten. Wild übereinander geworfenes Gestein starrte uns eben so monoton entgegen, und die einzige Abwechselung schien die, aus einer sandigen in eine steinige Wüste gekommen zu sein. Als wir aber darüber hinritten, befanden wir uns plötzlich in einem Thal, das, in diese Einöde wie hineingezaubert, einen wirklich überraschenden Eindruck auf mich machen mußte. Draußen die ganze Natur verdorrt, eine fast erstorbene Vegetation, kein Grün, das dem Auge einen einzigen Ruhepunkt geboten, kein lebendes Wesen zu hören und zu sehen, als die schnaubenden Thiere unter uns und ein einsamer kreisender Falke - hier dagegen, wie aus dem Boden heraufbeschworen, blühende Bäume; und saftiges Laub, weicher Rasen und reges Leben, denn selbst eine Menge von Hausthieren gab es hier, Truthähne, Hühner, ja selbst zahme Strauße. Es war ein so freundliches Plätzchen, wie man es nur auf der Welt finden konnte.

Von hier ab ging der Weg, mit frischen Pferden, durch /97/ kühle, mit Schilf und Buschwerk bewachsene Schluchten eine weite Strecke lang hin, und ein murmelnder Bach folgte unserer Bahn. Den Bach muß ich übrigens denunciren - er hat Gold. - Damals ritt ich allerdings daran hin, ohne auf solche böse Gedanken zu kommen; seit ich aber die californischen und australischen Berge gesehen habe, bin ich ziemlich fest davon überzeugt, denn selbst damals fielen mir die großen schönen und schneeweißen Quarzblöcke auf, die überall daran hin zerstreut lagen. Nicht weit davon entfernt sind auch, wie ich später erfuhr, die Carolina-Goldminen, und ich bin jetzt fest überzeugt, daß dort Gold ebenso gewaschen werden könnte und gewiß auch einmal so gewaschen wird, wie in Californien.

Wenn man aber so den ganzen Tag im Sattel gehangen hat, freut man sich nicht wenig auf die Zeit, wo man den Kopf einmal auf den Sattel legen kann, besonders wenn es erst einmal über Nachtschlafenszeit hinausgeht. - Wenn sich auch die Glieder bald vollständig an das Reiten gewöhnen, wollen sie doch auch manchmal Ruhe haben und sich strecken und dehnen. Außerdem kommt für den Magen Abends noch ein besonders wichtiger Moment, denn das ist die einzige Zeit, wo es wirklich etwas zu essen giebt. Morgens setzt es gewöhnlich nur einen Schluck Mateh - ich habe mich meinem Schicksal gefügt und meine Lippen preisgegeben, die nun doch einmal durchgebrannt sind und keine Haut wieder ansetzen werden, bis ich die letzten verzweifelten Bombillas im Rücken habe - dann halten wir höchstens um zehn, elf oder zwölf Uhr, wie es gerade mit der Station paßt, und nehmen eben einen Imbiß Fleisch. - Früher, wo wir Milch bekommen konnten, tranken wir einen Schluck Milch. Viel Essen verträgt sich aber über Tag nicht mit dem raschen Reiten, und erst Abends wird tüchtig eingelegt, um nachher wieder vierundzwanzig Stunden auszuhalten. Am Abend verlangt aber auch der Magen etwas Ordentliches, und wenn er das nicht bekommt, knurrt er und läßt sich krank melden. Dennoch aber wollte ich, wir hätten an diesem Abend, ohne einen einzigen Bissen zu sehen, in freier Steppe gelagert; denn noch nie ist mir der Schmutz und die Unreinlichkeit beim Essen wie im ganzen Wesen der Leute so furchtbar widerlich vorge/98/kommen, als bei den Menschen gerade, bei denen wir an diesem Abend übernachteten. Ich hatte bis jetzt noch fast alles Essen, das mir geboten worden, so unreinlich die Umgebung auch immer gewesen sein mochte, hinuntergewürgt, hier aber weigerte sich der Magen standhaft, etwas Weiteres zu sich zu nehmen, und ich ließ mir zuletzt heißes Wasser geben und machte mir eine Tasse starken Kaffee, um nur nicht krank zu werden. Der Leser mag dies vielleicht für übertrieben halten, er soll aber nur hierher kommen, und ich will dann sehen, ob er sagt, ich habe Unrecht gehabt.

28. Der Weg, den wir an diesem Tag ritten, lag ebenfalls durch eine wüste Steppe hindurch; mein Alter hatte aber in Achiras wieder so schreckliche Geschichten über die Indianer gehört, die sich erst vor ganz Kurzem bis dicht zu der hier lagernden Garnison herangewagt, daß er seine gewöhnliche Station zu umgehen beschloß. - Wir sahen deshalb den ganzen Tag weder Weg noch Steg - überall umgab uns die hier todte, öde Pampas. Nur im Hintergrund tauchte nach und nach ein eben nicht sehr hoher Berg, der El Morro, auf, und als wir ihm endlich näher kamen, lag er eben so starr' und unfruchtbar vor uns als die vorigen. Kein Haus ließ sich an seinem Fuß erkennen, keine Umzäunung; nur an einem Punkte - und es schien, als ob sich der Weg gerade dorthin ziehe - stand ein, einzelner niederer Baum. Rechts von uns wurden auch noch in der Ferne mehrere, scharf am Horizont abgezeichnete Bergkuppen sichtbar, und mein alter Correo sagte mir, das seien die Berge, in denen sich die Carolina-Goldminen befänden. „Wären wir," setzte er hinzu, „Indianern in den Weg gekommen, so hätten wir uns nördlich durch jene Berge gewandt, denn so hoch nach Norden trauen sie sich nicht hinauf. So aber ist's besser, wir haben kürzeren Weg und sparen auch Geld, denn dahin geht keine Post und wir müßten uns Pferde kaufen."

Indessen waren wir dem Berg nahe gekommen und befanden uns plötzlich vor einer kleinen, aus seinen eigenen Steinen errichteten Hütte, so daß sie gegen den Hintergrund nicht einmal durch das schon ebenfalls wettergraue Binsendach abstach. Vor der Thür, so dicht, daß er den Schatten selbst /99/ auf die Schwelle werfen mußte, stand ein gewaltiger alter Feigenbaum, und eine kleine Umzäunung, halb von Steinen, halb von Holz und Dornen errichtet, vollendete Alles, was zur Ansiedelung des kleinen Platzes gehörte. Der Raum aber vor der Hütte war sauber gekehrt, und das Innere der stillen Bergeswohnung (ärmlich zwar bis zum Aeußersten und nur den unentbehrlichsten Bedürfnissen genügend) so nett, so reinlich, so wohnlich gehalten, daß mir nach all' dem Schmutz und Unrath, den ich bis jetzt gesehen, der kleine, kaum fünf Schritt im Durchmesser haltende Raum wie ein Palast erschien, und der Trunk Milch, den mir die Leute reichten, so herrlich mundete, als sei es das kostbarste Labsal gewesen.

Ein junges Ehepaar bewohnte mit der alten Mutter diesen friedlichen, freundlichen Platz, und selbst die Matrone war so reinlich gekleidet, wie ich bis zu diesem Ort, im Innern des Landes, noch nicht einmal ein junges Mädchen gekleidet gesehen habe. Um so wohlthuender war das hier, da gerade die Unreinlichkeit der Frauen mir bis dahin so widerlich gewesen. Nach einer kurzen Station am Fuß des Berges hin erreichten wir eins der gewöhnlichen kleinen Städtchen, das schwärmte von Soldaten. Sie hatten sich überall kleine, oft nicht einmal gegen den Regen geschützte Hütten gebaut, und das ganze Leben hier, von den starren Felsen umschlossen, bot ein bewegtes, heiteres Bild. Wohin das Auge auch sah, weideten hier, von kleinen, wild genug ausschauenden Burschen gehütet, Heerden von munteren Pampaspferden, die fortwährend zum raschen Aufsitzen bereit gehalten werden mußten; Lagerfeuer, wohin der Blick auch streifte mit Gruppen, die einem Zigeunerlager keine Schande gemacht hätten, und Mengen von Mädchen und Frauen, die entweder in den Hütten wirthschafteten, oder am kleinen Bach Geschirr oder Wäsche reinigten.

Wir bekamen von hier aus drei frische Pferde, von denen sich zwei als gut genug auswiesen, das dritte abere, das unglücklicher Weise mir zu Theil wurde, schon nach drei Leguas nicht mehr von der Stelle wollte. - Hätten uns heute die Indianer überfallen, so mußte ich einfach Stand halten, denn der Correo würde sich verwünscht wenig um mich bekümmert /100/ haben. Da das Pferd aber zuletzt stehen blieb und in der That nicht mehr weiter konnte, während der alte Bursche von Correo schon seit einer halben Stunde meine ungemeine Thätigkeit mit der Peitsche bewundert hatte, mochte er wohl zuletzt glauben, das Pferd sei nicht schuld, sondern ich, kam rasch zurückgesprengt, gab mir sein Pferd und stieg nun in meinen Sattel, um da sein Glück zu versuchen. Wenn er dem armen Geschöpf, was ich nicht hatte thun wollen, die scharfen, entsetzlichen Sporen aber auch tief in die Seiten rannte, daß seine gelbledernen Reitstiefel von Blut bespritzt waren, es konnte nicht mehr, und fluchend schickte er endlich den Postillon, der überdies schon ganz unschuldiger Weise die schönsten Grobheiten wegen des nichtswürdigen Thieres bekommen hatte, etwa eine halbe englische Meile nach Norden hinauf, wo acht oder neun andere Pferde ruhig weideten. Dem jungen Burschen gelang es auch, bis in Lassowurf an die nichts Böses ahnenden heranzukommen, denn mit dem schweren Felleisen hintenaus hätte er sie nicht verfolgen können, und als die Schlinge erst um seinen Kopf schwirrte und die dadurch gewarnten Thiere fliehen wollten, war es zu spät. Das kräftigste der Heerde, einen prächtigen kleinen Hengst, hatte er gefaßt, und nach wenig Minuten Ankämpfens ergab sich das Thier auch so weit in sein Schicksal, daß es sich wenigstens von uns Dreien meinen Sattel auflegen und mich hinauf ließ. Kaum fühlte es sich aber wieder so weit frei, daß es seinen Kopf in die Höhe bringen konnte, als es zu steigen, zu tanzen und gleich darauf auszuschlagen anfing, als ob es sich verpflichtet hätte, mich in einer gewissen gegebenen Zeit Gott weiß in welchem Theil der Steppe abzusetzen. Ich hielt mich jedoch im Sattel, und mit Sporn und Revenka machte ich es zuletzt wenigstens so weit mürbe, daß es seinen Eifer auf den Weg selber richtete und nun mit mir davonflog, als ob wir noch heut Abend Mendoza erreichen wollten.

Meine beiden Begleiter blieben weit zurück und brauchten nachher lange Zeit, mich wieder einzuholen.

Heut Abend sollte ich aber auch ein Beispiel von einer argentinischen Rebhühnerjagd sehen, von der ich früher wirklich keine Ahnung gehabt. Ein Volk der kleinen Steppen/101/hühner stieg dicht vor uns auf, und eins fiel, von den anderen abgesondert, etwa hundert Schritt von uns an einer Stelle nieder, die durch einige kurze Grasbüschel markirt war. Der alte Correo winkte mir zu, ihm in einiger Entfernung zu folgen, und die lange, aber kurzstielige Peitsche wie einen Lasso um den Kopf schwingend, vermied er die Stelle, wo das Huhn eingefallen war, und sprengte in einem weiten Kreis darum hin. Immer enger und enger zog er diesen, die Peitsche fortwährend schwingend und jetzt das Huhn schon im Auge, das sich, durch nichts gedeckt und von der kreisenden Schnur eingeschüchtert, fest auf den nur mit dünnen Grasbüscheln bewachsenen Boden drückte, bis das Pferd selbst in Sprungesnähe vor ihm war und die schwere Peitsche mit scharfem, aber sicherem Schlag das arme kleine, zitternde Geschöpf zu Tode traf. - Ohne abzusteigen, nahm der Correo dann das noch flatternde Huhn vom Boden auf, so weit bog er sich, mit dem rechten Fuß im Steigbügel bleibend, zur Erde nieder, und fort ging's wieder über die Steppe in neuer und toller Hast. Ziemlich spät in der Nacht erreichten wir den Rio-Quinto, wo wir, in etwas reinlicherer Umgebung als bisher, Halt machten.

 

Als wir am nächsten Morgen aufbrachen, nahm der Postillon wieder, wie die Leute das schon mehrmals gethan, ein dünngeschnittenes breites Stück rohes Rindfleisch und legte es - ja warum soll ich's dem Leser nicht erzählen, wenn ich's habe essen müssen - unter sein eigenes Sitzfleisch auf den Sattel. Allerdings deckte er noch zuerst, der Reinlichkeit wegen, ein altes ungegerbtes Schaffell darüber, was vielleicht schon seit Jahren zur Satteldecke gedient halte, aber auch das blieb nicht darauf liegen und die cheripa des Postillons sein einziger, etwas zweifelhafter Schutz.

,,Aber davon hätte ich keinen Bissen essen können!"

Ach ja, lieber Leser, wenn man so sechzig bis achtzig englische Meilen galoppirt ist, verlangt der Magen wenigstens einen Imbiß, und wenn man weiter nichts bekommen kann, versöhnt man sich selbst mit solchem Fleisch,

Mittags etwa begegneten wir einer Mendoza-Caravane, die nach Buenos-Ayres bestimmt war. Einige dreißig große /102/ Wagen knarrten dicht hintereinander her, und daneben hin gehen die Wächter und Begleiter mit ihren langen Lanzen auf den Schultern, und im Wagen vorn - unter den langen Bambusstacheln, manchmal sogar ein geladenes Gewehr neben sich - sitzen die Ochsentreiber und schauen schläfrig über ihre Thiere hin.

Diese Wagen verdienen wohl eine kurze Beschreibung. Sie ruhen auf nur zwei, aber dafür auch kolossalen, oft zehn Fuß hohen Rädern. Ihre sonstige Bauart ist leicht, und wenn auch das eigentliche Gestell aus festem Holz gearbeitet ist, bestehen die Seitenwände doch nur aus geflochtenem Schilf, und der obere Theil ist mit Häuten überdeckt. Die hohen Räder mögen wohl in den oft sehr sumpfigen Pampas nöthig, ja unentbehrlich sein. Sechs oder acht Ochsen sind gewöhnlich vorgespannt, und zwar, je zu zweien, in einem aus einem einzigen Stück bestehenden hölzernen Joch ziehend, das ihnen im Nacken liegt.

Sinnreich und der Bequemlichkeit der Südländer angemessen ist aber die Art, mit der sie ihre Zugthiere antreiben. Die lange Peitsche, die der Hottentott führt, wäre ihnen viel zu beschwerlich; dafür haben sie eine gewaltig lange Stange, fast stets aus leichtem, an der Wurzel vier und mehr Zoll im Durchmesser haltendem Bambus, der aus Brasilien kommt. Die hängt nun, weil sie zu regieren auch zu beschwerlich sein würde, an einer, je nach Verhältniß vorn herausstehenden andern Stange, schwebend fest, und mit dem vorn daran befestigten Stachel können sie solcher Art die vordersten Thiere leicht erreichen. Eine andere Stahlspitze hängt außerdem gerade dort herunter, wo sie, wenn die Stange niedergedrückt wird, die zweitvordersten Ochsen berühren kann, und für die dem Wagen nächsten Thiere liegt noch neben dem Führer eine schwächere, kürzere Stange, die leicht zu regieren ist.

Die Wagen führen in solchen Caravanen die Produkte Mendozas, der Kornkammer der Argentinischen Republik, nach der Hauptstadt. Die vorzüglichsten Artikel darunter sind übrigens Mehl und Wein, dann getrocknete Früchte, Rosinen usw. Unter dem Wagen, wo die hohen Räder noch /103/ einen ziemlichen Raum gestatten, tragen sie durch die wirklichen Pampas ebenfalls ihr Brennholz mit, und hintenauf ist ein langer, eigenthümlicher Steinkrug befestigt, in dem sie ihr Trinkwasser bewahren und von einem Fluß zum andern, durch die salzigen Wüsten, die jetzt vor uns lagen, ja manchmal noch weiter mitnehmen. Werden sie von Indianern bedroht, denn sie sind mehrere Monate unterwegs, so bilden sie mit ihren Karren rasch eine Wagenburg, in deren Mitte sie ihr Vieh treiben und sich von den Karren aus ver-theidigen. Da sie stets einige Schießwaffen mit sich führen, ist solche Befestigung, besonders bei ihrer Anzahl, auch fast stets hinreichend, und ehe sich die Wilden in großer Menge zu sammeln vermögen, ihnen wirklich gefährlich zu werden, können sie leicht eins der kleinen, überall durch die Pampas zerstreuten Städtchen erreichen und militärische Hülfe bekommen. Natürlich erkundigten sie sich sehr angelegentlich bei uns nach den Indianern, da wir gerade aus der meist bedrohten Gegend kamen, und mein alter Correo erzählte den armen Teufeln zu ihrer Beruhigung wieder schreckliche Geschichten.

Unser nächstes Ziel war jetzt San-Luis, die Hauptstadt der Provinz gleichen Namens, und ich hoffte hier wieder Deutsche zu finden, doch sollte ich mich leider darin getäuscht sehen. Wir erreichten den Ort Nachmittags, und als wir eben aus dem niedern Lande heraus- und auf der flachen Anhöhe, auf der San-Luis liegt, hinsprengten, sah ich in weiter blauer Ferne einen Gebirgsstreifen, der sich am Horizont in ungeheurer Kette hinzog. Es waren die Kordilleren, von denen wir noch wenigstens dreißig deutsche Meilen entfernt sein mußten. Dort also lagerten jene ungeheuren schneebedeckten Gebirgsmassen, über die ich jetzt, mitten im Winter, hinüber mußte; dort gähnten jene Schluchten und starrten die bis hoch über die Wolken hinausragenden Felsen empor, in denen schon so mancher Reisende verunglückt, hinabgestürzt, oder in Eis und Schnee erstarrt sein sollte. Ein ganz eigenthümliches Gefühl durchzuckte mich, als ich das emsige Rückgrat der neuen Welt wie ein lauerndes Ungethüm vor mir liegen sah. Waren die Berichte alle wahr, die ich /104/ über einen Wintermarsch über jene Höhen gehört, so erwartete mich Fürchterliches. Doch ich hatte schon zu oft gefunden, daß solche Berichte aus weiter Ferne übertrieben und unwahr gewesen; darauf und auf mein gutes Glück, das mich ja noch nie stecken gelassen, vertraute ich auch jetzt, und ritt guten Muths in die breiten, von niederen Lehmhäusern gebildeten Straßen der kleinen Stadt ein.

Sau-Luis hatte vor Kurzem viel durch ein Erdbeben gelitten, und eine Menge von Häusern waren von oben bis unten auseinander gerissen. Das ist aber auch wohl das Einzige, was die kleine Stadt manchmal zu bewegen scheint, denn sonst sahen die Straßen wie ausgestorben aus. Bei San-Luis soll ein nicht sehr großer See sein mit einem bedeutenden Strudel nach der Mitte zu, daß sich kein Boot darauf wagen darf - so wenigstens wurde es wir erzählt; ich erfuhr es leider zu spät, um den See selber besuchen zu können.

Mein alter Correo bekam indessen hier vom Gouverneur von San-Luis eine Nachricht, die ihn nicht wenig bestürzt machte und zugleich auch in Erstaunen setzte. Als er seine Depeschen abgegeben hatte und zu mir zurück in das kleine Haus kam, in dem wir unser Lager aufgeschlagen, wünschte er mir und sich Glück, einer bedeutenden Gefahr glücklich entgangen zu sein. Durch einen expressen Boten sollte der Gouverneur nämlich vor kaum einer Stunde die Nachricht, bekommen haben, daß die Wilden zu derselben Zeit, wo wir dem El Morro zuritten, in einem Trupp von circa zweihundert Mann über dieselbe Steppe, und zwar nach den nordwärts gelegenen Bergen, die der Correo damals für so sicher gehalten, geritten seien - sie streiften jetzt in jener Gegend umher, und wie behauptet wurde, sogar mit weißen Führern. In San-Luis vermuthete man, es seien einzelne Flüchtlinge der Unitarios, die dort in den Bergen dem Correo aufpassen wollten. Sie wußten nämlich, daß er bei indianischen Unruhen gewöhnlich stets die nördliche Route nahm. Und sie hätten gerade keine üble Beute gemacht, denn außer seinen Depeschen führte er in der schweren Satteltasche, die der Postillon hinten aufgeschnallt trug, eine nicht unbedeutende /105/ Quantität Unzen mit. Fielen wir ihnen in die Hände, und waren wirklich Weiße dabei, so konnten sie uns schon gar nicht am Leben lassen, wenn sie sich nicht der Gefahr aussetzen wollten, verrathen zu werden. Gerade dadurch also, daß wir den nächsten und gewöhnlichen Weg beibehielten, entgingen wir ihnen, und gebe nur Gott, daß sie die kleine friedliche Hütte am Fuße des Berges verschont haben. Von San-Luis wurde übrigens augenblicklich Cavallerie abgesandt, um sie wo möglich von den Ihrigen abzuschneiden, oder doch jedenfalls aus der Nähe der Ansiedlungen zu verjagen.

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