Reisen Band 1

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Buenos-Ayres hat zwei, und wie es heißt, sehr gut besuchte Theater, das eine - das Victoriatheater, soll eine recht tüchtige Oper besitzen, das andere bringt Schauspiele, verschmäht es aber auch nicht, Taschenspieler und Seiltänzer in seine Räume und den Kreis seiner Wirksamkeit aufzunehmen.

Außerdem erxstirt in der Stadt ein Leseclub, der auch deutsche, französische, englische und portugiesische Zeitungen hält. In Buenos-Ayres selber erscheinen vier Zeitungen, drei spanische und eine englische - „The British Paket" - aber unter diesen kein einziges eigentliches Localblatt. /35/

Gleich in den ersten Tagen machte ich einen kleinen Abstecher in die nächste Umgebung der Stadt, um einige Deutsche, die in der Nähe ihre Estancias haben sollten, zu besuchen, und selber einmal mit eigenen Augen diese südamerikanischen Farmen zu sehen, von denen ich so Manches gehört und doch noch keinen rechten Begriff bekommen hatte.

Mein Begleiter war ein kleiner deutscher Bauer, seinen Namen habe ich vergessen. Nichts Komischeres gab es aber, als ihn oben auf seinem riesigen Pferd kauern zu sehen, und beim Trab fürchtete ich mehrere Male, daß es ihn förmlich auseinander schütteln würde. Er kannte die ganze Nachbarschaft, und brachte mich zu einigen seiner Bekannten, mit denen er vor achtzehn oder zwanzig Jahren über See gekommen war, und die sich hier meistens in vortrefflichen Umständen befanden.

Die Umgegend von Buenos-Ayres bietet, außer dem breiten, schönen Strom mit seiner Menge von Masten, dessen gegenüberliegende Ufer nur manchmal bei sehr hellem Wetter sichtbar sein sollen, sehr wenig Pittoreskes; trotzdem ist die Natur auch in dieser Gestalt schön, und besonders fesselt manche Eigenthümlichkeit das Auge des Europäers. Zu diesen gehören die Einfriedigungen der Gärten und kleineren Felder nahe bei der Stadt, die des großen Holzmangels wegen meistens aus dicht aneinander gepflanzten wuchernden Aloes und Cactus bestehen. Vorzüglich schön sehen die Aloes aus mit ihren riesigen fleischigen Blättern und den oft bis über vierund zwanzig Fuß hoch aufgeschossenen Blüthenstengeln (jetzt leider nicht in der Blüthe), und so dicht drängen sie zusammen, daß ein Pferd oder Rind wohl nicht leicht den Durchgang wagt, ein Mensch sich aber erst eine Bahn hindurch schneiden oder hauen müßte. Auf solchen Einbruch steht jedoch Todesstrafe, und die Gesetze lassen hier nicht mit sich spaßen.

Mitten zwischen solchen Gärten und Hecken ritten wir vergebens aber suchte das Auge einen ordentlichen anständigen Baum, der eine Abwechslung in die grenzenlose Fläche brachte; nur kleines, niederes Gesträuch, Weiden und derartiges Buschwerk, begegnete dem Blick, und die Blüthenstenqel der Aloe reichten hoch über diese hinaus./36/

In dem Deutschen, dessen Farm wir hauptsächlich besuchen wollten, fanden wir einen freundlichen, gefälligen Mann, der uns bereitwillig seine ganze Einrichtung, wie Felder und Wirthschaft zeigte. Alles, was er gepflanzt hatte, schien vortrefflich zu gedeihen, die Felder und Holzpflanzungen waren mit Aloe dicht umzäunt und gegen das Eindringen der Thiere vollkommen gesichert; er hatte tüchtige Pferde, einen natürlich draußen weidenden sehr guten Viehstand, und zog durch die Nähe der Stadt schon durch Milch und Butter einen nicht unbedeutenden pecuniären Nutzen. Der Mann war aber auch in anderer Hinsicht ein ächter amerikanischer Farmer geworden, und hätte sich seinen Brüdern in Nordamerika ohne Weiteres anreihen können. Er schimpfte aus Leibeskräften aus die Deutschen und meinte, diese sollten nur um Gottes willen nicht auswandern oder nach Südamerika kommen, denn arbeiten wollten sie doch nicht, und zum Zugucken brauchten sie Niemanden mehr, da hätten sie gerade genug. Er beschäftigte auch nur eine Anzahl von Spaniern auf seinem Grundstück - Einzelne warfen Gräben aus, an denen hier die Cacctus- und Aloehecken gepflanzt werden, Andere entnahmen den dichten Reihen der letzteren junge Schößlinge, neue Schutzsfenzen damit anzulegen. Wieder Andere hieben junge Pfirsichstämme ab und banden sie zu einer bestimmten Größe von Bündeln zum Verkauf in die Stadt zusammen; denn so arm ist dieser Theil der Welt an Holz, daß wirklich Pfirsichholz, nur zu diesem Zweck angebaut, den größten Theil des Brennmaterials liefert. Nirgends beschäftigte er aber Deutsche, und versicherte uns, wenn er auch einmal einen deutschen Arbeiter bekäme, so verdienten sie gewöhnlich das Brod nicht, denn erstens wollten sie nicht arbeiten, und dann forderten sie den drei-doppelten Lohn von dem, was er dem fleißigsten Spanier gäbe.

Von dort ritten wir noch nach einigen anderen Estancias hinüber, bei denen wir aber die Eigenthümer nicht selber aufsuchten, und kamen zuletzt an ein altes wunderliches Gebäude, das, wie mir mein Geleitsmann sagte, in früherer alter Zeit einmal eine Kirche und ein Kloster gewesen sei. Für die Deutschen war es aber auch noch in anderer Beziehung wichtig /37/ und interessant, da es den damals von Rosas herübergezogenen Einwanderern längere Zeck zum durch die Regierung angewiesenen Aufenthalt gedient. Die deutschen Arbeiter sollen nämlich gerade in einer Periode eingetroffen sein, wo sie der Gouverneur Rosas mitten in der politischen Aufregung unmöglich gleich unterbringen und verwenden konnte; er hatte nicht einmal Arbeit für sie. Wie trefflich er sich aber damals gegen die Deutschen benommen hätte, konnte der alte Bursche nicht genug rühmen. Ihnen wurde nicht allein das alte Kloster zum Aufenthaltsort angewiesen mit den nöthigen Provisionen für Frau und Kind, nein die Männer bekamen auch noch ihren trefflichen Tagelohn ausbezahlt, ohne daß sie auch nur zu irgend einer Arbeit aufgefordert gewesen wären.

,,Das waren Zeiten!" rief mein alter Deutscher und hielt sein Pferd an, „alle Tage unser gutes Essen, dreimal so gut wie wir's in Deutschland gehabt, und unser Tagelohn, viermal so viel wie wir hätten dort verdienen können und „gar nischt" dabei zu thun - und das dauerte viele Monate. - Da haben wir uns von der Seereise recht erholen können - und wie wir ja nachher 'was schaffen sollten, da konnte man sich auch noch immer mit größter Bequemlichkeit drum herum drücken - aber der Lohn ging fort."

Eine eben so nützliche Bevölkerung schien Rosas jetzt darin zu halten. Eine Anzahl der leeren Zellen war nämlich von einem Schwarm Pampasindianern eingenommen, die, von Rosas besiegt und gefangen genommen, hier von ihm friedlich gehalten und ernährt wurden.

Ob er selber so friedlich gegen diese ihm stets feindlich gesinnten und blutdürstigen Stämme dachte, will ich dahingestellt sein lassen, aber er durfte die raubsüchtigen Horden, denen das ganze Innere seines Landes preisgegeben lag, auch nicht unnöthig reizen und zur Vergeltung treiben, und deshalb wurden diese Kinder der Steppe hier in ihrer Gefangenschaft, in der sie aber anscheinend ganz frei herumgingen, so gut und nachsichtig behandelt wie nur irgend möglich. Dicht an der Stadt sollte noch ein ähnliches, aber viel stärkeres indianisches Lager des nämlichen Stammes sein, der ebenfalls den Platz nicht wieder verlassen durfte. /38/

Es war eine nicht sehr große, aber gedrängte, kräftig muskulöse Menschenrace, den nordamerikanischen Indianern besonders in Haar und Farbe gar nicht unähnlich, und um die einzelnen, in dem weiten Hofraum errichteten Lagerfeuer kauerten die verschiedenen Familien, ihrer Mahlzeit entgegenharrend. Die Männer standen dabei oft auf und schritten gravitätisch, in ihre Decken geschlagen, in den Gängen herum; die Frauen aber schürten die kleinen dürftigen Feuer zusammen, damit das dicht daran gehangene Fleisch wenigstens in etwas durchbraten und gar werde.

In ihren Zimmern, wenn eine Art offener Ställe überhaupt so genannt werden kann, sah es ebenfalls wild genug aus. Die Lagerstätten, meist von Bambusstöcken hergerichtet, waren etwas vom Boden erhöht - ein eigener Luxus, den sie hier mit dem Schlafen trieben. Ein paar wollene Decken und selbstgewebte Ponchos und Cheripas bildeten das ganze übrige Ameublement, denn sie wurden zugleich zu Tischen wie Stühlen verwandt; - mau hätte denn noch ein paar Pferdeschädel dazu rechnen wollen, die den Familienvätern zu Lehnsesseln zu dienen schienen. Das ganze Gebäude sah übrigens wild und schaurig genug aus. - Kein einziges Fenster war noch mit einem gesunden Schalter versehen - die Thüren hingen theils hier und da in einer Angel, und schlenkerten und klapperten mit dem Luftzug hin und wieder, oder waren auch schon großentheils von den darin gerade nicht scrupulösen Söhnen der Steppe zu Feuerholz klein geschlagen und aufgebraucht worden.

Selbst die alte Kapelle schien von den gierigen Händen der Zeit und den fast noch gierigeren der Menschen nicht verschont geblieben. Die Wände standen, ihres früheren Schmuckes beraubt, kalt und kahl da, und hier und da hingen noch ein paar alte, verwirrte Zierrathen in einer der Ecken, zu hoch und werthlos, sich ihrethalben zu bemühen. In einer zusammengebrochenen Nische stand auch ein kaum mehr erkennbares Steinbild von einem - Heiligen oder Götzen - es wäre schwer gewesen, das jetzt zu bestimmen. Wenn aber auch alles übrige Holzwerk, eben wohl zu Feuerung, herausgebrochen sein mochte, hatte man doch den Altar, vielleicht in einer Art /39/ Ehrfurcht, die selbst den heidnischen Pampas vor dem Gott der Christen eingeprägt sein mochte, stehen lassen, und sogar die alte, schwer gestickte Altardecke hing noch, wenn auch in Fetzen und schon fast verwittert, von dem vordern Theil desselben herunter.

Ich wanderte lange Zeit in dem alten wunderlichen Gebäude umher, so lange, daß es mein kleiner Begleiter zuletzt schon herzlich satt bekam und mich frug, was man in den „erweiterten, windschiefen Nestern denn nur so ewig zu schauen finden könnte. - Da ich daran verzweifelte, ihm das je begreiflich machen zu können, stiegen wir endlich wieder in unsere Sättel und ritten weiter.

 

Auf dem Rückweg besuchte ich die Quinta oder das Lustschloß des Gouverneurs, das Fremden stets offen steht - sie liegt etwa eine Stunde Wegs von der Stadt entfernt höchst angenehm dicht am Strom, und der Blick erfreut sich dort zum ersten Mal wieder an grünen, schattigen Bäumen, die das niedere, von Säulengängen umschlossene Lusthaus dicht umgeben. Der Aufenthalt muß hier, besonders im Sommer, reizend sein. Nur die Berge fehlen dem Hintergrund und dem Auge dadurch auch die freundlichen, weit hinausschweifenden Gebirgshänge mit ihren kühlen Schluchten und moosigen Felsen. Alles ist flach, und es kommt Einem manchmal ordentlich das Gefühl, als ob man sich hoch über die Ebene emporheben und froh aufathmend das weite schöne, aber noch so wilde Land überschauen möchte.

Der Platz um die Quinta her ist ungemein gut im Stand erhalten und eine Sorgsamkeit auf die kleinste Pflanze verwendet, die besonders dann einen fast wohlthätigen Eindruck auf den Beschauer macht, wenn man die wilden Gestalten dabei sieht, die hier mit vorsichtiger Hand Bäume und Blumen pflegen.

Zn den Merkwürdigkeiten der Quinta gehört eine amerikanische Brig, die einmal bei einem heftigen Südoster hier auf das Land getrieben und später von Rosas angekauft wurde. Jetzt steht sie hoch und trocken mitten zwischen den sie umschmiegenden Weiden, über welche die beiden Masten hoch und kahl hinausragen. Sie ist übrigens im Innern /40/ sehr elegant zu einem einzigen Salon hergerichtet und eine bequeme Treppe daran hinaufgebaut.

Besonders gut hat mir bei der Anlage seines Lustorts gefallen, daß der Gouverneur, alles Fremdartige und Fremde verschmähend, die wilden Thiere seines eigenen Landes hierher verpflanzt hat und hält. So sieht man in einem weiten, von niederem Eisengitter umschlossenen Raum eine Anzahl der südamerikanischen Strauße oder Kasuare; in einem der kleineren Gebäude liegt, an allerdings etwas sehr dünner Kette und sonst ganz frei, ein prachtvoller argentinischer gefleckter Tiger - dem asiatischen ganz gleich, nur etwas kleiner, und in einem Käfig, nicht weit davon entfernt, ein Kaguar oder amerikanischer Löwe. Dem Tiger sind übrigens die Zähne abgefeilt und die Krallen dicht beschnitten, so daß er, wenn er sich losrisse, einen Menschen höchstens todt quetschen könnte.

Selbst die fernen Cordilleren haben zu dieser kleinen Creolenmenagerie, wie sie in Louisiana sagen würden, einen Tribut liefern müssen, denn auf einer von tiefem Graben umzogenen und Aloe, Cactus und Dornhecke dicht umschlossenen Wiese grasen drei Guanakas.

Auf dem Heimritt hielten wir uns etwas länger bei den Kasernen auf, die gleich unterhalb der Quinta stehen. Es sind das lauter kleine, nicht weit von einander und zwar einfach genug errichtete Hütten, die ein feststehendes Lager bilden, in dem die Soldaten mit ihren Familien wohnen. Das Ganze hat auch in der That mehr ein indianisches als civilisirtes Ansehen, und die Soldaten, die hier ganz nach indianischer Weise leben und lagern, können wirklich fast mehr zu wilden als civilisirten Stämmen gerechnet werden. Diesem entsprechend, sieht auch ein großer Theil des Militärs wunderlich und wüst genug aus, rauh und abgerissen, eher einer Räuberbande als einem anständigen Heere gleich. - Ich verlange wahrhaftig keine Gamaschendisciplin, und je einfacher die Soldaten gehalten werden, desto weniger sind sie ein „theures Spielzeug" des Fürsten, aber einerlei Hosenbeine können sie denn doch haben, und wenn sie nun einmal am linken Fuß keinen Schuh erzwingen können, so sollten sie es wenigstens wie ihr Nebenmann machen und den vom rechten ebenfalls herunterlassen. Uebrigens sollen es tüchtige Burschen sein und sich in den früheren Kriegen schon wacker geschlagen haben. Mir wurde gesagt, daß sie wie die Mauern stehen - wenn man sie nur einmal am Davonlaufen hindern kann.

Die reguläre argentinische Kavallerie hat dagegen ein desto pittoreskeres, ja wirklich romantisches Aussehen. Die dunkel¬blauen Ponchos mit weißen Randstreifen und rothem Futter, die gleichen langen und spitzen Mützen, vorn mit den Zipfeln herumgelegt und befestigt, machen sich vortrefflich. Dabei tragen sie eben solche blaue, mit weißen Litzen besetzte Cheri- pas und weiße befranzte Leggins. Auch eine Abtheilung der regulären Infanterie sieht originell und gut aus. Diese ist ganz in die Nationalfarbe - roth - gekleidet. Feucrrothe spitze Mütze - eben in der Art wie bei der Kavallerie getragen - feuerrothen Poncho mit weißen Streifen rings herum, und eben solche Cheripas gleichfalls mit weißen befranzten Leggins oder Unterhosen.

Eines eigenen Gesetzes muß ich aber hier, da ich gerade von dem Militär spreche, erwähnen. In früheren Zeiten, wo die Miliz noch in Masse aufgeboten wurde und häufig in der Stadt exerciren mußte, sich einzuüben, geschah es oft daß Fremde, die nicht militärpflichtig waren, also an diesen Uebungen auch nicht theilzunehmen brauchten, über die vielleicht etwas abenteuerlichen Gestalten lachten und ihren Spaß darüber hatten. War dies nun die Ursache, oder mehr der angegebene Grund: „daß Fremde in der Zeit, welche argentinische Bürger dem Wohl des Staates opfern mußten, nicht allein Geld verdienen, und diese dadurch doppelten Schaden leiden sollten", das Gesetz erschien und war noch damals in Kraft, daß sich Niemand, so lange zu gewissen angesetzten Stunden (meistens Sonntags) exercirt wird, bei Strafe arretirt zu werden, auf der Straße dürfe blicken lassen. Alle Läden waren gesperrt und selbst der Aufenthalt auf den flachen Dächern zu dieser Zeit untersagt. So streng wurde dies Gesetz dabei gehalten, daß sich selbst auf dem Lande, wenn dort draußen Manöver war, Niemand durfte sehen lassen. Keinem Reisenden war es erlaubt, in solcher Zeit und in der /42/ Gegend seinen Weg fortzusetzen, und sogar die Hirten mußten in ihre Behausung zurück. Die einzige Ausnahme fand bei den Schafheerden statt, bei denen ein Schäfer bleiben durfte.

Von diesem kleinen Ritt, der mich kaum aus der nächsten Umgebung der Stadt und noch nicht einmal aus den Hecken der Felder hinausbrachte, zurückgekehrt, bekam ich eine Einladung des Bremer Consuls Herrn***, seine drei Leguas (etwa neun englische Meilen) entfernte Estancia zu besuchen.

Mir war dies aus zwei Gründen sehr angenehm, denn erstens lernte ich dadurch einen kleinen Theil des Innern kennen, und zweitens übte ich mich ein wenig im Reiten. - Ich wünschte mich selber erst einmal wieder zu probiren, ob ich auch einen so langen, anstrengenden Ritt, wie ich jetzt vor mir hatte, gut aushalten würde. Das ging jedoch besser als ich erwartete, denn wenn ich auch in Nordamerika Wochen lang hintereinander im Sattel gehangen hatte, war ich doch wieder die langen Jahre in Deutschland nur sehr selten „an Bord eines Pferdes" gekommen. Ich empfand nicht die geringste Unbequemlichkeit, ja im Gegentheil ergoß es sich mir ordentlich wieder wie mit neuer, frischer Lebenskraft durch die Adern, nach so langer Seereise die frische, herrliche Luft einathmen und auf einem so starken, kräftigen Thier über die Ebene dahinbrausen zu können.

Nur zu sehr beengt fand ich mich noch im Anfang durch Hecken und Gebäude. - Mich drängte es, wieder einmal frank und frei hinaus in das wilde, ungehemmte Leben zu tauchen, und Alles was mich an Civilisation erinnerte, war dabei meinen Gefühlen eine Art Hemmschuh. Hier beginnen aber erst die ordentlichen Pampas, denn bis dahin findet man doch noch einen kleinen Hügel oder wenigstens etwas erhöhtes Land mit einzeln zerstreutem Buschwerk oder Anpflanzungen von Pfirsich-, Paradies- und anderen Bäumen. Weiter hinein aber soll das ganz aufhören, und das Auge nichts finden auf dem es haften könne, als eine einzige ununterbrochene, meerähnliche Fläche.

Ansiedelungen kann man übrigens diese Estancias gar nicht nennen. Es sind nur Gebäude mit mehreren Einfriedigungen, um Vieh darin zu halten, und die Bewohner derselben machen /43/

auch nicht den mindesten Versuch, selbst nur das zu bauen, was sie für sich allein zu Brod oder Gemüse brauchen könnten. Fleisch ist die einzige Nahrung. Der Südamerikaner ißt hier wirklich „Fleisch zu Fleisch", und Alles fast, was er braucht, weiß er den Thieren, die er schlachtet, abzugewinnen. Diese Plätze im Innern des Landes haben aber auch deshalb nicht das Gemüthliche, Wohnliche, Sichere einer europäischen Landwirthschaft. Das reinlich stille Treiben eines Landgutes, dessen Bewohner sich hauptsächlich von Vegetabilien nähren, fehlt ihnen ganz; überall bezeichnet Tod und Verwesung das rauhe Handwerk des Viehzüchters. Wohin das Auge, besonders in der Nähe der Häuser, blickt, sind Spuren von geschlachteten oder gefallenen Stücken Vieh zu sehen; überall liegen Häute, Schädel, Eingeweide, Hörner, Hufe, Knochen, Blutspuren. Tausende und Tausende von Aasgeiern, Raubvögeln und Möven umschwärmen diese Plätze, und die Nase muß sich erst wirklich an den im Anfang widerlichen frischen und faulen Fleisch- und Blutgeruch gewöhnen.

Die sonst friedlichen und eigentlich nicht fleischfressenden Hausthiere lernen sich ebenfalls in das Unvermeidliche fügen und verändern ihre Natur. Hühner und Gänse, selbst die Truthühner, leben allein vom Fleisch, und die Schweine werden davon gemästet. Ueberall liegen frische Häute ausgespannt oder hängen zum Trocknen auf, und besonders in der Nähe der Stadt, wo die großen Saladéros oder Schlächtereien sind, begegnet das Auge, wohin es sich auch wendet, den Spuren der Verwesung. Sechs bis acht Fuß hohe Mauern sind allein ganz von Stierköpfen, die Hörner alle gleichmäßig überein errichtet, ja die Vertiefungen der Straße selbst mit Gebeinen und Knochen ausgefüllt. So sah ich zum Beispiel eine Stelle, wo Tausende und Tausende von unschuldigen Schafsköpfen dazu dienen sollten, eine sonst unbezweifelte Riesenpfütze in befahrbare Chaussee zu verwandeln. Ist es da ein Wunder, daß die Bewohner dieses Landes, von nichts als Fleisch genährt, fortwährend schlachtend und immer von Blut und Verwesung umgeben, selber wild und blutdürstig sind, und nur zu oft ein Menschenleben nicht höher halten als das eines Stiers oder Pferdes? Die rein animalische /44/ Nahrung muß den Menschen nothwendig verwildern, und die an das Messer gewöhnte Hand wird mit dem Gebrauch desselben zu sehr vertraut, um es nicht auch manchmal mißbrauchen zu sollen, oder doch wenigstens in „unbeschäftigten Stunden" damit zu spielen.

Einen freundlicheren Anblick gewähren übrigens die weiten, nur vom Horizont begrenzten Wiesen, auf denen zahlreiche Heerden von Rindern, Schafen und Pferden, theils in zusammenhaltenden Massen, theils einzeln zerstreut weiden. Eine ungeheure Menge von wildem Geflügel belebl dabei jeden andern Platz, und nicht allein Raubvögel, sondern auch wilde Enten, Gänse, Schwäne, Reiher, Flamingos usw. durchziehen die Luft oder stehen in dem Sumpfwasser der Steppe. Die Jagd auf Wasservögel ist hier in der That ungemein ergiebig, und ich habe selbst in Louistana, wo es doch wahrlich Enten und Schnepfen zur Genüge gab, nichts Aehnliches gesehen. Wir gingen nur ein einziges Mal mit den Flinten hinaus, und zwar mehr um die verschiedenen Gattungen Wild zu sehen, als viel davon zu schießen; ich fand aber wirtlich meine kühnsten Erwartungen übertroffen.

Das Wild, das wir in etwa einem halben Tag sahen, waren: Schwäne, Gänse, viele Arten von Enten und Tauchern. Zwei Arten von Flamingos, eine rosenrothe Art, die besonders wunderschön aussah, wenn sie mit ausgebreiteten Flügeln aufstieg, und eine andere, etwas größere mit dunklerem Roth und Schwarz. Unzählige Kibitze, die ebenfalls eßbar sind, hier aber, da man doch genug Geflügel hat, selten erlegt und dadurch fast zahm werden; Wasserschnepfen, Becassinen3 in Völkern von achtzig und neunzig Stück, Strandläufer, eine Art Wassertruthahn, so groß wie ein gewöhnlicher Truthahn, aber nicht genießbar; dann einen andern Vogel von der Größe eines Birkhuhns, auch wohl noch etwas größer, der ein so delicates Fleisch haben soll wie der Fasan; ferner Gott weiß wie viele Gattungen von Raubvögeln, Aasgeiern, Möven und kleinen Eulen, Reihern und Störchen.

Außerdem giebt es hier noch in ungeheurer Menge ein Thier, das sehr große Aehnlichkeit mit dem Hamster hat, in Größe und Lebensart aber fast dem Dachs gleichkommt. Es /45/ lebt in Höhlen, in den Steppen, und kommt gegen Abend in's Freie. Ein junger Bremer, Namens Cäsar, der so freundlich war, mich dort herumzuführen, schoß eins, damit ich es näher beschauen konnte. Wenn man aber darauf ausging, glaub' ich sicher, daß man, besonders in mondhellen Nächten, gerade so viel davon erlegen könnte, wie man Ladungen von Pulver und Schrot bei sich hat. Es giebt Tausende davon in den weiten Wiesen.

Höchst interessant war es mir, auf der Estancia einen Deutschen zu finden, der diese verwaltete, und nicht weit davon entfernt eine eigene zum Grundeigenthum hatte. Zufälliger Weise fand ich in ihm sogar einen Sachsen, Herrn Papsdorf, der mir Manches bestätigte, was ich auf meinem früheren Ausflug in das Land gehört hatte, und noch außerdem manche vortreffliche und nützliche Mittheilungen machte. Er hatte sich übrigens vollkommen naturalisirt und eine Tochter des Landes geheirathet; seine Söhne hingen, in Cheripa und Poncho, wie ächte Gauchos auf den Pferden, und warfen den Lasso so geschickt wie irgend ein anderes der wilden Steppenkinder.

 

Das, was ich durchschnittlich über die Verhältnisse des Landes und besonders dieser Estancias hörte, ist etwa das Folgende.

Das Eigenthum ist jetzt hier, wie mir von allen Seiten unwidersprochen versichert wurde, vollkommen geschützt, und Todesstrafe droht meistens bei fast geringen Uebertretungen den ertappten Verbrechern. Ich würde aber übertreiben, wollte ich sagen, der eigentliche Charakter des Volkes selber sei dadurch ebenfalls vollkommen im Zaum gehalten. Der argentinische Gaucho ist gar geschwind mit seinem Messer bei der Hand, und trotzdem, daß es ihm in der Stadt auf das Strengste verboten ist es zu tragen, fallen doch nur zu häufig noch Mordthaten, selbst in den Straßen, vor. Diese rühren aber fast jedesmal von Streitigkeiten untereinander her, und es soll dann auch, wie das ja ebenfalls an anderen Orten der Fall ist, das schlimmste Volk gerade in der Stadt versammelt sein. Sehr weit im Innern bedrohen allerdings die Indianer nur zu oft einzeln gelegene Estancias, und überfallen /46/ und morden die Bewohner. So weit braucht sich aber auch der deutsche Ansiedler, für den noch Land in Menge in der nächsten Nähe ist, nicht hinaus zu wagen, und in den benachbarten Provinzen hat er dann von den Eingeborenen, den „Pampas-Indianern" nichts zu fürchten.

Sonst aber bietet das Land dem deutschen Auswanderer jeden Vortheil, den ihm nur irgend ein anderer Erdtheil bieten kann. Das Klima läßt kaum etwas zu wünschen übrig; Krankheiten fallen allerdings vor, sollen aber keineswegs bösartiger Natur fein. Der Boden ist, ungleich den meisten Prairien in Nordamerika, in den Pampas fast überall vortrefflich und liefert, selbst mit der ungemein einfachen Bearbeitung, herrliche Ernten. Der Hauptnahrungszweig des Landes ist übrigens, wie auch die Productenausfuhr von Häuten, Fleisch, Talg, Wolle usw. beweist, die Viehzucht, und einen ziemlich deutlichen Begriff von der Menge Vieh, die sich hier befindet, und der Leichtigkeit, mit der es gezogen werden kann, mag eine kurze Uebersicht der verschiedenen Preise hier an Ort und Stelle geben.

Die Preise sind nach spanischen Dollaren gerechnet.

Von Rindern, als dem Hauptnahrungszweig, kostet hier ein geschnittener fetter Ochse von 2 ½ Jahr etwa 2 ½ Dollar. Ein geschnittener fetter Ochse von 3 Jahren etwa 2 ²/³ Dollars. Eine Kuh 2 bis 2 ³/4 Dollars. Eine zahme Milchkuh wird (mit Kalb) bis zu 5 Dollars bezahlt.

Kauft man das Vieh aber in der Heerde, wie es jedesmal beim Beginn einer Ansiedelung geschieht, so bezahlt man es durchschnittlich mit ¾ bis zu 1 Dollar. Man reitet bei einem solchen Kauf einen Theil einer Heerde, je nachdem man nun viel oder wenig Capital daran wenden kann oder will, ab, und zählt dann die also abgeschlossenen Thiere. Kälber werden aber auf diese Art nicht mitgerechnet, sondern dreingegeben.

Von Pferden kostet ein zahmes Reitpferd gewöhnlich 5 bis 5 ½ Dollar, ein noch unzugerittener Wallach aber die Hälfte (Hengste werden höchstens mit einem Dollar bezahlt - eine Stute kostet von ¾ bis 1 Dollar - Stuten werden hier übrigens nie geritten.) /47/

Der Preis der Schafe ist wohl der verschiedenste, denn man hat hier die sogenannten feinen Merinoschafe, die bis zu 6 Dollars das Stück bezahlt werden. . Das betrachten die hiesigen Landwirthe aber als einen enormen Preis, und es müssen dann ganz außergewöhnlich schöne Thiere sein. Im Ganzen ist der Durchschnittspreis für gute Schafe etwa 1/³ Dollar das Stück (also etwa 15 Silbergroschen), kauft man sie aber weit im Lande drin, und zwar die gewöhnlichste, ordinärste Sorte, so bezahlt man sie - in der Heerde - mit 1 ½ bis 2 Pesos (ein Peso hat noch nicht ganz 2 ½ Silbergroschen) das Stück. Schaffelle kosten dann auch das ganze Dutzend nur von 1 bis 2 Dollars. Das Schwein ist noch fast das theuerste Thier hier im Lande und wird mit 5, ein fettes mit bis zu 10 Dollars verkauft.

Der Preis der von den Thieren gewonnenen Häute steht natürlich mit ihnen selber im Verhältniß. Rindshäute kosten die Pasado (35 Pfund) 2 bis 2 1/9 Dollar. Eine Haut wiegt von 26 bis 28 Pfund. (Das hiesige Gewicht ist etwa 8 Procent leichter als das deutsche Zollgewicht.) Pferdehäute kosten von 1 bis 1 Dollar. Der Preis der Wolle ist dagegen verschieden. So wird die Aroba (25 Pfund) von 1 bis 3 ¼ Dollar bezahlt. Gute Merinowolle kostet dagegen oft etwas über 5 Dollars die Aroba. In der That wird hier nicht viel Capital verlangt, einen Anfang zur Viehzucht zu bekommen, da man bei größeren Quantitäten auch selbst noch billiger kaufen kann. So bezahlte zum Beispiel vor nicht langer Zeit ein Ansiedler weiter im Innern des Landes eine Heerde Schafe von 5000 Stück durchschnittlich das Stück mit einem halben Peso, also etwa 11 Pfennigen.

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