Reisen Band 1

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Der Pampero, wie ihn die Seefahrer hier nennen, ist ein ziemlich periodisch wiederkehrender und selbst in seiner Richtung regelmäßiger Sturmwind, der seinen Namen, da er stets aus Westen und Südwest weht, von den weiten Pampas bekommen hat, über die er daherbraust. Gewöhnlich beginnen die ersten Anzeichen mit einem scharfen Nordwind, der mehr und mehr nach Westen herüberzieht. - Kaum ist der Wind ziemlich West, so kommt ein fluthender Regen und in diesem zugleich die erste Bö, das erste Anprallen des Pampero. So rasch und plötzlich setzt aber der wirkliche Pampero ein, und so gewaltig ist er in seiner Kraft, daß schon manches Fahrzeug, dessen Capitain die ersten Anzeichen nicht beachtete oder gar nicht kannte, sämmtliche Stengen über Bord geworfen hat, ehe die oberen Segel geborgen, die unteren gereeft werden konnten, ja wohl auch ganz und gar verloren ging. Hat der Sturm nun von dieser Richtung ausgetobt, so zieht er gewöhnlich mehr nach Süd, Südost, Ost und Nordost herum und weht dann mäßiger. So schnell wendet er aber dabei und ändert seine Richtung, daß er manchmal schon in fünf Minuten vom scharfen Nord zum wüthendsten Südwesten wird und dann allerdings den Schiffen höchst gefährlich werden muß.

Unser späterer Lootse, ein alter Amerikaner, sagte mir, daß er es schon erlebt habe, wie der Pampero auf solche Art dreimal in vierundzwanzig Stunden um den Compaß gewechselt sei. Die See geht nach diesen Stürmen ungemein hoch, und der Aufenthalt in einem kleinen Schooner ist nichts weniger als angenehm; man wird von einer Seite zur andern geworfen, und weder Ruhe noch Rast ist zu finden. Erst am dritten Tag beruhigt sich gewöhnlich das Wasser wieder.

Ein solcher Pampero jagte uns nun am 21., 22. und 23., größtenteils mit dichtgereeften Segeln und nur mittelmäßig unsern Cours verfolgend, auf der See herum. Besonders tröstend war dabei die Aussicht, in ganz kurzer Zeit diesen angenehmen Besuch erneut zu bekommen, da die Pamperos um diese Jahreszeit gewöhnlich mit jedem Mondwechsel, mit Neumond, erstem, letztem Viertel und Vollmond, also den Monat viermal wiederkehren. Am 25. besserte sich der Wind, und am 26. kamen wir in Sicht des nördlichen La Plata-Ufers.

Am 27. waren wir in der Mündung bei der Insel Lobos (Seehundsinsel), die, wie einer meiner alten Lehrer in Leipzig vom Hasen sagte, „ihren Namen wirklich mit Recht führt". Wir sahen Massen von Seehunden in dem jetzt vollkommen ruhigen Wasser, denn der Wind starb bald zu völliger Stille ab, und unser Capitain versicherte mir, er würde das Boot aussetzen, wenn ich einen der Seehunde von Bord aus schießen könne. Um meine gute Büchsflinte nicht auf der See einzuschmutzen und vom Seewasser rosten zu lassen, hatte ich bis dahin meiner Jagdlust Gewalt angethan. Die Gelegenheit war aber zu verlockend - Seehundsjagd im Rio de la Plata und Wild dazu in Masse. Ich lud, und zwei Seehunde, die sich gleich nacheinander auf etwa vierzig Schritt dem Schiff näherten und das rauhe, auf's Aeußerste erstaunte Gesicht über dem Wasser zeigten, büßten ihre Unvorsichtigkeit mit dem Tode. Rasch wurde nun das kleine Boot ausgesetzt, ehe wir aber zu den Erlegten hinkommen konnten, waren sie schon gesunken.

Ich schoß jetzt noch nacheinander sechs Stück, meist in den Kopf, ohne aber im Stande zu sein, auch nur einen einzigen in‘s Boot zu bekommen; den siebenten traf ich endlich, um ihn nicht gleich zu tödten, weil sie dann augenblicklich wegsanken, in den Hals, und als unser Boot, während das verwundete und halbbetäubte Thier auf dem Wasser herumschlug, dicht an ihn hinanglitt, schleuderte der vorn im Bug stehende Matrose die zu diesem Zweck schon bereit gehaltene Harpune auf den Sinkenden. Das war aber gerade so, als ob er das Eisen auf einen Wollsack geworfen hätte. Es ging gar nicht durch die weiche, elastische, aber auch zu zähe Haut, und wäre der tödtlich Getroffene nicht noch einmal selber an die Oberfläche gekommen, wir hätten ihn ebenfalls verloren. So aber erwischte ihn der Steuermann noch /22/ glücklich an einer Flosse und wir holten ihn über Bord. Es war ein tüchtiger Bursche und trug eine vortreffliche Haut.

Den ganzen Nachmittag hatte sich kein Lüftchen geregt; die See, oder hier vielmehr die freilich ganz der See gleichende Mündung des La Plata lag spiegelglatt und unbewegt, und der Himmel sah so rein aus, als ob er im Leben keine Wolke getragen oder je wieder dulden würde. Erst jetzt, als es gegen Abend ging, erhob sich ein leiser, leiser Luftzug. Die Richtung aber, aus der dieser wehte, wie die Art, wie er sich rasch veränderte, gefiel unserem Capitain, der dieses böse Wasser schon lange befahren, so wenig, daß er uns augenblicklich mit dem Sprachrohr zubrüllte, an Bord zu kommen. Wir hatten uns indessen, eifrig mit den Seehunden beschäftigt, den Henker darum gekümmert, wie es sonst um uns aussah. Wenn sich aber auch noch kein gefährliches Anzeichen blicken ließ, wußten wir doch Alle zu gut, wie rasch das auf See eintreten kann, und an Bord ist in solchem Falle auch der Barometer ein vortrefflicher Warner, der schon manches Segel, ja manches ganze Schiff gerettet hat. Ohne also auch weiter nur einen Moment zu säumen, ja ohne nur noch einen Schuß auf hier und da emportauchende Seehunde zu thun, ruderten wir zum Schiff zurück, und kaum dort angelangt, folgte auch schon ein rasch gegebener Befehl nach dem andern. Das Boot wurde zuerst durch sämmtliche Mannschaft an Bord genommen. Der Capitain hatte indessen noch einmal nach dem Barometer gesehen, und die leichteren Segel kamen gleich darauf herunter, das Marssegel wurde gereeft, und wir waren kaum damit fertig, als rasch und drohend von Westen her eine dunkle Wolkenschicht aufstieg. Der Wind fing zugleich ziemlich scharf von Norden zu wehen an.

Besserer Zeichen bedurfte es nicht. Das große Segel wurde jetzt ebenfalls, das Marssegel dicht gereeft, das main-sail ganz fest gemacht, und nun ging der Tanz wieder los. Noch war's nicht dunkel geworden, als sich der Wind nach Nordwest, dann gegen Westen herumschlug, und bald pfiff wieder, von fluthendem Regen begleitet, ein so wüthender Pampero über den weiten Strom dahin, daß der Sturm /23/ durch die Blöcke und Taue heulte, die See, mehr und mehr aufqerüttelt, ihre weißen Kämme in einem wahren Spritzschaum über die Fläche sandte und die kleine Insel, in deren Nähe wir heute herumgeschwommen, schon lange wieder unseren Blicken entschwunden war.

Die ganze Nacht dauerte es so fort; ich wurde zweimal aus der, nur mit einer sehr niedern Schutzwand versehenen Koje geworfen, ja selbst der nächste Tag bot uns wenig Besseres. Der eigentliche Pampero, wie der erste und tollste Ansturm des Wetters genannt wird, hatte sich allerdings in etwas gelegt, aber es wehte doch noch trotzdem ein ganz anständiger Sturm. Unser kleines Fahrzeug arbeitete auf eine verzweifelte Weise in den aufgerüttelten Wogen umher, die den Mitteltheil desselben fortwährend bedeckt hielten, und beim Auf- und Niedersteigen ihre klare, perlende Fluth sogar bis dicht an das ziemlich erhöht liegende Steuer spülten.

Der San-Martin - früher Karl Heinrich und jetzt nur umgetauft, weil er unter argentinischer Flagge fuhr - war, was die Seeleute ein „tüchtiges Seeboot" nennen, und segelte besonders gut. Dies konnte aber natürlich nicht verhindern, daß das kleine Ding von der hochgehenden See auf das Unbarmherzigste umhergeworfen wurde, und wir selber flogen in der Kajüte, wenn man sich nicht wirklich aus Leibeskräften festhielt, bald aus dieser Ecke in jene, mit dem einzigen Vortheil, daß man nie an seine alte Stelle zurückzugehen brauchte, weil uns die nächste Bewegung gewöhnlich schon selber dorthin oder doch in die nächste Nähe zurückbrachte. Beim Essen lag, wie bei allen Schiffen in schlechtem Wetter, ein Gestell von Ouerleisten auf dem Tisch, um die Teller am Hinunterrutschen zu verhindern. Das unsere war gute zwei Zoll hoch, und doch sprangen sie oft darüber hin. Keinen Löffel Suppe konnte man als errungen betrachten, bis er wirklich hinuntergeschluckt war, und wenn man bei Tisch kühn genug sein wollte, mit beiden Händen zu essen, so mußte man sich wenigstens indessen mit den Beinen festhalten. Es war eine traurige Existenz, und der Wind blies uns dabei so in die Zähne, daß wir nicht allein gar keinen Fortgang machen konnten, sondern im Gegentheil wieder weit /24/ zurück und in See hinaus getrieben wurden. Seevögel gab es hier in fast unglaublicher Menge.

Wegen des Krieges zwischen Buenos-Ayres und Montevideo, wobei Rosas die Stadt Montevideo von der Landseite her fest eingeschlossen hielt, konnten diese keine Provisionen und besonders kein Fleisch aus dem innern Lande bekommen, und zahlreiche Fahrzeuge waren beschäftigt gewesen, Rinder von Rio-Grande aus Brasilien nach Montevideo hinaufzuführen. Der San-Martin war ebenfalls früher zu diesem Geschäft verwendet worden, ehe er die argentinische Flagge führte. Diese kleinen Schooner wurden nun nicht selten, von einem tüchtigen Pampero überrascht, genöthigt, ihr Vieh über Bord zu werfen, und da auch selbst auf glücklichen Reisen einzelne Stücke immer daraufgingen, so trieben fast ununterbrochen todte Rinder in der Mündung des Stromes umher. Dadurch aber hatte sich eine wahre Unmasse von Seevögeln hierher gezogen: Albatrosse, Captauben und Gott weiß wie viel verschiedene Arten von großen und kleinen Möven, so daß sie manchmal zu Tausenden über die aufgerüttelten Wogen strichen und das Schiff fortwährend kreischend umzogen.

Am zweiten Tage des Sturms hatten wir ein eigenes Schauspiel, das ich im Leben nicht vergessen werde. Die See ging sehr hoch, der heulende West peitschte noch toll und wild hinein, und das kleine schwergeladene Fahrzeug - Capitain Hauschild kam mit Salz von den Capverdischen Inseln - ächzte und arbeitete mühselig gegen die immer neu herandrängenden Wassermassen an, als der Ruf eines vorn auf der Back stehenden Matrosen unsere Aufmerksamkeit dorthin lenkte. Der Mann sah leichenblaß aus und deutete nach vorn, vor dem Bug aber schwamm auf den Wogen ein großes hölzernes Kreuz, das die erregte Fluth irgendwo vom Lande mußte losgerissen haben, und gerade jetzt hob es die andrängende Welle aufrecht empor, daß es fast senkrecht gerade vor dem Bug des Schiffes stand - im nächsten Augenblick verschwand es, die Fluth trug es unter oder neben uns hin, ohne daß wir es bemerkten, und wenige Secunden später stieg cs dicht hinter uns wieder aufrecht in derselben Art empor. /25/ Wer abergläubisch gewesen wäre, hätte das allerdings gar leicht für ein böses Omen halten können, und überdies ist der La Plata, mit seinen flachen Ufern und gefährlichen Sandbänken, ein gar böses Wasser, das schon mancher armen Schiffsmannschaft das Leben gekostet hat. Wir kümmerten uns aber wenig um das Omen, denn eben wurde die Leber des später ausgeschlachteten Seehunds aufgetragen, und das frische Fleisch roch zu einladend, um nicht alle anderen, noch dazu trüben Gedanken zu verscheuchen.

 

Am dritten Tag legte sich der Sturm zwar, der Wind drehte aber, statt nach dem Süden herumzugehen, wie er das nach einem Pampero fast jedesmal thut, nach Norden herum, und faßte uns da in eine nördlich durch Land abgegrenzte Bai, aus der wir, gegen Wind und Strömung an, mehrere Tage gar nicht herauskreuzen konnten. Endlich, am sechzehnten Tag unserer Abfahrt von Rio de Janeiro, erreichten wir die am rechten Ufer gelegene punta del lndio, der gerade gegenüber ein Leuchtschiff ankert, das auch zugleich Lootsen für die einlaufenden Schiffe an Bord hat. Hier bekamen wir ebenfalls einen Lootsen, einen alten Amerikaner, der seiner Aussage nach den Fluß auf das Genaueste kannte und uns bald nach Buenos-Ayres zu führen versprach.

Das zu unterstützen, bekamen wir noch an demselben Nachmittag einen tüchtigen Südoster, und liefen nun von einer herrlichen Brise den jetzt schon gelb und trüb' werdenden breiten Strom hinauf.

Wie schon gesagt, ist der La Plata einer der am schlimmsten zu befahrenden Ströme der Welt. Nirgends bietet sich dem Schiffer eine Landmarke, sein Fahrzeug danach zu steuern, die Strömung ist, der Breite und der vielen Untiefen des Stromes wegen, ebenfalls unbestimmt, aber nichtsdestoweniger stark, und die einzig mögliche Art das Schiff zu führen, mit dem Loth oder Senkblei. Ununterbrochen steht denn auch, von dort an wo die eigentlichen Sandbänke beginnen, ein Mann außen von der Schanzkleidung, der sich erst durch ein festgeschlagenes Tau vor dem Wegfallen gesichert hat, und wirft das Loth oft Einer an jeder Seite - und danach steuert der Lootse, der den Grund hier sehr genau kennen /26/ muß, das Schiff. Solcher Art liefen wir die ganze Nacht durch, und in der Dunkelheit war es gerade kein angenehmes Gefühl, rechts und links Bänke zu wissen, die, nur bei der geringsten Fahrlässigkeit, Schiff und Mannschaft zu Grunde richten konnten. An den allen gingen wir aber rasch und sicher vorüber, und Morgens um zwei Uhr rollte auf der Außenrhede von Buenos-Ayres unser Anker in die Tiefe.

3.

Buenos-Ayres und seine Umgebung.

Die Rhede von Buenos-Ayres ist nichts weniger als günstig gelegen, denn auf der innern können nur kleine Fahrzeuge, die nicht tiefer als acht Fuß gehen, ankern, während die äußere wenigstens vier englische Meilen vom Land entfernt liegt und bei einem starken Südoster - wie wir ihn gerade unglücklicher Weise hatten - die Fahrzeuge fast eben so gut in offener See bleiben könnten. Eine andere Unannehmlichkeit ist die, daß bei einem solchen Wind die See ebenfalls gegen das flache felsige Ufer steht, und durch ihr Branden den Booten großentheils das Landen unmöglich macht - ja zu nur etwas tiefgehenden Booten müssen selbst bei ruhigem Wetter besonders dazu gehaltene Karren hinausfahren, Mannschaft oder Ladung in Empfang zu nehmen.

Einen vollen Tag lagen wir solcher Art auf der Rhede mit der Stadt in der Ferne vor uns, ohne an Land zu können, und am zweiten Tag wehte es noch eben so stark; wir forcirten aber die Anfahrt und gelangten glücklich, von Spritzwellen nur wenig durchnäßt, an Land.

Hast Du Dich, lieber Leser, wohl schon einmal recht lebhaft in die Märchen von Tausend und eine Nacht hinein versetzt, wo ganz plötzlich und unerwartet auf ein einfaches /27/ in die Händeschlagen oder ein anderes höchst unschuldiges Zeichen die wunderlichsten Gestalten und Landschaften aus dem Boden heraufsteigen und den Beschauer überraschen? Hast Du das, so wirst Du Dir einen ungefähren Begriff von dem Eindruck machen können, den meine Umgebung, die eben so schnell um mich her aufstieg, auf mich hervorbrachte. Die Aussicht auf die Stadt war mir bis dahin nämlich, da ich hinten im Boot gesessen und wir gerade vor dem Wind der Küste entgegen liefen, ganz durch das breite aufgespannte Segel entzogen worden, und jetzt als dieses siel, war es als ob ein Vorhang niedergerollt wäre, um mich mit vorher sorgfältig berechnetem Effect zu überraschen.

Vor mir lag, von der Brandung bespült, die schäumend über lose hingestreute flache Felsblöcke hinwegsprang und sprudelte, der Landungsplatz von Buenos-Ayres, und das Ufer wimmelte von abenteuerlichen, phantastischen Gestalten. Finstere, scharfgezeichnete und sonngebräunte Gesichter starrten überall unter schwarzen Hüten und rothen Mützen auf uns hin, und wohin auch das Auge fiel, begegnete ihm grelle, bunte, meist aber zinnoberrothe Farbe. Die Tracht der Männer erhöhte dabei das Pittoreske der Farben. Den Kopf bedeckt meistens eine rothe, stets keck auf einer Seite getragene Mütze. Der Poncho oder Mantel (ein viereckiges Stück Zeug, durch dessen aufgeschlitzte Mitte der Kopf gesteckt wird) fällt in malerischen Falten um den Körper nieder, und ist nur gewöhnlich über dem rechten Arm durch einen Knopf oder Haken in die Höhe gehalten, um jenem freie Bewegung zu gestatten. Die Beine stecken darunter in weißen langbefranzten Unterhosen, zwischen denen wieder ein buntfarbiges Tuch um die Lenden gegürtet ist, die Füße meistens in ungegerbten Kuh- oder Pferdebeinhäuten, auf deren Zubereitung ich später zurückkommen werde. So ausstaffirt hängt der „Gaucho" auf seinem Pferde, und die beiden vorn aus dem Hautstiefel schauenden Zehen in den kleinen schmalen Steigbügel gestützt, die Linke träge auf den hinten im Sattel befestigten Lasso gestemmt, schaut er mit den scharfen dunkeln Augen mürrisch auf den "Fremden" hin, wirft sich dann im Sattel herum und sprengt im gestreckten Galopp das Ufer entlang. /25/

Doch von diesem wird der Blick gar bald zu dem übrigen Treiben der lebendigen Stadt gezogen. Unzählige Boote schießen unter schwellenden Segeln vom Lande, oder zwischen den dort vor Anker liegenden kleinen Fahrzeugen hin; großmächtige zweirädrige Karren fahren überall in dem seichten Userwasser herum, um Ladung und Mannschaft aus den Fahrzeugen zu nehmen, die zu tief im Wasser gehen, besonders bei der unruhigen See bis dicht an's Trockne zu laufen. Hier treibt ein brauner, mit zerrissenem Poncho bedeckter Junge eine Heerde rauh genug aussehender Ponies in den Strom und gerade vor die bald mitten zwischen ihnen hinschießenden Boote hinein, daß die Thiere oft dem rasch dahergleitenden Bug gar nicht mehr so schnell ausweichen können und nicht selten durch die Wucht des Fahrzeugs umgeworfen werden. Dort stolziren eine Anzahl der wildest und wunderlichst aussehenden Soldaten, die mir in meinem ganzen Leben noch vorgekommen find, ziemlich lässig vor dem Gebäude des Hafencapitains herum. Gleich daneben singt und jubelt eine Anzahl betrunkener Matrosen, die jenes Kriegsschiff da draußen, von dessen Heck der Pennant flattert, schon vor vier Tagen an Land gelassen hatte, und jetzt trotz den wiederholten Bitten und Drohungen der Officiere noch nicht wieder an Bord bekommen konnte. Kurz, Menschen und Wogen drängen und treiben durcheinander hin, und das Auge wird nicht satt, die neuen Bilder in sich aufzunehmen.

Kaum weniger interessant ist dabei die wenn auch nicht an Naturschönheiten, doch sonst an manchen Eigenthümlichkeiten reiche Scenerie. Das Land, wie überhaupt das ganze Ufer des La Plata, von der Mündung bis hierher, ist flach und bietet nur wenige Hügel, ja selbst höchst spärlichen Baumwuchs; die Bauart der Stadt aber, die niedrigen Häuser und flachen Dächer, die vergitterten Fenster und das düstere Roth der Backsteine, giebt dem ganzen Platz einen so besondern Anstrich, daß man den ersten Eindruck dieser zusammengedrängten Häusermassen wohl schwerlich vergessen wird.

Aber auch oben an der Landung haben die nach europäischem Geschmack gekleideten Männer eine Auszeichnung, die besonders dem Fremden rasch in's Auge fällt und seine ganze /29/ Aufmerksamkeit erregt. Die grellrothe Farbe spielte damals selbst in ihrem Anzug eine bedeutende Rolle und diente dazu, sie als Bürger der Argentinischen Republik zu bezeichnen. Die Bürger der Republik mußten nämlich den vom Gouverneur Rosas gegebenen Gesetzen nach eine grellrothe Weste - deren Stoff jedoch in ihrem Belieben stand -, ein rothes Band um den Hut, und in einem Knopfloch ein langes Band von eben der Farbe tragen, auf dem die Devise der Republik: „Viva la confederacion Argentina – meuran los salvajes; asquerosos immundus Unitaries!“1 mit schwarzen Buchstaben gedruckt stand. Diese Devise fand sich überall; kein Document wurde ausgestellt, auf dem sie nicht den Anfang machte, kein Paß ohne sie visirt, keine Zeitungsannonce fast ohne sie eingerückt, so daß sie in jedem Blatt unzählige Male vorkam. Auf den Aushängeschildern fand man sie, selbst über dem Theater, und überhaupt an jedem Ort wo ein öffentlicher Anschlag, eine öffentliche Anzeige oder Überschrift angeschlagen, gemalt oder geschrieben war. Sogar der Nachtwächter rief sie Nachts in den Straßen, auf jeder Briefadresse mußte sie stehen.

Gouverneur Rosas schien gerade der Mann zu sein, das kräftige, wilde und auch wohl blutdürstige Volk der Gauchos - selber ein Gaucho aus ihrer Mitte, mit allen Tugenden und Lastern - im Zaum zu halten. Er hatte steh als Gouverneur der Republik, trotz allen Intriguen und offenen Angriffen der Gegner, bis jetzt zu behaupten gewuß, er hatte die Indianer schon mehrmals gezüchtigt und in ihre Grenzen zurückgetrieben, und dem Land wie dessen Verkehr mehr Sicherheit gegeben, als es je früher, so viel ich darüber hören konnte, gehabt. Dabei war endlich, nach langem Streit, ein sechsmonatlicher Waffenstillstand mit Montevideo geschlossen, der wohl, wie man hier hoffte und wünschte, in einem gütigen Ausgleich endigen würde.2 Das Letzte /30/ wäre dann gehoben gewesen, was dem Lande seine bis jetzt überdies schon so spärlichen Bewohner so gänzlich entzog, daß an manchen Stellen die Estancias von ihren Insassen total entblößt wurden, daß die Gebäude zerfielen und das Vieh sich in alle Welt zerstreute. Wenn dann noch eine tüchtige Einwanderung (die schon jetzt von den benachbarten Staaten, besonders von Rio Grande und Montevideo, begonnen hat) den Eingeborenen zu Hülfe kommt, so kann und muß sich das Land in seinen Erzeugnissen von Jahr zu Jahr bessern, und man darf ihm wohl eine glückliche Zukunft vorherkünden.

Was sein Klima betrifft, so ist schon der Name Buenos-Ayres (gesunde Luft) eine Art Bürgschaft dafür. Die Stadt selber ist keineswegs unbedeutend, denn sie zählt über 80,000 Einwohner, und die Gebäude sind, wenn auch niedrig, doch gänzlich aus Stein aufgeführt, so daß Feuersbrünste nur höchst selten vorkommen.

Die Kirchen, von denen es eine große Anzahl zu geben scheint, verleihen mit ihren gewölbten Kuppeln der Residenz ein fast morgenländisches Ansehen, dem die sonngebräunten Gestalten der Bewohner auch keineswegs widersprechen. Aber die raschen, lebendigen Bewegungen dieses centaurenartigen Volkes passen nicht zu dem Bilde, das wir uns gewöhnlich von den stillen, ernsten Söhnen Muhamed's machen, und die Kreuze der Kirchen predigen den „rechten Glauben".

Ich habe meinem Tagebuch hier etwas vorgegriffen, denn der Leser kann sich wohl denken, daß ich das nicht Alles gleich auf den ersten Blick übersah. Für die ersten Tage, die ich in Buenos-Ayres verbrachte, bleibt mir aber auch nur sehr wenig zu erzählen, denn meine Beschäftigung beschränkte sich großentheils darauf, zuerst ein Unterkommen zu suchen, und dann herumzuhören was die Leute hier über meine Absicht, quer durch's Land hin nach Valparaiso zu, sagen würden. /31/

Das erste hatte weiter keine Schwierigkeit, denn ich fand in einem englischen Haus, in welchem sich gewöhnlich deutsche und dänische Capitaine - und von beiden Nationen befanden sich gerade eine ziemlich bedeutende Anzahl in Buenos-Ayres - einquartierten, zu einem mäßigen Preis Bett und Kost. Desto trübseliger sah es aber mit dem andern aus. Die Leute, die ich frug, ob ich die Reise jetzt durch die Pampas unternehmen könnte, sagten einfach nein, es wäre nicht möglich: - Die Pampasindianer hätten sich gerade in diesem Augenblick wieder gegen Rosas empört, und durchstreiften die Steppen nach allen Richtungen in Banden von zweihundert bis dreihundert Manu. - Würde ich von ihnen erreicht, und das sei, wie die Sachen jetzt stunden, kaum anders möglich, so hätte ich auf kein Erbarmen zu rechnen. Es sei festes Gesetz bei ihnen, die jungen Frauen und Mädchen mitzuschleppen und den Männern einfach die Hälse abzuschneiden. Käme ich aber auch wirklich nach Mendoza, wozu sie aber nicht einmal die Möglichkeit sähen, so müßte ich dann dort jedenfalls liegen bleiben, da ich die Kordilleren gerade mitten im Winter, im Juli, erreichte und diese durch Schnee um solche Jahreszeit stets geschlossen fände. - Ein Versuch dort hinüber zu gehen wäre einfacher Wahnsinn, und ich solle lieber sehen, daß ich - wenn ich doch nun einmal nach Valparaiso müßte, Passage auf einem der gerade in dieser Zeit abgehenden Schiffe fände. Um mäßigen Passagepreis.--

 

Hätten mir das nur zwei, oder zehn, oder zwanzig Leute gesagt, so wäre noch der Trost dabei gewesen, daß Andere auch eine andere Meinung über die Sache hätten. So aber waren, wunderbarer Weise, Alle gerade in dieser Sache einig, und ich fing in der That schon an zu glauben, ich hätte irgend ein wahnsinniges Unternehmen vor, von dem ich doch am Ende, wenn ich mir nicht mnthwillig wollte den Hals abschneiden lassen, abstehen mußte.

Der amerikanische Konsul, ein Mr. J. Graham von Ohio, der mir überhaupt mit wirklicher Zeitopferung die größten Gefäligkeiten erwies, gab sich selber alle Mühe, etwas Gewisses oder vielmehr Tröstlicheres über die Reise zu erfahren, /32/ denn ich hatte ihm gesagt, ich verlange weiter nichts als nur einen Menschen in der ganzen Stadt zu finden, der mir zugestehe, daß die Tour eben möglich wäre. Endlich trieben wir einen alten Spanier - ich habe seinen Namen vergessen - auf, der längere Zeit in Mendoza selber gewohnt hatte, und dieser, der auf die erste Anfrage hin ebenfalls nein antwortete, meinte endlich achselzuckend, möglich sei es allerdings, aber ich müßte viel Glück haben. - Viel Glück hatt' ich, also war die Sache abgemacht.

Damit im Reinen, schien es als ob mir ein ordentlicher Stein vom Herzen gefallen wäre, und ich konnte mich nun in voller Ruhe all' den fremden wunderlichen Eindrücken hingeben, die diese fremde und wunderliche Umgebung auf mich machte. Was ich jetzt auch noch gegen die Reise selber hörte, betrachtete ich vom richtigen Gesichtspunkt aus und ließ die Leute eben reden.

Vor allen Dingen beschäftigte ich mich nun damit, meine kurze Zeit in Buenos-Ayres auch so gut als möglich anzuwenden und, so viel ich konnte, über die Verhältnisse der Deutschen dort, oder überhaupt der Fremden, in Bezug der Auswanderung zu hören. Im Auftrag hierzu von unserem früheren deutschen Reichsministerium (wenn die Deutschen doch wenigstens nie vergessen wollten, daß sie einmal ein R e i ch s-Ministerium hatten) suchte ich auch direct vom Präsidenten der Republik zu erfahren, inwieweit er deutsche Einwanderung begünstigen würde, und machte mehrere kleine Streifzüge in die nächste Nähe der Stadt, die dortigen Estancias und Anpflanzungen selber zu sehen, wie etwas Näheres über ihre Bearbeitung und ihren Fortgang zu hören. Ehe ich jedoch dazu übergehe, will ich mich in ein paar Worten noch mit der Stadt selber beschäftigen.

Buenos-Ayres ist eine längs dem Fluß in regelmäßigen Blöcken und breiten Straßen vortrefflich angelegte Stadt, die einen sehr bedeutenden Flächenraum einnimmt, und eine doppelt so große Zahl von Einwohnern in sich fassen könnte, wäre nicht die weitläufige spanische Bauart mit den niederen Gebäuden und luftigen Hofräumen mehr auf das warme Klima als darauf berechnet, eine Masse von Seelen, oder vielmehr /33/ Körpern, in einen möglichst kleinen Raum zusammenzudrängen. Die Tracht der Einwohner ist eine wunderliche Mischung von Französisch, Spanisch und Indianisch. - Die gebildetere Klasse, wie die Fremden, tragen die französische Tracht - Frack, Oberrock, lange Beinkleider und schwarzen Hut - die Argentinier nur eben mit dem patriotischen Zusatz der rothen Weste und dem rothen Hutband, dennoch aber, und besonders beim Reiten, auch dem des Poncho. Da ich diesen Poncho aber bei einem längeren Aufenthalt in Südamerika wohl ziemlich häufig erwähnen werde, ist es vielleicht besser, ihn hier gleich so kurz, aber auch so genau als möglich zu beschreiben.

Der Poncho ist aus den verschiedenartigsten Stoffen - von der feinsten Weberei nieder bis zu der gewöhnlichsten wollenen Decke hinunter, verfertigt, ein länglich viereckiges Stück Zeug, mit einem Schlitz in der Mitte, gerade groß genug, den Kopf hindurch zu lassen. Er hängt in Falten über die Schulter hinunter, wird aber beim Reiten, besonders wenn der Reitende seinen Lasso zum Gebrauch fertig hält, aus der rechten Schulter in die Höhe genommen und fest- geknöpft, um den rechten Arm frei zu lassen.

Der Gaucho und Peon oder Diener, selbst die meisten Abtheilungen der Soldaten, wenigstens die ganze Cavallerie, tragen diesen Poncho, und darunter, statt der Hosen, die sogenannte cheripa, ein dem Poncho ähnliches Stück Tuch, das hinten am Gürtel befestigt ist, und zwischen den Knieen durch vorn zum Gürtel heraufgezogen und dort eingesteckt wird.

Die Füße der unteren Klassen, natürlich nur die der Männer, stecken in Stücken ungegerbter Haut, die sie den Beinen junger Pferde und Rinder nur eben abgestreift haben, um sie auf die eigenen Füße zu ziehen. Die Haare werden mit ihren scharfen Messern herunterrasirt und das Fell dann durch Oel geschmeidig erhalten.

Die Tracht der Frauen ist meist spanisch, wenigstens giebt ihnen die Mantille ein solches Aussehen, obgleich die Damen der argentinischen Residenz selbst den Französinnen nicht in geschmackvoller Toilette nachstehen würden. /34/

Merkwürdig für den Fremden, und für mich besonders ungemein interessant, ist das Leben und Treiben in den Straßen selber. Die wilden Gestalten der Gauchos mit ihren flatternden Ponchos und Kopftüchern - die großen, unbehülflichen Wagen, die, von Ochsen gezogen, mit ihren zwei riesigen, oft zehn Fuß hohen, Riemen umwickelten Rädern durch die Stadt rollen - die Gauchojungen, die Morgens mit ihren zwei Milchblechen auf dem Pferd, das eine nackte Bein herunterhängend, das andere auf den Sattel gezogen, zu Markt kommen - die zerlumpten Soldaten, die vor den öffentlichen Gebäuden Wache stehen - die vorherrschend grell¬rothe Farbe der ganzen Bevölkerung - die langen, freilich verbotenen Messer in den Gürteln - die niederen Häuser dabei und vergitterten Fenster, das Alles glitt mir oft wie die wunderlichen Bilder einer Laterna magica vor den Augen vorüber, und ich freute mich dann wohl im Stillen, daß ich da wirklich mitten drin sitze in all' dem Schaffen und Treiben, und jetzt so recht hineinstürmen dürfe in das freie, fröhliche Leben.

Was nun die Vergnügungen der Stadt betrifft, so bin ich freilich nicht im Stande, viel darüber zu sagen. - Meine Zeit war mir dort viel zu knapp zugemessen, mich diesem überlassen zu dürfen, und nur einer Beschreibung nach kann man in solche eben nicht genug eingeweiht werden, um dem Leser wieder einen deutlichen Begriff zurückgeben zu können. Das Wenige, was ich aber darüber weiß, soll ihm nicht vorenthalten bleiben.

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