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Der Tee der drei alten Damen

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3



In der Mittagsstunde, bei Fräulein Sorel, der Dichterin, gelang es Natascha, ihrem jungen Freunde Jakob zuzuflüstern:



»In einer halben Stunde am Cours de Rive.« Jakob nickte und freute sich, eine Stunde Physik und eine Stunde Geschichte seiner ersten Liebe zu opfern. (Ich weiß, es gibt in der Liebe größere Opfer, aber diese kommen erst später.)



Sie nahmen das Tram bis Jussy. Aber sie umgingen dann das berühmte Wirtshaus, in welchem Madge mit Thévenoz zu Nacht gegessen hatte, nahmen einen Feldweg, der sie in die Wälder führte, die Laubwälder, die sich ausdehnen, weit und flach, bis zur savoyischen Grenze. Besonders in der Woche werden diese Wälder wenig von störenden Menschen heimgesucht. In einer Lichtung lagerten sie sich, durch die Stämme war der Jura zu sehen, mäßig gezackt, wie ein abgesplittertes Stück Rauchglas. Wie winzige Flugzeuge ratterten schwarze Heuschrecken über die Grashalme, hatten plötzlich rote Tragflächen und die Mücken spannen seltsame Tongewebe; Natascha zog sich hinter einem Busch aus, trat hervor, in einem Badeanzug. Ihr Körper war dunkelbraun.



Als Jakob gestand, er trage auch immer eine Badehose in der Tasche, wurde er gelobt und aufgefordert, sich auch von der Sonne bescheinen zu lassen. Die Sonne scheine nämlich auch für kleine Bürger, wie er einer sei. Aber dann schämte sich Jakob, denn er kam sich lächerlich vor, viel zu knochig, er ärgerte sich über seine dünnen Waden und bedauerte innerlich, in der letzten Zeit zu wenig geturnt zu haben.



»Wie ein Knochengerüst seh ich aus«, klagte er, »und du wirst dich sicher über mich lustig machen.«



Und er versuchte zaghaft, Nataschas runde Schulter zu streicheln. Die Haut war, trotz ihrer Bräune, sehr kühl. Natascha rückte nicht weg. Aber sie blickte ernst und ein wenig traurig in den Himmel, der aus einem sehr zarten blauen Stoff war.



»Wir müssen vernünftig sein, kleiner Junge«, sagte sie, »wir haben viel zu besprechen, und du mußt mir helfen. Dein Bruder ist doch Advokat?«



Helfen zu müssen, schien Jakob sehr schön, er stützte den langen Schädel (und die Haare darauf ringelten sich feucht) auf die geballten Fäuste und blickte aufmerksam auf zu der Frau. Natascha erzählte, zuerst in den Himmel hinein, dann drehte sie sich auf die Seite, es war, als würden ihre Blicke angezogen von den aufmerksam auf sie gerichteten Augen. Und so kam es, daß gerade derjenige, der für die geheimnisvollen Vorgänge der letzten Wochen das geringste Interesse besaß, zuerst einen Teil der Wahrheit erfuhr.



»Weißt du«, begann Natascha, »ich bin gar nicht Sekretärin bei der russischen Delegation, sondern eine Agentin, eine Spionin.«



Jakob Rosenstock verzog das Gesicht; die Tatsache, daß seine Freundin eine Spionin war, paßte nicht in sein Weltbild: das war augenblicklich begrenzt von den Versen einiger Dichter vom Ende des vorigen Jahrhunderts, und in diesen Versen war eine gläserne Wirklichkeit aufgebaut worden, in der nackte Tatsachen, politische, materialistische, keinen Platz finden konnten. Aber schließlich war Natascha kein ätherisches Wesen, keine ferne Prinzessin, und Jakob liebte an ihr vielleicht gerade das, was ihn hätte stören sollen: das Robuste, das Robbenhafte. Darum war eigentlich gar nichts zu verzeihen. Sie war eine Spionin, nun gut, es schmeckte nach Hintertreppenroman, aber eigentlich nur das Wort, denn die Frau, diese Natascha, war ein einfacher Mensch, vielleicht hatte sie ihren Beruf aus Idealismus ergriffen. Und der politische Idealismus hat mit dem ästhetischen doch vieles gemein. Vor allem wohl den Aufenthalt in einer selbsterbauten, unsicheren Welt.



Übrigens war es schön in der Sonne, das Gras war trocken, es roch nach zerriebenen Minzenblättern, Ameisen und Käfer trieben auf den Gliedern der beiden Liegenden geologische Studien. Man wußte, in der Ferne war der See, es war schön, sich nach seiner Kühle zu sehnen. Irgendwo gab es auch noch eine Stadt, mit einer Schule darin, an der man eine Prüfung bestehen sollte, aber das war nicht wichtig, und diese Tatsache vergaß man besser. Jakob nahm Nataschas Hand, legte seine Wange darauf und sagte still und ergeben:



»Also, du bist eine Spionin? Wenn schon.«



»Und ich arbeite«, fuhr Natascha fort, »mit einem Agenten zusammen, dessen Namen nichts zur Sache tut.«



»Schon lange?«



»Es werden bald vier Jahre sein.«



»Dann bist du natürlich seine Geliebte«, stellte Jakob ruhig fest, aber diese Ruhe war doch nur scheinbar. Es tat ganz abscheulich weh, in der Magengrube, und in seine Augen traten Tränen, so, als hätte er an einer Ammoniakflasche gerochen.



Zuerst wollte Natascha lachen, unterließ es dann aber. Sie hob langsam die Hand, auf der Jakobs Wange lag, und damit seinen Kopf, küßte des Jungen Augen und ließ den Kopf sanft auf ihre Brust sinken. Jakob fand, es liege sich da sehr weich, er streckte sich und seufzte befriedigt, etwa wie der Airedale Ronny, wenn er einmal ausnahmsweise auf dem sonst verbotenen Sofa liegen durfte. Jakob mußte lächeln, denn es war lustig, Natascha weiter sprechen zu hören. Es dröhnte dann so merkwürdig, tief innen in ihrer Brust, und durch das andere Ohr vernahm er ihre Stimme, sehr weit, als würde sie als Echo vom hohen Himmel zurückgeworfen.



»Dummer, kleiner Junge«, sagte Natascha, »wenn du den Mann kennen würdest, würdest du nicht so dumm fragen. Ich bin seine Sekretärin und… weißt du, er ist dick und schon ein wenig alt… Aber das ist Nebensache. Ich wollte von etwas anderem sprechen. Du kennst doch den alten Professor? Du hast mir doch einmal erzählt, daß du die Schule geschwänzt hast, um in seine Vorlesungen zu gehen.«



»Professor Dominicé?« fragte Jakob, hob den Kopf, ganz hell wach, aber er wurde schnell wieder in seine ursprüngliche Stellung zurückgedrückt. »Was ist's mit dem Professor? Wladimir, mein Bruder, hat so dunkle Andeutungen gemacht, der Professor sei in einer schwierigen Situation. Was ist's, weißt du etwas?«



»Hast du den Professor gern?« wollte Natascha wissen.



»Außer meinen beiden Brüdern ist er der einzige intelligente Mensch, der in der Stadt Genf herumläuft«, sagte Jakob überzeugt. »Ich meine unter den Männern. Du bist auch nicht dumm.«



»Danke«, sagte Natascha. »Aber wir können uns später Komplimente machen. Nun, dein Professor ist in Gefahr, und daß er in Gefahr ist, daran bin auch ich nicht ganz unschuldig. Das ist aber so gekommen. Als wir nach Genf kamen (und wir kamen zu einem ganz bestimmten Zweck) mußten wir zuerst einen englischen Diplomaten beobachten, der mit einem indischen Staat in Verbindung stand. Dieser hatte einen Privatsekretär, und an diesen Sekretär sollte ich mich heranmachen. Aber das gelang nicht, der Sekretär war anders als du, ich interessierte ihn nicht. Da bemerkte mein Mitarbeiter, daß dieser Sekretär, Crawley hieß er, und von seinem Tode hast du ja gehört, daß dieser Crawley mit deinem Professor eng befreundet war. Nun versuchten wir, Näheres über den Professor zu erfahren. Er ging oft zu einem Apotheker und von diesem Apotheker hatten wir schon in Paris gehört. Er war bekannt als Lieferant von Rauschgiften. Mein Mitarbeiter ist auch mit der sogenannten Unterwelt in Verbindung, er ließ sich an den Apotheker empfehlen, und durch Zufall traf es sich, daß ein Bekannter ihn persönlich bei diesem Apotheker einführen konnte. Und gerade an dem Abend, an dem mein Kollege bei diesem Apotheker war, wurde auf den alten Mann ein Überfall versucht, mein Mitarbeiter (übrigens heißt er Baranoff) konnte bei der Abwehr helfen und zum Dank erzählte ihm der Apotheker verschiedenes. Das war merkwürdig, denn dieser Eltester war als verschwiegen bekannt. Aber durch Eltester erfuhr Baranoff, daß dein Professor sich mit Giften abgebe, daß er Morphinist sei, daß er sich viel mit okkulten Phänomenen beschäftige. Und dann sei da noch etwas… Aber da wollte der Apotheker nicht weitersprechen, wir haben dann nur noch später aus Andeutungen erfahren, daß es hier in Genf eine Art geheimen Ordens gebe, das hat uns nicht weiter interessiert – die Nichtstuer des kapitalistischen Regimes müssen doch irgendeinen Zeitvertreib haben. Aber die Erzählungen des Apothekers, zusammen mit anderen Mitteilungen, die Baranoff erhielt, nämlich, daß der Professor Schulden habe, genügte uns, um den Professor in der Hand zu haben. Nun begann Baranoff die Vorlesungen des Professors zu besuchen, machte sich an ihn heran, lud ihn einmal zum Abendessen ein, stellte sich als ein Korrespondent der ›Prawda‹ vor, der über das Laboratorium des Professors einen Artikel zu schreiben gedenke, erzählte viel von Rußland, lud den Professor ein, am dortigen psychologischen Forschungsinstitut einen Vortrag zu halten. Dominicé ging aus seiner Reserve heraus. Baranoff wurde eingeladen, ihn einmal besuchen zu kommen. Und Baranoff ging hin, nahm mich mit.«



Natascha schwieg eine Weile. Sie hatte mit einer neutralen Stimme gesprochen. Während des Schweigens wälzte sich Jakob zur Seite, er stützte den Kopf in die Hand und betrachtete seine Freundin wie einen fremden Menschen.



»Für den alten Mann ist dies ein böser Abend gewesen. Und ich muß gestehen, daß er mir leid getan hat. Aber was soll ich mit Mitleid anfangen, wenn das Schicksal eines ganzen Landes auf dem Spiele steht? Wir hatten erfahren, daß der englische Diplomat, der hier die Interessen eines indischen Randstaates vertritt, irgend etwas gegen uns plante, und wir wußten nicht genau, was es war. Er hatte Besprechungen mit den Vertretern von Buchara und Turkestan, es ging gegen uns, das war alles, was wir wußten. Wir mußten irgendwie an Crawley herankommen. Nun gingen wir also zum Professor, ich wurde als Sekretärin vorgestellt.«



Jakob gähnte. Die Blätter über seinem Kopf waren grün-durchscheinend, wie fein ausgewalzte Goldplättchen. »Muß ich soviel Politik lernen?« fragte er faul. »Es wäre doch viel schöner, hier zu liegen und an nichts zu denken. Aber du verlangst, daß ich mir den Kopf über deine rätselhaften Geschichten zerbreche. Denn ich sehe noch gar nicht ein, wie ich dir helfen soll. Kannst du nicht einfach sagen: tu dies, tu das. Oder willst du nicht lieber mit meinem Bruder, dem Advokaten, sprechen? Der weiß in solchen Dingen viel besser Bescheid.«

 



»Das geht nicht. Manchmal wirst du alleine entscheiden müssen, und dann kann ich nicht immer hinter dir her sein, wie dein Kindermädchen.«



»Natascha«, seufzte Jakob, »du wirst mich hoffnungslos kompromittieren. Mein Bruder Isaak ist ein guter Mann, aber wenn er erfährt, daß ich mich mit kommunistischen Agenten herumtreibe, wird er mich aus dem Haus jagen. Nun, das ist ja gleich. Du nimmst mich dann nach Rußland mit und wir heiraten. Vielleicht hast du mich dann bekehrt.«



Aber Natascha lachte nicht. »Was willst du in Rußland machen? Alles, was du bis jetzt gelernt hast, wird dir gar nichts nützen. Auch die Sprache kennst du nicht. Vielleicht wäre es doch eine Rettung für dich. Du würdest wenigstens nicht hier in aller Bequemlichkeit verfaulen, ohne Ziel und Zweck.«



Jakob schien aufzuwachen. »Ja, ein Ziel«, seufzte er, und seine Stirnhaut war dabei komisch gewellt. »Erzähl weiter, Natascha.«



»Du bringst mich ganz durcheinander. Also, vor zwei Monaten, an einem Abend, haben wir beide den Professor besucht. Er empfing uns sehr freundlich, seine Haushälterin, diese Jane Pochon, brachte Tee und Rum und kleine Schokoladenkuchen, dann ging sie wieder hinaus und wir blieben allein. Übrigens, die Haushälterin kannten wir schon, wir hatten uns an einen ihrer Mieter herangemacht, einen gewissen Nydecker, und auf den waren wir auch durch den Apotheker gekommen.«



Natascha schwieg wieder. Es schien Jakob fast, als enthalte dieses Schweigen ein wenig Verlegenheit, und er betrachtete seine Freundin erstaunt, weil er sie nie unsicher gesehen hatte. Sie fuhr fort:



»Baranoff ging zuerst unter den erstaunten Blicken des Professors zur Tür, öffnete sie, um nachzusehen, ob niemand horche, und dann begann die Unterhaltung. Er kann sehr grausam sein, mein Mitarbeiter. Zuerst warf er dem Professor an den Kopf, daß er Morphium nehme, und daß er ihn ohne weiteres an der Universität unmöglich machen könne, wenn er diese Tatsache publik mache. Der Professor war ganz verstört und fragte, was er denn getan hätte, um so behandelt zu werden. Baranoff antwortete nicht und wartete, bis sich der Professor ein wenig beruhigt hatte. Dann kam der zweite Schlag. ›Sie haben Schulden‹, sagte Baranoff und zählte die Gläubiger auf. ›Wenn ich nun all diesen Leuten verrate, wieviel Sie im ganzen schuldig sind, so kommen Sie wegen Betrug ins Gefängnis.‹ Es nützte dem Professor nichts, zu erklären, er habe das Geld doch für wissenschaftliche Zwecke gebraucht, er selber sei doch bedürfnislos, er habe sein Geld verloren, weil er zu vertrauensvoll gewesen sei, bei einem Bankkrach. Baranoff sagte trocken: ›Gewiß, Sie werden nicht lange im Gefängnis bleiben, man wird Sie in eine Irrenanstalt verbringen und dann in ein Altersheim.‹ Der Professor erholte sich, er lächelte sogar. ›Ich weiß, was Sie jetzt denken, aber mit diesem Ausweg ist es auch nichts‹, fuhr Baranoff mitleidlos fort. ›Sie denken an Selbstmord. Aber das können Sie nicht. Sie sind religiös erzogen worden, Sie haben in Ihren Abhandlungen soviel schönes ethisches Zeug verzapft, daß Sie doch daran glauben müssen. Die letzte Hemmung werden Sie nicht überwinden können.‹ Da nickte der Professor traurig: ›Sie werden wohl recht haben‹, flüsterte er.«



Jakobs Kinn hing ein wenig blöde herab, aber er lauschte mit einer qualvollen Aufmerksamkeit. Er fragte:



»Und du bist dagesessen und hast kein Wort gesagt? Du hast zusehen können, wie man diesen alten Mann so gequält hat?«



»Mein lieber Junge, ich habe soviele derartige Szenen erlebt, daß ich mit der Zeit unempfindlich geworden bin. Glaubst du, daß eine Operationsschwester Mitleid mit jedem Patienten haben kann, der unter dem Messer stöhnt? Das sind Reaktionen, denkt sie vielleicht, und ich denke das gleiche. Ich saß daneben, mit meinem Block auf den Knien und wartete, bis mir Baranoff das Zeichen zum Nachschreiben geben würde. Denn das alles war ja nur die Einleitung. Dann kam der dritte Schlag. Baranoff warf dem Professor vor, er habe an seinen Schülern, und ohne deren Wissen, mit Giften herumexperimentiert (das stimmt nämlich, und zwei davon waren einmal ziemlich krank geworden, aber ohne den Zusammenhang zu ahnen). Aber, daß jemand davon wußte, erschütterte den Professor so sehr, daß er in ein haltloses Weinen ausbrach. Baranoff ließ die Krise vorübergehen. Da tat er mir zum ersten Male leid, denn plötzlich legte der alte Mann seinen Kopf an meine Hüfte – ich stand neben ihm, der saß, – so, als ob er Schutz suchen wollte bei mir und ich hab ihm, ganz ohne es zu wollen, das Haar gestreichelt.«



»Du bist doch ein guter Kerl, Natascha«, sagte Jakob und drückte seine Lippen auf die weiche Haut der Ellbogenbeuge. Aber seine Freundin wehrte ab.



»Das sind Sentimentalitäten, aber es ist eben immer so: bei den ärgsten Greueln bleibt man kalt, aber wenn plötzlich an ein tiefes Gefühl appelliert wird, ist man hilflos und leidet mit. Aber Baranoff wurde ungeduldig. ›Also, hören Sie‹, sagte er scharf – und da fuhr der Professor zurück und packte die Armlehnen seines Stuhles, wie ein Patient, der sich beim Zahnarzt auf das Ausreißen eines Zahnes vorbereitet – ›wir haben in Erfahrung gebracht, daß der indische Delegierte, bei dem Ihr Schüler Crawley Sekretär ist, die Ausarbeitung seiner Vertragsentwürfe eben diesem Crawley überläßt. Nun scheint sich aber Crawley mehr mit Psychologie als mit Diplomatie zu beschäftigen. Wir aber brauchen die Vertragsentwürfe, verstehen Sie? Nun werden Sie Crawley erzählen, daß Sie im Begriffe seien, Ihre Notizen zu sammeln und Sie möchten diese Arbeit gleichzeitig in französischer und englischer Sprache herausgeben. Dazu aber bedürften Sie seiner Mithilfe. Er wird Ihnen einwenden, daß er von seinem Vorgesetzten zu sehr in Anspruch genommen würde. Da sagen Sie dann, Sie wüßten ihm eine gute Entlastung. Sir Bose gebe ihm doch seine Entwürfe immer in Stichworten, die könne er doch einem andern schnell diktieren. Sie, Professor, wüßten einen vertrauenswürdigen Menschen, der ihm, Crawley, einen Teil der Arbeit abnehmen würde. Und Sir Bose brauche ja von der ganzen Geschichte nichts zu erfahren. Der Vertrauensmann, den Sie ihm empfehlen werden, wird seine Instruktionen von mir erhalten. Sie brauchen sich dann um die ganze Geschichte nicht mehr zu kümmern.‹ – ›Und wer soll dieser Vertrauensmann sein?‹ fragte der Professor. ›Ein gewisser Nydecker‹, sagte Baranoff, ›ein ehemaliger Staatsangestellter, der augenblicklich arbeitslos ist.‹ – ›Nydecker?‹ fuhr der Professor auf. – ›Kennen Sie ihn denn?‹ – Der Professor schwieg, und Baranoff wollte nicht weiter fragen. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er mehr Interesse gezeigt hätte. ›Wenn Sie das zustande bringen, Professor, so zahlen wir Ihnen vorläufig 5000 Franken, um aus Ihren ärgsten Schulden herauszukommen. Sobald wir den wichtigsten Vertrag in Händen haben, stehen Ihnen weitere 5000 zur Verfügung.‹«



Jakob seufzte schwer auf. Es schien ihm, als habe die Sonne ihre ganze Helligkeit eingebüßt. Die Frau neben ihm war ihm fremd und verhaßt, er starrte sie an, und sie fühlte den Haß. Aber sie war auf Tapferkeit trainiert und außerdem hatte sie noch Trümpfe in der Hand, man konnte sie vielleicht psychologische Trümpfe nennen, von denen der naive Junge nichts wußte.



»Nachdem Baranoff seine Rede gehalten hatte«, fuhr sie fort, »schwieg er. Der Professor saß steif in seinem Lehnstuhl, sein Bart zitterte. ›Mein Herr‹, sagte er, ›was wagen Sie mir vorzuschlagen? – Ich soll einen ahnungslosen Gentleman (er sagte Gentleman), der nicht nur mein Schüler ist, sondern auch noch Vertrauen zu mir hat, einfach verraten?‹ – ›Professor‹, antwortete ihm Baranoff, ›Sie verwechseln die Zeiten. Wir leben jetzt im dritten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts und nicht mehr am Ausgang des neunzehnten. Damals hat man noch Phrasen gemacht. In Ihren moralisierenden Broschüren macht sich dieser sogenannte Idealismus vielleicht noch gut, aber heutzutage regieren die Tatsachen. Die Tatsachen aber sind folgende: Sie haben Schulden, Sie sind Morphinist, Sie haben unerlaubte Experimente gemacht. Nehmen Sie an – nehmen Sie nicht an, mir kann's gleich sein. Ich finde schon andere Wege, um ans Ziel zu kommen. Aber ich mache Ihnen einen guten geschäftlichen Vorschlag, nicht, weil Sie mir besonders sympathisch sind, sondern weil dies ein leichterer Weg für mich ist. Nehmen Sie nicht an… bitte. Dann erscheint morgen in der ›Tribune‹ oder in der ›Suisse‹ ein anonymer Artikel über Sie. Tun Sie, was Sie wollen. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, sagen die Deutschen, und die müssen es ja wissen, denn sie haben seit etwa einem Jahrhundert den Himmel metaphysisch exploriert.‹ Der Professor kehrte sich ab. Er legte den großen Kopf auf die Schreibtischplatte, sein Haar schimmerte unter der Lampe – es sah ein wenig nach Pose aus, aber vielleicht war es doch echt, wenigstens zuckten seine Schultern so, als unterdrücke er ein Schluchzen. Dann hob der Professor wieder den Kopf. ›Gut‹, sagte er nur, ›einverstanden.‹ Vor

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