Spieltraditionen, Personalstile und Signature-Licks der Rock and Roll-Gitarre

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1.2.2 Analysen exemplarischer Einspielungen

Sind einzelne stilprägende und einflussreiche Einzelwerke bzw. Einspielungen mit Relevanz für die Gitarre erst ermittelt und systematisiert, dann ergeben sich für eine folgende Analyse weitere Fragen: Sollen alle oder nur ein Teil der Einzelwerke einer Analyse unterzogen werden? Anhand welcher methodischen Ansätze sollen die Analysen erstellt werden? Welche traditionellen musikwissenschaftlichen Ansätze, welche modernen Ansätze aus dem Bereich der Popularmusikforschung stehen zu Verfügung und werden der Problematik gerecht? Sollten für die vorliegende Sachlage fallspezifische Methoden entwickelt werden? Eine funktionierende Methode sollte Antworten geben können auf Fragen: Was sind die formalen, rhythmischen, melodischen und harmonischen Besonderheiten der Einspielung? Welche Besonderheiten gibt es bzgl. Instrumentierung, Arrangement, Produktion und Sound? Was macht den Gitarrenpart der Einspielung stilspezifisch interessant und im Vergleich zu anderen gitarristischen Erscheinungen der Ära herausragend, wegweisend oder innovativ?

Eine wesentliche Grundlage der Analyse ist die Erstellung einer präzisen Transkription aller relevanter Stimmen bzw. Instrumente, insbesondere der Gitarren, einer Einspielung. Sämtliche im weiteren Verlauf der Arbeit dargestellten Transkriptionen wurden zu diesem Zweck vom Autor auf Grundlage der Originaleinspielungen erstellt. Angaben zum methodischen Aufbau und die eigentlichen Analysen sind in Kap. 3 niedergeschrieben.

1.2.3 Suche nach musikalischen Einflüssen auf und von einer spezifischen Einspielung

In einem abschließenden Teil soll der Einfluss auf eine spezifische Einspielung und der Einfluss von einer spezifischen Einspielung auf nachfolgende musikalische Werke der Populärmusik untersucht werden. Aus dieser Aufgabenstellung ergeben sich folgende Fragen: Welche Indikatoren können als Hinweis auf einen möglichen Einfluss gewertet werden? Anhand welcher Kriterien kann ein möglicher Einfluss als wahrscheinlich gelten oder sogar zweifelsfrei nachgewiesen werden? Auf welchen Wirkungskreis ist ein möglicher Einfluss sinnvoll zu begrenzen (USA, englischsprachige Länder, westliche Welt, Datum der Veröffentlichung bis zur Gegenwart)? Exisiert eine natürliche, eventuell prognostizierbare Demarkationslinie, an der der Einfluss eines stilprägenden und vormals einflussreichen Werkes, Personalstils oder Signature-Licks endet oder verebbt? In diesem Teil der Arbeit könnte die Evolution einer gitarristischen Rock and Roll-Phrase, also eines charakteristischen Riffs oder Licks der Ära vom ersten nachweisbaren Erscheinen zum Signature-Lick bzw. musikalischen Allgemeingut entwickelt werden und falls möglich, eine Art Stammbaum oder Typologie nachgezeichnet werden.

Abschließend sollte es nach dieser Betrachtung möglich sein die musikstilistisch charakteristischen Merkmale der Rock and Roll-Gitarre zu beschreiben und den Spielstil musikhistorisch und instrumentenspezifisch zu verorten. Die Untersuchungen zum Einfluss auf und dem Einfluss von einem Werk werden direkt im Anschluss an die jeweiligen Analysen in Kap. 3 präsentiert.

2. Selektion der Werke

2.1 Theoretische Grundlagen zur Erstellung einer Auswahl repräsentativer Werke

2.1.1 Kommunikatives und kulturelles Gedächtnis

Die folgenden Überlegungen beziehen sich zu einem großen Teil auf die Theorien des deutschen Ägyptologen Jan Assmann (1997). Ausgehend von dem von Maurice Halbwachs in den 1920er Jahren entwickelten Begriff „Kollektives Gedächtnis“ hat Assmann den Dualismus zwischen „Kommunikativem und Kulturellem Gedächtnis“ entwickelt und seine Erkenntnisse aus der Altertumsforschung zu einer allgemeinen Theorie von kultureller Erinnerung zusammengefasst, die unter anderem die Themen Kanon und Kanonbildung, Traditionsstrom, Ritual, Identität usw. detailliert erläutert. Assmanns Theorien sind die zum heutigen Zeitpunkt aktuellsten, umfassendsten und einflussreichsten Überlegungen zum Thema (Erll 2005) und lassen sich ohne große Schwierigkeiten auf kulturelle Prozesse des 20. Jahrhunderts übertragen. Sie sollen daher als theoretischer Ausgangspunkt für die nachfolgenden Betrachtungen dienen. Assmanns grundsätzliche Zweiteilung des kollektiven Gedächtnisses in die Pole kommunikatives und kulturelles Gedächtnis wird im Folgenden kurz tabellarisch dargestellt.


kommunikatives Gedächtniskulturelles Gedächtnis
InhaltGeschichtserfahrungen im Rahmen individueller Biographienmythische Urgeschichte, Ereignisse einer absoluten Vergangenheit
Formeninformell, wenig geformt, naturwüchsig, entstehend durch Interaktion, Alltaggestiftet, hoher Grad an Geformtheit, zeremonielle Kommunikation, Fest
Medienlebendige Erinnerung in organischen Gedächtnissen, Erfahrungen und HörensagenFeste Objektivationen, traditionelle symbolische Kodierung/Inszenierung in Wort, Bild, Tanz usw.
Zeitstruktur80-100 Jahre, mit der Gegenwart mitwandernder Zeithorizont von 3-4 Generationenabsolute Vergangenheit einer mythischen Urzeit
Trägerunspezifisch, Zeitzeugen einer Erinnerungsgemeinschaftspezialisierte Traditionsträger

Abb. 2: Polarität von kommunikativem und kulturellem Gedächtnis (Assmann 1997, S. 56)

Das kommunikative Gedächtnis umfasst Erinnerungen, die sich auf die rezente Vergangenheit beziehen. „Es sind dies Erinnerungen, die der Mensch mit seinen Zeitgenossen teilt. […]. Es entsteht in der Zeit und vergeht mit ihr, genauer: mit seinen Trägern. Wenn die Träger, die es verkörpern, gestorben sind, weicht es einem neuen Gedächtnis. Dieser allein durch persönlich verbürgte und kommunizierte Erfahrung gebildete Erinnerungsraum entspricht […] ca. 80 Jahren.“ (Assmann 1997, S. 50). Dem gegenüber steht das kulturelle Gedächtnis, das sich auf Fixpunkte in der Vergangenheit richtet. „Auch in ihm vermag sich Vergangenheit nicht als solche zu erhalten. […]. Der Unterschied zwischen Mythos und Geschichte wird hier hinfällig. Für das kulturelle Gedächtnis zählt nicht faktische sondern nur erinnerte Geschichte“ (Assmann 1997, S. 52).

Für unsere Betrachtung interessant sind Assmanns Ausführungen zum kommunikativen Gedächtnis, das nach etwa 3-4 Generationen oder 80-100 Jahren mit dem sogenannten „floating gap“ (benannt durch Jan Vansina, 1985) fließend in das kulturelle Gedächtnis übergeht. Innerhalb dieser 80-100 Jahre kommt es zu einem interessanten Phänomen, denn es scheint sich in der Mitte dieses Zeitraums nach 40 Jahren eine „kritische Schwelle“ (Assmann, S. 51) zu bilden. Laut Assmann treten nach diesem Zeitraum „die Zeitzeugen, die ein bedeutsames Ereignis als Erwachsene erlebt haben, aus dem eher zukunftsbezogenen Berufsleben heraus und in das Alter ein, in dem die Erinnerung wächst und mit ihr der Wunsch nach Fixierung und Weitergabe.“ (Assmann 1997, S. 51) Wir werden sehen, ob und wenn ja in welcher Form dieses Phänomen auch im Rahmen unserer Forschungen nachzuweisen sein wird.

2.1.2 Kanon und Kanonbildung

Die Erstellung einer repräsentativen Auswahl musikalischer Werke, wie sie im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit unternommen wird, könnte als Bildung eines Kanons mißverstanden werden. Allerdings ist der entscheidende Schritt einer Kanonbildung in seinem ursprünglichen Sinn der Akt der Schließung. Mit diesem ultimativen Akt wird der gebildete Kanon unabänderbar, in Folge dessen auch nicht mehr fortschreibbar und entfaltet damit seinen normativen und formativen Charakter, der durch seine Deutung von Interpreten an Adressaten vermittelt wird.

Für die in dieser Arbeit unternommene Suche nach einflussreichen und stilprägenden Instrumentalparts der Rock and Roll-Ära kann der Versuch einer Kanonbildung nicht das Ziel sein. Da die Stilistik des Rock and Roll und die dazugehörigen instrumental-musikalischen Äußerungen in den 1950er Jahren stattfanden, liegt dieser Zeitraum aus heutiger Sicht noch deutlich in dem von Assmann als kommunikatives Gedächtnis beschriebenen Zeitrahmen (3-4 Generationen bzw. 80-100 Jahre). Die von ihm beschriebenen Attribute des kommunikativen Gedächtnisses (informell, wenig geformt, naturwüchsig, entstehend durch Interaktion, Alltag, lebendige Erinnerung in organischen Gedächtnissen, Erfahrungen und Hörensagen) treffen ohne große Einschränkungen zu, das Thema befindet sich wortwörtlich noch in Kommunikation. Auch hat hier in keiner erkennbaren Weise ein Akt der Schließung stattgefunden. Allein die noch immer unbeantwortete und somit offenen Frage „Was ist Rock and Roll?“ des Eingangskapitels dieser Arbeit untermauert diese These. Doch wenn wir nicht nach dem Kanon des Rock and Roll suchen, wonach suchen wir dann?

2.1.3 Traditionsstrom

Neben dem Kanon und der dazugehörigen Kanonbildung hat Assmann in Anlehnung an Leo Oppenheim die Idee des so genannten Traditionsstroms entwickelt. Sowohl Kanon als auch Traditionsstrom haben normativen und formativen Anspruch. Der entscheidende Unterschied liegt in der Fortschreibbarkeit bzw. Veränderlichkeit des Traditionsstroms gegenüber der (Ab-)Geschlossenheit des Kanons. Assmann beschreibt den Traditionsstrom als einen „lebendigen Fluss: Er verlagert sein Bett und führt bald mehr, bald weniger Wasser. Texte geraten in Vergessenheit, andere kommen hinzu, sie werden erweitert, abgekürzt, umgeschrieben, anthologisiert in wechselnden Zusammenstellungen. Allmählich prägen sich Strukturen von Zentrum und Peripherie heraus. Gewisse Texte erringen aufgrund besonderer Bedeutsamkeit zentralen Rang, werden öfter als andere kopiert und zitiert und schließlich als eine Art Klassiker zum Inbegriff normativer und formativer Werte“. (Assmann 1997, S. 92)

 

Der deutsche Musikwissenschaftler Dietmar Elflein hat in einem Essay (Elflein 2008) das Konzept des Traditionsstroms auf einen Teilbereich der populären Musik (Heavy Metal) angewendet und dem Konzept der Kanonbildung alternativ gegenüber gestellt. Er übersetzt das soeben erwähnte Assmann-Zitat in die Sphäre der Populärmusik und beschreibt den Umgang mit Musik innerhalb einer bestimmten Szene oder innerhalb eines Genres.

„Manche Stücke werden vergessen, neue kommen hinzu. Sie werden umgeschrieben (gecovert), bearbeitet und anthologisiert in einem nicht endenden Strom von persönlichen Plattensammlungen, Mixtapes (-CDs) und iPod-Playlists. Die Musikindustrie trägt aktiv zum Vergessen bei, indem der Bestand zugänglicher, also erwerbbarer Stücke klein gehalten wird, während permanent Neues veröffentlicht wird, das seinen Platz im Traditionsstrom finden soll. Durch zahllose Best of-Veröffentlichungen und thematische Zusammenstellungen versucht die Musikindustrie einen bestimmten Bereich des Traditionsstroms als endgültig normativ und formativ darzustellen. Kleinstfirmen, Plattensammler, private Webseiten-Betreiber, Blogs und die illegalisierten Filesharing-Netzwerke entreißen permanent Stücke diesem Vergessen und halten sie weiter zugänglich für Interessierte und Neugierige. In diesem ungleichen Wechselspiel prägen sich Strukturen von Peripherie und Zentrum, von fast vergessen und viel kopierten bzw. bearbeiteten Texten heraus, die weiter im Fluss sind.“ (Elflein 2008, S. 130)

Nach dieser ausführlichen Paraphrase fährt er fort mit seiner Definition des Begriffs.

„Der Traditionsstrom beinhaltet damit eine sich verändernde Auswahl dessen, was gewusst werden kann, darf und soll. Er entspricht weder dem gesamten verfügbaren Wissen noch dem gesamten Wissen, sondern dem momentan nicht vergessenen Teil des verfügbaren Wissens.“ (Elflein 2008, S. 130)

Elfleins grundsätzliche Überlegung zur Anwendung des Konzepts des Traditionsstroms auf die Populärmusik lässt sich in geradezu idealer Weise auf die in sich zeitlich geschlossene Ära des Rock and Roll übertragen. Sie bewahrt uns gleichzeitig vor den Problemen, die der Versuch einer Kanonbildung mit sich bringen würde. Auch die Fragestellung für die Suche nach den einflussreichsten und stilprägendsten Personalstilen und Signature-Licks der Rock and Roll-Gitarre ist nun offensichtlich. Wir suchen nach einer Manifestation des Traditionsstroms der einflussreichsten und stilprägendsten Instrumentalparts der Rock and Roll-Gitarre.

2.1.4 Inhaltliche Eingrenzung

Für die Auswahl der zu untersuchenden Werke wurden bereits einige eingrenzende Kriterien erläutert und definiert (siehe1.b.). Die Auswahl soll den Zeitraum vom Beginn des Jahres 1954 bis zum Ausklang des Jahres 1960 umfassen. Berücksichtigt werden lediglich US-amerikanische Produktionen, das heißt Produktionen die auf dem Staatsgebiet der USA aufgenommen und dort im regulären Handel erhältlich waren. Ein wesentliches Kriterium, das die Auswahl im weiteren Verlauf der Untersuchung beträchtlich eingrenzt, ist die Bedingung, dass die Gitarre, vorzugsweise E-Gitarre, eine herausragende Position innerhalb der Produktion einnimmt, also als Soloinstrument in Erscheinung tritt oder zumindest charakteristische Anteile zum musikalischen Arrangement beisteuert.

Die Zugehörigkeit zum Genre Rock and Roll wird bewusst nicht als Kriterium herangezogen, weil dies durch die Unschärfe des Genre-Begriffs (siehe 1a.)) in den meisten Fällen nicht zweifelsfrei zu belegen wäre. Die Entscheidung über die Zugehörigkeit wurde aus den zugrunde liegenden Quellen der Auswahl unkommentiert übernommen.

Der Begriff Werk bzw. Titel bezeichnet in den folgenden Betrachtungen kommerzielle Schallplatten-Veröffentlichungen im Single-Format 45RPM aus Vinyl, zum Teil auch noch 78RPM aus Schellack. Insbesondere die ab dem Jahr 1949 von der Firma RCA eingeführte 45er-Single löste das Vorläufer-Format der 78er-Single bis ca. 1955/56 weitgehend ab und wurde im regulären Tonträgerhandel, bei Diskjockeys und in Jukeboxen zum etablierten Standard der amerikanischen Populärmusik (Dawson 2003). Longplayer-Veröffentlichungen (LPs) spielten hingegen im Genre Rock and Roll bis Anfang der 1960 Jahre keine bedeutende Rolle und werden daher ebenso wie der Sonderfall der Extended Plays (EPs: Singleformat mit zwei Titeln pro Seite) im Folgenden nicht weiter berücksichtigt.

2.2 Methode und Quellen der Selektion

Aufgrund der unter 2.1 zusammengefassten Überlegungen zum Thema kommunikatives Gedächtnis und Traditionsstrom wird im Folgenden der Versuch unternommen, eine Methode zu entwickeln, um eine Manifestation des Traditionsstroms der einflussreichsten und stilprägendsten Instrumentalparts der Rock and Roll-Gitarre zu erstellen.

Eine Auswahl sollte einerseits normativen und formativen Anspruch haben und sich andererseits noch in Kommunikation befinden, also noch diskutiert werden und im Fluss sein (Assmann 1992). Um die Dynamik eines solchen noch aktiven Prozesses abzubilden, sollte daher sicher auf mehr als nur eine einzige Quelle zurückgegriffen werden. Mehrere Quellen sollten das Thema idealerweise aus verschiedenen fachlichen Blickwinkeln betrachten, damit sich mögliche Unterschiede in den Sichtweisen erkennbar im Datenmaterial niederschlagen. Alle Quellen sollten ernsthaft und kompetent aufbereitet und der Öffentlichkeit zugänglich, also in irgendeiner Art und Weise veröffentlicht worden sein um damit auch nachvollziehbar zu sein. Um die Veränderlichkeit eines solchen Prozesses im Lauf der Zeit abzubilden ist es von Vorteil, wenn die Entstehungsdaten der verschiedenen Quellen den Zeitraum von Beginn des vorliegenden Phänomens bis zur Jetztzeit möglichst breitflächig abdecken, also falls möglich die Zeit von Ende der 1950er Jahre bis 2010 umfassen.

Aufgrund dieser Vorgaben wurden vier Kategorien mit jeweils zehn, insgesamt also 40 Listen gebildet. Die vier Kategorien unterteilen sich in:

- Hörempfehlungen/Auswahldiskographien in populärwissenschaftlicher Literatur

- Populäre Listen aus Fachzeitschriften und andere verbreitete Empfehlungslisten

- Kompilierte Notenausgaben zum Thema Rock and Roll bzw. Rock and Roll-Gitarre

- Kompilierte Tonträger zum Thema Rock and Roll bzw. Rock and Roll-Gitarre

Die dafür herangezogenen und nach einer aufwändigen Sichtung ausgewählten Quellen entstammen sämtlich den Publikationen international etablierter und anerkannter Autoren, Verlage und Labels und beziehen sich meist bereits im Titel, zumindest aber im Untertitel dezidiert auf das Thema Rock and Roll. Schlagworte in allen erdenklichen Schreibweisen bei der Sammlung der Quellen in Bibliotheken, Literaturverzeichnissen, Verlagskatalogen, Internet usw. waren:

„Rock and Roll“ (auch: „Rock’n’Roll“, „Rock & Roll“, „R&R“ usw.)

„Guitar“ (auch: „Rockguitar“, „Rock Guitar“ usw.)

„1950s“ (auch: „50s“, „Fifties“ usw.)

Die territoriale Herkunft der Listen entspricht der thematischen Vorgabe, das heißt bis auf wenige begründete Ausnahmen entstammen die insgesamt 40 Listen dem US-amerikanischen Kulturraum. Ohne diese Einschränkung wäre es nahezu unmöglich, bezüglich der Herkunft der Listen eine Grenze zu ziehen. Neben naheliegenden, weil stark nach US-Amerika ausgerichteten Listen aus z.B. England und Deutschland, hätte man auch andere, weniger naheliegende Herkunftsländer wie Japan oder Indien berücksichtigen müssen, deren Listen sicherlich für die Rezeption des Rock and Rolls im jeweiligen Land von speziellem Interesse sein können, die aber die hier formulierte Fragestellung verzerren würden, weil dort mit großer Wahrscheinlichkeit Interpreten eine Rolle spielen, die im Ursprungsland der musikalischen Stilistik keine oder nur eine sehr geringe Rolle gespielt haben. Es folgen in tabellarischer Form die vier Kategorien von Quellen mit den jeweils zehn Listen, Angaben über Titel der Publikation, Autor, Jahr der ersten Erscheinung, Anzahl der genannten Musiktitel und ein Kommentar über Besonderheiten und Auffälligkeiten in der Art und Weise der Zusammenstellung.

2.2.1 Hörempfehlungen und Auswahldiskographien


TitelAutorJahrSongtitel
The Story of RockBelz1969231
The Sound of the CityGillett1970111
Stranded – Rock and Roll for a Desert IslandMarcus1979313
Unsung Heroes of Rock’n’RollTosches1984182
That old time Rock and RollAquila1989253
The Heart of Rock and SoulMarsh19891001
What was the first Rock and Roll Record?Dawson/Propes199150
The Classic Rock and Roll ReaderStudwell/Lonergan1999102
A History of RockScaruffi2002170
A brief history of Rock’n’RollJohnstone200748

Abb. 3: Hörempfehlungen und Auswahldiskographien in populärwissenschaftlicher Literatur

Eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte des amerikanischen Musikstils Rock and Roll beginnt ab Ende der 1960er Jahre mit zwei kurz hintereinander veröffentlichten Büchern des Amerikaners Carls Belz und seines englischen Fachkollegen Charlie Gillett, der seinen Text im Rahmen einer Masterarbeit an der amerikanischen Columbia Universität in New York verfasste. Beide Autoren fügen ihren Büchern im Anhang jeweils umfangreiche und chronologisch geordnete Diskographien an („Selected Discography“ in Belz 1969, „Play List“ in Gillett 1970). Unter den in Frage kommenden Veröffentlichungen zum Thema galt es vor allem jene zu finden, die sich in irgendeiner Form auf eine Nennung von aus ihrer Sicht repräsentativen Titeln der Ära festlegen konnten oder wollten. Da dies nicht immer der Fall war, konnten einige naheliegende Werke namhafter Autoren (wie Colin Escott, Reebee Garofalo, Peter Guralnick, Arnold Shaw oder Jerry Wexler) nicht berücksichtigt werden. Die beiden letzten Listen stammen von dem seit 1983 in Kalifornien ansässigen Italiener Piero Scaruffi („Best Rock Songs ever“ in Scaruffi 2002) und dem Engländer Nick Johnstone („Further Listening“ in Johnstone 2007). Die letzte Liste wurde vor allem deswegen aufgenommen, weil sie das vorgegebene Thema zeitlich besonders gut abdeckt und zusätzlich die im Augenblick aktuellste Publikation dazu darstellt. Generell gibt es in dieser Sammlung von historischen und zum Teil durchaus auch wissenschaftlichen Betrachtungen die Tendenz den Startpunkt der Ära ausgehend vom allgemein anerkannten kommerziellen Beginn (um 1954) weiter zurück in die Vergangenheit zu verlagern, früher als in den anderen Kategorien enden zu lassen (zum Teil bereits 1956 oder 1958) und oft auch wenig bekannte, manchmal fast obskur anmutende Titel zu berücksichtigen. Es liegt die Vermutung nahe, dass insbesondere diese ernsthaften Versuche sich dem Thema zu nähern besonders bemüht sind, tendenziell keine allzu deutliche Beziehung zwischen der Auswahl und dem kommerziellen Erfolg einzelner Titel erkennen zu lassen, um damit die künstlerische Komponente ihrer Betrachtung zu betonen. Mit pro Liste durchschnittlich 246 Songnennungen kann diese Kategorie als breit angelegt, divers und aus gitarristischer Sicht wenig spezifisch angesehen werden.

2.2.2 Populäre Bestenlisten


TitelAutorJahrSongtitel
Billboard-ChartsWhiteburn1954-60-
Best of Top 40 Singles 1955-1960Marsh/Bernard1981274
Rock and Roll: The 100 best SinglesWilliams1993100
Top 100 Guitar Solos of all timeGuitarist Magazine1998100
100 Greatest Solos of all-timeGuitar World2001100
100 greatest Rock’n’Roll RecordsRecord Collector2005100
500 Songs that shaped Rock and RollRock and Roll Hall of Fame2007500
100 greatest guitar songs of all timeRolling Stone2008100
Top 200 Songs from the 1950sAcclaimed Music2008200
Wikipedia-ArtikelWikipedia2009-

Abb. 4: Populäre Bestenlisten

 

So genannte Bestenlisten existieren für nahezu jeden Bereich der Popkultur, der gelistet werden kann. Für die vorliegende Zusammenstellung wurden nur Bestenlisten ausgewählt, die aus renommierten amerikanischen Fachpublikationen stammen und von denen man annehmen darf, dass sie durch einen hohen Grad der Verbreitung besonders großen Einfluss auf die landläufige Meinung genommen haben. Die in der zeitlichen Chronologie erste und ausschließlich nach Maßstäben des kommerziellen Erfolges eines Songtitels erstellte Liste ist die Hitparade des amerikanischen Branchenmagazins Billboard. Die Single-Charts wurden in den 1950er Jahren noch in die drei Kategorien Pop (P), Rhythm and Blues (R&B) und Country and Western (C&W) unterteilt. Ein Eintrag in eine dieser Kategorien, egal welcher Platzierung, wurde als Nennung des Titels gewertet. Bei Mehrfachnennung eines Titels in zwei oder gar allen drei Chartkategorien lassen sich Rückschlüsse auf das sogenannte Crossmarketing einer Einspielung ziehen. Gerade weil die Musiktitel des Rock and Roll nicht genau einer dieser kommerziellen Kategorien zugeordnet werden konnten, gilt eine Listung in mehreren Kategorien als Indikator für die Zugehörigkeit in dieses damals nicht näher definiertes Genre. Ähnlich wie bei den Billboardcharts wurde auch bei der letzten Quelle verfahren, die die Kategorie der Bestenlisten zeitlich mit der Gegenwart (2010) abschließt. Ein eigener Artikel zum Songtitel in der populären und global ausgerichteten englischen Version der Online-Enzyklopädie Wikipedia (wikipedia.org) wurde als Nennung gewertet.

Auch wenn diese Kategorie mit der Billboardliste die insgesamt zeitlich am frühesten entstandene Liste beinhaltet (weil zeitgleich mit dem Phänomen erhoben) und die letzte Wikipedialiste aus dem Jahr 2010 stammt, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass fast alle weiteren Listen erst mit Beginn der 1990er Jahre publiziert wurden und somit eine bemerkenswerte Gewichtung entstanden ist. Eine weitere Besonderheit dieser Kategorie ist die überwiegend höchst subjektive und kommentarlose Entstehung der Listen, auch wenn ihnen zu Gute gehalten werden muss, dass sie ausschließlich von Fachleuten für Fachleute verfasst wurden. Die Gefahr einer allzu großen Abweichung von der im jeweiligen Fachgebiet unter Spezialisten anerkannten Norm kann also nicht im besonderen Maße bestanden haben. Mit pro Liste durchschnittlich 147 Songnennungen kann diese Kategorie durch den meist hierarchischen Aufbau und den zum Teil vorformuliert erhobenen Anspruch bzgl. der Gitarrenrelevanz als relativ breit angelegt und zeitlich divers („of all time“), gleichzeitig aus gitarristischer Sicht aber auch als fachspezifisch relevant („solos“, „guitar songs“, „that shaped Rock and Roll“) angesehen werden.

2.2.3 Kompilierte Notenausgaben


TitelAutorJahrSongtitel
101 Rock’n’Roll Hits for BuskersEvans1984101
Classic Rock InstrumentalsSokolow199229
Rock’n’Roll for Easy GuitarStarer199922
Rock around the clockCardinali199912
Best of Rock’n’Roll guitarRubin200117
The Rock & Roll Guitar Big BookHrg.: Warner200146
Classic Rock of the 50sHrg.: Warner200238
Rockabilly Guitar BibleHrg.: Hal Leonard200332
Great Songs of the 50s for guitarHrg.: Hal Leonard200433
The 1950s Guitar Big BookAlfred200535

Abb. 5: Kompilierte Notenausgaben zum Thema Rock and Roll bzw. Rock and Roll-Gitarre

Präzise Transkriptionen instrumentaler Gitarrenpassagen der zeitgenössischen Pop- und Rockmusik in Tabulatur und/oder Noten sind in den USA erstmals ab ca. Mitte der 1970er Jahre kommerziell verfügbar. Der Mangel an instrumental-pädagogischer Anleitung im Genre Rockmusik, die traditionell eher informell angelegte Herangehensweise unter den Blues-, Pop- und Rockmusikern und die ab den 1970ern parallel dazu technisch immer komplexer gestalteten Instrumentalpassagen erzeugten unter nachwachsenden Gitarristen der 1970er Jahre einen Bedarf an schriftlichen Anleitungen für das selbständige Erlernen populärer Musiktitel. Die anfangs von Liebhabern konzipierten Hefte wuchsen schnell zu Publikationen von nationaler Relevanz (Guitar Player, Guitar World), behandelten inhaltlich aber fast ausschließlich die aktuelle Rockmusik der Zeit und hatten bis Mitte der 1980er Jahre noch kein ausgeprägtes historisches Bewusstsein (Sokolow im Interview 2007). Erst ab Ende der 1980er und im weiteren Verlauf der 1990er Jahre war es üblich, dass parallel zu einer Albumveröffentlichung nicht mehr nur der obligatorische Klavierauszug erschien, sondern auch ein für Gitarristen in Tabulatur und Noten gesetzter Text, der tatsächlich das wiedergab, was auf dem Album zu hören war und oft mit Attributen wie „note for note“ oder „authentic guitar-TAB“ versehen wurde. Ebenso wurden zunehmend auch die musikalischen Werke von stilgeschichtlich herausragenden Musikern wie den Beatles, Jimi Hendrix oder Eric Clapton transkribiert und veröffentlicht. Mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts begann sich als neue Tendenz die kompilierte Zusammenstellung von transkribierten Musiktiteln sortiert nach abgeschlossenen Stilepochen der Populärmusik zu etablieren, oft inklusive nachträglich eingespielter Playback-CD für das selbständige Einüben der Instrumentalparts. Diese Vorgeschichte erklärt den nach Erscheinungsjahr relativ späten Beginn dieser Kategorie (1984 bzw. 1992) und die quantitative Ballung der Publikationen ab dem Jahr 1999.

Mit pro Liste durchschnittlich 36,5 Songnennungen kann diese Kategorie zwar als schmal angelegt, aber im hohen Maße themenrelevant („Rock’n’Roll“, „guitar“, „1950s“) und aus gitarristischer Sicht als hochspezifisch (renommierte Autoren, präzise Notation mit zum Teil ausführlichen spieltechnischen Erläuterungen) angesehen werden.

2.2.4 Kompilierte Tonträger


TitelLabelJahrSongtitel
The Beatles Live at the BBCEMI1963/64, 199468
Soundtrack: American GraffitiMCA197341
Rock’n’Roll Guitar ClassicsK-Tel199011
Vintage Music: Original Classic Oldies from the 1950'sMCA199059
Legends of Guitar, Rock: The 50sRhino1990/9135
Rock Instrumental Classics: the fiftiesRhino199418
Backline American Recordings Vol. 1-100Line Music19971600
Greatest Hits of the 50sDisky2004320
The Golden Age of AmericanRock and Roll Vol. 1-10Ace2004300
Guitar Rock of the ’50sBurning Fire200853

Abb. 6: Kompilierte Tonträger zum Thema Rock and Roll bzw. Rock and Roll-Gitarre

Die labelübergreifende Kompilierung von Tonträgerveröffentlichungen mit dem Anspruch der repräsentativen Darstellung einer abgeschlossenen Stilepoche begann Anfang der 1990er Jahre. Ähnlich wie bei der bereits vorgestellten Kategorie der Notenausgaben lässt sich ein merkliches Interesse an musikalischen Epochenüberblicken auf Seiten der Konsumenten vor dieser Zeit nicht aus entsprechenden kommerziellen Angeboten im Tonträgermarkt ableiten. Eventuell wurde dieses Interesse allerdings im privaten Rahmen mit selbst zusammengestellten Kompilationen in Form der damals verbreiteten Mix-Tapes (Songzusammenstellungen für den eigenen Gebrauch aufgenommen auf Leer-Kompaktkassetten) gedeckt. Das Tonträgergeschäft war bis Mitte der 1980er in erster Linie bestimmt vom Handel mit der jeweilig aktuellen Musik. Das änderte sich mit der Einführung der Compact Disk (CD) im Jahr 1983. Auf dem digitalen Tonträger wurden damals als klassisch empfundene musikalische Albumeinspielungen im neuen Format wiederveröffentlicht. Für den einzelnen Konsumenten bedeutende Alben älteren Datums wurden nach dem Formatwechsel in erstaunlich hoher Stückzahl zum zweiten Mal erworben. Abgesehen von der Art der Verpackung erschienen die Wiederveröffentlichungen der Albumveröffentlichungen der 1960er, 1970er und frühen 1980er Jahre formal meist unverändert, das heißt Coverdesign, Musiktitel, Reihenfolge, Klappentexte usw. wurden meist direkt von der Vorlage übernommen. Bei der Musik der 1950er Jahre verhält es sich dagegen anders, weil das vorherrschende Tonträgerformat nicht das Album, sondern die Single war. Da sich die CD-Single als Format nie richtig durchsetzt und die Lauflänge einer konventionellen CD (80 Min.) geradezu zu archivarisch angelegten Zusammenstellungen einlädt, wird ab Ende der 1980er Jahre besonders die Musik der 1950er Jahre mehr und mehr in thematisch geordneten Kompilationen veröffentlicht. Sie lassen sich unter anderem unterteilen in wertend angelegte Veröffentlichungen („Greatest hits“, „Best of“, „Essential“ usw.), umfassende Künstlerportraits („The complete“, „Early Years“) und Epochen- oder Labelüberblicke („The Swing Era“, „Best of Blues“, „Atlantic Box“).

Um der quantitativen Ballung solcher stilistisch-musikalischer Retrospektiven ab ca. 1990 etwas entgegenzusetzen, wurden der vorliegenden Kategorie jeweils aus den 1960ern und den 1970ern eine Liste aus Quellen hinzugefügt, die einer kurzen Erläuterung bedürfen.

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