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2. Die Butzemänner

Die ersten der Schreckgespenster sind in ganz wörtlichem Sinn Butzemänner – Butzemenschen, wenn Sie darauf bestehen –, denn sie werden als Handelnde aufgefaßt, die mit uns in der Kontrolle über unsere Körper wetteifern, die mit uns konkurrieren, die Interessen haben, welche den unseren zuwiderlaufen oder wenigstens unabhängig von ihnen sind. Diese gräßlichen Gesellen werden von den Philosophen oft als Miesmacher benützt und auf die Bühne geholt, wann immer die Angst nachläßt, wann immer die Dringlichkeit des behandelten Themas zweifelhaft wird. Wenn Verwickeltheit auf Verwickeltheit folgt, beginnt der Leser zu gähnen und unruhig zu werden, aber er wird schnell wiederbelebt mit einer andeutungsweisen Analogie: „Das aber wäre so, als ob Sie sich in den Klauen von … befänden“.

Der unsichtbare Gefängniswärter: Gefängnisse sind schrecklich. Gefängnisse sollten gemieden werden. Jemand, der das nicht versteht, gehört nicht zu uns. Wenn Gefängnisse also etwas Schlechtes sind, womit kontrastieren sie dann? Wenn man nicht im Gefängnis ist, ist man frei (in einem wichtigen Sinne), und jeder von uns kann sich dankbar klarmachen, wie froh wir sind, nicht im Gefängnis zu sein. „Aha!“ sagt der Angstmacher. „Was macht Sie so sicher, daß Sie nicht im Gefängnis sind?“ Manchmal ist es offensichtlich, daß man im Gefängnis ist; aber manchmal ist es das nicht. Ein durchtriebener Gefängniswärter mag die stählernen Stäbe in den Fensterrahmen verstecken und Pseudo-Türen an den Wänden anbringen (wenn man eine öffnen würde, sähe man die Steinwand dahinter). Es könnte einige Zeit dauern, bis der Gefangene merkt, daß er im Gefängnis ist.

Sind Sie sicher, daß Sie nicht in einer Art Gefängnis sind?3 Hier ist man eingeladen, eine Reihe von Übergängen in Betracht zu ziehen, die uns von offensichtlichen Gefängnissen zu verschleierten (aber trotzdem fürchterlichen) Gefängnissen bringen, bis zu völlig unsichtbaren und unentdeckbaren (aber trotzdem fürchterlichen?) Gefängnissen. Nehmen wir ein Reh im Magdalen College Park. Ist es eingesperrt? Ja, aber es ist nicht schlimm. Das Gehege ist ziemlich groß. Angenommen wir setzen das Reh in ein noch größeres Gehege – den New Forest mit einem Zaun rundherum. Wäre das Reh immer noch eingesperrt? Mir wurde gesagt, daß im Staat Maine das Rotwild sich während seines Lebens nie weiter als fünf Meilen von seinem Geburtsort wegbewegt. Wenn eine Umzäunung außerhalb der normalen uneingeschränkten Grenzen der Wanderungen, die ein Reh zu seinen Lebzeiten unternimmt, angelegt werden würde, wäre das eingezäunte Reh eingesperrt? Vielleicht; aber zu beachten ist, daß es für unsere Intuitionen einen Unterschied darstellt, ob jemand die Umzäunung angelegt hat. Fühlen Sie sich auf dem Planeten Erde eingesperrt – so wie Napoleon auf Elba festhing? Es ist eine Sache, auf Elba geboren zu werden und zu leben und eine andere, von jemandem nach Elba gebracht und dort festgehalten zu werden. Ein Gefängnis ohne einen Gefängniswärter ist kein Gefängnis. Ob es ein unangenehmer Aufenthalt ist oder nicht, hängt von anderen Faktoren ab; es hängt schlicht davon ab, wie (wenn überhaupt) die Lebensmöglichkeiten der Bewohner eingeschränkt werden.

Der ruchlose Neurochirurg: Wie würden Sie es finden, wenn jemand Sie festbände und Elektroden in ihr Gehirn einsetzte und dann jeden Ihrer Gedanken und jede Ihrer Handlungen kontrollierte, indem er Knöpfe auf der dazugehörigen Bedienungstastatur drückt? Nehmen wir zum Beispiel die ganz typische Heraufbeschwörung dieses Bösewichts durch Fischer (1982): Der ominöse Dr. Black, der im Gehirn des armen Jones die Dinge so arrangiert, daß Black „die Aktivitäten von Jones kontrollieren (kann). Jones weiß unterdessen nichts davon“. Zuerst können wir fragen, – wie wir es immer tun sollten – warum wird dieser andere rivalisierende Handelnde eingeführt? Wozu Dr. Black ins Spiel bringen? Könnte das Beispiel nicht genausogut funktionieren, wenn etwa Jones einen Gehirntumor hätte, der seltsame Ergebnisse produzierte? Was Fischers Vision schrecklicher macht, ist, daß Jones’ Kontrolle seiner eigenen Aktivitäten von einem anderen Handelnden, Dr. Black, an sich gerissen wurde.

Ein Tumor könnte im Gehirn von jemandem dies und das verursachen, und es wäre wirklich furchtbar, einen entkräftenden Gehirntumor zu haben, aber es würde einen schrecklich gewitzten Tumor verlangen, wenn er jemandes Gehirn kontrollieren sollte.

Varianten des ruchlosen Neurochirurgen sind der häßliche Hypnotiseur und der gebieterische Puppenspieler. Wir alle kennen auftretende Hypnotiseure, (wir glauben sie jedenfalls zu kennen;) und besonders schauerlich ist, daß sie anders als der ruchlose Neurochirurg vielleicht keine physikalische Spur ihres Einflusses hinterlassen. Erinnern wir uns, daß von Jones angenommen wurde, daß er nichts von Dr. Blacks Intervention merkt – ein wichtiger Punkt, zu dem wir in späteren Kapiteln zurückkommen. Aber noch heimtückischer sind Hypnotiseure, die ihre Opfer vor einem Publikum zur Schau stellen: Sie zeigen Sie als Opfer, um Sie vor Leuten lächerlich zu machen, die in einer wünschenswerteren Lage sind. Es „hilft“, wenn Sie sich ihr Gelächter vorstellen, wenn ihnen Ihre Misere vorgeführt wird. Der gebieterische Puppenspieler ist ein wenig anders, denn man kann ihn sich so vorstellen, daß er Ihre groben Bewegungen trotz Ihrer Anstrengungen und Wünsche kontrolliert. In den Klauen des gebieterischen Puppenspielers können Sie vergebens kämpfen, wie der Hund der Stoiker, und Sie können wenigstens hoffen, Ihre Verweigerung aus Gewissensgründen dem Publikum zu zeigen, indem Sie sich in ein Stirnrunzeln oder Wimmern flüchten, eine Tröstung, die den Opfern des Hypnotiseurs offenkundig unmöglich ist.

Wir haben noch nie eine wirkliche menschliche Puppe gesehen, aber wir alle wissen von der Sklaverei und wissen, daß es eine schreckliche Situation ist, wenn man sich überhaupt irgendetwas Schreckliches vorstellen kann. Was würden Sie lieber sein wollen: der Zombie von Dr. Svengali oder die bemitleidenswerte menschliche Puppe? Wären Sie lieber ein Sklave oder ein Gefangener? Dies sind alles etwas unterschiedliche Schicksale, jedes auf seine Weise furchtbar, aber es gibt noch andere Bösewichte, die man fürchten muß.

Das kosmische Kind, dessen Puppen wir sind: Nozick schreibt: „Ohne freien Willen scheinen wir eingeschränkt zu sein, bloßes Spielzeug äußerer Kräfte“ (Nozick 1981, S. 291). Wie unwürdig, ein bloßes Spielzeug zu sein, ein Zeitvertreib. Aber wie könnte man das Spielzeug einer bloß unpersönlichen Macht sein? Es kann kein Spielzeug geben ohne Spieler. Und Spieler sind nicht einfach Handelnde; sie sind verspielte, kindliche Handelnde. (Es wird nirgends nahegelegt, es als herabwürdigend zu sehen, wenn man sich selbst als Werkzeug Gottes begreift – viele Evangelisten drücken das ebenfalls aus).

Stanislaw Lem untersucht – und verwirft – die vertraute philosophische Annahme, daß wir bloßes Spielzeug seien, in seiner Kurzgeschichte „Die siebente Reise oder wie Trurls Vollkommenheit zum Bösen führte“ (Lem 1983), und eine herrliche Parodie auf diese klassische philosophische Horrorgeschichte findet man in Tom Robbins’ Roman „Even Cowgirls Get the Blues“:

„Dieses Jahr zu Weihnachten schenkte Julian Sissy ein Tiroler Miniaturdorf. Das handwerkliche Können war bemerkenswert.

Es gab eine kleine Kathedrale, deren bunte Fensterglasscheiben aus dem Sonnenlicht Fruchtsalat machten. Es gab einen Marktplatz und einen Biergarten. Der Biergarten wurde Samstag abends ziemlich laut. Es gab eine Bäckerei, die immer nach heißem Brot und Strudel duftete. Es gab ein Rathaus und eine Polizeiwache, teilweise im Querschnitt, wo das gewöhnliche Maß an Amtsschimmel und Korruption gezeigt wurde. Es gab kleine Tiroler in fein bestickten Lederhosen, und, unter den Lederhosen, Genitalien von gleich feiner Kunstfertigkeit. Es gab Skigeschäfte und viele andere interessante Dinge einschließlich eines Waisenhauses. Das Waisenhaus war dazu bestimmt, jeden Weihnachtsabend Feuer zu fangen und niederzubrennen. Die Waisen stürzten in den Schnee, ihre Nachthemdchen in Flammen. Furchtbar. Jedesmal um die zweite Woche im Januar kam ein Feuerinspektor, stöberte durch die Ruinen und murmelte: ,Hätten sie nur auf mich gehört, dann wären diese Kinder heute noch am Leben‘“. (Robbins 1976, S. 191 f.).

Das handwerkliche Können in diesem Abschnitt ist selber bemerkenswert. Beachten Sie, wie die Wiederholung des Waisenhausdramas Jahr um Jahr (die Nietzsches Idee der ewigen Wiederkehr – daß alles, was geschah, wieder und wieder geschehen wird – widerhallen läßt) die kleine Welt jeder wirklichen Bedeutung zu berauben scheint. Aber warum genau sollte es die Wiederholung vom Jammern des Feuerinspektors sein, was alles so hohl klingen läßt?

Wenn wir genauer hinsehen, was damit impliziert wird, so würden wir vielleicht den Trick finden, der den Absatz „funktionieren“ läßt. Bauen die kleinen Tiroler das Waisenhaus selber wieder auf oder gibt es einen ,VON-VORNE‘-Knopf in diesem Miniaturdorf? Wo kommen die neuen Waisenkinder her? Oder werden die „toten“ wieder „lebendig“? Wie wir sehen werden, zeigt eine genaue Untersuchung solcher Phantasiegeschichten oft, daß die eigentliche Arbeit von einem versteckten Merkmal in dem Beispiel geleistet wird, das für die philosophische These, die durch seine Beschwörung angeblich motiviert werden soll, vollkommen irrelevant ist.

Der böswillige Gedankenleser: Dieser Handelnde ist wesentlich ein Gegenspieler, aber er verursacht oder kontrolliert Ihre Bewegung nicht; er sieht sie nur voraus und verhindert sie. Mit diesem Kameraden zu knobeln, ist hoffnungslos, denn da er Ihre Gewohnheiten genau kennt und weiß, welcher Strategie Sie folgen, kann er im voraus sehen, welchen Zug Sie machen wollen und kontert immer erfolgreich (Hofstadter 1982 a). Wenn Sie nur Ihr Gehirn vor ihm schützen könnten! Wenn Sie nur eine Strategie der Unvorhersagbarkeit finden könnten, die gegen seine Berechnungen sicher wäre! Dann wären Sie nicht so machtlos, so verwundbar in dem Spiel des Lebens. Voraussagen sind auf eine spezielle Weise wichtig, wenn man auf sie gesetzt hat, wenn sie nicht bloß Aussagen im Futur sind, sondern eher Wetten, die man vielleicht wahr machen und die ein Gegner vielleicht falsch machen möchte. Im wirklichen Leben gerät man oft in Konkurrenz mit anderen Leuten und selbst mit anderen Organismen (beim Überlisten von Ratten und Moskitos zum Beispiel), aber gegen wen wettet man im kosmischen Spiel des Lebens?

Ich kann nicht beweisen, daß keiner der Butzemänner in dieser Liste von Bösewichten wirklich existiert, ebensowenig wie ich beweisen kann, daß der Teufel oder der Nikolaus nicht existieren. Aber ich bin darauf vorbereitet, ein ernstes Gesicht zu machen und jedem, der eine Versicherung braucht, zu beweisen, daß es absolut keinen Beleg für die Annahme gibt, daß irgendeiner dieser schrecklichen Akteure existiert. Aber wenn einer davon existierte – dann natürlich gnade uns Gott! Ein Schrank mit einem Geist darinnen ist etwas Schreckliches, aber ein Schrank, der genauso wie ein Schrank mit einem Geist darinnen ist (bloß daß der Geist fehlt), ist nichts, was man fürchten muß; so erhalten wir etwas, das sich als nützliche Daumenregel erweisen kann: Wann immer Sie einen Butzemann in einem philosophischen Beispiel entdecken, prüfen Sie nach, ob dieser schreckenerregende Akteur, der bestimmt erfunden ist, wirklich die ganze Arbeit macht.

3. Sphexhaftigkeit und andere Sorgen

Es gibt andere Ängste, die das Problem des freien Willens nähren, und keine personifizierten Gegenstände haben. Manche Leute meinen, daß, wenn der Determinismus wahr wäre, es etwas „Mechanisches“ an unseren Entscheidungsprozessen geben müßte, was wir bedauern würden. Wir könnten keine freien Handelnden sein, sondern nur Automaten, insektenartig in unserem Verhalten. Betrachten wir die Schlupfwespe, sphex ichneumoneus:

„Wenn die Zeit des Eierlegens gekommen ist, gräbt die Wespe Sphex zu diesem Zweck ein Erdloch und sucht sich eine Grille aus, sticht sie, so daß die Grille gelähmt, aber nicht tot ist. Sie schleppt die Grille in das Erdloch, legt ihre Eier an ihr entlang, macht das Erdloch zu, dann fliegt sie weg und kehrt nie wieder. Zur fälligen Zeit schlüpfen die Wespenlarven aus den Eiern und fressen die gelähmte Grille auf, die nicht verfault ist, da sie in dem Wespen-äquivalenten Zustand des Tiefgefroren-Seins gehalten wurde. Für das menschliche Verständnis zeigt eine solche ausgetüftelt organisierte und offenkundig zweckmäßige Gewohnheit einen überzeugenden Anflug von Logik und Bedachtsamkeit – solange, bis weitere Details untersucht werden. Zum Beispiel hat die Wespe die Gewohnheit, die gelähmte Grille zu dem Erdloch zu bringen, sie am Rand liegen zu lassen, in das Loch hineinzukriechen, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist, herauszukommen und die Grille dann einzugraben. Wird die Grille um ein paar Zentimeter verschoben, während die Wespe innen ihre vorläufige Inspizierung vornimmt, wird die Wespe, wenn sie aus dem Erdloch herauskommt, die Grille zuerst zurück zum Rand bringen, aber nicht in das Erdloch zerren, und sie wird dann die vorbereitende Prozedur wiederholen und in das Erdloch kriechen, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Wenn die Grille wieder ein paar Zentimeter weggeschoben wird, während die Wespe drinnen ist, wird sie die Grille noch einmal zum Rand bringen und wieder in das Erdloch kriechen zur letzten Überprüfung. Die Wespe kommt nie auf die Idee, die Grille direkt hineinzuzerren. Bei einer Gelegenheit wurde diese Prozedur 40 mal wiederholt immer mit dem gleichen Ergebnis.“ (Wooldridge 1963, S. 82)4.

Die arme Wespe ist demaskiert, sie ist kein freier Handelnder, sondern angewiesen auf simple, physikalische Ursachen, die sie unausweichlich zu ihren Zuständen und Aktivitäten drängen durch Merkmale der Umgebung, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen. In „Can Creativity be Mechanized?“ hat Hofstadter vorgeschlagen, daß wir diese niederschmetternde Eigenschaft, die von der Wespe so deutlich dargestellt wird, Sphexhaftigkeit nennen. Eine der mächtigsten Tendenzen in der Literatur über den freien Willen ist die Angst vor Sphexhaftigkeit.

Wir sind viel klüger als Sphex, Gott sei Dank, aber gerade wenn wir dankbar darüber nachdenken, fragt der Angstmacher wieder: „Was macht Sie so sicher, daß Sie nicht sphexhaft sind – wenigstens ein kleines bißchen?“ Würde es nicht einfach aus dem materialistischen Determinismus folgen, daß menschliche Wesen, als physikalische Organismen so ausgefallen wie auch immer, in genau dem gleichen Maß Einwirkungen der Umgebung, die auf sie niederregnen, ausgeliefert sind? Der gottgleiche Biologe beugt sich hinab und schafft eine kleine lokale Änderung in der Welt der Wespe und enthüllt dabei ihr bewußtloses, mechanisches Dasein; könnte eine höhere Intelligenz, die auf uns herunterschaut, nicht einen ähnlichen, wenn auch differenzierteren Trick finden, der uns demaskiert? Selbst wenn wir uns daran erinnern, daß es, soweit wir wissen, keine solche Super-Handelnden da oben gibt, die dazu bestimmt sind, unser Leben zu durchkreuzen, ist die bloße prinzipielle Möglichkeit, daß wir auf diese Weise unvollkommen und verwundbar sind, besonders erschütternd.

Beachten Sie die Parallele zwischen der Angst vor dem unsichtbaren Gefängniswärter und der Angst vor Sphexhaftigkeit. Man beginnt mit einem einfachen, klaren Fall von etwas Schrecklichem (wirklich im Gefängnis zu sein oder genauso wie eine Wespe zu sein) und läßt dann die Schrecklichkeit einsickern und räumt dann ein, daß im eigenen Fall die Sache viel komplexer ist – meist zu komplex, um sie sich vorstellen zu können – aber immer noch in wichtiger Hinsicht ähnlich. Dann erbt vermutlich unser eigener Fall die Schrecklichkeit dank der Kette von Ähnlichkeiten. Aber ist das wirklich so?

Hier möchte ich auf eine gefährliche Eigenart philosophischer Praxis hinweisen, die in diesem Buch eine besondere Untersuchung erfährt: die absichtliche Übervereinfachung von Aufgaben, die von dem Vorstellungsvermögen der Philosophen ausgeführt werden soll. Eine verbreitete Strategie in der Philosophie ist es, eine bestimmte Art von Gedankenexperimenten zu bilden, die ich eine Intuitionenpumpe nenne (Dennett 1980 und Hofstadter und Dennett 1981). Solche Gedankenexperimente (im Gegensatz zu denjenigen Galileis oder Einsteins zum Beispiel) sind nicht dazu gedacht, strenge Argumente, die Konklusionen aus Prämissen beweisen, zu illustrieren. Eher sollen eine Reihe von phantasiereichen Reflexionen im Leser hervorgerufen werden, die letztlich keine formale Konklusion erreichen, sondern ein Gebot der „Intuition“. Intuitionenpumpen sind schlauerweise so aufgebaut, daß sie die Aufmerksamkeit des Lesers auf „die wichtigen“ Merkmale konzentrieren und den Leser davon abhalten, in den schwer zu verfolgenden Details steckenzubleiben. Daran ist im Prinzip nichts falsch. Eine der höchsten Berufungen der Philosophie ist es in der Tat, Wege zu finden, um Menschen zu helfen, den Wald zu sehen und nicht bloß die Bäume. Aber Intuitionenpumpen werden oft mißbraucht, wenn auch selten absichtlich.

Der häufigste Mißbrauch ist vielleicht, daß man ein Ergebnis ableitet – ein tiefgefühltes intuitives Urteil – aus der besonderen Einfachheit des vorgestellten Falles und gerade nicht aus dem wirklichen Gehalt des Beispiels, das so einfach und klar dargelegt wurde. Könnte es nicht so sein, daß das Schicksal der Wespe nicht deswegen zu furchtbar ist, weil ihre Handlungen und „Entscheidungen“ verursacht werden, sondern weil sie so einfach verursacht werden? Wenn es so ist, dann kann der anerkannte Unterschied zwischen dem Gegenstand unserer Intuitionenpumpe und uns – unserer Komplexität – verhindern, daß wir die Schrecklichkeit, die wir in dem einfachen Fall sehen, erben. Vielleicht sollten wir lachen, nicht erschaudern; vielleicht ist diese Intuitionenpumpe genauso wie die Alptraumschlange, die ihren Schwanz verschlingt und das so lange macht, bis sie sich vollständig selbst aufgefressen hat.

Aber das wird nur eine detaillierte Untersuchung ergeben. Sind wir sphexhaft? Sind wir in wichtiger Hinsicht sphexhaft? Wir kennen sicher einige Menschen, die es sind: Hochgradig Geisteskranke, Zurückgebliebene, Hirngeschädigte. (Zum Beispiel beschreibt Whitaker (1976) eine hirngeschädigte Frau, die überhaupt keine Sprache mehr verstehen konnte, die aber alles genau nachäffte, was zu ihr gesagt wurde – bis auf die grammatikalischen Fehler, die sie immer korrigierte!) Viele erschütternde Experimente von Psychologen scheinen etwas über die Dimension unserer Sphexhaftigkeit zu enthüllen: Milgrims klassische Horrorgeschichte über die gehorsamen Folterer (Milgrim 1974), Experimente über menschliche Irrationalität von Kahneman, Tversky und vielen anderen (Kahneman, Slovic und Tversky 1982)5, und natürlich die berühmten, wenn auch nicht offiziell anerkannten Anekdoten über Studenten, die Skinners wirksame Konditionierungstechnik anwandten, um ihre Psychologieprofessoren dazu zu bringen, sich während der Vorlesung am Ohr zu kratzen (Brewer 1974). Das wahrscheinliche Ausmaß unserer Sphexhaftigkeit wird ein zentrales Thema des zweiten Kapitels sein.

Das verschwindende Selbst: Ein anderes Merkmal, das in der Geschichte von der Wespe im Hintergrund lauert, ist jenes schauerliche Gefühl, das man oft bekommt, wenn man Insekten und andere niedere Tiere beobachtet oder etwas über sie erfährt: Diese ganze geschäftige Aktivität, aber es ist niemand zu Hause! Wir betrachten eine Welt, die scheinbar klug konstruiert, dann aber von ihrem Konstrukteur verlassen worden ist. Die Ameisen und Bienen und sogar die Fische und Vögel sie „bewegen sich nur wie Räder im Getriebe“. Sie verstehen nicht oder schätzen nicht richtig ein, was sie eigentlich machen, und auch in ihrer Nachbarschaft ist kein verstehendes Selbst zu finden. Das ist die Angst vor dem unglaublichen verschwindenden Selbst.

Wiederum scheinen wir klare Fälle zu kennen, die zwischen Insekten, Fischen und uns selbst liegen. Geisteskranke und Hirngeschädigte zum Beispiel werden offenbar mitunter ganz zutreffend so beschrieben, daß sie kein Selbst haben, daß sie lebendig und beseelt sind, aber keine Seele besitzen. Wenn wir unsere mentalen Aktivitäten von „zu nahe“ betrachten, tritt oft dasselbe Phänomen des Verschwindens ein. Wie Mozart einmal von seinen musikalischen Einfällen sagte: „Woher und wie kommen sie? Ich weiß es nicht, und ich habe nichts damit zu tun.“6 (Hervorhebung hinzugefügt). Wenn der Determinismus wahr ist, so scheint es, dann gibt es für unser Selbst keine Ellenbogenfreiheit und keine Arbeit, die es tun kann. Können wir unser Selbst finden, oder ist die Wissenschaft auf der Schwelle zu zeigen, daß es (wir?) eine Illusion ist (sind) – so wie die Illusion, daß die Wespe ein Selbst ist (oder hat)?

Die Wissenschaft führt uns ins Innere der Dinge, und es ist nicht wahrscheinlich, daß die detaillierte, innere Ansicht unserer Gehirne, die uns die Wissenschaft liefert, irgendeine wiedererkennbare Version dessen enthüllt, was Descartes die res cogitans oder das denkende Ding nannte, das wir „aus Introspektion“ so gut kennen. Wenn wir aber den Blick auf unser Selbst verlieren, sobald wir an wissenschaftlicher Objektivität gewinnen, was wird dann mit Liebe und Dankbarkeit (und Haß und Groll) geschehen?

„Was soll ich aber tun, wenn ich nicht einmal Bosheit habe? Infolge dieser verwünschten Gesetze der Erkenntnis unterwirft sich nämlich auch meine Bosheit der chemischen Zersetzung. Man sieht: das Ding hebt sich auf, die Vernunftgründe verdunsten, der Schuldige ist nicht zu finden, die Beleidigung bleibt nicht Beleidigung, sondern wird zum Fatum, zu einer Art Zahnschmerz, an dem niemand schuld ist, …“ (Dostojewski, Aufzeichnungen aus dem Untergrund, Darmstadt 1974, S. 448).

Das schreckliche Geheimnis: Die Wissenschaft scheint oft nahe daran zu sein, uns zu viel zu sagen, Pandoras Büchse zu öffnen und das eine oder andere schreckliche Geheimnis zu offenbaren; sobald wir es hören, lähmt es uns. Es lähmt uns, indem es eine Illusion zerschlägt, die für unser Weiterleben als Handelnde absolut notwendig ist. Unsere eigene Rationalität wird uns zugrunderichten, weil, haben wir erst einmal die Wahrheit gesehen, wir unfähig sein werden, uns selbst länger zu betrügen. Es ist leicht einzusehen, wie das schreckliche Geheimnis selbst vermutlich die Lähmung schafft, denn es geschieht wieder einmal in Analogie zu etwas, das oft passiert und das in der Tat lähmend und oft erschütternd sein kann. Angenommen etwa, wir verbringen den Tag in Oxford damit, über die entsprechenden Vorzüge der Restaurants in London zu debattieren und versuchen dann zu entscheiden, welches wir am Abend ausprobieren wollen. Dann erfahren wir, daß die Züge nicht fahren oder daß alle Restaurants an diesem Tag geschlossen sind oder daß wir in dem Raum in Oxford eingeschlossen sind oder daß es einfach zu spät ist, um nach London zu kommen. Wir haben gerade erfahren, daß dieses besondere Bemühen um Entscheidungsfindung äußerst zwecklos war. Es gab keine wirkliche Gelegenheit für uns zum Handeln; es gab keine wirklichen Alternativen, zwischen denen man entscheiden konnte. Wenn also die Wissenschaft uns zeigen könnte, daß es niemals wirklich irgendwelche Gelegenheiten gibt, würde uns das nicht – sollte uns das nicht – dazu bringen, Entscheidungen ganz und gar aufzugeben?

Wie Tolstoi in der letzten Zeile von „Krieg und Frieden“ schreibt, „(Es ist) unumgänglich, sich von der ebenso vom Bewußtsein empfundenen Freiheit loszusagen und die von uns nicht wahrgenommene Abhängigkeit zu erkennen.“ Aber das wäre schrecklich, so scheint es, denn würde es nicht zu wahrhaft schlimmer und selbstzerstörerischer Resignation und Apathie führen? Denken wir zum Beispiel an die widerliche Resignation derjenigen, die den Nuklearkrieg als vollkommen unausweichlich betrachten und es folglich als nicht der Mühe wert erachten, daß man versucht, ihn zu verhindern. Sollten wir nicht die Verbreitung jeder Behauptung beklagen (selbst wenn sie wahr wäre – vielleicht besonders dann, wenn sie wahr ist), die diese Art von Einstellung bestärkt?

Was soll das schreckliche Geheimnis sein? Vielleicht ist es die Tatsache des Determinismus. (Oder die Tatsache des Indeterminismus!) Auf jeden Fall sollten wir es schleunigst an die Öffentlichkeit bringen, denn es impliziert, daß Freiheit eine Illusion ist. Zu beachten ist, daß wir nicht die Angst haben, eine bestimmte Aussage sei wahr, sondern daß sie – wahr oder falsch – geglaubt werden könnte. Wenn der Determinismus jetzt wahr ist, dann war es schließlich immer wahr. Während das Leben vieler Menschen in der Vergangenheit ziemlich furchtbar gewesen ist, haben viele andere ein Leben geführt, das lebenswert war – trotz der Tatsache, daß sie in einer deterministischen Welt gelebt haben. Die moderne Wissenschaft macht den Determinismus nicht wahr, selbst wenn sie diese Tatsache entdeckt; die Dinge werden also nicht zwangsläufig schlechter, außer daß der Glaube an den Determinismus eher als der Determinismus selbst die Katastrophe schafft.7

Könnte die Entdeckung des Determinismus nicht nur unser eigenes Leben zerstören, sondern auch im nachhinein offenbaren, daß jedes frühere gute Leben nicht das war, was es für die, die es führten, zu sein schien? Manche Bilder in der philosophischen Literatur spielen mit dieser quälenden Vorstellung. Anscombe (1957, S. 6) erzählt uns von einer Vorlesung, in der Wittgenstein seine Zuhörer einlud, herabfallende Herbstblätter zu betrachten, die zu sich selbst sagen: „Nun fliege ich dorthin … nun fliege ich dahin“. Hobbes dachte sich eine ähnliche Phantasiegeschichte aus:

„Ein hölzerner Kreisel, der von den Burschen gepeitscht wird und manchmal an die eine Wand, manchmal an eine andere Wand gerät, sich manchmal dreht, manchmal Leuten gegen das Schienbein stößt, würde, wenn er gegenüber seiner eigenen Bewegung sensibel wäre, denken, er käme aus eigenem Willen voran, außer er fühlte, was ihn peitscht. Und ist ein Mensch irgendwie weiser, wenn er zu der einen Stelle um eine Wohltat, zu einer anderen um eine Abmachung rennt und die Welt damit belästigt, Irrtümer aufzuschreiben und Antworten zu verlangen, weil er glaubt, er täte es ohne einen anderen Grund als aus seinem eigenen Willen, und der nicht sieht, worin die Peitschenhiebe bestehen, die seinen Willen verursachen?“ (Hobbes, Werke, hrsg. von Molesworth, Vol V., S. 55).

Manche Illusionen sind fast unwiderstehlich. Der Golfspieler sieht seinen Ball, wie er langsam auf das Loch zurollt. Er krümmt und verrenkt und bückt sich, als ob er den Ball dazu bringen wollte, seinen Kurs zu ändern, als ob seine Verrenkungen tatsächlich eine Veränderung bewirken könnten. Aber es ist natürlich zu spät. Es gibt einen Ausdruck für solche Possen: „body English“8. „Body English“ ist immer nutzlos, manchmal komisch, manchmal ergreifend und oft unwiderstehlich. Womit die Wissenschaft uns droht, ist zu zeigen, daß all unser Streben letztlich nichts anderes als „body English“ ist. Wäre es nicht furchtbar, wenn unsere ganze mentale Gymnastik, unsere Überlegungen und Bestrebungen und Entscheidungen und Kämpfe letztlich nichts anderes als „body English“ wären? Sie wären es, wenn sie (wie unwiderstehlich auch immer) völlig unfähig wären, irgendeinen wirklichen Unterschied für die Resultate der Ereignisse, auf die es uns ankommt, nach sich zu ziehen. Dieses Schreckgespenst nimmt breiten Raum in den Diskussionen über den Fatalismus ein, aber das ist nicht sein einziger Jagdgrund. Für den Augenblick könnte es nützlich sein, „body English“ etwas ganz Ähnlichem gegenüberzustellen, denn das könnte uns helfen, uns vor einer Angst zu retten.

Betrachten wir das Durchschwingen9. Dem Golfspieler wurde vom Golfprofi gesagt, er solle seinen Kopf gebeugt lassen, bis er seinen Schwung beendet hat. Doch wie kann das ein guter Rat sein? Der Ball verläßt das Ende des Schlagholzes mitten im Schwung, und nachdem er seine Reise begonnen hat, kann nichts mehr, was an der Abschlagstelle geschieht, diese Bahn verändern. Ist nicht die Aufmerksamkeit auf Details des Schwunges, die eintreten, nachdem der Ball das Schlagholz verlassen hat, bloß so etwas wie „body English“? Nicht unbedingt. Denn vielleicht ist dies die einzige Art und Weise, das Richtige bis zum Moment des Abschlages geschehen zu lassen: nach vorne zu schauen und ein entfernteres Ziel ins Auge zu fassen und sich auf seine Anstrengungen verlassen, das Ziel zu erreichen, um dadurch Körperbewegungen hervorzubringen, die genau die richtige Distanz mit genau der richtigen Geschwindigkeit überwinden lassen. Man wäre wirklich dumm, den Rat des Profis nicht zu beachten, bloß aufgrund des Argumentes, das oben gegeben wurde, daß es keinen Unterschied machen könnte. Es könnte den entscheidenden Unterschied machen. Manchmal besteht die einzige Möglichkeit, etwas zu erreichen, was man wirklich will, darin, daß man versucht, etwas anderes zu tun. (Diese Andeutungen werden im fünften und siebten Kapitel ausgebaut.)

Ich werde also Feuer mit Feuer bekämpfen. Der Angstmacher ruft das alltägliche Bild des „body English“ hervor und bringt uns dazu, den Schauder der Verwirrung oder der Angst in die metaphysische Sphäre des freien Willens zu übertragen. Ich entgegne mit dem alltäglichen Bild des Durchschwingens und frage, warum man nicht genausogut seine kongenialere Lehre auf den hohen metaphysischen Standpunkt übertragen kann. Aber es sollte einen besseren Weg geben, den man verfolgen kann, und es gibt einen. Es ist mehr oder weniger traditionelle philosophische Praxis, flott durch die Analogien zu einer Konklusion zu gelangen, die dann zum Ausgangspunkt für außerordentlich sorgfältige Theoriekonstruktion und Argumentation wird. Zum Beispiel wird als „offenkundig“ angenommen, daß die Art von freiem Willen, die wir alle wollen, so ist, daß man nur dann einen freien Willen hat, wenn man „auch anders hätte handeln können“, und dann wird große Sorgfalt und Energie darauf verwandt, die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für diese Art von Vermögen oder Gelegenheit auszuformulieren.

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