Читать книгу: «Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation», страница 4

Шрифт:

2.1.4 Rolle der Lehrenden in CMC-Szenarien

Lehrenden kommt in Unterrichtszusammenhängen eine zentrale Rolle zu, da sie die Unterrichtspraxis auf verschiedenen Ebenen gestalten, so auch in asynchronen Online-Kommunikationen. Der Lehrer/die Lehrerin trifft – meist ausgehend von institutionellen und curricularen Vorgaben – Entscheidungen über Unterrichtsinhalte, plant und leitet unter Berücksichtigung methodisch/didaktischen Wissens und subjektiver Theorien den Unterricht, und unterhält professionelle Beziehungen zu Lernern, Lehrenden und dem Kollegium (vgl. Witten/Harde 2010).

Lehrende besitzen somit verschiedene soziale Rollen, die durch das eigene Rollenverständnis, durch Persönlichkeit, Ausbildung und Erfahrungen und den jeweiligen beruflichen Kontext sowie das jeweilige Gegenüber geprägt werden, wobei sich diese Rollen im Zuge gesellschaftlicher Veränderungen wandeln und nicht selten normativ sind (vgl. Rösler 2012a, 14). Mit dem Aufkommen interaktionistisch-soziokultureller Perspektiven auf das Lernen, die, wie in Kapitel 2.1.2 gezeigt wurde, theoretischer Hintergrund für den Einsatz von computervermittelter Kommunikation in Bildungszusammenhängen sind, ändert sich auch die Rolle der Lehrenden (vgl. z.B. Lamy/Hampel 2007, 61).

Die Lehrerin/der Lehrer fungiert in diesem Zusammenhang – und dabei spielt es keine Rolle, in welchem Modus der Unterricht stattfindet – nicht mehr als Wissensvermittler, sondern als facilitator (vgl. Rogers 1969, 104), d.h. als Lernbegleiter, der hilft, das „Konstruktionspotenzial des Lernenden […] im Unterricht durch reichhaltige, vielfältige, erfahrungsbezogene und bedeutungsvolle Lern- bzw. Konstruktionsmöglichkeiten“ (Witte/Harden 2010, 1327) zu fördern, u.a. durch eine entsprechende Aufgabenstellung (vgl. Kapitel 2.1.3) und das Herstellen einer lernförderlichen Atmosphäre.1

Jedoch ist die Tatsache, dass eine Lehrerin/ein Lehrer ein neues eigenes Rollenverständnis entwickelt hat und dementsprechend den Unterricht planen und umsetzen will, noch kein Garant dafür, dass diese/-r auch als facilitator agieren kann. Dies ist darauf zurückzuführen, dass soziale Rollen nicht nur selbst gewählt werden, sondern in gleichem Maße auch interpersonal konstituiert werden.2 Wright weist darauf hin, dass Faktoren wie Status, Position, Persönlichkeit sowie Annahmen über die jeweils andere Gruppe ausschlaggebend dafür sind, in welcher Rolle man sich befindet (vgl. Wright 1987, 21). Erwartungen und Rollenzuschreibungen seitens der Lernenden können dazu führen, dass es z.B. einem Lehrer/einer Lehrerin nicht gelingt, sich im Sinne eines facilitators auf Augenhöhe der Lernenden zu positionieren. Selbst wenn er/sie anstrebt,

ihre sozial-institutionelle Rolle als Lehrkraft zugunsten ihrer didaktischen Lehrerrolle im Interesse eines emanzipatorischen Unterrichts zurückzunehmen, so kann sie dennoch nicht mit [den Lernenden] auf wirklich gleicher Ebene interagieren, da die Lehrkraft immer zugleich als Bewertungs- und Kontrollinstanz fungiert; zumindest aus Lernerperspektive […]. (Witten/Harden 2010, 1332)

Dieses Zitat weist darauf hin, dass die Rolle des Lehrers abhängig ist von den Annahmen, den subjektiven Theorien und dem Wissen, das Lernende von Lehrern haben, und dass traditionell hierarchische Verhältnisse3 nicht ohne weiteres überwunden werden können. Dies ist auch für landeskundliches Lernen wichtig, da davon ausgegangen werden kann, dass Lehrende, als (vermeintliche) Experten für das Zielsprachenland, in der Regel auch eine Deutungshoheit im Hinblick auf landeskundliche Gegenstände haben, und beispielsweise als eine Art gatekeeper auch die Macht darüber besitzen, ob persönliche Erfahrungen mit der Zielsprachenkultur, die im Rahmen von Landeskundeunterricht von den Lernern geäußert werden, als gültig anerkannt werden.

Im Hinblick auf die Frage, was der Einsatz von digitalen Medien im Kontext des Fremdsprachenlernens und -lehrens von den Lehrenden abverlangt, wurde in den Anfangsjahren von computergestütztem Fremdsprachenunterricht zunächst nur darauf hingewiesen, dass zu den fachdidaktischen Kompetenzen auch Computerkenntnisse gehörten (vgl. Hampel/Stickler 2005, 316). Inzwischen herrscht weitgehend das Bewusstsein vor, dass fachspezifische mediendidaktische Kompetenzen vonnöten sind, um durch den Einsatz von digitalen Medien Fremdsprachenlehr- und -lernprozesse zu unterstützen. In der bildungspolitischen Debatte um Kompetenzen von Lehrenden wird es demnach als sinnvoll erachtet, diese nicht global sondern domänenspezifisch zu beschreiben (vgl. Rösler/Würffel 2010b, 27f).

Von Rösler und Würffel (2010b) liegen Überlegungen4 vor, welche Kompetenzen Online-Tutoren besitzen sollten, wobei zwischen Sozialkompetenz und personaler Kompetenz auf der einen Seite und Fach-, Methoden-, Organisations- und Administrationskompetenz auf der anderen Seite unterschieden wird. Zugleich zeigt sich in der Arbeit von Rösler und Würffel, die auf Online-Tutoren fokussieren, dass es stark vom Kontext abhängt, welche Kompetenzen benötigt werden. Online-Tutoren, d.h. die Personen, die die Arbeit von Lernern während der Online-Phasen (oder in reinen E-Learning-Szenarien) unterstützen,5 sind dabei zu unterscheiden von den Lehrenden, die tutorieren und mit Hilfe methodisch-didaktischen Wissens die Online-Phasen planen.

Dementsprechend haben Rösler und Schneider (2007, 178f) Aufgabenfelder für Lehrende in Blended-Learning-Szenarien formuliert und konkretisiert. Diese leisten aufgrund ihrer Fokussierung auf die computervermittelte Kommunikation für die Beschreibung und Analyse der hier untersuchten Online-Diskussionen einen wertvollen Beitrag und sind Ausgangspunkt für die folgende Darstellung. Es wird deutlich, dass die Aufgabenformulierungen verschiedene fachspezifische, mediendidaktische und soziale Kompetenzen der Lehrenden implizieren, die Voraussetzung für das erfolgreiche Planen und Durchführen sind. Zugleich ist die Vorstellung des Lehrers/der Lehrerin als facilitator prädominant und prägt die Aufgabenbeschreibungen:

Zu den technischen Aufgaben zählt, neben den Aufgaben, die die Bereitstellung von Online-Lehrinhalten mit sich bringt, dass die Lehrenden den Lernern helfen, in virtuellen Lernumgebungen zurechtzukommen, und zwar durch eine entsprechende Einweisung, durch das Bereitstellen von Leitfäden und technischen Hilfestellungen.

Organisatorisch-administrative Aufgaben: Die Aufgabe von Lehrenden ist es zu vermeiden, dass „eine kognitive Überlastung der Lernenden durch den organisatorischen Zusatzaufwand [auftritt], der in Folge der virtuellen Lernumgebung entstehen kann (z.B. dadurch, dass die Lernenden mit den Besonderheiten netzgestützter Kommunikation zurecht kommen [sic] müssen)“ (ebd., 178). Diese gilt es mit Hilfe geeigneter Unterstützungsangebote zu vermeiden. Während Rösler und Schneider das Festlegen von Terminen und Abgabefristen als Strukturierungshilfen sowie die Vorgabe von Regeln für die Online-Kommunikation nennen, sollte zudem die Aufgabenstellung transparent und kleinschrittig formuliert werden. Es ist dabei für den Online-Modus besonders wichtig, dass die Aufgabenstellung gut durchdacht ist, da auf Missverständnisse bzw. Fragen unter Umständen nicht sofort reagiert werden kann. Auch inhaltliche Hilfestellung, z.B. durch die Vorgabe von Beispielantworten oder die Angabe, wie viele Beiträge man schreiben sollte, sind sinnvoll, da z.B. ein Begriff wie „diskutieren“ im Kontext asynchroner computervermittelter Kommunikation ohne entsprechende Erfahrung seitens der Lerner nicht unbedingt verständlich ist.

Neben diesen Aufgaben, die den Lernprozess strukturieren, spielen motivational-emotionale Aufgaben eine wichtige Rolle: Aufgrund der Kanalreduktion in asynchroner computervermittelter Kommunikation ist „die soziale Präsenz eingeschränkt und die Kommunikationssituation anonymer“; zu den Aufgaben der Lehrenden gehört es daher, eine lernförderliche Atmosphäre im Kurs herzustellen, indem eine „angenehme, konstruktive und kommunikationsfreudige Stimmung“ (Rösler/Würffel 2010b, 46) geschaffen wird. In diesem Aufgabenbereich spiegelt sich am deutlichsten die Vorstellung des Lehrenden als facilitator. Konkret kann dies geschehen, indem die Lerngruppe als Ganzes unterstützt wird, Anerkennung ausgesprochen wird, Hinweise und nur gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge gegeben werden (vgl. Meister 2012, 48). Es ließe sich zudem hinzufügen, dass die Lehrenden die Stärken der verschiedenen Unterrichtsmodi kennen und den Präsenzunterricht nutzen, um eine angenehme Stimmung in der Gruppe herzustellen, die in den Online-Phasen beibehalten werden kann.

Methodisch-didaktische Aufgaben: Nach Rösler und Schneider zählt zu diesen das Entwerfen von Lernszenarien, „die den Bedingungen der digitalen Medien gerecht werden und einen didaktischen Mehrwert erbringen“, wobei die Eigenschaften, Bedingungen und Auswirkungen der verschiedenen Modi stets berücksichtigt werden müssen. Dies heben auch Lamy und Hampel (2007, 34) hervor: „[T]eachers and learners cannot simply replicate in CMCL what they have accustomed to doing in the face-to-face-setting“. Dazu gehört, ausgehend von den Lernzielen den geeigneten Modus zu wählen (Online- vs. Präsenz-Modus, Selbstlernen vs. kooperatives Lernen, asynchron vs. synchron) und geeignete Aufgaben zu formulieren sowie dafür zu sorgen, dass eine sinnvolle Verbindung von Online- und Präsenz-Komponenten entsteht.

Zu den fachlich-inhaltlichen Aufgaben gehört abschließend, „dass sie [die Lehrenden, CB] als Experten ihres Faches Kursmaterialen bereitstellen oder selbst Autoren von Online-Materialien sind, die Auseinandersetzung mit den Materialien initiieren und inhaltliche Fragen beantworten. Bei der Online-Kommunikation sollten sie Lernende unterstützen, indem sie den roten Faden herstellen, bei Bedarf Zusammenfassungen anbieten, Beiträge kommentieren, Bezüge herstellen und verschiedene Ansichten in den Diskurs mit einbringen (vgl. Rösler/Schneider 2007, 178f, vgl. auch Salmon 2000, 32f). Dies zeigt, dass die Aufgabengebiete sich oft überschneiden und z.B. in der Tutorierung von asynchronen Online-Diskussionen motivational-emotionale Aufgaben und fachlich-inhaltliche Aufgaben ineinanderfließen.

Die Lehrerrolle in asynchronen computervermittelten Diskussionen ist also, ebenso wie in allen anderen Modi, vielschichtig und wird von den Erwartungen beeinflusst, die Lernende an den Lehrer/die Lehrerin stellen, aber auch von normativen Ansprüchen. Während im Zuge interaktionistisch-soziokultureller Theorien die Lehrerin/der Lehrer als Lernbegleiter oder facilitator gesehen wird, der hilft, ein Lernsetting herzustellen, in dem die Lernenden im Austausch mit anderen gemeinsam Wissen konstruieren, können Erwartungen von Lernenden dafür sorgen, dass Lehrende der Rolle des Lernbegleiters nur begrenzt gerecht werden können. Diese Feststellung wird vor allem in Kapitel 5.9 eine Rolle spielen.

Zugleich hat die knappe Beschreibung der Aufgaben von Lehrenden in Blended-Learning-Szenarien gezeigt, dass gewisse Besonderheiten festzustellen sind. Zwar haben Lehrende sowohl im Online- als auch im Präsenzmodus die Aufgabe, Lernprozesse anzuregen und zu moderieren, Rückmeldungen auf Lernleistungen zu geben und, wenn Lernende zusammenarbeiten, die Kooperation zu stärken (vgl. Meister 2012, 45), doch müssen im Online-Modus zudem technische Hilfestellungen gegeben werden, Aufgabenstellungen müssen besonders durchdacht formuliert werden und im Zuge der Tutorierung muss aufgrund der Kanalreduktion auf andere Mittel zurückgegriffen werden, um eine lernfreundliche Atmosphäre herzustellen.

2.1.5 Zusammenfassung

Dieses Kapitel zu digitalen Medien und asynchroner computervermittelter Kommunikation im Fremdsprachenunterricht hat gezeigt, dass Fremdsprachenunterricht durch digitale Medien auf vielfältige Art und Weise modifiziert werden kann und dass die Wahl eines bestimmten Werkzeuges oder eines bestimmten Modus vor allem vom Kontext und den Lernzielen bestimmt wird. Im Hinblick auf das untersuchte Setting sollen im Folgenden die wichtigsten Erkenntnisse und Annahmen zusammengefasst werden.

Der Einsatz von asynchroner computervermittelte Kommunikation im Landeskundeunterricht ist aus allgemeindidaktischen Gründen sinnvoll sowie aus Gründen, die speziell das Fremdsprachenlernen betreffen. Der wichtigste Grund ist die Möglichkeit zur tieferen Reflexion: Aufgrund der relativen zeitlichen Flexibilität haben die Lernenden die Möglichkeit, auch außerhalb des Präsenzunterrichts zu interagieren sowie länger über ihre Beiträge nachzudenken, was sowohl die inhaltliche Tiefe der Beiträge als auch die sprachliche Ausarbeitung positiv beeinflussen kann. Zugleich können jedoch durch diese Flexibilität die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Beiträgen so groß werden, dass die Interaktion zwischen den Lernenden erschwert wird.

Verschiedene Studien legen nahe, dass sich asynchrone computervermittelte Diskussion positiv auf das Fremdsprachenlernen auswirkt. Die relative zeitliche Flexibilität kann darüber hinaus zu einer gleichberechtigteren Teilnahme aller sorgen: Die Diskussion kann nicht von Lernern, die sich auf einem höheren Sprachniveau befinden als die anderen Lerner, oder von besonders lauten oder extrovertierten Lernern dominiert werden. Schüchterne Lerner können an der Diskussion teilhaben, ohne dass sich alle Blicke auf sie richten. Zugleich werden die Beiträge der Studierenden im Diskussionsforum gespeichert und sind somit zu späteren Zeitpunkten zugänglich. Die anderen Lernenden können sie mehrmals lesen und das Verständnis sichern.

Zudem besitzen asynchrone Online-Diskussionen ein Potenzial für die gemeinsame Wissenskonstruktion, was durch die zeitliche Flexibilität unterstützt wird. Die Lerner posten nach relativ sorgfältiger Reflexion ihre Beiträge, die ihre Perspektive auf ein Thema beinhalten, so dass verschiedene Perspektiven auf den Lerngegenstand in der Diskussion sichtbar werden. So können multiperspektivische Diskussionen entstehen, die den Lernenden andere Sichtweisen aufzeigen, die sie mit ihren eigenen vergleichen und welche sie unter Umständen im Anschluss revidieren können. Die Lehrerin/der Lehrer nimmt in diesem Kontext die Rolle eines Lernbegleiters ein, der die Diskussion affektiv durch eine hohe Präsenz und Lob unterstützt, ohne selbst in eine dozierende Rolle zu verfallen.

Dreh- und Angelpunkt des Unterrichtsgeschehens, so auch in asynchronen Online-Diskussionen, sind Aufgaben, und damit viele verschiedene Sichtweisen auf das jeweils diskutierte Thema sichtbar werden, müssen die Aufgaben, die die Lerner online bearbeiten, entsprechend formuliert sein. Es wurden einige Gütekriterien präsentiert, die zur Beurteilung der Aufgabenstellungen und des Potenzials für landeskundliches Lernen herangezogen werden sollen. Für die Analyse der Aufgaben im untersuchten Szenario werden vor allem die Kriterien Offenheit und Lebensweltbezug relevant sein. Um aber das Potenzial asynchroner Online-Diskussionen für landeskundliches Lernen auf eine Weise herauszuarbeiten, die über die Nennung von Multiperspektivität hinausgeht, muss zunächst dargestellt werden, welche Ziele landeskundliches Lernen im Allgemeinen und im hier untersuchten Setting hat.

2.2 Kulturbezogenes Lernen
2.2.1 Landeskunde: Geschichte, Begriffe und Probleme

Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Sprache und Kultur untrennbar miteinander verwoben sind und Fremdsprachenlernen daher im Grunde immer mit kulturbezogenem Lernen einhergeht.1 Die Frage, was Kultur in diesem Zusammenhang bedeutet, wird sehr unterschiedlich beantwortet, wie auch ein Blick auf die historische Entwicklung der Zielsetzungen von Landeskundeunterricht zeigt. Im folgenden Kapitel soll daher zunächst einleitend auf dessen Geschichte, (Kultur-)Begriffe und Probleme eingegangen werden, um daran anschließend aktuelle Entwicklungen in der Landeskundedidaktik darzulegen, die die theoretische Grundlage für das Seminar bilden, das im Rahmen dieser Arbeit untersucht wird.

Neben der Verortung von Landeskunde als Teil des Fremdsprachenunterrichts wird gewöhnlich auch von Landeskunde als Forschungsgegenstand und als einer politisch eingeforderten Kompetenz gesprochen.2 Landeskunde im Fremdsprachenunterricht wird anhand ihres jeweiligen didaktischen Ortes unterschieden, denn zwischen Landeskunde als (explizit und/oder implizit vermitteltem) integrativem Teil des Fremdsprachenunterrichts und Landeskunde als, wie im vorliegenden Fall, eigenständigem Fachseminar im Rahmen von Lehrerausbildung oder Germanistikstudiengängen im nicht-deutschsprachigen Ausland bestehen große Unterschiede hinsichtlich sowohl der Lehr- und Lernziele, der didaktischen Aufbereitung als auch der Erwartungen der Lernenden. Im Rahmen des Germanistik-Studiums an ausländischen Universitäten hat die Landeskunde als eigenständiges Unterrichtsfach beispielsweise eine andere Stellung als ein eher kommunikativ ausgerichteter Unterricht an Sprachschulen in den deutschsprachigen Ländern, an denen die Alltagskommunikation im Mittelpunkt steht.

Landeskunde hatte lange aus verschiedenen Gründen in der deutschsprachigen fachdidaktischen Diskussion einen schwierigen Status. Hackl, Langner und Simon-Pelander beispielsweise fassen in der Landeskundediskussion gefallene Urteile wie „Unfach“, „ominös“ und „Faktenhuberei“ zusammen und weisen darauf hin, dass die Landeskunde sogar als „überflüssig“ bezeichnet wurde (vgl. Hackl/Langner/Simon-Pelander 1998, 5). So wurde und wird kritisiert, dass im Landeskundeunterricht – sei er nun integrativer Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts oder eigenständiges Fachseminar – die Vermittlung von willkürlichen, von subjektiven Präferenzen der Lehrenden abhängigen Inhalten stattfindet.3 Um dem entgegenzuwirken, wurde immer wieder die wissenschaftliche Verankerung in Bezugsdisziplinen wie Politikwissenschaften, Geschichte, Sozialwissenschaften etc. gefordert, die jedoch „letztlich immer ungeklärt und in einzelnen Studien stecken geblieben ist“ (Altmayer/Koreik 2010a, 1378). Hinzu kommt, dass selbst wenn die Landeskunde stärker wissenschaftlich verankert ist, wie es z.B. innerhalb von französischen LEA-Studiengängen4 der Fall ist, auch dort die Unterrichtsinhalte von den Vorlieben der Lehrenden abhängen und es an qualifizierten Lehrkräften fehlt:

Aujourd’hui encore, l’enseignement de la civilisation est dans chaque université davantage le produit de situations et de qualifications locales, des intérêts propres aux enseignants sur place […]. Un observateur soulignait, en 1989, que la civilisation était reconnue comme le troisième pilier de la germanistique française, ‚l’un des problèmes majeur semble rester la qualification des enseignants, car il n’y a que très peu d’enseignants essentiellement civilisationnistes‘. (Martens 2006, 10)

Für den Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht und die sogenannte Auslandsgermanistik stellt Hille Ähnliches fest, da „gerade die Integration sozialwissenschaftlicher Aspekte in Lehre und Forschung im Fach Deutsch als Fremdsprache oft Schwierigkeiten bereitet, was bereits in der größtenteils eher geisteswissenschaftlich orientierten Ausbildung der Lehrenden begründet liegt“ (Hille 2009, 9).

Seitdem der cultural turn in den Geisteswissenschaften auch die Fremdsprachendidaktik erreicht hat und die Landeskunde in der Theorie und teilweise auch in der Praxis von kulturwissenschaftlich orientierten Ansätzen geprägt ist,5 hat sich das Problem auf eine andere Ebene verschoben, nämlich dass es in der Unterrichtspraxis schwerfällt, den fundierten kulturtheoretischen Überlegungen gerecht zu werden (vgl. Altmayer/Koreik 2010a, 1380). In den letzten Jahren hat sich zwar vor allem der Ansatz, mit Erinnerungsorten zu arbeiten, als durchführbar erwiesen, doch ist weiterhin festzustellen, dass auf den Niveaus A1 bis A2/B1 des GER die Umsetzung der Prämissen einer kulturwissenschaftlich orientierten Landeskunde problematisch ist (vgl. Kapitel 2.2.2).

Ein Blick auf die Geschichte des Landeskundeunterrichts zeigt, dass die Auffassung, was sinnvolle Inhalte und Ziele sind, stets im Zusammenhang mit übergreifenden Ansätzen in der Fremdsprachenvermittlung steht und unter Berücksichtigung der jeweiligen übergreifenden Zielvorstellungen von Fremdsprachenunterricht betrachtet werden müssen.6 Folgende landeskundlichen Ansätze lassen sich seit den 1950er Jahren ausmachen: der kognitive, der kommunikative und der interkulturellen Landeskundeansatz.7 In den letzten Jahren spricht man zudem von transkultureller und kulturwissenschaftlich orientierter Landeskundedidaktik (vgl. z.B. Koreik/Pietzuch 2010, 1449f, Laurien 2010).8

Der kognitiv ausgerichtete Landeskundeansatz wird in der Regel zur Grammatik-Übersetzungs-Methode gezählt, deren übergreifendes Ziel formale Bildung und die Bekanntmachung der Lernenden mit fremden ‚Kulturen‘ ist (vgl. Christ 2010, 17f, Rösler 2012a, 68f). Die Kritik am Zahlen und Daten vermittelnden Landeskundeunterricht richtet sich vor allem gegen eine Unterrichtspraxis, in der Inhalte gelernt werden sollen, die für die Lernenden mitunter keine hohe Relevanz haben und für die Kommunikation in der Fremdsprache keine große Rolle spielen. Hinzu kommt, dass diese scheinbar objektiven Fakten unter Umständen, wie beispielsweise solche, die in Lehrwerken eingeführt werden, veraltet sein können.9 Darüber hinaus handelt es sich oftmals um Wissen, das auch L1-Sprecher nicht besitzen. Zwar könnte man meinen, dass letzteres Argument in Zeiten, in denen die Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts an muttersprachlichen Kompetenzen als nicht mehr zeitgemäß angesehen wird, an Argumentationskraft verloren hat, doch richtet sich die Kritik vor allem gegen kontextloses Faktenwissen, wie es z.B. in Lehrwerken für Integrationskurse (vgl. z.B. Schote 2011) behandelt wird. Auf die Frage, inwieweit die Vermittlung von Sachwissen im hier untersuchten Seminar sinnvoll ist, wird in Kapitel 6.2 näher eingegangen.

Von der Vermittlung von Fakten- bzw. Sachwissen wird im kommunikativen Ansatz Abstand genommen, der von Piepho (1974) angestoßen wurde. Landeskundliche Inhalte sind bestimmt von ‚Alltagskultur‘ und der Frage, welches landeskundliche Wissen der Lernende benötigt, um in der Alltagskommunikation ‚adäquat‘ kommunizieren zu können. Damit geht auch einher, dass die Thematisierung der sogenannten Hochkultur ersetzt wird durch eine Beschäftigung mit kulturellen Äußerungen, die mit dem sogenannten erweiterten Kulturbegriff beschrieben werden. Kritisiert wird am kommunikativen Ansatz die in der Unterrichtspraxis einseitige Orientierung an der Alltagskommunikation, die das ursprünglich hohe politische Ziel der Diskursfähigkeit, d.h. „die Fähigkeit von Menschen, an mehrsprachigen und komplexen gesellschaftlichen Prozessen teilzuhaben, sie mitbestimmen und mitgestalten zu können“ (Legutke 2010, 73), mit der Zeit ersetzt (vgl. Rösler 2012a, 77).

Im Zuge des interkulturellen Paradigmas des Fremdsprachenunterrichts, dessen Lehr- und Lernziel interkulturelle Kompetenz ist, rückte der Fokus auf die Vermittlung von Strategien im Umgang mit ‚fremden‘ Kulturen; Voraussetzung dafür sei nicht nur die Kenntnis des ‚Fremden‘, sondern zugleich auch die Auseinandersetzung mit dem ‚Eigenen‘. In den letzten Jahren entwickelte transkulturelle und kulturwissenschaftlich orientierte Ansätze können als eine Reaktion auf das Interkulturalitätsparadigma verstanden werden, da sie die primäre Zielvorstellung vertreten, der in Zeiten von Globalisierung und weltweiten Vernetzungen verstärkt erlebten Heterogenität von ‚Kulturen‘ eher gerecht zu werden als der interkulturelle Ansatz. Dieser wird

als eine die Realität verschleiernde Ideologie [betrachtet], die die tatsächlich herrschende Ungleichheit zwischen Minderheiten und Mehrheiten verdecke, faktische Diskriminierung kompensiere und somit rassistische Einwanderungspolitik unterstütze. (Hu 1999, 279)

Interkulturellen Ansätzen wird also in dieser Argumentation vorgeworfen, anstatt für die Überbrückung von ‚kulturellen Unterschieden‘ zu sorgen, diese zu verfestigen.10

Mit neueren, kulturwissenschaftlich orientierten Ansätzen liegen Versuche vor, die im Zuge der Globalisierung veränderten Ziele von Fremdsprachenunterricht im Allgemeinen und die daraus resultierenden Veränderungen im landeskundlichen Unterricht zu berücksichtigen. Den verschiedenen Ansätzen gemein ist, dass sie – meist implizit – von Landeskunde als integrativem Teil des Fremdsprachenunterrichts ausgehen. Landeskunde als eigenständiges, faktenvermittelndes Fach ist mittlerweile „verpönt“ (Koreik 2010a, 28), obwohl es an ausländischen Universitäten oft zum Curriculum gehört und daher eigentlich stärker in der fachdidaktischen Diskussion berücksichtigt werden sollte.

Beide Problembereiche der Landeskundedidaktik – sowohl die Frage nach den Inhalten als auch die nach der Wissenschaftlichkeit – finden ihren Ausdruck auch in dem Ringen um die Bezeichnung des Faches. An dieser Stelle sollen weder die unterschiedlichen Bezeichnungen aufgelistet werden, dies ist schon andernorts oft getan worden (siehe z.B. Maijala 2008, 15f), noch die (manchmal fundamentalen) Unterschiede zwischen den einzelnen Ausrichtungen behandelt werden. Zusammenfassend lässt sich indes feststellen, dass die Frage nach den Inhalten sich z.B. in Begriffen wie Länderkunde (versus Landeskunde – hier also als ein plurinational verstandenes Konzept), Realia oder Kulturkunskap niederschlägt und die nach wissenschaftlichen Ansprüchen in Landesstudien, Kulturstudien oder German studies.

Im Folgenden soll, wenn von dem Unterrichtsfach die Rede ist, mit dem Begriff Landeskunde operiert werden, Lernprozesse werden als ‚landeskundliches Lernen‘ oder synonym als ‚kulturbezogene Lernprozesse‘ bezeichnet. Der Begriff der Landeskunde kann zum einen als neutral betrachtet werden, der sich „obwohl er immer wieder in Frage gestellt wurde und noch wird, durchgesetzt hat“ (Maijala 2008, 16), gleichzeitig kann er als ein Oberbegriff für die verschiedenen Ansätze gelten, wie sich z.B. in dem 2010 erschienen internationalen Handbuch Deutsch als Fremd- und Zweitsprache zeigt, das verschiedene Ansätze unter der Überschrift „Landeskunde“ summiert (vgl. Krumm et al. 2010, 1441).

4 724,66 ₽

Начислим

+142

Покупайте книги и получайте бонусы в Литрес, Читай-городе и Буквоеде.

Участвовать в бонусной программе
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
532 стр. 5 иллюстраций
ISBN:
9783823300847
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
Текст
Средний рейтинг 4,9 на основе 342 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,1 на основе 1078 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,7 на основе 379 оценок
Текст
Средний рейтинг 4,9 на основе 1506 оценок
Текст
Средний рейтинг 5 на основе 51 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,8 на основе 5290 оценок
Текст, доступен аудиоформат
Средний рейтинг 4,7 на основе 1902 оценок
Текст PDF
Средний рейтинг 4,6 на основе 37 оценок
Текст, доступен аудиоформат
Средний рейтинг 4,8 на основе 329 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок