Staatshaftungsrecht

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2. Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

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Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch kann nicht als Unterfall des Folgenbeseitigungsanspruchs charakterisiert werden. Er zielt nämlich nicht auf die Beseitigung rechtswidriger Zustände, die durch Grundrechtseingriffe verursacht wurden, sondern auf den Ausgleich von Schäden, die ein Sozialversicherter oder Sozialleistungsberechtigter aufgrund falscher behördlicher Auskunft oder sonstiger Fehlbetreuung erleidet. Anknüpfungspunkt ist also nicht der grundrechtliche Unterlassungs-, sondern der sozialrechtliche Leistungsanspruch.

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Beispiel:

Ein Wohngeldberechtigter wird durch eine falsche Auskunft davon abgehalten, fristgerecht eine Verlängerung des ihm zustehenden Wohngeldes zu beantragen[36].

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Der Herstellungsanspruch findet seine Rechtsgrundlage mithin nicht in den Grundrechten, sondern in einer richterrechtlichen Rechtsfortbildung.

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Der Inhalt des Anspruchs ist auf Naturalrestitution in Gestalt der Vornahme einer Rechtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialleistungsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte; der Anspruch ermöglicht keine verkappte Verurteilung in Geld[37].

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Der Anspruch hat folgende Voraussetzungen:


Nachteil oder Schaden beim Leistungsberechtigten
Verhalten (Tun oder Unterlassen) eines Sozialleistungsträgers
Pflichtwidrigkeit dieses Verhaltens
Ursächlichkeit dieses Verhaltens für den Schaden

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Der Anspruch ist also ausgeschlossen, wenn die zur Herstellung erforderliche Amtshandlung gesetzlich unzulässig wäre, darüber hinaus aber auch dann, wenn der Gesetzgeber selbst die Rechtsfolgen einer Verletzung von Nebenpflichten des Sozialleistungsträgers geregelt hat[39]. Dies kann der Fall sein, wenn der Gesetzgeber etwa selbst Regelungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand getroffen hat.

3. Immissionsabwehranspruch

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Ebenso wie der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auch der Immissionsabwehranspruch nicht als Variante des Folgenbeseitigungsanspruchs einzuordnen. Richtet sich das Begehren gegen Geräusche, die von einem öffentlichen Sportplatz, gegen Gerüche, die von einem städtischen Abfallcontainer, gegen Lichtstrahlen, die von einer Straßenlaterne ausgehen, so geht es unmittelbar um die Abwehr eines dauernden Eingriffs durch Immissionen, nicht um die Beseitigung von Folgen, die durch diesen Eingriff hervorgerufen wurden. Da er auf die Abwehr ungerechtfertigter Grundrechtseingriffe durch Immissionen abzielt, kann er als Spielart des grundrechtlichen Unterlassungsanspruchs charakterisiert werden. Mithin geben die Grundrechte selbst die Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ab, auch wenn von der Rechtsprechung immer wieder die analog anzuwendenden §§ 1004 und 906 BGB herangezogen werden[40].

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Die Immissionen können dann abgewehrt werden, wenn der von ihnen ausgehende Grundrechtseingriff nicht gerechtfertigt, er also nicht in dem gebotenen Maße durch eine Ermächtigungsgrundlage abgesichert ist. Als Eingriffsermächtigungen kommen insbesondere Vorschriften aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz in Betracht bzw. Normen, die aufgrund dieses Gesetzes (Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften) erlassen wurden. Zudem hält die Rechtsprechung eine Ermächtigung durch analoge Anwendung von § 906 BGB für möglich[41], wobei es dann allerdings entscheidend auf die „Wesentlichkeit“ der Immission und die „Ortsüblichkeit“ der Benutzung ankommt.

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Muss der Betroffene die Immission dulden, da der Hoheitsträger zu ihr ermächtigt wurde, können aber unter Umständen noch Ansprüche auf Geldleistungen für Lärmschutzmaßnahmen aus enteignendem Eingriff bestehen[42].

4. Anspruch auf Unterlassung drohender Eingriffe

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Dieser Anspruch ist auf zu erwartende Grundrechtseingriffe ausgerichtet. Er hat also nicht – wie der Immissionsabwehranspruch – den erfolgten und andauernden Eingriff – oder – wie der Folgenbeseitigungsanspruch – die durch den Eingriff herbeigeführten Folgen zum Gegenstand.

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Beispiel:

Eine Landeszentrale für politische Bildung beabsichtigt eine Broschüre über „neureligiöse Bewegungen“ an den Schulen des Landes zu verteilen. Diese Broschüre enthält sachlich unbegründete und diffamierende Äußerungen über die Bewegung „Heil und Erlösung“. Die Bewegung wird erreichen, dass der drohende Eingriff in ihr Grundrecht der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) unterbleibt.

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Seine Grundlage findet dieser Anspruch in den grundrechtlichen Unterlassungsansprüchen. Der aus den Grundrechten als Abwehrrechte fließende Anspruch auf Schutz vor ungerechtfertigten Eingriffen wäre unzureichend, wenn er sich nur auf geschehene Eingriffe beschränkte und sich nicht auch auf zu erwartende grundrechtsverletzende Maßnahmen erstreckte. Denn effektiven Schutz entfalten die Grundrechte nur dann, wenn der in ihnen verankerte Unterlassungsanspruch auch den Fall drohender, nicht gerechtfertigter Eingriffe erfasst: Grundgesetzlicher Grundrechtsschutz bedeutet also auch Schutz vor Grundrechtsgefährdungen[43].

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Als problemträchtig erweist sich dabei die Frage, unter welchen Voraussetzungen dieser Unterlassungsanspruch gegenüber drohenden Eingriffen ausgelöst wird, wann also anzunehmen ist, dass ein nicht zu rechtfertigender Grundrechtseingriff schon droht. Es bietet sich an, dabei auf den Gefahrbegriff des Polizei- und Ordnungsrechts zurückzugreifen, so dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen verletzenden Grundrechtseingriff vorliegen muss. Erfolgten in der Vergangenheit schon Verletzungen, so kann dies dafür sprechen, dass der Hoheitsträger auch in Zukunft so verfahren wird. In einem solchen Fall ist eine Wiederholungsgefahr zu bejahen, so dass ein Anspruch auf Unterlassung des drohenden Eingriffs begründet sein kann.

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Prozessual durchsetzbar soll der Anspruch aber nur bei Vorliegen eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses sein[44]. Dieses Bedürfnis besteht etwa im Falle der konkreten Gefahr, dass ohne Abwehr des beabsichtigten Verwaltungsaktes vollendete, nicht ohne weiteres rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen würden[45].

VII. Rechtsweg

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Der Folgenbeseitigungsanspruch ist vor den Verwaltungsgerichten einzuklagen. Dieser Anspruch ist als „öffentlich-rechtliche Streitigkeit“ im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu qualifizieren, da er auf die Beseitigung der Folgen öffentlich-rechtlichen Verhaltens zielt.

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Ist zur Beseitigung der Folgen ein Verwaltungsakt erforderlich, so ist der Anspruch mit der Verpflichtungsklage als zutreffender Klageart geltend zu machen (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), ansonsten mit der allgemeinen Leistungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO). Im speziellen Fall des Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruchs (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO) kann der Anspruch im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO) unmittelbar mit der Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) verbunden werden, durch die der unmittelbar eingreifende Verwaltungsakt angegriffen wird.

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Lösung zu Fall 1 (Rn 12):

Durch die Einweisung der Familie F in die Villa des E wird dessen subjektives Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung beruht auf einer Ordnungsverfügung der zuständigen Behörde, also auf einem „hoheitlichen Eingriff“. Die Ordnungsverfügung erwies sich als rechtswidrig, so dass durch den Eingriff ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde. Da dieser Zustand noch andauert, sind die Voraussetzungen eines Folgenbeseitigungsanspruchs erfüllt: E kann von der Behörde die Räumung der Villa verlangen.

 

Das Begehren, die Villa zu renovieren, kann E dagegen nicht auf den Folgenbeseitigungsanspruch stützen. Bei den Schäden, die in der Villa entstanden sind, handelt es sich um eine mittelbare, nicht adäquate Folge der Ordnungsverfügung. Solche mittelbaren Folgen sind aber nach bisheriger Rechtsprechung nicht Gegenstand eines Folgenbeseitigungsanspruchs. Unter Umständen kann E aber ein Entschädigungs- oder Schadensersatzanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff oder aus Amtshaftung zustehen.

Literatur:

Brugger, Gestalt und Begründung des Folgenbeseitigungsanspruchs, JuS 1999, 625 ff; Bumke, Der Folgenbeseitigungsanspruch, JuS 2005, 22 ff; Durner, Grundfälle zum Staatshaftungsrecht, JuS 2005, 900 ff; Erbguth, Vom Folgenbeseitigungsanspruch zum Folgenentschädigungsanspruch, JuS 2000, 336 ff; Faber, Folgenbeseitigungsanspruch nach ehrverletzenden Meinungsäußerungen, NVwZ 2003, 159 ff; Mazur, Restitution der Folgen nicht gerechtfertigter Eingriffe in Grundrechte – Der Folgenbeseitigungsanspruch, Zeitschrift für das juristische Studium, 2011, 321 ff; Schloer, Der Folgenbeseitigungsanspruch, JA 1992, 39 ff; Schoch, Folgenbeseitigung und Wiedergutmachung im Öffentlichen Recht, Verwaltungs-Archiv, 1988, 1 ff; ders., Der Folgenbeseitigungsanspruch, Jura 1993, 478 ff; ders., Der Folgenbeseitigungsanspruch im Spiegel der Rechtsprechung der letzten 25 Jahre, Die Verwaltung 2011, 397 ff; Vosskuhle/Kaiser, Grundwissen – Öffentliches Recht: Der Folgenbeseitigungsanspruch, JuS 2012, 1079 ff, Ellerbrok, Die Grenzen der Zurechnung im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs, Jura 2016, 125 ff; Lege, System des deutschen Staatshaftungsrechts, JA 2016, 81 ff (83); Mehde, Der Folgenbeseitigungsanspruch, Jura 2017, 783 ff.

Übungsfälle:

Förster/Sander, Fälle zum besonderen Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2014; Fälle 6, 15; Heselhaus/Kertmann, JA 2002, 485 ff; Schmalz, Staatshaftungsrecht, Fälle und Lösungen, 2000, Fälle 4 bis 8; Seidl/Reimer/Möstl, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Kommunalrecht, 2003, Fall 5; Zuleeg, Fälle zum allgemeinen Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2001, Fälle 18, 27, 30.

Teil III Ersatzansprüche gegen inländische Personen des öffentlichen Rechts › § 1 Rechtsgüterindifferente Ersatzleistungsansprüche › B. Ansprüche auf Schadensersatz

B. Ansprüche auf Schadensersatz

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Die Ansprüche auf Schadensersatz sind die weitestgehenden Ansprüche im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsrechts. Sie können zum Ersatz des „Vollschadens“ führen. Er berechnet sich nach den Vorschriften der §§ 249 ff BGB. Das bedeutet, dass im Gegensatz zu den überwiegenden Entschädigungsregelungen im Recht der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen zB auch der entgangene Gewinn (§ 252 BGB) oder Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB) erlangt werden können.

I. Ansprüche wegen Amtspflichtverletzung

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Fall 2:

E ist Eigentümer eines Grundstückes im Bereich des Bebauungsplanes „Alte Ziegelei“ der Gemeinde G. Er hat es zur Bebauung mit einem Wohnhaus von der Gemeinde G erworben. Im Kaufvertrag sind sämtliche Gewährleistungsansprüche für die Qualität des Grund und Bodens ausgeschlossen. Der Bau eines Einfamilienhauses wird durch die Bauaufsichtsbehörde genehmigt und der Bau fertig gestellt. Zwei Jahre später tauchen Bedenken gegen die Bebaubarkeit und Bewohnbarkeit des Geländes auf. Es stellt sich heraus, dass Teile des Plangebietes von der Gemeinde G und der Firma F als Deponie zur Ablagerung von Industrie- und Gewerbeabfällen, unter anderem für angeblich entgiftete und neutralisierte Schlämme von Galvanikbetrieben aus der Gemeinde G und dem Umkreis genutzt worden sind. Darüber hinaus war auf dem Gelände Müll in großen Mengen „wild“ abgelagert worden. Das nunmehr von der Gemeinde G in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die bereits bebauten Bereiche nicht gassicher konstruiert und im gegenwärtigen Zustand nur mit Einschränkungen bewohnbar sind, weil die Abdeckung der Abfälle teilweise unzureichend ist. Daraufhin hebt der Rat der Gemeinde G den Bebauungsplan auf. E verlangt Ersatz für das Grundstück einschließlich Bebauung abzüglich dessen, was für das Grundstück noch als Verkaufspreis erlangt werden kann. Darüber hinaus verlangt er Ersatz für den hypothetischen Mietausfall für die Zeit, in der er das Haus aufgrund der festgestellten Unbewohnbarkeit verlassen hat, es jedoch noch nicht weiterverkaufen konnte[46]. Lösung Rn 232

1. Anspruchsziele und Inhalt des Anspruchs

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Auch das Amtshaftungsrecht steht ergänzend neben dem (primären) verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz. Es greift in der Regel ein, wenn im Rahmen des Verwaltungsverfahrens oder Verwaltungsprozesses festgestellt wurde, dass ein bestimmtes hoheitliches Handeln rechtswidrig war.

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Beispiel:

A stellt bei der Bauaufsichtsbehörde B einen Bauantrag, der zu Unrecht abgelehnt wird. Er verfolgt sein Begehren über das Widerspruchs- und Klageverfahren weiter. Das Verwaltungsgericht stellt fest, dass die Versagung des Bauantrages rechtswidrig war. Daraufhin erteilt B die Baugenehmigung. A macht nun den Verzögerungsschaden dafür, dass er das beantragte Bauvorhaben erst 3 Jahre später verwirklichen konnte, im Rahmen eines Amtshaftungsanspruches geltend.

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Das Verwaltungsgericht hat die Rechtswidrigkeit des hoheitlichen Handelns, nämlich der Verweigerung der Baugenehmigung festgestellt. Diese Feststellung ist zwar nicht in ihrer Begründung, aber im Ergebnis im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung (§ 121 VwGO) für das mit dem Amtshaftungsanspruch befasste Gericht bindend[47]. Wenn A nun nachweisen kann, dass die Verweigerung auch schuldhaft erfolgte, und der geltend gemachte Schaden durch die Verweigerung verursacht worden ist, steht ihm ein Amtshaftungsanspruch zu. Er ist im Ergebnis dann so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die Baugenehmigungsbehörde von vornherein rechtmäßig gehandelt hätte. Als Ergebnis des Verwaltungsprozesses wird ihm die Baugenehmigung erteilt. Der Vermögensschaden, der ihm dadurch entstanden ist, dass er das Vorhaben erst später als geplant realisieren konnte, wird ihm über den Amtshaftungsanspruch ersetzt. Hier wird der ergänzende Charakter des Amtshaftungsrechts deutlich: Im Rahmen des primären Rechtsschutzes kann A zwar seinen Anspruch auf die Baugenehmigung realisieren. Weitergehende Schäden, die im Zusammenhang mit dem rechtswidrigen und – als Voraussetzung für einen Amtshaftungsanspruch – schuldhaften hoheitlichen Handeln entstanden sind, werden hier nicht abgedeckt. Um jedoch einen umfassenden Schutz des Bürgers gegenüber rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffen der öffentlichen Hand zu gewährleisten, bedarf es hier der Ergänzung.

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Mit dem Amtshaftungsanspruch soll umfassender Schutz für die Folgen eines rechtswidrigen, schuldhaften hoheitlichen Handelns gewährt werden. Der Anspruchsberechtigte ist so zu stellen, wie er ohne die schädigende hoheitliche Handlung stehen würde (vgl § 249 BGB). In den seltensten Fällen des Amtshaftungsrechts ist tatsächlich eine Naturalrestitution möglich oder ausreichend. Daher steht im Vordergrund der Schadensersatz in Geld (vgl § 251 BGB). Der Schadensersatzanspruch kann auch den entgangenen Gewinn (§ 252 BGB) und den Ersatz immaterieller Schäden umfassen (§ 253 BGB).

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Die Entstehung des Anspruches kann trotz Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ausgeschlossen sein, wenn dem handelnden Hoheitsträger nur Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann und der Anspruchsberechtigte anderweitige Ersatzmöglichkeiten hat (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dasselbe gilt, wenn der Anspruchsberechtigte den Eintritt des Schadens durch Gebrauch eines Rechtsmittels hätte abwenden können (§ 839 Abs. 3 BGB). Für amtspflichtwidriges Verhalten von Richtern steht der Staat nur ein, wenn die Pflichtverletzung gleichzeitig eine Straftat darstellt, etwa Rechtsbeugung (§ 839 Abs. 2 BGB). Der Umfang des zu ersetzenden Schadens wird schließlich durch ein mögliches Mitverschulden des Anspruchsberechtigten beschränkt (§ 254 BGB).

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In seltenen Konstellationen ist die Anwendung des Amtshaftungsanspruches gänzlich ausgeschlossen. So hat der BGH entschieden, dass das deutsche Amtshaftungsrecht nicht auf Schäden ausländischer Bürger anwendbar ist, die diese durch Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte erleiden[48]. Aus den Entstehungsgeschichten der Normen des § 839 BGB und des Art. 34 GG ergibt sich, dass diese für militärische Kampfeinsätze nicht gedacht sind und diese nicht erfassen sollen[49].

2. Rechtsgrundlage des Anspruches

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Rechtsgrundlage des Anspruches ist § 839 BGB iVm Art. 34 GG. Diese Konstruktion erklärt sich aus dem rechtshistorischen Hintergrund. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde das Verhältnis zwischen dem Monarchen/Staat und dem Beamten als privatrechtlicher Vertrag gesehen, das so genannte Mandatsverhältnis. Inhalt dieses Mandatsverhältnisses waren nur die tatsächlich übertragenen Aufgaben. Rechtswidriges Handeln des Beamten war vom Mandatsverhältnis nicht gedeckt. Insoweit handelte der Beamte als „Privatperson“. Daher konnte die Haftung für solches Verhalten ebenfalls nur an das persönliche Handeln des Beamten anknüpfen. Diese Konstruktion wurde am 1.1.1900 mit § 839 in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) übernommen. Eine Überleitung dieser persönlichen deliktischen Haftung des Beamten auf den Staat fand sich Anfang des 19. Jahrhunderts zunächst in einigen Landesgesetzen. Art. 131 Weimarer Reichsverfassung (WRV) hat diese Regelung dann einheitlich für alle Staaten übernommen. Art. 34 GG folgt diesem Modell.

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Das Verhältnis zwischen den beiden Normen wurde und wird in der Literatur diskutiert[50]. Die Rechtsprechung und der ganz überwiegende Teil der Literatur begreifen § 839 BGB iVm Art. 34 GG als einheitliche Rechtsgrundlage für den Amtshaftungsanspruch. Dabei kann § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB als haftungsbegründender Teil und Art. 34 Satz 1 GG als haftungsüberleitender Teil der Anspruchsgrundlage begriffen werden. Mit der Regelung nach Art. 34 Satz 1 GG übernimmt der Staat die persönliche Haftung des Amtswalters mit für diesen schuldbefreiender Wirkung. Dies unterscheidet den Amtshaftungsanspruch von der Staatshaftung im engeren Sinne. Diese gewährt einen unmittelbaren Anspruch gegen den Staat; die Amtshaftung hingegen leitet die ursprünglich persönliche Haftung des Beamten auf den Staat über.

 

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Aus dem Zusammenspiel der beiden Normen ergibt sich gleichzeitig eine gegenseitige Beeinflussung der konkreten Inhalte. So ist zB aufgrund der weiteren Fassung des Art. 34 GG der Begriff des „Beamten“ im Rahmen des Amtshaftungsanspruches nicht auf den Beamten im statusrechtlichen Sinne beschränkt. Dies ist die Konstruktion, die ursprünglich § 839 BGB zugrunde gelegen hat. Im Rahmen des Amtshaftungsanspruches ist jedoch auf den weiteren, so genannten haftungsrechtlichen Beamtenbegriff zurückzugreifen (siehe dazu unten Rn 102 ff). Umgekehrt ist der Inhalt des zu gewährenden Ersatzes dadurch beschränkt, dass auch durch den Staat nur solche Leistungen als Schadensersatz erbracht werden können, die auch von dem Beamten als deliktisch haftender Privatperson verlangt werden könnten. In dem oben genannten Beispiel bedeutet dies, dass A die Erteilung der zunächst rechtswidrig verweigerten Baugenehmigung nicht im Amtshaftungsprozess erlangen kann, obwohl dies grundsätzlich von der Naturalrestitution im Sinne von § 249 BGB umfasst wäre. Denn der Beamte kann diese Amtshandlung nicht als deliktisch haftende Privatperson erbringen (Eigenhaftung), sondern lediglich in seiner Funktion als Amtswalter[51].

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