Staatshaftungsrecht

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IV. Anspruchsvoraussetzungen

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Nach der Rechtsprechung ist ein Folgenbeseitigungsanspruch unter den folgenden Voraussetzungen gegeben:

Es muss ein hoheitlicher Eingriff vorliegen (1), durch den ein subjektives Recht verletzt wurde (2). Dadurch muss für den Betroffenen ein rechtswidriger Zustand entstanden sein (3), der noch andauert (4)[14].

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Es empfiehlt sich daher, bei der Lösung konkreter Fälle die Voraussetzungen eines Folgenbeseitigungsanspruchs unter folgenden Fragestellungen zu untersuchen:


Wurde ein subjektives Recht beeinträchtigt?
Wurde diese Beeinträchtigung durch einen hoheitlichen Eingriff hervorgerufen?
Wurde durch den Eingriff ein rechtswidriger Zustand geschaffen?
Dauert dieser Zustand noch an?

1. Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts?

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Der Folgenbeseitigungsanspruch verlangt zunächst die Beeinträchtigung eines subjektiv-öffentlichen Rechts. Es ist also der Nachweis zu führen, dass dem Betroffenen gegen einen Träger hoheitlicher Gewalt aufgrund öffentlichen Rechts ein Anspruch auf ein bestimmtes Verhalten zusteht, jener Träger jedoch diesen Anspruch missachtet und unerfüllt lässt. Der Anspruch selbst kann sich aus den Grundrechten oder aus einfachem Gesetzesrecht ergeben, welches die Grundrechte konkretisiert, ausgestaltet oder ihnen in sonstiger Weise entspricht.

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Beispiel:

Aus dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) fließt der Anspruch des Eigentümers, dass eine öffentliche Straße nicht über das eigene Grundstück verläuft, aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz der Anspruch des Nachbarn, eine emittierende Anlage nur dann zu genehmigen, wenn von dieser keine erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft ausgehen.

2. Beeinträchtigung durch hoheitlichen Eingriff

a) Hoheitlicher Eingriff

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Die Beeinträchtigung muss auf einen hoheitlichen Eingriff zurückzuführen sein. Ein solcher Eingriff liegt immer dann vor, wenn das Handeln in den Rechtsformen des Verwaltungsrechts geschah, also in Gestalt eines Verwaltungsaktes, eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, einer Rechtsverordnung oder einer Satzung. Darüber hinaus kann ein Eingriff auch durch Realakt erfolgen. In Zweifelsfällen ist auf die Kriterien zur Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln von Hoheitsträgern zurückzugreifen[15].

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Beispiel:

Das allgemeine, durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht wird durch eine ehrverletzende öffentliche Äußerung eines Bürgermeisters verletzt, das Eigentumsrecht aus Art. 14 GG durch den Überbau einer Bundesstraße.

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Nur Eingriffe der vollziehenden Gewalt können Auslöser eines Folgenbeseitigungsanspruchs sein. Das Handeln der rechtsprechenden Gewalt scheidet aus. Dies ergibt sich aus dem jeweiligen Prozessrecht, das spezielle Regelungen für Ansprüche infolge rechtswidriger Maßnahmen der Judikative enthält. Maßnahmen der Legislative besitzen zwar regelmäßig Eingriffscharakter. Wegen des Verbots einer Einzelfallregelung (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG) können aber die durch Legislativakte hervorgerufenen belastenden Wirkungen nicht Gegenstand eines Folgenbeseitigungsanspruchs sein, sondern nur der in Vollzug des allgemeinen Gesetzes erfolgende konkrete Eingriff.

b) Eingriff durch Unterlassen

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Der Rechtsprechung zufolge bezieht sich der Folgenbeseitigungsanspruch auf Folgen, „die durch ein Tun oder Unterlassen der vollziehenden Gewalt eingetreten sind“[16]. Mithin kommt grundsätzlich auch ein Eingriff durch Unterlassen in Betracht.

aa) Ausnahme: Nichterfüllung von Leistungsansprüchen

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Von dieser Kategorie auszunehmen sind allerdings Konstellationen, in denen Leistungsansprüche gegen Hoheitsträger unerfüllt bleiben. Denn dann kann der Anspruch durch Verpflichtungs- oder Leistungsklage (vgl §§ 42 Abs. 1 Alt. 2, 43 Abs. 2 VwGO) durchgesetzt werden, so dass sekundärer Rechtsschutz (vgl Rn 2) in Gestalt eines Folgenbeseitigungsanspruchs nicht mehr erforderlich ist.

bb) Ausnahme: Verschlechterung der Rechtslage

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Der Weg über einen Folgenbeseitigungsanspruch ist ebenfalls dann versperrt, wenn ein Leistungsanspruch zunächst in rechtswidriger Weise unerfüllt blieb, die Rechtslage für den Betroffenen sich zwischenzeitlich aber derart verschlechtert hat, dass der Anspruch nach der veränderten Rechtslage nicht mehr erfüllt werden könnte.

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Beispiel:

Ein 34-Jähriger hatte einen Anspruch auf Einstellung in den öffentlichen Dienst; in der Zwischenzeit wurde aber die Einstellungsaltersgrenze auf 32 Jahre gesenkt. Oder: Der Anspruch bezog sich auf ein bestimmtes Studium; mittlerweile wurden aber die Studienzulassungsvoraussetzungen verschärft.

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Die Verneinung des Folgenbeseitigungsanspruchs beruht darauf, dass er nur rechtsordnungskonform durchgesetzt werden kann. Hat sich die Rechtsordnung für den Betroffenen in der Zwischenzeit verschlechtert, läge dem Folgenbeseitigungsanspruch ein rechtlich nicht mehr realisierbares Begehren zugrunde[17]. Bei einer solchen Konstellation kommt aber möglicherweise ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung in Betracht.

cc) Folgenbeseitigungslast

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Stehen Trägern hoheitlicher Gewalt Entscheidungsspielräume zu, so müssen die hervorgerufenen rechtswidrigen Folgen bei der Wahrnehmung dieser Spielräume berücksichtigt und auf diesem Wege die entstandene „Folgenbeseitigungslast“ abgetragen werden.

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Beispiel:

Eine Baubehörde erteilt eine rechtswidrige Baugenehmigung. Der Nachbar widerspricht dieser Genehmigung. Der Bauherr ignoriert den Suspensiveffekt des Widerspruchs (§ 80 Abs. 1 VwGO) und errichtet den Bau, ohne dass die Baubehörde hindernd einschreitet. Hier hat die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung über den Erlass einer Abbruchverfügung den Folgenbeseitigungsanspruch des Nachbarn in Gestalt einer Folgenbeseitigungslast zu berücksichtigen[18].

dd) Zurechenbarkeit der störenden Folgen

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Grundsätzlich wird man einen Eingriff durch Unterlassen infolge der grundrechtlichen Fundierung des Folgenbeseitigungsanspruchs immer dann in Erwägung ziehen können, wenn das hoheitliche Verhalten als Grundrechtseingriff gedeutet werden kann. Dies dürfte immer dann der Fall sein, wenn die eingetretenen störenden Folgen dem Hoheitsträger deshalb zurechenbar sind, weil sich in ihnen die Risiken einer vom Hoheitsträger geschaffenen oder unterhaltenen Gefahrenquelle realisiert haben.

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Beispiel:

Der von der Gemeinde errichtete Turm des Rathauses wurde baufällig. Eine Sanierung unterbleibt. Durch herabfallende Steine werden die Dächer der Nachbarhäuser beschädigt.

3. Entstehung eines rechtswidrigen Zustandes

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Durch den hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht muss ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden sein. In der Regel lässt sich die Rechtswidrigkeit des eingetretenen Zustandes aus der Rechtswidrigkeit des erfolgten Eingriffs herleiten. Dennoch gilt, dass die Rechtswidrigkeit des vorausgehenden Eingriffs nicht maßgeblich ist. Vielmehr ist allein der durch den Eingriff verursachte Zustand auf seine Rechtswidrigkeit hin zu beurteilen, so dass eine Folgenbeseitigung auch dann beansprucht werden kann, wenn der ursprüngliche Eingriff rechtmäßig war, der herbeigeführte Zustand aber mittlerweile rechtswidrig geworden ist. Auch dies ergibt sich aus der grundrechtlichen Fundierung des Anspruchs, zielt er doch auf die Beseitigung eines Zustandes, der sich gegenüber den grundrechtlichen Gewährleistungen nicht mehr rechtfertigen lässt und mithin als rechtswidrig zu qualifizieren ist. Gleichgültig ist dabei, ob er auf rechtmäßiges oder rechtswidriges Handeln zurückführbar ist. Der Umstand, dass das ursprüngliche Verhalten des Hoheitsträgers rechtmäßig war, ist irrelevant angesichts der eingetretenen und von den Grundrechtsgewährleistungen nicht mehr gedeckten Lage.

 

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Beispiel:

Die Sicherstellung eines Fahrzeugs war ursprünglich rechtmäßig, wurde aber später gemäß § 49 VwVfG widerrufen. Würde die Behörde sich dennoch weigern, das Fahrzeug herauszugeben, so wäre ein rechtswidriger Zustand eingetreten, dessen Beseitigung mit Hilfe des Folgenbeseitigungsanspruchs geltend gemacht werden könnte.

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Regelmäßig lässt sich zwar die Rechtswidrigkeit des herbeigeführten Zustandes aus der Rechtswidrigkeit des ihn bewirkenden Eingriffs herleiten. Anders ist dies allerdings im Falle eines rechtswidrigen, aber bestandskräftigen Verwaltungsaktes[19]. Hier genügt der Hinweis auf die Rechtswidrigkeit des eingreifenden Verwaltungsakts als Begründung für die Rechtswidrigkeit des herbeigeführten Zustandes nicht, denn anderenfalls könnten durch die Geltendmachung eines Folgenbeseitigungsanspruchs die in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder vorgesehenen Regelungen über die Bestandskraft rechtswidriger Verwaltungsakte unterlaufen werden. Ein Folgenbeseitigungsanspruch würde dann aber in dem Augenblick aufleben, in dem der rechtswidrige und bestandskräftige Verwaltungsakt gemäß § 48 VwVfG zurückgenommen oder er sich in sonstiger Weise erledigt haben würde.

4. Andauern des rechtswidrigen Zustandes

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Der durch den hoheitlichen Eingriff herbeigeführte Zustand muss auch noch in dem Augenblick rechtswidrig sein, in dem die Folgenbeseitigung verlangt wird. Der Anspruch scheidet also etwa dann aus, wenn der rechtswidrige Zustand im Nachhinein legalisiert wird, die für Wegnahme einer Sache erforderliche Sicherstellungsverfügung beispielsweise nachträglich erlassen wird.

V. Ausschließungsgründe

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Allein die Bejahung der Anspruchsvoraussetzungen führt noch nicht zur Begründetheit des Anspruchs. Denn der Folgenbeseitigungsanspruch „besitzt voneinander zu trennende allgemeine tatbestandliche Voraussetzungen und im Einzelfall gegebene ‚rechtsvernichtende‘ Ausschlussgründe“[20].

a) Unmöglichkeit der Folgenbeseitigung

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Der Anspruch ist einmal dann ausgeschlossen, wenn die Folgenbeseitigung unmöglich ist. Dies kann aus tatsächlichen Gründen der Fall sein, wenn etwa die zu Unrecht sichergestellte Sache vor ihrer Rückgabe untergeht. Der Anspruch kann aber auch aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen sein (Beispiele in Rn 47). Dies ist der Fall, wenn der verpflichtete Rechtsträger nicht die Rechtsmacht besitzt, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, weil der erstrebte Zustand beispielsweise nach der gegenwärtigen Rechtsordnung unzulässig wäre[21]. Diese Konstellation tritt etwa dann ein, wenn zur Erfüllung eines Folgenbeseitigungsanspruchs ein Eingriff in Rechte Dritter notwendig ist, für diesen Eingriff aber keine entsprechende gesetzliche Ermächtigung zur Verfügung steht.

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Eine solche Ermächtigung ist dem Folgenbeseitigungsanspruch – wie dies gelegentlich vertreten wird – keineswegs immanent. Vielmehr fordert die Lehre von den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten, zu denen auch das Bestimmtheitsgebot gehört, eine spezifische gesetzliche Eingriffsgrundlage. In der Regel hält das Polizei- und Ordnungsrecht solche Ermächtigungen bereit. Soweit sie Ermessen einräumen, besitzt der verpflichtete Hoheitsträger zwar einen Entscheidungsspielraum; jedoch kann bei dessen Wahrnehmung der bestehende Folgenbeseitigungsanspruch unter Umständen zu einer so weitgehenden Beschränkung des Entscheidungsspielraums („Ermessensreduzierung auf Null“) führen, dass der Eingriff zum Zwecke der Erfüllung des Anspruchs erfolgen muss[22].

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Beispiel:

Kann der Anspruch des Grundstückseigentümers nur erfüllt werden durch den Abbruch des Schwarzbaus auf dem Nachbargrundstück, so bedarf es dazu einer entsprechenden Abbruchverfügung und damit eines Eingriffs in die Rechte des schwarzbauenden Nachbarn. Die erforderliche Eingriffsermächtigung ist in der jeweiligen Landesbauordnung enthalten (zB: § 65 Satz 1 LBO-BW: „Der teilweise oder vollständige Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, kann angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können“). Bei der Wahrnehmung des durch diese Vorschrift eingeräumten Ermessens ist der Folgenbeseitigungsanspruch des Grundstückseigentümers zu berücksichtigen, so dass es uU für die Baubehörde keine Alternative zum Erlass einer Abbruchverfügung geben kann.

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Sollte eine Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in Rechte Dritter fehlen, die zur Erfüllung des Anspruchs notwendig sind, so steht der Anspruchsberechtigte nicht völlig rechtlos. Er kann unter Umständen Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung oder Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Anspruch geltend machen. Dies gilt gewiss auch dann, wenn der verpflichtete Hoheitsträger durch eine Ermessensnorm zu einem Eingriff ermächtigt, die Ausübung aber dennoch zu Lasten des Anspruchsberechtigten zulässig wäre.

b) Unzumutbarkeit der Wiederherstellung

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Ein Anspruch ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes für den verpflichteten Hoheitsträger unzumutbar wäre. Eine solche Unzumutbarkeit kann dann vorliegen, wenn mit der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes für den Verpflichteten ein unverhältnismäßig hoher Aufwand verbunden wäre, der zu dem erreichbaren Erfolg bei allem Respekt für das Verlangen nach rechtmäßigen Zuständen in keinem vernünftigen Verhältnis stünde[23].

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Beispiel:

Der rechtswidrige Bau einer Straße über das Grundstück des Eigentümers hat zu einem Wertverlust des Grundstücks in Höhe von 250 Euro geführt. Wenn sich die Kosten für den Rückbau der Straße zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes auf 10 000 Euro belaufen würden, wäre der Anspruch wegen Unzumutbarkeit ausgeschlossen[24].

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Bei Unzumutbarkeit der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes kann sich der Anspruch dann allerdings in einen „Folgenentschädigungsanspruch“ wandeln[25] (dazu noch unten unter Rn 266 ff).

c) Unzulässige Rechtsausübung

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Ein Anspruch ist ebenfalls dann ausgeschlossen, wenn sich seine Geltendmachung als unzulässige Rechtsausübung erweist, die dann vorliegt, wenn die Legalisierung des als rechtswidrig erkannten und andauernden Zustandes zeitlich unmittelbar bevorsteht[26]. Es wäre nämlich widersinnig, einen Anspruch auf Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes auch dann zuzuerkennen, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Kürze die Rechtswidrigkeit des Zustandes behoben würde.

d) Verjährung

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Schließlich kann ein Anspruch dann ausgeschlossen sein, wenn er verjährt ist. Nach altem Schuldrecht betrüge die Verjährungsfrist dreißig Jahre[27]. Nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform wird man aber wohl §§ 195, 199 Abs. 1, 4 und 5 BGB anwenden müssen[28].

VI. Spezifizierungen und Abgrenzungen

1. Anspruch auf Widerruf hoheitlicher Äußerungen

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Als praktisch bedeutsame Variante des Folgenbeseitigungsanspruchs stellt sich der Anspruch auf Abwehr hoheitlicher Äußerungen dar. Warnt etwa die Bundesregierung vor jugendgefährdenden Sekten, informiert das Verbraucherschutzministerium die Öffentlichkeit vor vergifteten Lebensmitteln oder verdächtigt ein Behördenleiter einen Mitarbeiter öffentlich der Korruption, so kann ein Anspruch auf Widerruf dieser Äußerungen begründet sein.

a) Rechtsgrundlage des Anspruchs

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Ein solcher Anspruch wurzelt in den Grundrechten[29]. Manche Gerichte ziehen zur Begründung des Anspruchs gelegentlich auch § 1004 BGB analog heran[30]. Die Warnung vor Jugendsekten greift in das Grundrecht der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG), die Information über vergiftete Lebensmittel in das der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1) und die Verdächtigung in das grundrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG) ein. Sind diese Eingriffe nicht gerechtfertigt, so fordern diese Grundrechte Maßnahmen, die den durch den Eingriff bewirkten Zustand beseitigen.

b) Voraussetzungen des Anspruchs

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Ein Widerrufsanspruch ist unter den folgenden Voraussetzungen begründet.


Der Träger hoheitlicher Gewalt muss eine Tatsache behaupten (1).
Diese Behauptung muss als Grundrechtseingriff zu qualifizieren sein (2),
für die keine Ermächtigungsgrundlage nachweisbar ist (3).

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(1) Nach Auffassung der Rechtsprechung kann ein Widerrufsanspruch nur durch eine Tatsachenbehauptung ausgelöst werden; ein Widerruf von Werturteilen soll nicht möglich sein[31]. Bei der schwierigen Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Werturteil kann auf die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Für Werturteile ist danach „die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage kennzeichnend“, für Tatsachenbehauptungen „die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit“[32]. Hilfreich dürfte bei diesem Abgrenzungsproblem auch der Ansatz des Bundesgerichtshofs sein, die Beweisbarkeit als Kriterium für Tatsachenbehauptungen anzusehen[33]. Gleichwohl mag es auch Fälle geben, die wegen einer untrennbaren Verquickung der beiden Äußerungsformen auch mit diesen Kriterien nicht lösbar sind. Dann ist es ratsam darauf abzustellen, welches Element in der jeweiligen Äußerung überwiegt.

71

(2) Durch die Tatsachenbehauptung muss ein Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen erfolgen. Wegen der inzwischen erreichten Weite des Eingriffsbegriffs dürfte dies regelmäßig gegeben sein, insbesondere aber dann, wenn bei der Äußerung hoheitliche Autorität in Anspruch genommen wurde, die herbeigeführten Folgen beabsichtigt oder in Kauf genommen wurden[34].

72

(3) Die eingreifende Äußerung muss rechtswidrig, dh erfolgt sein, ohne dass sie in ausreichendem Maße durch eine Ermächtigungsgrundlage gerechtfertigt war. Durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) kann ein Träger hoheitlicher Gewalt auf keinen Fall ermächtigt sein, steht dieses Recht doch – wie die anderen Grundrechte auch – als Abwehrrecht dem Bürger gegen den Staat und nicht dem Staat gegen den Bürger zu. Auch auf den strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) dürfte sich der Amtsträger nicht berufen können, da die strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe als Individualrechte konzipiert sind. Demgegenüber kann der Rechtsprechung zufolge das im Grundgesetz (Art. 65 Satz 2 GG) verankerte Recht der Regierung zur Öffentlichkeitsarbeit eine Ermächtigung liefern[35]. Bei Äußerungen eines Abgeordneten kann zudem Art. 46 Abs. 1 GG als Ermächtigungsgrundlage Bedeutung erlangen, der parlamentarische Äußerungen des Abgeordneten straffrei stellt. Als einfach-gesetzliche Ermächtigungen kommen etwa Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (§ 32 „Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Aufstellung von Abfallwirtschaftsplänen, Unterrichtung der Öffentlichkeit“) oder des Produktsicherheitsgesetzes (§ 6 Abs. 2 „Zusätzliche Anforderungen an die Bereitstellung von Verbraucherprodukten auf dem Markt“) in Betracht.

 
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