Anschlag Auf Die Liebe

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Anschlag Auf Die Liebe
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VORBEMERKUNG DER AUTORIN

Die Bordellbesitzer verdienten im 18. und 19. Jahrhundert große Vermögen. Einige importierten ihre Frauen vom europäischen Kontinent, aber die meisten lockten anständige englische Mädchen in ihre Klauen, und dann gab es kein Entrinnen. Dienstmädchen, die vom Land nach London kamen, waren eine leichte Beute. Man bot ihnen freie Fahrten in bequemen Kutschen zu ihren Arbeitsstellen an, oder sie wurden durch verlockende Geldangebote in Versuchung geführt.

Bis nach dem Ersten Weltkrieg war kein junges Mädchen in den Straßen Londons sicher, und aus dieser Epoche sind herzzerreißende Geschichten darüber überliefert, wie übel die Mädchen behandelt wurden, und man hört Berichte über ihren frühen Tod durch Alkohol, Drogen und Krankheiten.

ERSTES KAPITEL ~ 1820

Als der Herzog von Oswestry mit seinem Phaeton vor dem Haus in der Park Street vorfuhr, wünschte er, nicht aussteigen zu müssen.

Er besuchte Lady Marlene Kelston nur deshalb, weil er während der letzten vierundzwanzig Stunden von ihr nicht nur einen, sondern drei Briefe erhalten hatte. In jedem teilte sie ihm wortreicher als im vorangegangenen mit, sie müsse ihn sofort sprechen.

Er konnte sich nicht denken, was sie veranlaßt hatte, ihm zu schreiben, nachdem sie sich schon vor fast drei Monaten getrennt hatten.

Er hatte ein kurzes, leidenschaftliches Verhältnis mit Lady Marlene gehabt. Als es in einem bitteren Streit endete, wobei sie einander heftig beleidigt hatten, sagte er sich, es sei von allem Anfang an töricht von ihm gewesen, sich mit ihr einzulassen.

Lady Marlene war eine sehr selbstbewußte Frau und während der letzten zwei Jahre die Schönheit von St. James' gewesen.

Seine Mutter hatte ihn stets vor ihr gewarnt und gesagt: »In den Kelstons fließt schlechtes Blut!«

Der Herzog gestand sich ein, daß sie recht gehabt hatte. Nachdem er mit Lady Marlene eine enge Beziehung hatte, zeigte sich bald ihr schlechter Charakter.

Für die Welt strahlte sie Charme aus, und ihre kecke Mißachtung der gesellschaftlichen Konventionen hatte einen eigenen Reiz.

Sie war verheiratet gewesen, als der Herzog in Wellingtons Armee kämpfte. Ihr Mann war bei Waterloo verwundet worden und schließlich vor drei Jahren seinen Verletzungen erlegen.

Lady Marlene hatte die übliche Trauerzeit kaum abgewartet, ehe sie wie ein Meteor in den besten Kreisen erschien. Und es gab keinen Zweifel daran, daß sie großen Erfolg gehabt hatte.

Sie war in der Tat außergewöhnlich schön, und schließlich gab der Herzog ihrem Werben nach.

Was er nicht erwartet hatte, ja, was überhaupt niemand für möglich gehalten hatte, war der Umstand, daß Lady Marlenes Launen und unersättliche Forderungen ihn so rasch langweilen würden.

Aber wenn Lady Marlene unberechenbar war, so war es der Herzog ebenfalls.

Er stand kurz vor seinem dreißigsten Geburtstag und besaß große Erfahrung mit Frauen.

Sie waren hinter ihm her gewesen seit dem Augenblick, in dem er die Schule verlassen hatte, denn es gab im ganzen Land niemanden, der als gute Partie begehrenswerter gewesen wäre, und keinen Mann, der für das andere Geschlecht so attraktiv und unwiderstehlich war wie er.

Er war auch außerordentlich geschickt darin, sich den Frauen zu entziehen. Durch sein anspruchsvolles Wesen und sein Verlangen nach Vollkommenheit verloren sie für ihn den Reiz so rasch, daß der Prinzregent einmal scherzend sagte: »Ihre Amouren dauern so kurz, Oswestry, daß wir jetzt, da der Krieg vorüber ist, bald Damen vom Kontinent zu Ihrem Vergnügen werden einführen müssen.«

Der Herzog hatte pflichtschuldigst gelacht, doch sein Blick hatte sich dabei verdüstert, aber der Prinzregent hatte es nicht bemerkt.

Der Herzog mißbilligte es, wenn man über seine Liebesaffären sprach. Er war der Meinung, sein Privatleben ginge niemanden etwas an.

Aber in der Beau Monde, wo man sich mit Vergnügen auf jeden noch so kleinen Skandal stürzte und darüber redete, bis es nichts mehr zu sagen gab, konnte jemand, der so stadtbekannt und herausragend war wie der Herzog, unmöglich irgend etwas geheim halten.

Das war ein weiterer Grund, weshalb er das Verhältnis mit Lady Marlene gelöst hatte. Sie war indiskret, und das war in seinen Augen unverzeihlich.

Er gab die Zügel seines Pferdes einem Stallknecht, stieg vom Phaeton und bemerkte dabei, daß die Knöpfe an der Uniform des Lakaien, der neben der Eingangstür stand, dringend einmal geputzt werden sollten.

Lady Marlene hatte nach dem Tod ihres Mannes wieder ihren Mädchennamen angenommen, da sie, wie sie es auf aggressive Weise verkündete, »die Vergangenheit auslöschen« wollte, »und dazu gehört auch mein verstorbener und nicht betrauerter Mann«.

Die Witwen, die sie schon immer scheel angesehen hatten, waren sich darin einig, daß sie sich genauso herzlos und skandalös benahm, wie man es von ihr erwartet hatte.

Schon nach dem Krieg war es aufgefallen, daß Lady Marlene mit einem verkrüppelten Mann nichts anfangen konnte, nachdem er sich seine Verletzungen auf dem Schlachtfeld zugezogen hatte.

»Für mich muß ein Mann ein Mann sein«, hatte Lady Marlene erwidert, als jemand sie getadelt hatte, und es bestand kein Zweifel daran, daß sie wenigstens diesmal die Wahrheit sprach.

Was will sie von mir, um alles in der Welt, fragte sich der Herzog, als er durch die Marmorhalle geführt wurde und ein Diener ihm die Tür zum Salon öffnete.

Der Herzog kannte das Haus gut. Er hatte es oft genug besucht.

Es war seiner Meinung nach billig eingerichtet, und außerdem bedurften die Möbel dringend der Pflege.

Das Familienhaus der Kelstons gehörte Lady Marlenes Bruder, dem Grafen von Stanwick. Aber da der Graf selten in London weilte, wäre es Verschwendung gewesen, wenn sie einen eigenen Haushalt gegründet hätte.

Die Kelstons hatten niemals viel Geld besessen. Das war nicht verwunderlich, denn sie waren alle so anspruchsvoll wie Lady Marlene, nur daß deren Rechnungen von ihren Verehrern bezahlt wurden. Aus diesem Grund befand sie sich immer in einer besseren finanziellen Lage als ihre Verwandten.

Der Salon war leer, und der Diener murmelte: »Ich werde der gnädigen Frau mitteilen, daß Sie hier sind, Euer Gnaden.«

Der Diener schloß die Tür hinter sich.

Der Herzog ging langsam zum Kamin und, fragte sich zum wiederholten Mal, was Lady Marlene ihm wohl zu sagen habe.

Ihren ersten Brief hatte er ignoriert. Aber als der zweite und der dritte Brief eintrafen, hatte er das unbehagliche Gefühl, daß sie ihn schließlich aufsuchen würde, wenn er nicht zu ihr fuhr.

Dies hatte sie früher mehr als einmal getan. Sie war oft im Oswestry House am Berkeley ohne Einladung erschienen und hatte ihn in die unangenehmsten Situationen gebracht, denn seine seriösen Verwandten schätzten sie nicht und äußerten dies auch offen, obwohl sie wußten, daß es den Herzog erzürnte.

Der Herzog nahm seine Stellung als Familienoberhaupt sehr ernst, und von dem Augenblick an, da er den Titel geerbt hatte, war er in allem, was er in der Öffentlichkeit tat, umsichtiger als er es zu Lebzeiten seines Vaters gewesen war.

»Du wirst alt und gesetzt!« hatte ihn Lady Marlene oft geneckt.

Dies geschah gewöhnlich dann, wenn er nicht an einer ihrer Eskapaden teilnehmen wollte oder es kategorisch ablehnte, sie auf einen Ball oder eine Gesellschaft zu begleiten, die von Leuten gegeben wurde, die er nicht mochte.

Er mußte daran denken, wie heftig ihre Auseinandersetzungen gewesen waren, oft so leidenschaftlich wie ihre Liebe, und er sagte sich, daß er sich glücklich schätzen konnte, das Verhältnis gelöst zu haben.

Die Tür ging auf, und Lady Marlene trat ein.

Es bestand kein Zweifel daran, daß sie schön war, selbst der Herzog mußte das zugeben.

Ihre roten Haare leuchteten wie Flammen auf ihrem Kopf, und ihre grünen Augen funkelten unter ihren schwarzen Wimpern.

Als sie auf ihn zukam, lag auf ihrem Gesicht ein Ausdruck, den er nicht deuten konnte.

»Nun bist du also endlich gekommen«, sagte sie, als sie dicht vor ihm stand.

»Ich kann mir nicht denken, warum du mich unbedingt sprechen willst«, sagte der Herzog.

»Es ist sehr wichtig, Randolph.«

»So viel habe ich verstanden.«

Lady Marlene neigte den Kopf ein wenig zur Seite und sah den Herzog an.

Es war für sie eine charakteristische Haltung, die ihre Bewunderer immer bezaubernd fanden.

»Du bist sehr attraktiv«, sagte sie. »Und du siehst besser aus als alle anderen Männer, die mir jemals begegnet sind. Ich frage mich, warum wir überhaupt miteinander gestritten haben.«

»Ich kann nicht glauben, daß du mich herbestellt hast, um mir Komplimente zu machen«, antwortete der Herzog kalt. »Sage mir, was du willst, Marlene. Ich kam mit zwei jungen Pferden, und sie werden unruhig, wenn sie zu lange warten müssen.«

»Pferde! Immer Pferde!« rief sie mit schriller Stimme. »Sie bedeuten dir mehr als jede Frau.«

Der Herzog antwortete nicht, und sie sah, daß er ungeduldig wurde. Er haßte es, wenn eine Frau nicht zum Wesentlichen kam.

»Ich habe dich herbestellt, weil ich ein Kind bekomme!« sagte Lady Marlene nach einer kleinen Pause.

Der Herzog stutzte einen Augenblick und sagte dann kühl: »Wie kommst du auf die Idee, daß mich das interessieren könnte? Ganz offensichtlich sollte Charles Nazeby darüber informiert werden.«

»Er weiß es bereits«, sagte Lady Marlene kurz. »Aber wie dir bekannt sein dürfte, ist Charles mittellos.«

Die Lippen des Herzogs verzogen sich zu einem zynischen Lächeln.

 

»Du kannst nicht von mir erwarten, daß ich für Nazebys Vergnügen bezahle!«

»Ich bitte dich nicht um Geld.«

»Um was dann?«

»Um die Ehe!«

Wenn sie vor ihm eine Bombe hätte explodieren lassen, hätte der Herzog nicht entsetzter sein können.

Er sah sie erschrocken an und sagte nach einer Weile: »Bittest du mich wirklich im Ernst darum, dich zu heiraten, weil du Nazebys Kind erwartest?«

»Es könnte auch deines sein.«

»Du weißt so gut wie ich, daß dies nicht der Fall ist.«

»Du wirst mir zugestehen, daß ich bestimme, wer der Vater meines unerwünschten Kindes wird«, sagte Lady Marlene. »Und wer könnte ihm einen besseren Start ins Leben geben als ein Herzog?«

Einen Augenblick herrschte Schweigen, ehe der Herzog erwiderte: »Wenn das alles ist, was du mir zu sagen hast, Marlene, dann habe ich mit meinem Besuch meine Zeit vergeudet. Ich möchte mich jetzt verabschieden.«

Während er sprach, ging er zur Tür. Aber sie stellte sich ihm in den Weg und sah ihm in die Augen.

»Es ist sinnlos wegzulaufen, Randolph«, sagte sie. »Ich wollte dich schon immer heiraten, und ich werde dir eine amüsante Ehefrau sein.«

»Du magst vielleicht vorhaben, mich zu heiraten, aber ich habe nicht die Absicht, dich zu heiraten, und übrigens auch keine andere Frau«, erwiderte der Herzog.

»Das war schon immer deine Einstellung«, sagte Lady Marlene. »Aber du weißt, daß du eines Tages heiraten mußt, sonst erbt dein Bruder Julius den Titel. Jetzt ist genau der richtige Augenblick, um ihn für immer auszustechen.«

»Ehe wir uns in ein weiteres Gespräch über meinen Bruder verstricken, möchte ich dir klarmachen, daß ich dich niemals heiraten werde, und es zwecklos ist, darüber noch länger zu diskutieren«, sagte der Herzog eisig.

»Aber es spricht alles für eine Ehe zwischen uns«, beharrte Lady Marlene. »Und wenn ich jemanden heiraten muß, dann möchte ich, daß du es bist.«

»Ich glaube, ich sollte dies als ein Kompliment auffassen, aber leider hast du deine wahren Gefühle mir gegenüber sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, als wir uns trennten.«

»Du bist sehr nachtragend! Wir hatten damals beide die Selbstbeherrschung verloren und uns gegenseitig wehgetan. Was immer ich damals auch gesagt haben mag, Randolph, ich liebe dich, und ich habe dich immer geliebt.«

»Wie rührend von dir!« sagte der Herzog ironisch. »Ich glaube nicht, daß Nazeby sehr erfreut wäre, das zu hören.«

»Das hat nichts mit Charles zu tun! Er kann mich nicht ernähren, und er hat sowieso schon gemeint, daß es leicht auch dein Kind sein könnte und nicht seines.«

»Das überrascht mich nicht«, sagte der Herzog. »Nazeby würde niemals zu seinen Pflichten stehen.«

»Aber du tust es, und deshalb möchte ich dich heiraten, Randolph.«

Der Herzog seufzte.

»Ich dachte, ich hätte mich klar genug ausgedrückt, daß ich dich nicht heiraten werde. Außerdem lehne ich die Verantwortung für das Kind ab, das du erwartest. Guter Gott, es ist drei Monate her, seitdem wir uns zum letzten Mal gesehen haben.«

»Nicht ganz drei Monate«, sagte Lady Marlene. »Deshalb könnte es möglicherweise auch dein Kind sein.«

»Nur ein Narr würde das akzeptieren, und ich bin kein Narr, Marlene.«

Der Herzog machte einen Schritt in Richtung zur Tür, und wieder trat ihm Lady Marlene in den Weg.

Ihre grünen Augen wurden jetzt schmal, und es lag eine Spur Bosheit in ihrer Stimme, als sie sagte: »Willst du wirklich nichts für mich tun?«

»Nein, nichts!«

»Gut, dann lasse ich sofort meinen Bruder kommen. Er wird mir nicht nur glauben, sondern er wird mich auch darin unterstützen, dich zur Vernunft zu bringen!«

Der Herzog war sicher, daß der Graf sofort die Vorteile erkennen würde, die darin lagen, einen reichen Schwager zu bekommen.

Er war ein unbeherrschter Mann und so unberechenbar wie seine Schwester, aber noch gefährlicher.

Er war in unzählige Händel und sogar in Aufstände verwickelt gewesen.

Er machte Schwierigkeiten, wo immer er auftauchte. Nach dem letzten seiner regelmäßigen Besuche in London seufzten seine Freunde ebenso wie seine Feinde erleichtert auf, als er wieder abreiste.

Der Herzog wußte nur zu gut, welchen Ärger der Graf ihm machen konnte, und obwohl er sich nicht im geringsten vor einem Duell mit ihm fürchtete, wußte er doch, daß dies einen Skandal auslösen würde, auf den sich die Beau Monde mit Vergnügen stürzen würde.

Jede kleine Einzelheit ihrer Auseinandersetzung wegen Lady Marlene würde nicht nur der Beau Monde bekannt, sondern auch der Öffentlichkeit.

Dies verabscheute er mehr als alles andere, und er schreckte vor dem Klatsch zurück, der sich daraus ergeben würde.

Lady Marlene ahnte, was er dachte und sagte mit triumphierender Stimme: »Hector wird mir glauben, und er wird dafür sorgen, daß du, Randolph, mich die Folgen unserer Liebe nicht allein tragen lassen wirst!«

Der Herzog antwortete ihr nicht, und nach einer Weile sagte sie: »Es wäre klüger von dir, wenn du ohne viel Aufhebens nachgibst. Du wirst es am Ende doch tun müssen!«

»Was ich am meisten verabscheue, ist es, erpreßt zu werden!« sagte der Herzog, und seine Stimme klang eisig.

Lady Marlene warf den Kopf zurück und lachte.

»Wenn du meinst, deine Worte würden mich beeindrucken, dann irrst du dich! Gut, Randolph, ich erpresse dich! Ich bin ganz sicher, wenn ich meinen Verwandten erzähle, wie verantwortungslos du dich mir gegenüber benimmst, werden auch sie dich erpressen!«

Ihre Augen blitzten, und sie sah ihn herausfordernd an. Sie suchte in seinem Gesicht nach einer Reaktion, aber die grimmige Miene des Herzogs verriet nichts, und Lady Marlene erlebte nicht die Genugtuung zu sehen, wie beunruhigt der Herzog war.

»Meine Tante Agnes ist die erbliche Lady-of-the-Bedchamber Ihrer Majestät«, sagte Lady Marlene hochmütig. »Ich bin sicher, die Königin wäre empört über dein Verhalten, wenn sie davon erfährt. Und mein Onkel George ist immer noch ein angehender Lord, obwohl er schon über fünfundsiebzig Jahre alt ist. Sie beide könnten die Geschichte im Buckingham Palast verbreiten!«

Der Herzog sah sie an, und seine Augen waren wie Achate.

Ihm war klar, daß es sein eigener Fehler war, sich jetzt in dieser gefährlichen Situation zu befinden. Aber wie hätte er auch annehmen können, und woher hätte er wissen sollen, daß hinter dem schönen Äußeren Lady Marlenes das Herz einer Viper schlug?

In diesem Augenblick empfand er Abscheu vor Lady Marlene, und er zweifelte an seinem eigenen guten Geschmack, daß er sie jemals für liebenswert gehalten hatte.

In einer plötzlichen Stimmungsänderung sagte Lady Marlene: »Bitte verzeih mir, Randolph. Ich wollte dich nicht bedrängen. Wenn du mich heiratest, werde ich mich korrekt benehmen, und wir werden beide unseren Spaß aneinander haben, so wie früher, ehe wir diesen dummen Streit begannen.«

Sie hielt inne und wartete, daß er etwas erwiderte.

Aber der Herzog schwieg und deshalb fuhr sie fort: »Du weißt, ich werde die Oswestry-Diamanten mit Anmut tragen. Und ich werde Gesellschaften geben, auf die eingeladen zu werden, sich jedermann reißen wird.«

Sie lächelte, und ihr Gesicht wurde noch schöner.

»Und vergiß nicht, was für ein Vergnügen es sein wird, deinen boshaften Bruder aus dem Sattel zu heben.

Ich glaubte, du weißt, wie skandalös er sich zur Zeit benimmt, obwohl er dir im Augenblick finanziell nicht auf der Tasche liegt. Aber deine Vorfahren würden sich seinetwegen im Grabe umdrehen!«

»Ich wünsche nicht, mit dir über Julius zu sprechen«, sagte der Herzog scharf. »Was mein Bruder macht oder was er nicht macht, geht dich nichts an, ebenso wenig, wie du mich etwas angehst!«

Er ging an Lady Marlene vorbei zur Tür, ehe sie ihn aufhalten konnte.

»Wenn das dein letztes Wort ist, lasse ich Hector kommen«, rief sie ihm nach.

»Dann lasse ihn kommen und sei verdammt!«

Der Herzog verließ rasch den Salon, und Lady Marlene hörte, wie seine Schritte auf dem Marmorboden hallten.

Einen Augenblick lag ein besorgter Ausdruck in ihren grünen Augen, doch dann lächelte sie zufrieden.

»Diesmal entkommt er mir nicht!« sagte sie laut.

Als der Herzog in seinem geschlossenen Brougham von seinem Club nach Hause fuhr, fragte er sich, wie schon den ganzen Abend, was er unternehmen sollte.

Er war nach dem Gespräch mit Lady Marlene so beunruhigt gewesen, daß er einen Boten mit einer Entschuldigung in das Holland House geschickt hatte, wo er zu einem Abendessen erwartet worden war.

Er ging statt dessen zum Diner in den White's Club. Er traf dort zahlreiche Bekannte, war aber so geistesabwesend, daß einige von ihnen ihn fragten: »Was ist mit dir los, Randolph? Du bist so niedergeschlagen.«

Der Herzog wollte nicht zugeben, daß er deprimiert war und entschuldigte sich mit Kopfschmerzen.

Er scheute einen Skandal, aber noch wesentlich mehr war ihm die Vorstellung zuwider, Lady Marlene zu heiraten.

Während der ganzen Zeit ihrer Verbindung hatte er immer gewußt, daß sie charakterlos war, und wenn jemand sie kränkte, konnte sie zu dem Betreffenden sehr unangenehm sein.

Aber er hatte sich niemals auch nur für einen Augenblick vorgestellt, daß, sie zu den erpresserischen Methoden greifen könnte, die sie jetzt anwandte, um ihn zur Ehe zu zwingen.

Er wollte keine Xanthippe zur Frau. Und er wollte keine Frau, die so wenig Anstand besaß und ihm das Kind eines anderen Mannes unterschieben wollte, eines Mannes, den der Herzog außerdem noch verachtete.

Sir Charles Nazeby war ein Verschwender, ein Lebemann, der von seiner Schlauheit lebte und der beim Kartenspiel skrupellos betrog, wie der Herzog vermutete, obwohl er keinen Beweis dafür hatte.

Der Herzog mußte um jeden Preis verhindern, daß ein Kind dieses Mannes, sollte es ein Junge sein, eines Tages der Herzog von Oswestry werden würde.

Obwohl der Herzog niemals darüber sprach, war er stolz, daß seine Familie während der ganzen Geschichte hindurch der Monarchie und dem Land nach besten Kräften gedient hatte.

Der Familienname lautete Westry, und es hatte Westrys gegeben, die große Staatsmänner gewesen waren, Westrys, die sich auf dem Schlachtfeld durch Tapferkeit ausgezeichnet hatten und Westrys, die zu Schiff die Welt erforscht hatten.

Sie hatten stets die Achtung und Bewunderung ihrer Mitbürger genossen und der Herzog war entschlossen, die Erinnerung an seine Vorfahren in Ehren zu halten.

Er sagte sich, daß er schon früher hätte heiraten und einen Sohn zeugen sollen, anstatt sich mit Frauen wie Lady Marlene abzugeben. Aber er hatte sich immer gewünscht, daß seine Ehe etwas Besonderes sein sollte.

Weil er wußte, wie viele Ehen seiner engsten Freunde unglücklich oder mindestens langweilig waren, hatte er sich vorgenommen, Junggeselle zu bleiben.

Er sagte jedermann, der ihn vor den Altar bringen wollte, er habe beschlossen, ledig zu bleiben.

Er wollte später, wenn er seine Freiheit nicht mehr so sehr genießen würde wie im Augenblick, das tun, was offensichtlich seine Pflicht war: heiraten.

Er genoß es, seine Häuser und seine riesigen Besitztümer ohne die Ratschläge einer Frau zu verwalten. Und er war auch ehrlich genug um zuzugeben, daß er mit großem Vergnügen unter den schönsten Frauen wählen konnte, die ihm alle nur zu bereitwillig ihre Gunst erwiesen.

Ihm war bekannt, daß jede Schönheit in der Beau Monde es für eine Auszeichnung hielt, seine Geliebte zu werden. Und es war ihm angenehm zu wissen, daß die meisten von ihnen ihm auch dann nicht die Sympathie entzogen und seine Gegenwart schätzten, wenn er die Verbindung löste.

Zwar hatte er vielen das Herz gebrochen, aber er glaubte zynischerweise, daß nur wenige Frauen auf Dauer leiden würden, und daß die Wunden, die er ihnen zugefügt hatte, schnell heilen würden.

Und jetzt bedrohte ihn Lady Marlene Kelston aus heiterem Himmel, auf eine Weise, wie er es weder erwartet noch jemals zuvor erlebt hatte.

Plötzlich empfand er die Situation als so unerträglich, daß er abrupt vom Kartentisch aufstand und den Club ohne eine weitere Erklärung verließ.

Er hörte nicht einmal, wie seine Freunde ihm nachriefen: »Randolph, du hast deine Gewinne liegen gelassen!«

Als er gegangen war, sahen sie sich fragend an.

»Was ist mit Oswestry los? Ich habe ihn noch niemals so geistesabwesend erlebt.«

 

»Das muß mit einer Frau zusammenhängen«, meinte jemand.

Darüber lachten die anderen schallend.

»Mit einer Frau? Hast du je erlebt, daß Oswestry sich Gedanken um eine Frau macht? Wenn er mit dem kleinen Finger schnippt, kommen Dutzende gelaufen!«

»Das ist allerdings wahr«, sagte ein junger Mann. »Und verdammt nochmal, mit seinem Charme und seinem Geld verdirbt er den Markt.«

Als die Kutsche die Berkeley Street hinabfuhr und in den Berkeley Square einbog, kam es dem Herzog so vor, als drehe sich in seinem Kopf eine Tretmühle. Er konnte seine Gedanken nicht ordnen.

Immer wieder stellte er sich die gleiche Frage, was er gegen Lady Marlene unternehmen sollte, und fand keine Antwort.

Als er aus der Kutsche stieg, machte er ein so grimmiges Gesicht, daß der Diener, der ihm die Tür öffnete, ihn erschrocken ansah.

Das Hauspersonal wußte sehr gut, daß der Herzog nur dann früher nach Hause kam, wenn etwas nicht stimmte. Die meisten von ihnen dienten dem Herzog schon seit vielen Jahren.

Ein Diener rollte eilig den roten Teppich auf dem Gehweg aus, und der Butler stand in der offenen Tür, um den Herzog zu empfangen.

Als der Herzog die Stufen vor der Eingangstür seines Hauses erreichte, hörte er plötzlich einen Schrei, und eine Frau kam den Gehweg entlanggerannt.

Sie stürzte auf den Herzog zu, klammerte sich an ihn und rief: »Retten Sie mich... retten Sie mich!«

Sie war außer sich vor Furcht, und der Herzog blickte sie überrascht an. Er sah in ein sehr junges Gesicht und in zwei ängstliche Augen.

»Retten Sie mich!« wiederholte sie. »Bitte helfen Sie mir... sie wollen... mich fangen!«

Der Butler kam rasch die Treppe herunter und zog die Frau vom Herzog weg.

»Genug damit!« sagte er grob. »Wir können niemanden von Ihrer Sorte hier gebrauchen!«

Während er sprach, trat ein kräftiger junger Diener, der eben den Teppich ausgerollt hatte, auf die andere Seite der jungen Frau.

»Überlassen Sie das uns, Euer Gnaden«, sagte der Butler.

Er wollte die Frau fortführen, aber sie rief: »Bitte... bitte... man hat mir gesagt... es sei Lord Julius Westrys Kutsche... aber ich bin sicher... das war eine Lüge!«

Der Herzog blickte über die Schulter zurück und fragte scharf: »Wer, sagten Sie?«

»Bitte helfen Sie mir... helfen Sie mir...«

Die Frau begann zu weinen.

»Laßt sie los«, befahl der Herzog.

Als der Butler und der Diener ihm gehorchten, lief die Frau sofort zum Herzog zurück und sagte schluchzend: »Sie wollten... mich... einsperren!«

Der Herzog sah in einiger Entfernung zwei Männer unschlüssig dastehen. Sie hatten die Verfolgung ihres Opfers eingestellt, als sie sahen, mit wem sie sprach.

»Sie haben eben einen Namen erwähnt«, sagte der Herzog ruhig. »Würden Sie ihn bitte noch einmal wiederholen?«

»Lord Julius... Westry... sagte mir, er hätte... eine Arbeit für mich.«

Der Herzog sah sie prüfend an, als wolle er sich überzeugen, daß sie die Wahrheit sagte.

»Kommen Sie mit mir ins Haus. Dort können Sie mir ausführlich erklären, was passiert ist.«

Die junge Frau blickte ängstlich über die Schulter zurück, und als sie die Männer in der Ferne sah, schauderte sie und lief rasch hinter dem Herzog, der bereits die Eingangshalle betreten hatte, die Stufen hoch.

Er legte seinen Mantel, Stock und Zylinder ab und ging durch die Halle.

Sie folgte ihm. Ein Diener öffnete eine Tür, und sie betraten die Bibliothek.

Es war ein großer, eindrucksvoller Raum, dessen Fenster zum Garten hinauslagen.

Die Vorhänge waren geschlossen. Im Kerzenlicht sah sie Bücher in hohen Chippendaleregalen, einen großen Schreibtisch mitten im Raum unter einer gemalten Decke, ein Sofa, sowie zwei Sessel vor dem Kamin.

Der Herzog stellte sich mit dem Rücken zum Kamin, wie es seine Gewohnheit war, und betrachtete seine Besucherin.

Sie war zierlich und sehr jung, und wie er überrascht feststellte, unerwartet reizvoll.

Sie hatte große Augen in einem herzförmigen Gesicht, und ihr Haar unter ihrer unmodernen Haube hatte die Farbe reifen Korns. Die Augen waren nicht blau, sondern, wenn er sich nicht täuschte, grau wie ein Wintersee.

Sie sah ihn ängstlich an, und ihre Miene drückte immer noch Entsetzen aus. Er sah, daß sie zitterte.

»Bitte nehmen Sie Platz«, sagte er ruhig.

Als ob seine Stimme ihr Sicherheit geben würde, ging sie anmutig zu einem Sessel und setzte sich auf dessen Rand. Sie faltete die Hände im Schoß.

Ihre Kleidung war altmodisch und aus billigem Stoff, aber geschmackvoll.

Nach dem, was er bisher von ihr gehört hatte, war er sicher, daß sie gebildet war, und sie war charmant.

Er ging zum Getränketablett hinüber, das in einer Ecke stand.

»Sie brauchen nach diesem unangenehmen Erlebnis eine Stärkung«, sagte er. »Trinken Sie lieber Champagner oder Limonade?«

»Ich hätte gern... ein Glas Limonade, wenn es Ihnen recht ist.«

Als der Herzog die Limonade einschenkte, dachte er, daß er dieses Getränk bisher noch keiner Frau in diesem Raum angeboten hatte.

Das Mädchen aber war so jung, daß er annahm, sie würde keinen Alkohol trinken.

»Danke«, sagte sie, als er ihr das Glas reichte.

Er bemerkte, wie ihre Hand zitterte, und bewunderte ihre Selbstbeherrschung.

Da er glaubte, er würde sitzend weniger furchterregend wirken, nahm er ihr gegenüber Platz.

»Nun erzählen Sie mir, was Sie so in Furcht versetzt hat«, sagte er. »Außerdem würde ich gern erfahren, was Lord Julius Westry mit der ganzen Affäre zu tun hat.«

Das Mädchen stellte ihr Glas auf einen Beistelltisch neben ihrem Sessel und faltete die Hände, ehe sie antwortete: »Ich glaube, Sir... ich muß mich zuerst dafür entschuldigen, daß ich mich Ihnen aufgedrängt habe. Aber ich hatte solche Angst, ... und ich konnte an nichts anderes denken als daran, zu fliehen und von der Kutsche wegzulaufen... in die ich an der Poststation in Islington eingestiegen war...«

Der Herzog wußte, daß dort die Postkutschen aus dem Norden eintrafen.

»Ich bin froh, daß ich Ihnen helfen konnte«, erwiderte er ruhig. »Erzählen Sie mir nun genau, was geschehen ist, damit ich sicher sein kann, daß man Sie nicht weiter verfolgt, wenn Sie dieses Haus verlassen.«

Der Herzog sah, wie das Mädchen vor Angst den Atem anhielt.

»Glauben Sie... man wartet auf mich?«

»Wer sind sie?«

»Zwei Männer, ... einer saß auf dem Kutschbock, und der andere war, glaube ich, ein Diener des Hauses, ... in das man mich bringen wollte.«

»Was war das für ein Haus?«

»Ich... ich glaube, es war Hay Hill Nummer 27.«

Der Herzog sah sie scharf an.

»Sind Sie sicher?«

»Als Lord Julius mir schrieb, teilte er mir mit,... daß... eine Kutsche mich in Islington abholen würde... Aber er schrieb mir nicht, ... wohin man mich bringen würde... Erst als ich das Blatt Papier in der Kutsche las, schöpfte ich Verdacht, ...und ich fürchtete mich sehr.«

Der Herzog lächelte.

»Das klingt alles sehr kompliziert. Fangen wir doch von vorne an. Nennen Sie mir zuerst Ihren Namen.«

»Udela Hayward.«

»Und wo wohnten sie bisher, Miss Hayward?«

»Außerhalb von Huntingdon. Mein Vater war der Pfarrer von Little Storton.«

»Sie sagen ,war'. Ist er tot?«

Udela nickte.

»Ja, er ist vor drei Wochen gestorben.«

Tränen traten ihr in die Augen, aber dann fuhr sie tapfer fort: »Nach seinem Tod wurde mir klar, daß ich eine Arbeit finden mußte. Da traf ich zufällig Lord Eldridge.«

»Wo?«

Während sie sprach, sah Udela deutlich den Pfarrhausgarten vor sich, in dem sie fast jede Blume gepflückt hatte, um sie auf den Friedhof zu bringen.

Ihr Vater hatte Blumen geliebt, und sie redete sich ein, daß er und ihre Mutter vielleicht vom Himmel herabblickten und zusahen, wie sie die Blumen auf ihren Gräbern verteilte.

Sie pflückte auch die Rosenknospen vom Lieblingsstrauch ihrer Mutter und sagte sich, sie würden einen leuchtend rosaroten Fleck bilden, der sie immer an ihre Mutter erinnerte.

Es war die Farbe des Glücks, dachte Udela, des Glücks, das entschwunden war, als zuerst ihre Mutter starb, und nun auch ihr Vater sie verlassen hatte.

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