Das gefährliche Spiel

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Das gefährliche Spiel
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Das Gefährliche Spiel

Barbara Cartland

Barbara Cartland E-Books Ltd.

Vorliegende Ausgabe ©2016

Copyright Cartland Promotions 1985

Gestaltung M-Y Books

www.m-ybooks.co.uk

1.~1887

„Diese vielen Verwandten machen mich krank“, sagte Prinzessin Wilhelmina.

Ihre Cousine, Zenka, sah sie mit einem Lächeln an.

Sie wußte, daß Wilhelmina an allem etwas auszusetzen hatte, obwohl sich wohl niemand über das offizielle Frühstück beklagen konnte, das die Königin zu ihrem Goldenen Jubiläum gegeben hatte.

Für Zenka war es nach dem ruhigen Leben, das sie in Schottland geführt hatte, sehr aufregend gewesen.

Der König von Dänemark hatte zur Linken der Königin gesessen, der König von Griechenland zu ihrer Rechten und der König von Belgien hatte ihr gegenüber Platz genommen. Die große goldene Platte in der Mitte der Tafel hatte der ganzen Angelegenheit eine goldene Aura verliehen.

„Man hätte wenigstens annehmen können“, fuhr Wilhelmina in ihrer häßlichen kehligen Stimme fort, „daß unter dieser Horde von Gratulanten wenigstens einige junge Männer für uns gewesen wären.“

Zenka blickte sie amüsiert an.

Es war wohl bekannt, daß Wilhelmina von Preußen, die bereits fast dreißig Jahre alt war, die letzten zehn Jahre damit verbracht hatte, die europäischen Königshöfe nach einem geeigneten Ehemann zu durchkämmen.

Sie war jedoch sehr dick und häßlich und hatte ein abstoßendes, hinterhältiges Wesen, so daß alle Prinzen die Flucht ergriffen, sobald Wilhelmina erschien. Jede Unterhaltung über Heirat wurde abrupt beendet, sobald Wilhelminas Name erwähnt wurde.

Zenka wollte jedoch nicht unhöflich sein und setzte sich neben Wilhelmina auf das Sofa.

„Aber es waren doch einige geeignete Junggesellen auf der Gesellschaft. Was hältst du von Louis William of Baden?“

Wilhelmina warf ihr einen beißenden Blick zu.

„Louis William ist verlobt und wartet nur darauf, daß die Feierlichkeiten des Jubiläums beendet sind, um seine Verlobung bekannt zu geben.“

„Das wußte ich nicht“, erwiderte Zenka. „Dann sieht es so aus, als bliebe nur noch der Prinz Devanongse von Siam übrig!“

„Wirklich, Zenka, du bist unmöglich!“ rief Wilhelmina aus. „Ich bin sicher, daß er jetzt schon einen ganzen Harem von Frauen hat.“

„Ja, das könnte schon wahr sein“, stimmte Zenka ihr zu. „Auf der anderen Seite glaube ich auch nicht, daß das Goldene Jubiläum die geeignete Gelegenheit ist, um sich nach einem Ehemann umzusehen.“

„Die Königin ist als Heiratsvermittlerin von Europa bekannt“, erwiderte Wilhelmina. „Wenn ich mutig genug wäre, würde ich mit ihr über meine Heirat sprechen.“

Zenka lachte.

„Dazu bist du bestimmt nicht mutig genug. Keine von uns ist das.“

Während sie sprach, dachte sie daran, daß Königin Victoria in der Tat eine sehr ehrfurchtgebietende Persönlichkeit war. Und es war allgemein bekannt, daß der Prince of Wales zu zittern begann, wenn seine Mutter nach ihm rufen ließ.

Sie selbst war das Gesetz, und es war ihr sogar gelungen, die althergebrachten Regeln für das Goldene Jubiläum zu ändern.

Sie hatte es eigensinnig abgelehnt, zum Gottesdienst in der Westminster Abbey, der am nächsten Tag stattfinden sollte, die Krone und das Zepter zu tragen.

Der Premierminister hatte lange mit ihr gestritten, und schließlich hatten ihre Kinder die Prinzessin von Wales zu ihr geschickt, die jedoch nach kurzer Zeit zurückkam.

„Noch niemals bin ich so verächtlich behandelt worden!“ erzählte sie all denen, die auf das Urteil warteten.

Nichts und niemand konnte die Königin davon abbringen, einen Hut zu tragen.

Sie wußte wohl, daß Lord Halifax der Meinung war, die Leute hätten für ihr Geld auch ein entsprechendes Schauspiel verdient. Und sie wußte, daß Mr. Chamberlain der Meinung war, eine ,Regentin müßte großartig’ aussehen. Lord Roseberry, der eine beißende Zunge hatte, äußerte kategorisch, daß das Empire ,von einem Zepter nicht von einem Hütchen regiert werden sollte’.

Die Königin jedoch ließ sich von keinem dieser Argumente überzeugen.

Am nächsten Tag fuhr sie im Hütchen zur Abbey, nachdem sie ihren Hofdamen die schriftliche Anweisung hatte geben lassen, ,Hüte zu tragen und lange, festliche Kleider ohne Überhang’.

Als sie dann langsam die Stufen der Abbey hinaufschritt, konnte trotz alldem niemand umhin, ihre außergewöhnliche Eleganz und ihr selbstbewußtes Auftreten zu bewundern.

Zenka war der Meinung, daß es auf der ganzen Welt nichts Großartigeres geben konnte, als die Eskorte der Königin.

Gleich hinter ihrem offenen Landauer folgte die Indische Kavallerie, dann die männlichen Mitglieder ihrer großen Familie, drei Söhne, fünf Schwiegersöhne und neun Enkel.

Begeistert war die Menge vom Anblick des Kronprinzen von Deutschland. Sein Bart war goldfarben, die Uniform weiß und Silber. Auf seinem Helm war der deutsche Adler - man hätte ihn für einen mittelalterlichen Helden halten können.

Alle seine Verwandten wußten, daß der Prinz nicht sprechen konnte, da er an Kehlkopfkrebs erkrankt war, und die Königin machte sich große Sorgen um ihre Lieblingstochter Vicky, über die viele Gerüchte zu hören waren.

Der Gottesdienst dauerte sehr lange, war jedoch außerordentlich eindrucksvoll. Anschließend küßten die Prinzessinnen der Königin die Hand und alle Anwesenden waren bezaubert von dem lieblichen Anblick.

Der Lunch begann nicht vor vier Uhr und war fast eine Wiederholung des Vortages.

Man hatte Zenka erzählt, daß nun in Kürze eine Parade der Blaujacken vorbeimarschieren würde, die die Königin vom Balkon aus beobachten würde. Anschließend sollte die Übergabe der Geschenke im Ballsaal stattfinden.

„Ihre Majestät kommt!“ rief plötzlich jemand. Zenka erhob sich, als die Königin eintrat. Ihre schwarzen Kleider rauschten, als sie durch ihre Verwandten hindurch an das Fenster schritt.

Sehr viel später am Abend trug die Königin ein funkelndes Jubiläumsgewand, das mit silbernen Rosen geschmückt war. Das Dinner war bereits beendet, als Wilhelmina jetzt ihr Gespräch mit Zenka fortsetzte.

Die indischen Prinzen und das Corps Diplomatique wurde der Königin vorgestellt. Zenka dachte sich, daß eigentlich genügend Männer anwesend waren, geschmückt mit gold-verzierten Uniformen und farbenfreudigen Turbanen, die Wilhelminas Gefallen finden könnten.

Aber als sie beide Seite an Seite in den Chinesischen Saal gingen, beschwerte Wilhelmina sich noch immer.

„Ich hoffte, daß du einmal tanzen würdest“, flüsterte sie.

„Um ehrlich zu sein“, erwiderte Zenka, „schmerzen meine Beine vom langen Stehen. Oh, sieh doch nur das Feuerwerk! Ist es nicht wunderschön? Was willst du mehr?“

„Wenn du die Wahrheit wissen willst“, antwortete Wilhelmina, deren Zunge vom Wein gelöst war, „ich will einen König heiraten!“

„Einen König?“ rief Zenka amüsiert aus. „Warum willst du das denn tun?“

„Ich würde eine gute Königin abgeben“, antwortete Wilhelmina. „Und wenn ich mir die Juwelen der Prinzessin von Wales ansehe, muß ich daran denken, wie gut sie mir stehen würden.“

Zenka unterdrückte ein Lächeln.

Die Prinzessin trug eine wunderschöne Diamanttiara und ihr Halsband blinkte wie tausend Sternebei jeder ihrer Bewegungen. Aber sie war auch zweifellos die schönste Frau der Königlichen Familie.

Während sie durch den Saal schritt, hatte Zenka den Eindruck, sie würde schweben. Ihr Hals erinnerte an einen Schwan und ihr Lächeln war herzlich und ansteckend, wodurch sie sich von den anderen sehr unterschied.

Es war genauso unmöglich, daß Wilhelmina einen solchen Anblick bieten würde, wie es unmöglich war, über den Mond zu springen, dachte Zenka.

Laut jedoch sagte sie: ,,Ich glaube, daß Cousine Alexandra viele Probleme hat.“

„Du sprichst wohl von den Liebesaffären des Prinzen“, sagte Wilhelmina in häßlichem Ton. „Jedermann weiß davon, aber sie hat auch genügend Entschädigungen.“

„Ich weiß nicht...“ Zenka sagte es gedankenvoll.

,,Da gibt es gar nichts zu fragen“, unterbrach Wilhelmina sie. „Und ich sage dir, Zenka, ich will eine Königin sein! Es ist nicht fair, daß ich die Einzige in Europa bin, die bis jetzt noch nicht verheiratet ist.“

Es war so viel Bitterkeit in ihrer Stimme, daß Zenka wieder einmal Mitleid mit ihr empfand.

„Es gibt doch bestimmt viele Könige und Prinzen, die heute abend nicht hier sind“, sagte sie. „Was ist denn mit all den Staaten in der Nähe von Preußen?“

„Die Monarchen, die dort regieren, sind alle verheiratet“, erwiderte Wilhelmina.

Zenka zerbrach sich den Kopf, ob ihr nicht ein Einziger einfiele, der nicht verheiratet war.

Aber die Wahrheit war, daß alle Throne in Europa bereits von einer Tochter oder einer Enkeltochter der Königin Victoria besetzt waren.

Sie blickte sich im Chinesischen Saal um und sah Vicky, die Kronprinzessin von Deutschland; Alice, Großherzogin von Hessen; Beatrice von Battenberg; Helen von Schleswig-Holstein; und eine ganze Anzahl anderer Königlicher Hoheiten, die alle ihren Besitz und den Ehemann der Königin Victoria zu verdanken hatten.

Es muß doch aber jemanden geben, dachte sie bei sich.

Dann rief sie plötzlich aus: „Ich hab’s, Wilhelmina . . . König Miklos von Karanya ist nicht verheiratet!“

Zu ihrer Überraschung versteifte sich Wilhelmina.

„Diesen Mann werde ich mit Sicherheit nicht heiraten!“ sagte sie schroff.

„Warum nicht? Was hat er dir denn getan?“ fragte Zenka.

 

Sie wußte, daß Karanya ein kleines Land war, das an die Grenzen von Ungarn und Bosnien stieß.

„Er ist ein Tier, brutal und widerwärtig. Außerdem sieht er entsetzlich aus!“ erwiderte Wilhelmina und es klang, als würde sie die Worte ausspucken. „Sein Gesicht ist entstellt und beim Gehen hinkt er.“

„Aber was hat er dir getan?“ fragte Zenka wieder.

„Er war hier im letzten Jahr, zum Staatsball.“

„Oh, tatsächlich?“ sagte Zenka. „Ich kann mich nicht an ihn erinnern.“

Dies war nicht verwunderlich, denn im letzten Jahr war Zenka erst siebzehn Jahre alt gewesen und hatte den Ball frühzeitig verlassen müssen.

„Was ist denn passiert?“ fragte sie nun neugierig.

„Wegen seines kranken Beines mußte der Königständig sitzen“, antwortete Wilhelmina. „Da ich Mitleid mit ihm verspürte, setzte ich mich zu ihm, um mich mit ihm zu unterhalten. Ich wollte freundlich sein.“

Sie machte eine Pause und Zenka konnte den Ärger in ihren Augen sehen.

Dann brachen die Worte aus ihr hervor: „Als ich mich einen Augenblick umdrehte, um mit jemand anderem einige Worte zu wechseln, hörte ich, wie er zu einem in der Nähe stehenden Mann sagte:

,Um Gottes willen, halten Sie mir diese kleine Frau vom Leibe. Sie bringt es fertig, daß ich mich noch schlechter fühle, als ich es ohnehin schon tue.’ “

Zenka bemühte sich, das Lachen zu unterdrücken, das ihr im Halse aufstieg.

„Das war wirklich sehr unfreundlich von ihm, Wilhelmina“, sagte sie.

„Er hat in seiner Muttersprache gesprochen“, sagte Wilhelmina. „Sicher hat er geglaubt, ich würde es nicht verstehen. Aber ich habe es verstanden. Und ich habe damals beschlossen, nie wieder auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln.“

„Das kann ich verstehen“, sagte Zenka.

Gleichzeitig sagte sie sich im stillen, daß sie den König auch verstehen konnte.

Sie wußte, wie taktlos Wilhelmina sein konnte, und sie war überzeugt davon, daß sie lediglich mit ihm gesprochen hatte, weil er ein König war. Und Wilhelmina war nun einmal überzeugt davon, daß sie einen König heiraten müßte.

„Seitdem habe ich eine Menge über König Miklos erfahren“, sagte Wilhelmina bissig.

„Was denn?“

„Daß er Orgien veranstaltet - ja, Orgien - in seinem Schloß in Karanya!“

„Was für Orgien?“ fragte Zenka neugierig.

„Das weiß ich auch nicht so genau“, erwiderte Wilhelmina vage. „Aber Cousin Frederick hat davon erzählt, als er uns Weihnachten besuchte.“

„Ich würde nicht auf das hören, was Cousin Frederick erzählt“, bemerkte Zenka. „Du weißt doch, daß er ein Klatschmaul ist und den größten Teil seiner Informationen von seiner entsetzlichen Frau erhält.“

„Ich bin sicher, daß das, was er über König Miklos erzählt hat, der Wahrheit entspricht“, bestand Wilhelmina auf ihrer Meinung.

„Das Einzige, was ich über Orgien weiß, ist das, was man von den alten Römern liest“, sagte Zenka. „Und soweit ich das verstanden habe, hat sich jedermann betrunken und anschließend haben sie sich die Kleider ausgezogen. Wenn das Schloß in Karanya auch nur ein wenig unserem Schloß in Schottland ähnelt, wäre es auf jeden Fall zu kalt, um die Kleider auszuziehen.“

Während sie sprach, stellte sie fest, daß Wilhelmina gar nicht an ihren Worten interessiert war. Sie schien sich in ihren Haß auf den König hineinzusteigern.

„Er hat Mätressen - Dutzende von ihnen.“

„Das ist nicht besonders überraschend“, murmelte Zenka, während sie beobachtete, wie der Prince of Wales mit einer seiner Cousinen flirtete, die sehr viel attraktiver als Wilhelmina war.

Selbst in Schottland sprach man über seine Liebesaffären, und seit Zenka nach London gekommen war, um dem Jubiläum beizuwohnen, hatte sie ständig darüber gehört.

Wilhelmina war immer noch mit ihren Gedanken beschäftigt.

„Ich habe eines Tages gehört, wie Cousin Frederick und Prinz Christian sich darüber unterhalten haben“, sagte sie.

Das hieß, sagte Zenka sich, daß sie zweifellos wieder einmal am Schlüsselloch gehorcht hatte - etwas, was Wilhelmina bei jeder sich bietenden Gelegenheit tat.

„Cousin Frederick sagte: ,Ich frage mich, was aus Nita Loplakovoff geworden ist. Ich habe seit fast einem Jahr nichts mehr von ihr gehört, und sie war eine der reizendsten Tänzerinnen Rußlands, die ich je gesehen habe.’

,Ich glaube, daß sie eine stürmische Affäre mit Miklos von Karanya hat,’ hatte Prinz Christian daraufhin erwidert.

,Er pflückt sich ja immer die reifsten Pflaumen von den Bäumen’, erwiderte Cousin Frederick. ,Aber die würde ich mir selbst gerne greifen!’“

Wilhelmina legte eine kurze Pause ein, um Luft zu holen, und Zenka bemerkte: „Ich bin sicher, daß Nita Loplakovoff, wer immer sie auch sein mag, sicher nichts mit Frederick zu tun haben wollte.“

Wilhelminas Geschwätz begann sie zu langweilen, und sie wandte sich dem Herzog von Edinburgh zu, der ebenfalls dem Feuerwerk zuschaute.

„Es war ein wunderschöner Tag, Cousin Alfred.“

„Es freut mich, daß es dir gefallen hat, Zenka“, erwiderte er. „Ich fürchte, die Königin wird sehr müde sein, aber sie war sehr erfreut über den Empfang, den ihr die Menge bereitet hat.“

„Das ist wahr“, stimmte Prinzessin Victoria zu, die neben ihnen stand. „Mama sagte mir, wie großartig alles gewesen sei und wie sehr sie sich über die vielen Glückwunschtelegramme gefreut hat, die sie erhalten hat.“

Zenka bemerkte, daß Wilhelmina Anstalten machte, wieder mit ihr zu sprechen, und wandte sich hastig einer anderen Gruppe von Gästen zu.

Sie war mit dem größten Teil der Anwesenden verwandt. Ihre Mutter, Prinzessin Pauline, war Engländerin gewesen, und ihre Ehe mit Prinz Ladislas von Vajda war sehr glücklich, bis eines Tages beide durch eine Bombe eines Anarchisten ums Leben kamen.

Es war nun schon sechs Jahre her, aber bei Gelegenheiten wie dieser jetzt vermißte Zenka ihre Mutter schmerzlich.

Sie hätte es genossen, all ihre Verwandten wiederzusehen, ein Teil dieser großen Familie zu sein, die sich im Buckingham Palast versammelte, obwohl sie jeden Augenblick ihres Lebens in Ungarn geliebt hatte.

Auch Zenka hatte es geliebt, und sie hatte zuerst geglaubt, daß sie sich nie würde umstellen können. Sie vermißte dieses schöne und wilde Land, zu dem sie gehörte wie die Pferde, die ihr mehr bedeutet hatten als ihre Altersgenossen.

Aber ihres Vaters bester Freund, der Herzog von Stirling, der auch ihr Pate war, hatte sie zu seinem Mündel gemacht und sie mit sich nach Schottland genommen.

Dort war sie sehr, sehr glücklich, bis vor zwei Jahren die Herzogin starb und der Herzog vor einem Jahr wieder heiratete.

Sobald Zenka die neue Herzogin gesehen hatte, wußte sie, daß sie eine Feindin bekommen hatte.

Die Herzogin Kathleen war erst fünfunddreißig Jahre alt, sehr viel jünger als ihr Ehemann. Sie war sehr attraktiv und sicher hätte man sie für die schönste Frau gehalten, wenn es nicht das Mündel ihres Mannes gäbe.

Wer immer Zenka sah, dem fiel es schwer, den Blick von ihr zu lösen und irgendeine andere Frau in ihrer Gegenwart zu bemerken.

Sie besaß die kleine gerade Nase ihrer Mutter und auch deren zarten Körperbau. Von ihrem Vater jedoch hatte sie ihr rotes Haar, das ein Erbe seiner ungarischen Vorfahren war, ebenso wie ihre dunklen, grünen Augen.

Ihre Augen schienen das ganze kleine Gesicht einzunehmen, und ihre ganze Erscheinung ließ jede Frau vor Eifersucht die Zähne knirschen.

Die Herzogin Kathleen hatte Zenka vom ersten Augenblick an gehaßt, und es trug nicht dazu bei, daß sich ihre Gefühle dem Mündel ihres Gatten gegenüber änderten, als Zenka bei den Jubiläumsfeierlichkeiten wegen ihrer königlichen Abstammung einem einfachen Herzog und seiner Frau gegenüber bevorzugt behandelt wurde.

Man hatte Zenka eingeladen, im Buckingham Palast zu wohnen, während die Stirlings gezwungen waren, ihr langweiliges Haus am Hannover Square zu bewohnen.

Herzogin Kathleen konnte nicht verzeihen, daß Zenka während des Gottesdienstes in der Abbey bei den Königlichen Prinzessinnen saß und auch zu den Familienessen eingeladen war, die am Samstag, nachdem die Königin aus Windsor angekommen war, und am darauffolgenden Sonntag nach dem Gottesdienst, stattgefunden hatten.

Sie und der Herzog waren jetzt zugegen, um dem Feuerwerk beizuwohnen. Jedoch war die Herzogin sich klar darüber, daß sie diese Einladung lediglich der Tatsache zu verdanken hatte, daß ihr Gatte der Vormund von Zenka war.

Einen großen Teil der Gäste begann das Feuerwerk jetzt zu langweilen, zumal viele der Feuerwerkskörper erst explodierten, wenn sie außer Sicht waren. Man begab sich daher wieder ins Innere des Saales, um miteinander zu reden.

Der Herzog von Stirling sah, daß Zenka allein stand, und ging zu ihr.

Er sah wunderbar aus in seinem Kilt.

„Bist du müde, Zenka?“ fragte er besorgt.

Er war sehr stolz auf sein Mündel. Und wie die meisten anderen Männer aus der Gesellschaft war auch er der Meinung, daß sie zweifellos ein außergewöhnlich schönes Mädchen war.

„Ein wenig, Pate“, erwiderte Zenka. „Möchtest du jetzt gehen?“

„Kathleen ist müde“, sagte der Herzog. „Es war sehr heiß in der Abbey, und wir waren ziemlich eingezwängt auf unseren Plätzen.“

„Die Königin muß völlig erschöpft sein“, sagte Zenka. „Sie hat dem Feuerwerk nicht sehr lange zugesehen.“

„Nein“, stimmte der Herzog ihr zu. „Und sie hat morgen einen langen Tag vor sich. Ich nehme an, du wirst sie zum Hyde Park begleiten?“

„Das möchte ich auf keinen Fall versäumen“, erwiderte Zenka. „Eine Militärkapelle wird spielen, und es findet eine Bewirtung für 30.000 Schulkinder statt. Außerdem wird ein Ballon steigen.“

„Dann mußt du auf jeden Fall hingehen“, lachte der Herzog. „Aber nach Windsor begleitest du die Königin doch nicht?“

„Nein, selbstverständlich nicht“, antwortete Zenka. „Sobald Ihre Majestät London verlassen hat, werde ich wieder zu euch kommen.“

„Das ist schön“, antwortete der Herzog. Währenddessen trat die Herzogin an seine Seite. Sie trug sämtliche Juwelen der Stirlings. Ein unzufriedener Zug war um ihren Mund zu sehen, und ihre Augen waren hart, als sie Zenka ansah.

„Ich nehme an“, sagte sie säuerlich, „du hast nicht vor, mit uns nach Hause zu kommen.“

„Man erwartet, daß ich bis morgen hier bleibe“, erwiderte Zenka.

„Dadurch kommst du dir sicher besonders wichtig vor, nicht wahr?“ bemerkte die Herzogin, und ohne Zenkas Antwort abzuwarten, wandte sie sich ab.

Der Herzog legte seine Hand auf Zenkas Schulter und sagte: „Du siehst sehr schön aus, Zenka. Der Prince of Wales hat mir zu einem so hübschen Mündel gratuliert.“

„Danke, Pate“, gab Zenka lächelnd zurück. „Und ich schätze mich sehr glücklich, einen solch charmanten Vormund zu haben.“

Der Herzog lächelte, klopfte ihr nochmals auf die Schulter und folgte dann eilig seiner Gattin.

Am frühen Nachmittag des nächsten Tages kam Zenka mit einer der Königlichen Kutschen am Haus der Stirlings am Hannover Square an.

Es hatte ihr viel Freude bereitet, die Königin in den Hyde Park zu begleiten, und sie hatte sich sehr amüsiert, als eines der Kinder auf dem Rasen rief, als der Ballon in die Höhe stieg: „Seht! Da fliegt die Königin in den Himmel!“

Sie hatte es vermieden, mit Wilhelmina zusammen zu sein. Sie wußte, daß es unfreundlich war. Aber Wilhelmina hatte sie mit ihren Klagen und ihrem bösen Geschwätz so gelangweilt, daß sie die Nase von ihr voll hatte.

Sie erinnerte sich noch gut daran, wie sie während eines Besuches in Preußen einen Monat lang in der Gesellschaft Wilhelminas und ihrer Brüder und Schwestern verbringen mußte, die alle ebenso langweilig waren.

Nie wieder hatte man sie eingeladen. Zenka glaubte, den Grund zu kennen. Einer der älteren Brüder Wilhelminas hatte auffallendes Interesse an ihr gezeigt. Aber seine Familie betrachtete sie nicht als eine geeignete Partie für einen ihrer Söhne.

Prinz Ladislas mochte ihr zwar große Schönheit hinterlassen haben, aber es war ihm nicht möglich gewesen, ihr ein Vermögen zu vererben.

Die Königlichen Hoheiten Europas waren sich jedoch einig darin, daß Geld wertvoller als Schönheit war, wenn es um die Heirat ihrer Söhne ging, und eine große Mitgift mehr Sicherheit bot als die Fähigkeit, einem Mann den Kopf zu verdrehen.

In dem Augenblick, als sie das Haus ihres Paten betrat, fühlte Zenka, daß sich etwas Außergewöhnliches ereignet hatte.

 

Sie wußte nicht warum, aber sie hatte des Öfteren gewisse Vorahnungen, wegen derer man sie in Schottland „Fee“ nannte. Niemals hatte sie diesen Dingen jedoch irgendeine Beachtung geschenkt, wenn sie sich nicht speziell auf ihre eigene Person bezogen.

Jetzt plötzlich wurde sie sich dieses Gefühls klar, als sie in der häßlichen, dumpfen Halle stand.

Obwohl es ein heißer Tag war, fror es sie. Sie versuchte, über sich selbst zu lachen, aber es war ihr, als würde sie die Kälte ihres eigenen Grabes fühlen.

Sie verspürte den unwiderstehlichen Drang fortzulaufen, bevor sie dann doch die Treppe zu dem großen Salon im ersten Stock hinaufstieg.

„Ich bin sicher übermüdet“, sagte sie sich beruhigend.

Sie nahm ihren kleinen Strohhut ab und ordnete ihr schönes rotes Haar. Sie trug ein gestreiftes Seidenkleid, das unter den Prinzessinnen viel Bewunderung hervorgerufen hatte.

Dann trat sie in den Salon.

Die Herzogin saß vor dem Kamin auf einem Sofa, ihre Lippen waren vor Konzentration aufeinandergepreßt, während sie stickte.

Der Herzog stand neben ihr, mit dem Rücken zum leeren Kamin. Zenka hatte das Gefühl, als würde er sich gerne wärmen. Er schien zu frieren.

Dann zwang sie sich, näher zu gehen, und sagte lächelnd: „Ich bin zurück, Pate. Es ist früher, als ich dachte.“

„Schön, dich zu sehen, Zenka.“

Er küßte sie auf die Wange, und Zenka knickste vor der Herzogin.

„Ich hoffe, du hast dich mit deinen großartigen Verwandten amüsiert“, sagte die Herzogin.

Es war nicht zu überhören, daß sie alles andere als dies wünschte.

„Es war ein großartiges Erlebnis“, erwiderte Zenka. „Und ich werde es niemals vergessen. Die Königin war wunderbar im Hyde Park. Sie muß entsetzlich müde sein nach diesen drei Festtagen.“

„Sie ist aus Eisen“, bemerkte die Herzogin, und ihre Worte klangen nicht wie ein Kompliment.

Dann sah sie den Herzog an, als wollte sie ihn zum Reden auffordern.

Er räusperte sich, bevor er sagte: „Setz’ dich, Zenka. Ich muß dir etwas mitteilen.“

Ihr Gefühl hatte sie also nicht betrogen. Irgendetwas stimmte nicht, aber sie hatte keine Ahnung, was es sein könnte.

Während sie sich setzte, fühlte sie ein unangenehmes Prickeln in ihrem Körper. Ihre Hände waren eiskalt.

Sie legte den Hut neben sich und fragte: „Worum handelt es sich, Pate?“

„Ich hatte eine kurze Unterredung mit der Königin, nachdem sie Samstag früh aus Windsor angekommen war“, sagte der Herzog.

Zenkas Augen beobachteten sein Gesicht, er sah sie jedoch nicht an, und sie hatte das Gefühl, daß das, was er ihr zu sagen hatte, ihn selbst sehr aufregte.

„Du kannst dir sicher vorstellen, daß Ihre Majestät nur wenig Zeit hatte“, fuhr der Herzog fort. „Sie mußte die Blumen begutachten, die man im Palast abgegeben hatte - wunderschöne Blumen -, und sie mußte selbstverständlich noch ein wenig vor dem Familienessen ruhen.“

„Zu dem wir nicht eingeladen waren“, warf die Herzogin bitter ein.

„Wir sind nicht königlicher Herkunft, meine Liebe“, erwiderte ihr Gatte.

„Natürlich nicht - nicht wie Zenka!“ zischte die Herzogin.

„Warum wollte die Königin dich sehen, Pate?“ fragte Zenka.

„Darüber will ich mit dir sprechen, Zenka“, sagte der Herzog wohlwollend. „Die Königin hat mir mitgeteilt, daß sie es jetzt, nachdem du achtzehn Jahre alt geworden bist, an der Zeit hielt, eine Heirat für dich zu arrangieren!“

Alles hatte Zenka erwartet, aber nicht dies. Ihre Augen weiteten sich, und für einen Augenblick war sie sprachlos.

Dann fragte sie: „Warum sollte die Königin für mich eine Heirat arrangieren? Sie hat doch keine Veranlassung dafür.“

„Du vergißt, daß die Königin deiner Mutter sehr zugetan war“, erwiderte der Herzog. „Sie hat mit großer Herzlichkeit von ihr und auch von deinem Vater gesprochen. Sie hat den Schock, den ihr die Nachricht vom Tode deiner Eltern bereitet hat, bis heute nicht verwunden.“

„Für mich war es sicher auch ein Schock“, sagte Zenka leise, „aber ich möchte nicht, daß die Königin für mich eine Heirat arrangiert. Ich habe nicht die Absicht, jetzt schon zu heiraten.“

„Es ist eine große Ehre, meine Liebe, daß Ihre Majestät sich Gedanken über deine Zukunft macht.“

„Das weiß ich“, sagte Zenka schnell. „Aber ich möchte meinen Ehemann selbst auswählen. Ich will nicht verheiratet werden, wie all die anderen Prinzessinnen!“

Sie wartete, und als der Herzog nichts erwiderte, fuhr sie fort: „Erst heute habe ich darüber nachgedacht. Es muß furchtbar sein, wenn einem einfach befohlen wird, über irgendein Land zu regieren, das man vielleicht nie vorhergesehen hat, nur, weil die Königin eine solche Heirat für nützlich und vorteilhaft hält, um, wie die Diplomaten es ausdrücken, ,das Gleichgewicht der Macht zu wahren’.

Ist es das, was die Königin dir gesagt hat, Pate?” fragte sie eindringlich.

„So ähnlich hat sie sich ausgedrückt“, gab der Herzog zu.

,,Dann kannst du der Königin von mir ausrichten“, erwiderte Zenka, indem sie sich erhob, „daß ich nicht die Absicht habe, eine Speiche im Rad des britischen Molochs zu sein.“

Sie ging quer durch den Salon, bevor sie sagte: „Du weißt, wie wir immer darüber gelacht haben, auf welche Weise die Königin jeden manipuliert. Du selbst hast dich darüber amüsiert, wie sie die Ehemänner und Ehefrauen für ihre Söhne und Töchter ausgesucht hat. Nun, ich werde dieses Spiel nicht mitspielen! Ich lasse mich nicht auf die gleiche Weise manövrieren. Du kannst es Ihrer Majestät ein für allemal klarmachen.“

„Mein liebes Kind, es ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst“, sagte der Herzog vorwurfsvoll.

„Warum verschwendest du deine Zeit, um mit ihr zu diskutieren?“ fragte die Herzogin scharf. „Du weißt ebenso wie ich, daß sie tun muß, was ihr befohlen wird. Du bist ihr Vormund, und sie ist noch nicht volljährig. Am besten sagst du ihr die Wahrheit und erzählst ihr, daß du den König in ihrem Namen akzeptiert hast.“

„Akzeptiert? Welchen König?“ Zenka hatte sich hastig vom Fenster abgewandt.

Der Herzog antwortete nicht, und nach einer Weile fragte sie ihn nochmals: „Welchen König hast du in meinem Namen akzeptiert? Ich will es wissen!“

„König Miklos von Karanya“, sagte die Herzogin, bevor ihr Gatte das Wort ergreifen konnte. „Du solltest dich glücklich schätzen und dem Herrgott auf den Knien danken, daß er dir die Möglichkeit gibt, einen regierenden Monarchen zu heiraten.“

Der Neid der Herzogin war nicht zu überhören, aber Zenka starrte den Herzog ungläubig an.

„Das ist nicht wahr! Das kann nicht wahr sein!“ sagte sie schließlich. „Bitte, Pate, sag’ mir, daß es nicht wahr ist! Das du nicht eingewilligt hast, daß ich den König Miklos heiraten soll.“

„Es ist der Wunsch der Königin, mein Liebes.“

„Und ich weiß auch, warum!“ rief Zenka aus. „Karanya ist natürlich wichtig für das Gleichgewicht in Europa. England will verhindern, daß Österreich und Ungarn ihre Grenzen erweitern, und Karanya ist der Puffer zwischen diesen Ländern und dem Ottomanischen Reich.“

Sie wartete einen Augenblick, bevor sie hinzufügte: „Nun, ich habe nicht die Absicht, ein Puffer zu sein. Ich weigere mich ... hörst du mich, Pate? ... Ich weigere mich strikt und endgültig, König Miklos von Karanya oder irgendeinen König, den die Königin für mich aussucht, zu heiraten.“

Sie ging auf die Tür zu und drehte sich dann noch einmal um.

„Wenn ich jemals heiraten sollte, dann werde ich es aus Liebe tun, und keine Königin kann mich überreden, etwas anderes zu tun.“

Sie verließ den Salon und konnte sich nur mit Mühe davon zurückhalten, die Tür zuzuschlagen, da sie es als unwürdig empfand.

Zornig rannte sie die Stufen hinauf zu ihrem Zimmer.

Wie konnte Königin Victoria es wagen anzunehmen, daß sie sie in der gleichen Weise kommandieren konnte, wie sie es mit ihren Söhnen und Töchtern getan hatte?

Der Prince of Wales mochte zittern vor ihr, weil er sie fürchtete. Und all die anderen mochten ihr ohne den leisesten Protest gehorchen. Aber sie, Zenka, war anders.

All die Dinge, die Wilhelmina über König Miklos erzählt hatte, kamen ihr jetzt wieder in den Sinn, und sie war überzeugt davon, daß die Königin sie ausgewählt hatte, weil keine der anderen Prinzessinnen einen solchen Mann nehmen würde.

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