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Das Mormonenmädchen Erster Band

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Ihre Haare waren hellblond und schlicht, und wichen in der Farbe nur durch eine schwache Schattirung von einander ab. Die beiden Männer, bei einer oberflächlichen Bekanntschaft mit einander zu verwechseln, wäre aber trotzdem nicht möglich gewesen, indem einestheils ein zu bedeutender Größenunterschied zwischen ihnen herrschte, anderntheils, weil ihre Physiognomien durch den Ausdruck streng von einander geschieden waren.

Der größere, der von seinem Gefährten mit dem Namen Jansen angeredet wurde, hatte in seinem Gesicht etwas Finsteres und Verbissenes, und wenn er sprach, so lag im Ton seiner Stimme ein unverkennbarer Sarkasmus, der sich wohl heraushören, aber weniger leicht beschreiben läßt. Seine Augen waren unstät, erhaschte man aber einen Blick aus denselben, dann neigte man unwillkürlich zu der Annahme hin, daß dennoch freundliche, wohlwollende Gefühle hinter denselben schlummern dürften. Seine Neigungen waren aus seinem ernsten und überlegenden Wesen nicht zu errathen, wohl aber hinterließ er den Eindruck, daß er, was für Leidenschaften ihn auch immer beseelen mochten, denselben Alles, sogar sein Leben zum Opfer bringen würde.

Sein Gefährte, der einige Jahre mehr zählte, die Fünfzig also schon erreicht hatte, sah nicht minder finster aus, allein es hielt nicht schwer, zu entdecken, daß dieser Ausdruck erkünstelt war und als Maske diente; denn hinter dem ernsten nachdenkenden Wesen lugte ganz verstohlen die Verschlagenheit und Geschmeidigkeit eines Fuchses hervor, die keine Treue und keinen Glauben kennt, und nur darnach trachtet, auf Kosten Anderer an das sich selbst gesteckte Ziel zu gelangen. Seinen Gefährten schien er an Verstand, oder vielmehr an List, weit zu überragen und in seiner Handlungsweise, ohne daß dieser es ahnte, ganz nach Gefallen wie ein Kind zu lenken und zu leiten. Er zeigte überhaupt das Bild eines durchtriebenen Jesuiten, der genau jedes der eigenen Worte abzumessen versteht, um die Wirkung desselben unfehlbarer und nachhaltiger zu machen.

Die Umgebung, in welcher sich die beiden Männer befanden, war ihnen entweder nicht mehr neu oder sie verhandelten so wichtige Gegenstände, daß sie darüber alles Uebrige vergaßen; denn sie beachteten weder die imposanten Reihen der Kauffahrer, noch das rege Treiben auf dem leicht gekräuselten Wasserspiegel, der sich auf der entgegengesetzten Seite weithin ausdehnte, und überrascht fuhren sie empor, als kurz vor der Landungsbrücke der Bootsmann die Jolle in eine enge Gasse zwischen den Kauffahrern hineinlenkte und gleich darauf die Matrosen, wegen Mangels an Raum, die Riemen einzogen.

Das leichte Fahrzeug folgte noch eine Weile dem Druck der eigenen Schwere, die Matrosen halfen mit den Händen an den Wanten eines mauerähnlich aus dem Wasser emporragenden Dreimasters nach, und einige Minuten später legte die Jolle vor einer hölzernen Treppe an, die von dem aus mächtigen Balken gezimmerten Werft bis tief in das der Fluth und Ebbe unterworfene Wasser niederreichte.

»Ist dies die bezeichnete Landungsstelle?« fragte Jansen, indem er gleich seinem Gefährten aufstand.

»Aie, Aie, Herr,« antwortete der Bootsmann, sich ebenfalls erhebend und über die Bänke hinweg dem Vordertheil der Jolle zuschreitend.

Die beiden Passagiere sahen nach der Uhr, wechselten einige Worte mit einander, und wendeten sich dann mit unentschlossener Miene zu dem alten Seemanne, der nunmehr schon hinter ihnen stand und ihnen den Vortritt auf der Treppe lassen wollte.

Dieser mochte ihr Zaudern für Zweifel an seinen Worten halten, denn nachdem er sich geräuspert und einen tiefen grunzenden Ton ausgestoßen, der fast wie »Goddam« klang, versicherte er höchst lakonisch, daß dieses der Punkt sei, wo sie abgesetzt zu sein gewünscht hätten, und daß er ihnen sehr verbunden sei, wenn sie ihm sein Fahrwasser etwas klar machen, mit anderen Worten, ihn vorbeilassen wollten.

»Das ist es nicht, guter Freund,« entgegnete Rynolds, der kleinere der beiden Fremden, mit einschmeichelnder Höflichkeit, »wir finden nur, daß es noch etwas früh am Tage ist, und wir wohl kaum jetzt schon den Freund, an welchen wir empfohlen sind, in seiner Behausung antreffen dürften. Wir möchten daher an einem beliebigen Ort ein Stündchen verweilen, wissen aber bei unserer Unkenntniß der Stadt nicht, wohin wir uns wenden sollen. Vielleicht könnt Ihr uns eine Stelle bezeichnen, und wenn es eine Schänke wäre, wo wir uns in irgend einem Winkelchen so lange unbeachtet aushalten können. Wir sind bescheiden in unseren Ansprüchen.«

Während Rynolds noch sprach, glitt kaum merklich ein Lächeln der Zufriedenheit über die vernarbten Züge des alten Seemannes. Das unvorhergesehene Ansinnen schien ihn zugleich zu überraschen und zu erfreuen, denn mit mehr, als ihm sonst geläufiger Höflichkeit theilte er den beiden Passagieren mit, daß gar nicht weit von der Landungsstelle, in einem Nebengäßchen eine vielbesuchte Matrosenschänke liege, in der aber auch ein besonderes Gemach für solche Gentlemen eingerichtet sei, welche, wenn den Tag über angestrengt auf den Werften beschäftigt, dort hin und wieder Erholung und Erfrischung suchten. »Mit einem Wort, Gentlemen,« sagte der Bootsmann, indem er mit behaglicher Geberde seine umfangreichen Fäuste in die Tasche seiner Beinkleider zwängte, »ein Nothhafen, wie Ihr ihn nicht sicherer wünschen könnt, und Ankergrund, bei Gott! in der ganzen Bai von New-York kein besserer. Wenn es Euch also beliebt, so mögt Ihr nur stetig in meinem Fahrwasser folgen, und ehʼ der Sand dreimal aus dem Logglas läuft, sollt Ihr so sicher beigestaut sein, wie ein Anker im Binnenhafen.«

Die Fremden stimmten bereitwillig zu, der Bootsmann stieg ihnen voran die Treppe hinauf, und unverzüglich traten sie ihren Weg nach der nächsten Straße an.

Kaum waren sie aber zehn Schritte weit von der Treppe entfernt, da bat der Bootsmann seine Begleiter, eine Minute zu verziehen, indem er vergessen habe, den Matrosen die nöthigen Befehle zu ertheilen. Seinem Wunsch wurde gewillfahrtet, und im nächsten Augenblick neigte er sich an der Treppe nieder, wobei er die Fremden aber nicht aus den Augen verlor.

»Ahoi, Jungens!« rasselte er, so leise es ihm nur möglich war; »haltet guten Ausguck!«

»Aie, Aie, Herr!« entgegneten die vier Stimmen wie aus einer Kehle.

»Ich soll hinter den beiden Hanfperrücken kreuzen, wittere Piraten; wißt also, wo ich bin, wenn ich ein paar Wachen versäume.«

»Aie, Aie, Herr!« lautete die Antwort.

»Macht Eure Sache gut, und eine Ration Grog soll nicht fehlen!«

»Alles recht, Herr!«

Der Bootsmann richtete sich empor, und in vier langen Schritten holte er die beiden Passagiere wieder ein.

Obgleich er nun glaubte, dieselben nicht aus den Augen verloren zu haben, so hatten sie doch Zeit gefunden, auch über ihn ihre Bemerkungen auszutauschen, die ihm allerdings, wenn er sie auch gehört hätte, unverständlich geblieben wären, die sie aber in seiner Gegenwart, aus geheimer Scheu vor dem grimmigen alten Seemanne, wohl kaum auszusprechen gewagt hätten.

»Ihr könnt mir glauben, der Kerl soll uns nachspüren,« sagte Rynolds heimlich zu seinem Gefährten, sobald er sich unbeobachtet wähnte, »und nur um seine Wachsamkeit einzuschläfern, forderte ich ihn auf, uns in irgend eine Kneipe zu führen. Nach Einbruch der Dunkelheit kann es uns nicht schwer werden, von dort aus unbemerkt zu entkommen.«

»Gewiß soll er uns nachspüren,« antwortete Jansen, »denn vergebens hat der milchbärtige Lieutenant uns nicht gerade durch diesen alten Spitzbuben anʼs Land setzen lassen. Hole der Satan die ganze Nation!«

»Zu Euren Diensten, Gentlemen!« meldete sich der herantretende Bootsmann, und schweigend setzte sich die Gruppe nach dem Innern der Stadt zu in Bewegung. —

Nach wenigen Schritten befanden sich die drei Männer mitten in dem Gewühl von Menschen, Karren und Lastwagen, die auf der Werftstraße mit betäubendem Geräusch auf und ab wogten, und nachdem sie sich durch dasselbe hindurchgearbeitet, bogen sie in die nächste der Hauptstraßen ein, die fast in gerader Linie über die New-Yorker Halbinsel hinüberführen.

Vor dem linken Eckhause der Straße hielten die beiden Fremden an. Es war das Haus, in welchem die Kalifornia-Dampfschifffahrts-Gesellschaft ihr Hauptbureau gegründet hatte, und der alte Bootsmann bemerkte, daß die seiner Wachsamkeit anempfohlenen Passagiere aufmerksam die riesengroßen Anschlagezettel lasen, und die Tage, an welchen Dampfboote auslaufen sollten, sorgfältig in ihre Brieftaschen niederschrieben.

Nach kurzem Aufenthalt setzten sie ihre Wanderung wieder fort, und der Straße aufwärts folgend gelangten sie an eine enge Quergasse, die nur von Speichern, Waarenhäusern und den entsprechenden Comptoirs gebildet zu sein schien.

Dieselbe war verhältnißmäßig wenig belebt; doch bekundeten die aus den festen eisenbeschlagenen Hausthüren tretenden Arbeiter, Buchhalter und Secretäre, so wie auch die heimwärts fahrenden leeren Wagen und Karren, daß man in diesem Theil der Stadt das Tagewerk für beendigt betrachte und Feierabend gemacht habe, daß aber hier gewiß nicht geringere Geschäfte getrieben wurden, als in irgend einer der Hauptstraßen.

Ohne Zögern bog der Bootsmann in die Quergasse ein, denn er entnahm aus dem Schall ihrer Tritte, daß die beiden Fremden ihm dicht auf dem Fuße nachfolgten, und ohne sich umzuschauen, schritt er eine kurze Strecke weit auf der linken Seite dicht unter den düster aussehenden Waarenhäusern hin.

Plötzlich blieb er vor der weitgeöffneten Thür eines kleineren Hauses stehen, und sich zu seinen Begleitern wendend, deutete er mit der Hand auf einen wenig geräumigen, dunkeln, jedoch durch zwei Gasflammen erleuchteten Flur. Das Ende des Flurs verlor sich in einer unbestimmten Dämmerung, während die Mitte desselben noch bedeutend mehr erhellt wurde durch das Licht, welches durch zwei einander gegenüberliegende Thüren auf den Gang fiel. Mit dem Licht drang aber auch ein starker Tabaks- und Branntweinsgeruch inʼs Freie, und das verworrene laute Geräusch, welches wenigstens aus dem einen geöffneten Gemach hervorschallte, bewies, daß es eben nicht der verfeinertste Theil der menschlichen Gesellschaft sei, der sich hier zum wilden Gelage zusammengefunden hatte.

 

Es war eben eine jener bekannten Matrosenschänken, in welchen die abbezahlten Seeleute innerhalb sehr kurzer Frist ihren sauer erworbenen Lohn vergeuden, wohin sich aber auch, wenn ihnen noch einige Hände an der Bemannung fehlen, die Capitäne begeben, um unter den »trocken gelegten« Matrosen Leute anzuwerben, oder sie auch, wenn sie schon verschuldet sind, für ihre Dienste loszukaufen und ihnen dann später das ausgelegte Geld zu berechnen.

Zu diesem Zweck befand sich denn auch auf der einen Seite des Ganges eine geräumige Halle nebst Schänke und Restauration für die Matrosen, während auf der andern Seite ein kleines Gemach für die Gentlemen, wie der Bootsmann sie nannte, eingerichtet war, die etwa kamen, um auf feiernde Hände Jagd zu machen.

»Hier sind wir,« sagte der Bootsmann, einen Schritt zurücktretend, um seinen Begleitern den Vortritt zu gestatten; »riecht für ʼne städtische Nase wohl etwas zu sehr nach Salzwasser, aber im Sturm ist jeder Hafen willkommen. Haltet nur auf jene Thür nach Steuerbord zu; werdet dort jede Bequemlichkeit finden, und außerdem so wenig Gesellschaft, wie an Wochentagen in einer Kirche. Ist jetzt nicht die rechte Zeit zum Pressen, so kurz vor Einbruch der Nacht; besser des Morgens in der Frühe, wenn der Teufel den letzten Cent geholt hat und die Burschen todt vor Top und Takel treiben.«

Jansen und Rynolds folgten der angedeuteten Richtung und begaben sich in das bezeichnete Gemach, wo sie sogleich von einem Kellner in Hemdärmeln und einem Matrosenhut auf dem Kopfe nach ihren Wünschen befragt wurden. Ihr bärbeißiger Mentor dagegen trat auf die Schwelle der gegenüberliegenden Thür und ließ von dort aus, um sich vorläufig in der mit Tabaksrauch angefüllten Halle zu orientiren, seine Blicke prüfend über das tolle Getreibe hingleiten.

»Halloh! Jim Raft! alte Vogelscheuche! welcher Wind hat Dich bis hierher verschlagen?« rief plötzlich eine Stimme, die mehr dem Knarren einer dürftigen Ankerwinde, als irgend einem anderen Tone glich, und es humpelte hinter dem Schänktisch der Kellner und Eigenthümer des Locals, ein alter stelzfüßiger Seemann hervor und gerade auf den Bootsmann zu, dem er sodann mit großer Herzlichkeit die Hand schüttelte.

Jim Raftʼs Gesicht verzog sich zu einem so grimmigen Lächeln, daß eben nur ein genauer Bekannter von ihm im Stande war, aus demselben herauszulesen, daß er wirklich Wohlgefallen an dem Ehrentitel empfand, mit welchem ihn der Stelzfuß angeredet hatte; doch was seine vernarbten Züge nicht ausdrückten, das lag doppelt in der Art und Weise, in welcher er die Hände seines Freundes ergriff und zusammenpreßte.

»Goddam!« rief er aus, und der dicke Tabaksknoten wanderte geschäftig von der rechten nach der linken Wange hinüber; »kannʼs doch nur eine gute Bö sein, die mich hergeweht hat; wundere mich nur, Dich alten Haifisch noch immer flott zu finden, sehr originell, daß soʼn gebrechliches Wrack nicht schon längst kanterte.«

»Wrack? kantern? so lange Kiel und Spanten noch gesund sind?« fragte der Wirth lachend zurück; »bei Gott, halte die See noch besser, als Mancher, der nicht, wie ich, mit einer Nothstenge fahren muß!«

Bei diesen Worten stampfte er mit seinem Stelzfuß auf den Boden, als habe er ein Loch durch denselben bohren wollen. Gleich darauf wendete er sich aber an die übrige Gesellschaft, deren Aufmerksamkeit durch die geräuschvolle Begrüßung der beiden alten Seeleute auf diese hingelenkt worden war.

»Ahoi, Jungens!« rief er aus, und wiederum schmetterte sein Stelzfuß auf die dröhnenden Bretter. »Ich sehe Euch Alle gern in meiner Combüse, aber Keinen lieber als meinen alten Maat hier, den Hochbootsmann von der Vereinigte Staaten-Corvette Leopard, den Master Jim Raft. Wo er also auch immer beizulegen wünscht, da werdet Ihr den Platz klar machen, oder Ihr sollt Alle kieloberst zur Hölle fahren!«

Die Matrosen, größtentheils junge, lebenslustige Burschen nahmen die Rede mit einem donnernden Hurrah entgegen, und sei es nun, daß sie sich den Wirth zum Freunde zu halten wünschten, oder daß sie eine gewisse Achtung vor der würdigen Erscheinung Jim Raftʼs empfunden, genug, es war kein einziger in der Halle, der dem Eintretenden nicht seinen Platz und zugleich freie Zeche für den Abend angeboten hätte.

»Eine Breitseite Grog für alle Hände und doppelte Ladung obendʼrein!« commandirte der Bootsmann, der sich über die Ehre, die man ihm erwies, offenbar geschmeichelt fühlte. Dann aber nach dem Tisch hinschreitend, welcher der Thür gerade gegenüberstand, setzte er sich auf eine der ihm eingeräumten Matrosenkisten, welche die Stellen der Bänke und Stühle vertraten, so hin, daß er durch die beiden offenstehenden Thüren in das Gemach zu blicken vermochte, in welches sich Jansen und Rynolds zurückgezogen hatten, diese also nicht unbemerkt entschlüpfen konnten.

Ein neues donnerndes Hurrah hatte die Freigebigkeit des Bootmanns belohnt, ein dampfendes Glas Whiskypunsch, ein Bündel langer Thonpfeifen und ein Behälter mit feingeschnittenem holländischem Tabak waren vor ihn selbst hingestellt worden; die aufgestörte Gesellschaft ordnete sich wieder in neue Gruppen zusammen, einige ältere Seeleute setzten sich zu Jim Raft an den Tisch, und sogar der lustige Wirth hatte seinen Platz hinter dem Schänktisch einem Gehülfen übertragen, um mit seinem Busenfreunde ungestört ein Stündchen bei vollen Gläsern zu verplaudern.

Die lebhafte Unterhaltung, welche bei Raftʼs Eintritt in der Halle geführt worden war, wollte indessen gar nicht wieder in den Gang kommen; es hatte den Anschein, als wenn Alle erwarteten, daß der noch seefeuchte Bootsmann das Wort ergreifen und mit der Erzählung seiner jüngsten Erlebnisse vortreten würde.

Dieser verharrte indessen längere Zeit schweigend und blinzelte nur zuweilen nach dem Gemach der Gentlemen hinüber, bis ihn endlich ein neben ihm sitzender Lotse durch eine hingeworfene Bemerkung, zum größten Ergötzen aller Anwesenden, zum Sprechen zwang.

»Es ist mir ganz neu,« sagte derselbe in geringschätzigem Tone, halb zu Jim Raft, halb zu den Stelzfuß gewendet, »in der That, ganz neu, daß Kriegsschiffe der Vereinigten Staaten auch zum Transport von Emigranten verwendet werden.«

»Sehr originell, und auch mir ganz neu,« antwortete Raft, aber das Blauwerden seiner Narbe verrieth, daß er sehr wohl fühlte, gegen wen der Angriff eigentlich gerichtet sei.

»Ich habe den Leoparden einlaufen sehen,« fuhr der Lotse in derselben Weise fort, »und Ihr mögt mich blind nennen wie eine gemalte Stückpforte, wenn, ich über seinen Schanzen nicht einige Köpfe mehr bemerkte, als er mit in See genommen hatte, und zwar Köpfe, zu denen eine Theerkappe gepaßt haben würde, wie ein Feuereimer auf dem kahlen Schädel eines katholischen Heiligen.«

»Ich bestreite nicht, daß der Leopard beim Einlaufen einige Dutzend Köpfe mehr zählte, als beim Auslaufen,« antwortete Raft, und der Barometer in seinem Gesicht deutete wieder auf ruhiges Wetter, denn er mochte wohl zu der Ueberzeugung gelangt sein, daß eine aus Neugier hingeworfene Frage schließlich nicht immer eine Beleidigung enthalte. »Ja, einige Dutzend Köpfe mehr,« wiederholte er sinnend, nachdem er einen tiefen Zug aus seinem Glase gethan und eine der langen Thonpfeifen gefüllt und in Brand gesetzt hatte; »aber an den Beinen will ich mich aufhissen lassen, und zwar an der Raae des ersten besten, schmutzigen, kauderwelschen Franzosen, wenn zu den meisten dieser Köpfe eine Theerkappe nicht eben so gut paßt, wie zu einem Lotsenschädel!«

Der Lotse zog einen schiefen Mund, kniff ungläubig sein rechtes Auge zu und schleuderte kurz hinter einander, wie eine Fumarole, ein halbes Dutzend dichter blauer Dampfwolken mit Heftigkeit von sich.

Raft bemerkte die Zeichen und deutete sie ganz richtig. Er antwortete aber nicht sogleich, sondern ließ, um die Neugier seiner Zuhörer noch mehr auf die Falter zu spannen, ein eigenthümlich grimmiges Lächeln des Selbstbewußtseins um seine Lippen spielen.

Nach einer Pause nahm er die Pfeife aus dem Munde und wies mit der Spitze derselben nach dem »Gemach der Gentlemen« hinüber. »Dort sitzen ein paar Passagiere des Leoparden,« hob er endlich an, und indem er sich etwas über den Tisch lehnte, benutzte er den Augenblick, in welchem die Aufmerksamkeit Aller sich der angedeuteten Richtung zuwendete, seinem Freunde Stelzfuß inʼs Ohr zu flüstern: »Verdammte Landpiraten! ich muß signalisirt werden, wenn sie Anker lichten!«

Der Stelzfuß nickte zustimmend und entfernte sich auf einige Minuten aus der Halle, und bald darauf hingen die Blicke aller Anwesenden wieder an dem Munde des Bootsmannes, von dem man nunmehr einer weiteren Erklärung seiner geheimnißvollen Worte entgegensah.

»Ja, richtige Passagiere des Leoparden. Könnten Euch ein Garn spinnen, wie sie an Bord des Leoparden gekommen, ein Garn, länger als eine Lothlinie; ja, das ist originell.«

Wiederum griff er nach seinem Glase, und indem er dasselbe langsam an die Lippen führte, weidete er sich an der Spannung seiner Zuhörer, die allmälig näher zu ihm herangerückt waren und ihn in dichten Gruppen umgaben. Endlich, nachdem er sich noch einmal heftig geräuspert und eine neue Pfeife angezündet hatte, begann er:

»Komm der Leopard aus den westindischen Gewässern; wo er so lange gekreuzt, um auf den Neufundlandbänken einen kurzen Ausguck zu halten. Eine steife Bö aus West, Südwest bei West; Cours: Nordnordwest bei Nord; halbe Dampfkraft; dichtgereeftes Großmarssegel; Großsegel, Fock, Vorstengestagsegel und Besahnstagsegel. Alle übrige Leinwand eingeholt und zierlich zusammengefaltet, wieʼn SonntagnachmittagsHemde, oder das Taschentuch einer Brautjungfer. Ganz originell! – Weht also, daß die Haare vom Kopfe fliegen, und dazu macht der Himmel ein Gesicht, wieʼn Midshipman vor einem versalzenen Reispudding; und haben die Seen weiße Perrücken, daß der gepuderte Leibkutscher der Königin von England sie darum hatte beneiden mögen.«

»Denke, Ihr müßt schon solchen Leibkutscher gesehen haben?« unterbrach der Lotse den redseligen Bootsmann.

»Goddam, mehr wie einen!« antwortete Raft, indem er zwei Dampfwolken, eine durch die Nase und die andere zwischen den Lippen durchblies. »Sah sie eigenhändig in London auf einem Wagen, der so blank war, als sei er eben erst frisch getheert worden, das ist originell. Saß einer vorn auf dem Gallion und hielt die Gäule, die davonlaufen wollten, und standen zwei hinten am Stern auf ʼner schmalen Laufplanke und führten das Steuer. Ja, ein Fahrzeug, wie ʼne Nußschale, und doch zwei Mann am Ruderhelm; mußte dem Steuer schlecht folgen und schlingerte dabei wie ʼne Hängematte. Hätte nicht dʼrin sitzen mögen; bei Gott! wurde beim Anblick schon seekrank.«

Hier pausirte Raft, um die Asche in seiner Pfeife niederzudrücken, und nachdem er sodann einen gewichtigen Blick auf seine Umgebung geworfen, fuhr er wieder fort:

»Ja, ʼs ist originell; Perrücken hatten die Seen ausgesetzt, so kraus und weiß, daß der Leibkutscher der Königin von England sie darum beneidet hatte, wenn sie nach London gekommen wären, um sie ihm zu zeigen. Und nahm die Bö die Perrücken und machte Regen dʼraus. Verdammt! Tropfen, so fein und scharf wie ʼne Patent-Segelnadel. Sage Euch, Jungens, hielt der Leopard die See, als hätte er sich auf einem Tanzplatz befunden, und stampfte so leicht und zierlich, wieʼn vierzehnjähriges Mädchen, das hoch aufgeschürzt auf den Zehenspitzen über eine naßgeregnete Straße hüpft. Das ist originell! Und klatschten die Seen vergeblich gegen die Schanzverkleidung, um auf Deck zu gelangen; machte der Leopard einen Diener, und oben saß er auf der nächsten See, daß die Perrücken sich in seinem Kupfer spiegelten und sich vor Schreck schäumend überschlugen. Ja, ʼs war ʼne Freude, solch ʼne Bö und solch ʼn Fahrzeug!« —

»Hatte die letzte Morgenwache und hatte mich am Gangspill festgestaut. War schon heller Tag, kommt aber eine Squall nach der andern herangesaust und macht es so dunkel, daß man einen Geitaublock mit einem Zwieback hätte verwechseln können. – Blicke hinauf zum Topmast: Alles in Ordnung; blicke aufʼs Vorderschiff: Alles in Ordnung. Schlägt die Wache acht Glocken; höre die Ablösung sich klar machen, schreit der Mann am Gallion: Schiff in Sicht luvbord! Schiff in Sieht luvbord! schrei ich; Schiff in Sicht luvbord! antwortet Weatherton, der erste Lieutenant, der mit mir zugleich die Wache hatte.«

»Der kleine Dick?« unterbrach der Stelzfuß mit lauter Stimme den Erzähler, indem er vor Ueberraschung emporsprang und seine Faust dröhnend auf den Tisch fallen ließ.

 

»Ja, der kleine Dick Weatherton,« entgegnete Raft, sich stolz in die Brust werfend. »Der kleine Dick Weatherton, der Sohn des großen Dick Weatherton, mit dem wir Beide als Schiffsjungen manche Wache zusammen bezogen haben. Armer Capitän Weatherton; er ist schon lange hinüber, während wir Beide noch immer segelrecht oben schwimmen. Hm, nicht einmal ein ehrliches Seemannsgrab hat er gefunden; ist gestorben wie jeder andere gemeine Mensch: auf seinem Gute zwischen seinen vier Wänden. Haben ihn in den Sand gepackt, um ihn von den Würmern fressen zu lassen, und statt einer Ehrensalve aus einigen Dutzend Zwölfpfündern haben sie an seinem Grabe gesungen und geheult. Sah ihn noch einige Tage vor seinem Ende, giebt mir die Hand, der alte Weatherton und sagt: Jim ich denke, mein Kreuzen ist zu Ende, werde wohl nicht mehr die gescheuerten Planken betreten.« Heulʼ ich wie ʼn kleines Kind und fluche über den Doctor. Lacht er und sagt: »Jim, fluchen ist eine verdammt schlechte Angewohnheit, hinterlasse einen Jungen, möchte nicht gerne, daß er zu viel fluchte. Er soll aber Seemann werden, auf demselben Schiff, auf dem Du dienst, und Du sollst über ihn wachen, Jim, Du verstehst mich, was ich meine.« »Aie, Aie, Herr!« mehr konnte ich nicht sagen, warʼs mir als hätte mir Jemand eine frische Zwiebel in die Augen gedrückt; ja, und das waren die letzten Worte, die ich mit dem alten Weatherton wechselte, und das ist originell.«

In dem Maße Raft sich immer mehr in die Erinnerung an seinen geliebten Herrn und Commandanten versenkte, war seine Stimme leiser und knurrender geworden, während die innere Aufregung seine Narbe fast kornblumenblau färbte. Als er aber geendigt, da nahm er vor tiefer Rührung die Pfeife aus dem Munde, und sich etwas zur Seite wendend, fuhr er mit dem Rücken der geballten Faust über seine Augen.

Obschon der alte Seemann seine wahren Gefühle zu verbergen trachtete, so waren dieselben doch Keinem in der Gesellschaft entgangen, und Alle theilten mehr oder minder die Rührung, welche den Erzähler beinahe übermannt hätte.

Mehrere Minuten herrschte lautlose Stille in der Halle. Da erhob sich plötzlich der Stelzfuß, und nach dem Schänktische hinschreitend, gab er Befehl, die ganze Gesellschaft, zu Ehren des Capitäns Weatherton, mit einer neuen Ladung Grog zu versehen.

Als er dann wieder vor Jim Raft Platz genommen, der noch immer in sich gekehrt dasaß, schlug er denselben auf die Schulter.

»Jim!« rief er aus, »Du hast von dem alten Weatherton erzählt, nun erzähle aber auch, was aus dem kleinen Dickie geworden ist.«

»Der kleine Dickie?« fragte Raft, und indem er mit der geballten Faust auf den Tisch schlug, daß alle Gläser klirrten, wich die letzte Spur von Rührung auf seinen eisenharten Zügen, und die Narbe nahm wieder ihre gewöhnliche Farbe an. »Der kleine Dickie? Der macht mir und seinem Vater alle Ehre. Ist jetzt Lieutenant Weatherton, und handhabt ein Schiff, als wenn seine Mutter ʼne leibhaftige Seejungfrau gewesen wäre. Ha, ha, ha! seine Mutter ist eine feine Lady, kann mir heute aber noch nicht vergessen, daß ich ihrem Dickie so viele und schöne Garne abgesponnen habe, und dieser die Zeit nicht abwarten konnte, bis er den Fuß auf ein Verdeck gesetzt haben würde. Verdammt! möchte wissen, was aus dem armen Jungen geworden wäre, hätte ich ihm nicht berechnet, daß aus ihm nie etwas Anderes, als ein Commodore werden dürfe. Ja, das ist originell! Der Junge hörte mehr auf mich, als auf seine Mutter und alle seine Lehrer. Wäre sonst auch nichts Anderes geworden, als ein spitzbübischer Advocat, oder ein Pflasterschmierer, oder ein Professor oder was es sonst noch für Landrattengesindel auf der Welt geben mag. Jetzt aber ist er Zweiter im Commando auf dem Leopard, und erst fünfundzwanzig Jahre alt. Ja, ein stattlicher Junge und ein Lieutenant zur See Nr. 1. A.

»Also: Lieutenant Weatherton antwortet: Schiff in Sicht luvbord!« fuhr Raft in seiner unterbrochenen Erzählung fort, indem er seine eigenen letzten Worte wiederholte; denn pünktlich, wie er in Allem war, was seinen Dienst und das Seewesen betraf, vergaß er auch nie die Stelle, an welcher er beim Abspinnen eines Garnes stehen geblieben. »Ich selbst in drei Sprüngen die Leiter hinauf, und bei Gott! durch den Regen hindurch, kaum eine Kanonenschußweite vom Leopard entfernt, erblicke ich, treibend vor Top und Takel, ein Briggschiff. Reibe mir das Salzwasser aus den Augen, sehe aber immer dasselbe, nämlich das Fahrzeug, nur Stumpfen von Masten, und zwischen diesen flatternd, wie auf einer Waschleine, das Nothsignal. Hatte die Bö es kahl rasirt, und See auf See stürzte ein auf das Wrack, als wenn dessen Verdeck der Musterungsplatz für alles Wasser der Christenheit gewesen wäre.

»Denke bei mir: Der ist hart auf, und steige niederwärts, um zu rapportiren. Hatten aber schon Alles gesehen vom Quarterdeck aus, und hinauf fuhr der alte Matrose am Topmast mit der Geschwindigkeit von sechzig Knoten die Stunde.

»Kam gerade zur rechten Zeit, um alle Hand an Deck zu pfeifen. Hättet aber Dickie Weatherton sehen sollen, stand da wie der leibhaftige Neptun in Uniform. Seine Blicke fliegen über die Takelage, ʼs ist originell, und das Sprachrohr sitzt an seinem Munde, als wäre er mit demselben zur Welt gekommen. Die Bö singt aus tausend Kehlen nach tausendfältigen Noten, aber lauter noch hallt Dickieʼs Stimme: »Alle Hand zum Wenden über Stag! – Helm in Luv! – Los Halfen und Schoten! – Holʼ das Großsegel! – Laß gehen und holʼ an!« – Goddam! wie die Jungens fliegen! Der Leopard taucht sein Gallion tief inʼs Wasser, aber nur eine einzige See rollt über sein Deck, dann richtet er sich auf, wie ʼne Prinzessin, die an eine Blume gerochen; sein Kielholz zittert, die Masten neigen sich, mit hellerem Ton pfeift die Bö durch das zum Zerspringen angespannte Tauwerk, aber auch nicht ein Stückchen Schiemannsgarn springt, und dahin schießt er nach Backbord auf das Wrack los, wie ʼne Möve auf den Küchenabfall.

»Haben unterdessen den Kutter für alle Fälle klar gemacht und, indem der Leopard im Bogen um das Wrack herumfegt, Segel nach Segel eingeholt und nur den Klüver beigesetzt. Kommen nahe genug, um durchʼs Sprachrohr zu braien; sehen alle Mann an den Pumpen, hören ihr Rufen und sehen, wie Einzelne ihre Arme dem Leoparden entgegenrecken, als sei er ihre ungetreue Geliebte gewesen. Das ist originell! —

»Der Leopard legt hart bei den Wind, daß die Seen ihm beim Stampfen fast jedesmal die Augen auswaschen. Er gehorchte aber dem Steuer, und schnell ist die Hölle unter den Dampfkesseln verdoppelt. Nicht nach Backbord oder Steuerbord weicht er aus seinem Cours, und dennoch verändert er nicht seine Stellung zu dem Wrack. —

»War ein Schwede, die Brigg; hatte gute Theerjacken an Bord, denn der Leopard brauchte seinen Böten die Füße nicht einmal naß zu machen; denn kaum lag der Leopard still, da glitt auch die Barkasse der Brigg abseits der Brecher in die See. War eine Freude, die Jungens zu beobachten; im Nu war die Barkasse bemannt, und einzeln, wie die Proviantkisten in den Schiffsraum, wurden die Passagiere von dem letzten Raastumpfen zu ihr niedergelassen. ʼs waren deren nicht viel, aber Schürzen waren dabei, verdammt! Weiber, doch sie hielten sich besser, als manche Männer, die eine aus Muth, die anderes aus Verzweiflung Höre deutlich: »Alle an Bord?! Alle an Bord! Kappt!!« Eine Axt beschreibt einen Kreis durch die Luft, und dahin geht die Barkasse auf dem Kamm einer See mit rasender Geschwindigkeit auf den Leoparden zu.

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