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Das Mormonenmädchen Erster Band

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»Jim Raft ist eine redliche, treue Haut;« versetzte Weatherton, durch Herthaʼs offenes Geständniß freundlich berührt. »Er theilt seine Neigung zwischen dem Leoparden und mir, der ich fast unter seinen Augen aufgewachsen bin, wie die Corvette unter seinen Augen gezimmert wurde, und oft hält es schwer, zu unterscheiden, wem von uns er den Vorzug giebt. So rauh er auch immer in seiner äußern Erscheinung sein mag, so werden ihm Eure gütigen Worte, wenn ich ihm dieselben mittheile, eine herzliche Freude bereiten; er gehört ja ebenfalls zu der Bemannung, deren Ihr in Zukunft freundlich gedenken wollt.«

»Eben so wie jene Matrosen und Schiffssoldaten;« setzte die Gouvernante hinzu, indem sie ihre schmalen Lippen zu kräuseln versuchte und mit dem Fächer nach dem Vorderdeck hinüberdeutete. Der innige Ton, in welchem Weatherton zu Hertha sprach, schien sie verletzt zu haben, denn sie wendete ihr Gesicht plötzlich der Stadt zu, wie um sich gar nicht mehr an der Unterhaltung zu betheiligen, und ungeduldig klopfte sie mit der Spitze ihres langen schmalen Fußes auf den Boden.

»Natürlich gehören sie zu der Bemannung,« entgegnete Hertha schnell, »und ich werde ihrer gewiß freundlich gedenken. Doch warum hebe ich dieses noch besonders hervor? Weiß ich doch, daß meine liebe Demoiselle jeden einzelnen unserer Retter in nicht minder dankbarem Andenken behält.«

»Du bist ein Kind,« bemerkte die Gouvernante, und die Röthe des Zornes stieg ihr in die schlaffen Wangen, während die Spitze ihres Saffianschuhes in schnellerem Tact den Boden berührte.

Hertha schaute betroffen empor, sie ahnte nicht, weshalb die Französin sich beleidigt fühlen könne, und mit der ihr innewohnenden Gutherzigkeit ergriff sie deren Hand.

»Ich habe gewiß wieder etwas Unverständiges gesprochen und herben Tadel von meiner lieben Corbillon verdient,« sagte sie in freundlich bittendem Tone.

Diese kindlich wohlwollenden Worte hatten indessen eine ganz entgegengesetzte Wirkung von der, welche das junge Mädchen beabsichtigte. Demoiselle Corbillon begriff nämlich, daß sie in ihrem Eifer, Hertha zu überstrahlen, zu weit gegangen sei, und sich vor Weatherton eine Blöße gegeben habe. Herthaʼs liebevolles Benehmen aber, ihrem eigenen abstoßenden Wesen und ihrer empfindsamen Laune gegenüber, gab ihr einen neuen Stich inʼs Herz. Sie wünschte sich daher fort aus der Gegenwart des Officiers, und um sich auf angemessene Art entfernen zu können, legte sie mit einem tiefen Seufzer die Hand an ihre Stirn.

»Du bist und bleibst ein verzogenes Kind,« wiederholte sie, jetzt aber mit leidendem und erkünstelt zärtlichem Ausdruck; »doch ich habe die Schuld mir selbst beizumessen; es ist die Strafe für meine an Schwäche gränzende Liebe zu Dir. O, mein Kopf!« rief sie dann kläglich aus, »also auch in diesem Lande, wo ich Genesung zu finden hoffte, soll ich von Migräne verfolgt und gemartert werden?« und sich mühsam erhebend schwankte sie der Kajütentreppe zu.

Hertha war ihr im Augenblick zur Seite, um sie zu unterstützen

»Laß nur, mein gutes Kind,« sagte sie mit schwacher Stimme, Hertha mit dem Anstande einer Fürstin auf die Stirn küssend; »bleibe hier oben und genieße die erquickende Abendluft. Du weißt, nur ungestörte Ruhe verschafft mir Linderung; Mr. Weatherton wird es mir nicht falsch deuten, wenn ich sein gütiges Anerbieten nicht zurückweise,« und indem sie so sprach, legte sie ihren Arm durch den des Officiers, der gleichzeitig mit Hertha zu ihrem Beistande herbeigesprungen war, worauf sie sich schwer auf ihn stützte und sich halb hinunter tragen ließ.

Nach zwei Minuten war Weatherton wieder oben, und seinen alten Platz einnehmend gewahrte er zu seiner Befriedigung, daß der Zustand der Gouvernante, welche er abermals vollständig durchschaute, Hertha keine Veranlassung zu Besorgnissen gegeben hatte.

»Die arme Corbillon!« sagte sie mit unverkennbarem Bedauern, als Weatherton ihr mittheilte, daß er die Französin bis an die Thür ihrer Koje begleitet habe; »sie leidet sehr häufig an diesen Zufällen. Obgleich ungefährlich, müssen sie doch sehr schmerzhaft sein, denn ihre Nerven sind dann so angegriffen, daß sie nicht das geringste Geräusch ertragen kann. Selbst die Gegenwart anderer Personen ist ihr peinlich, und es würde ihre Leiden noch vergrößert haben, hätte ich sie, nachdem sie meine Gesellschaft zurückgewiesen, noch begleiten wollen. Gott sei Dank, diese Anfälle vergehen eben so schnell und plötzlich, wie sie kommen. Ruhe und ungestörtes Alleinsein sind ihre einzige und beste Arzenei.«

Es war schon so dunkel geworden, daß man sogar in geringer Entfernung die Gesichtszüge nicht mehr genau zu unterscheiden vermochte. Im entgegengesetzten Falle würde Hertha auf Weathertonʼs Antlitz ein theilnahmvolles Lächeln entdeckt haben, welches ihm die kindlich aufrichtige Weise entlockte, in der sie das arglistige Benehmen ihrer Gouvernante und ihre eigene scheinbare Theilnahmlosigkeit zu erklären suchte.

»Ich bedauere, daß wir hier an Bord so wenig Gelegenheit haben, Demoiselle Corbillon das Leben erträglicher zu machen,« bemerkte Weatherton nach einer kurzen Pause. »Sie scheint indessen Vorurtheile gegen Alles zu hegen, was zum Seeleben gehört; sogar mein Anerbieten, den Schiffsarzt zu ihrem Beistande herbeizurufen, wies sie mit herben Worten zurück.«

»Glaubt nicht, daß sie Vorurtheile gegen Seeleute und besonders gegen den Leoparden hegt, wie es vielleicht zuweilen scheinen mag,« versetzte Hertha mit Wärme, »sie hat freilich für manchen Menschen schroffe Seiten, allein kein einziges ihrer harten Worte kommt ihr vom Herzen, wohl aber ihre freundlichen. Ich kenne sie schon seit meiner Kindheit, und sage nicht zu viel, wenn ich die Behauptung aufstelle, daß sie kaum mit weniger Bedauern und Dankbarkeit von dem Leoparden scheidet, wie ich es thun werde.«

Wenn nun Hertha die Gouvernante in Schutz nahm und, mit dem ihr angeborenen Edelsinn, derselben die besten Eigenschaften beizulegen trachtete, so entging Weatherton doch nicht eine gewisse Verlegenheit, welche nur zu deutlich dafür sprach, daß sie recht oft im Leben von den Launen der Französin zu leiden gehabt habe. Er wünschte daher die Unterhaltung auf weniger peinliche Gegenstände zu lenken, und wie ein Blitz leuchtete es in seiner Seele auf, daß jetzt vielleicht die letzte ihm gebotene Gelegenheit sei, Genaueres über Herthaʼs Zukunft zu erfahren.

»Wir Seeleute hängen mit treuer Liebe an unserm Element und an den Mitteln, mittelst derer wir uns dasselbe unterthan machen,« begann er, seine Blicke mit innigem Ausdruck auf Herthaʼs züchtige Gestalt heftend, die sich nur noch in unbestimmten Umrissen vor der weißgestrichenen Rückwand der Schanze auszeichnete; »hören wir daher von Leuten, deren Heimath nicht der ungestüme Ocean, daß sie demnach unsere Neigungen anerkennen, so stimmt uns das heiter. Wie der Besitzer eines edeln Pferdes sich freut, die Vorzüge seines Lieblings hervorgehoben und gepriesen zu hören, so freut sich der Seemann über jedes Lob, welches seinem Schiff ertheilt wird. Von

Euch aber so viele freundliche Worte, ein so nachsichtiges Urtheil vernommen zu haben, gewinnt einen doppelten Werth, weil Jeder fühlt, daß sie auf ungeschminkter Wahrheit und reiner Ueberzeugung begründet sind. Ihr gabt die Versicherung, Miß Hertha, Euch unserer, ich meine des Leoparden, freundlich erinnern zu wollen; mag das Geschick Euch aber hinführen, wohin es auch immer sei, die aufrichtigsten Segenswünsche Derer, die Euch hier kennen lernten, werden Euch überall hin nachfolgen, und gewiß Mancher hier an Bord möchte Euch auf dem langen, beschwerlichen Wege schirmend begleiten, der Euch einer unsichern, dunkeln Zukunft entgegenführt.

»Alle Wege, die in die Zukunft führen, sind den Augen der Sterblichen verschleiert,« entgegnete Hertha, die erregt und mit der größten Aufmerksamkeit Weathertonʼs Worten gelauscht hatte; »blickt man aber vertrauensvoll und mit hingebendem Glauben zur Gottheit empor, dann sehnt man sich nicht, die Schleier zu lüften, welche die Zukunft verhüllen. Heiter richtet man die Blicke auf das schöne erhabene Ziel, dankbar genießt man die gebotenen glücklichen Stunden, und ohne zu murren oder zu klagen unterzieht man sich den jahrelangen Prüfungen, welche uns von dem Erlöser mit weiser Fürsorge auferlegt werden.«

»Die Prüfungen, welche das Geschick uns auferlegt, sollen wir allerdings mit Geduld und Ergebung hinnehmen,« erwiderte Weatherton, »allein es giebt Prüfungen, nennen wir es Leiden, die wir dem üblen Willen, dem Eigennutz und der Verrätherei unserer Mitmenschen verdanken, und diese sind es, von welchen ich wünsche, aus tiefstem Herzensgrunde wünsche, daß sie Euch fern bleiben mögen.«

»Kein Haar fällt von Eurem Haupte ohne den Willen Gottes,« versetzte Hertha schwärmerisch, »und so hege ich auch das unerschütterliche Vertrauen, daß die Leiden, die mir vielleicht von den Menschen zugefügt werden, mir ebenfalls von dem Herrn bestimmt wurden. Betrachte ich doch den Krieg, welchen die Vereinigten Staaten unserm Volke erklärt haben, als eine Schickung von oben, um unsere, mit überraschender Schnelligkeit wachsende Gemeinde fester an einander zu ketten und sie einmüthiger in der wahren Gottesverehrung zu machen. Zürnt mir nicht, daß ich auf die Ungerechtigkeit Eurer Regierung hindeutete, aber klang es doch, als wenn Ihr von einer unbekannten, mir drohenden Gefahr sprächet.«

»Ich gedachte einer Euch drohenden Gefahr, indessen keiner Gefahr, die durch den Krieg für Euch herbeigeführt werden könnte. Die Gefahr, auf welche ich mich bezog, ist ganz anderer Art. Ich gedachte, daß Ihr vielleicht getäuscht sein dürftet, daß man Euch zum Uebertritt zum Mormonenthum bewegte, ohne Euch vorher mit allen in der neuen Lehre vorgeschriebenen Formen, Sitten und Gebräuchen vertraut gemacht zu haben; ich gedachte, daß, wenn Ihr erst am Salzsee weilt, wo auf viele Hundert Meilen im Umkreise schwer zugängliche Wüsten Euch von der übrigen civilisirten Welt trennen, es zu spät zur Umkehr sei, wenn Ihr vielleicht irgend etwas entdecktet, was im Widerspruch zu Euern Gefühlen, zu Eurer reinen Denkungsweise stände. Alles dessen gedachte ich, und Besorgniß für Euer ferneres Wohl beschlich mich.«

 

Als Weatherton geendigt, blickte Hertha ihn eine Weile schweigend zu ihm hinüber, wie um die Erklärung des in seinen Worten enthaltenen Geheimnisses aus seinen kaum noch erkennbaren Zügen herauszulesen.

»Nein, Ihr gehört nicht zu den böswilligen Verleumdern des Mormonenthums,« sagte sie endlich, und ihre Stimme zitterte leise, indem sie mit bezaubernder Einfachheit Weatherton die Hand reichte; »es spricht aus Euch wahre Besorgniß und freundliche Theilnahme, für die ich Euch ebenfalls nur mit aufrichtigen Worten zu danken vermag. Eure Befürchtungen sind indessen ungerechtfertigt, und wollte ich wirklich Mißtrauen in diejenigen setzen, die vielleicht nicht ohne Einfluß auf meinen Entschluß gewesen, nämlich in meinen Onkel und in meinen Vormund, so halte ich doch Beweise in Händen, welche dafür einstehen, daß dort, wohin es mich zieht, mir kein Unheil droht, im Gegentheil, treue Liebe und Anhänglichkeit meiner warten. Glaubt mir, wenn es sich um den Frieden des Herzens und der Seele handelt, da kann eine Schwester nicht täuschen, selbst auch dann nicht, wo ein aus zärtlichster Neigung entspringender und deshalb verzeihlicher Egoismus sie alle Mittel möchte versuchen lassen, sich nach langer herber Trennung wieder mit der Schwester zu vereinigen. O, Mr. Weatherton, ich könnte Euch Briefe zeigen, Briefe, die überfließen von Glück und Zufriedenheit, und kein einziger ist unter denselben, der nicht die dringende Aufforderung enthielte, mich der Gemeinde, welcher ich im Geiste schon längst angehöre, auch in der Wirklichkeit zuzugesellen. Selbst die Spuren reichlich vergossener Thränen, welche namentlich die letzten Briefe meiner Schwester tragen, erzählen von ihrer Sehnsucht nach mir, und von ihrem, vor innigster Dankbarkeit gegen den Erlöser, überströmenden Herzen.«

Indem Hertha sprach, war ihre Stimme immer erregter geworden. Aus ihren dargelegten Ansichten leuchtete eine so unerschütterliche Ueberzeugung, ein so frommer, heiliger Glaube hervor, daß Weatherton wohl einsah, er würde hier mit seinen Gründen nie durchdringen, im Gegentheil sich selbst nur in den Augen der holden Schwärmerin herabsetzen und das offene Vertrauen, mit welchem sie ihm bis jetzt seine, ihm selbst fast unerklärliche, warme Theilnahme lohnte, zerstören. Eine Art Wehgefühl zog daher in seine Brust ein, während er sich die wahrscheinlich traurige Zukunft des jungen Mädchens vergegenwärtigte und zugleich seine Ohnmacht erwog, entscheidend eingreifen zu können.

Von den verschiedenartigsten Gefühlen bewegt, saßen die beiden jungen Leute längere Zeit einander schweigend gegenüber. Die äußere Welt schien für sie nicht mehr vorhanden zu sein; sie bemerkten nicht, daß der Leopard vor den zurückkehrenden Wassern der schwindenden Fluth träge vor seinem Anker herumschwang, bis sein Bugspriet stromaufwärts wies, noch beachteten sie das verworrene Gesumme, welches, in Verbindung mit mancherlei gedämpfter Musik, von der Stadt her zu ihnen herüberschallte. Mit regelmäßigem Schritt, das Gewehr geschultert, durchmaß der Posten auf dem Deck den ihm angewiesenen Raum; regungslos, wie eine Statue, saß der wachhabende Matrose auf der Ankerwinde neben der Schiffsglocke; aus dem Innern der Corvette aber drangen, dumpf, wie aus weiter Ferne, die fröhlichen Stimmen der über die glückliche Ankunft in einem belebten Hafen erfreuten Seeleute und Soldaten hervor. Die Atmosphäre hatte sich wieder erhellt. Der Mond war aufgegangen, stand aber noch tief hinter einer schwarzen Wolkenschicht, welche sich, das funkelnde reichgestirnte Firmament scharf begrenzend, um den ganzen östlichen Horizont herumzog.

Hertha betrachtete mechanisch den milchweißen Kreis, welcher die Stelle umgab, wo der Mond hervortreten sollte. Sie mußte tief in Gedanken versunken sein, denn sie schrak förmlich empor, als Weatherton sie endlich wieder anredete.

»Solltet Ihr Euch aber nicht selbst haben täuschen können?« fragte er in eigenthümlich zaghaftem Tone; »sollte es nicht hauptsächlich die Sehnsucht nach der Schwester sein, was Euch dorthin treibt? Es wäre so natürlich, da sie die Einzige ist, die Euch von dem engern Familienkreise geblieben.«

Hertha antwortete nicht sogleich; Weathertonʼs Worte schienen sie zu überraschen, weil sie selbst noch nie eine ähnliche Frage an sich gerichtet hatte.

»Die Sehnsucht nach meiner Schwester ist in der That sehr groß,« begann sie nach längerem Sinnen träumerisch und innig, »ich möchte sie unwiderstehlich nennen, denn schwere Opfer würde ich freudigen Herzens bringen, könnte ich dadurch das Wiedersehen beschleunigen. Ach, und ihr Knabe, wie gern suchte ich in seinem lieben Gesichtchen nach der Aehnlichkeit mit mir, von welcher meine Schwester schreibt – gewiß, die Sehnsucht nach den beiden Lieben hat nicht wenig dazu beigetragen, den Entschluß, auszuwandern, in mir zur Reife gelangen zu lassen, allein – ehʼ ich noch daran dachte, meinem Heimathslande Lebewohl zu sagen, hatte ich mich ja schon zur Lehre des Mormonenthums bekannt – aber – ich bitte Euch, Lieutenant Weatherton,« fuhr sie mit einem leisen Vorwurf im Ton ihrer Stimme fort, wobei sie, um ihn nicht zu kränken, mit kindlichem Vertrauen ihm abermals die Hand reichte, »haltet ein, in dieser Weise mit mir zu sprechen und Zweifel in mir wachzurufen, die ich sonst nie kannte und die meinen Seelenfrieden zu stören drohen. Ich habe vielleicht schon mehr vernommen, als ich hätte hören sollen.«

Weatherton ergriff die dargebotene Hand, welche Hertha ihm gerade so lange ließ, wie er sprach; er fühlte den sanften, vielleicht unwillkürlichen Druck ihrer zarten Finger, es war eine Aeußerung ihrer ehrlichen, wohlwollenden Gesinnungen, und ein süßes, mit bitterer Wehmuth vermischtes Gefühl trieb ihm alles Blut zum Herzen.

»Euren Seelenfrieden stören?« fragte er traurig, »o, das sei fern von mir. Ihr sollt nicht an Bord des Leoparden gekommen sein, um trübe Rückerinnerungen mit von hier fortzunehmen. Verkennt mich aber nicht, Miß Hertha, die Worte, welche ich an Euch richtete, mögt Ihr sie immerhin nach Eurem Wohlgefallen deuten, sie würden nie über meine Lippen gekommen sein, hätte ich nur eine oberflächliche Theilnahme für Euch gehegt. Die Zeit unserer Bekanntschaft kann erst nach Tagen gezählt werden, aber ein Menschenalter hätte Euch neuere, aufrichtigere, wohlmeinendere und opferwilligere Freunde nicht verschaffen können, als – wie Ihr hier aus dem Leoparden zurücklaßt.«

»Die ich ungern zurücklasse, solltet Ihr sagen,« versetzte Hertha schnell, denn es gab für sie ja keinen Grund, weshalb sie ihre wahren Gesinnungen hätte verbergen sollen. »Die ich ungern zurücklasse, um sie wahrscheinlich nie wiederzusehen,« wiederholte sie leiser, ihre Blicke sinnend auf den schmalen silbernen Streifen heftend, mit welchem der sich dem Rande der Nebelbank nähernde Mond die schwarzen, massigen Wolken umsäumte. »Ist es mir doch, als sollte ich abermals von der heimathlichen Scholle scheiden; es sind zwar erst Tage, allein – Ach!« rief sie plötzlich entzückt aus, indem sie mit der Hand gegen Osten wies.

Weatherton schaute sich um, und schweigend, wie seine liebliche Gefährtin, betrachtete er die zauberische Naturscene, welche sich dort in unbeschreiblicher Pracht entwickelte.

Der oberste Rand des Mondes war eben, wie ein strahlender Stern, über der mauerähnlichen Wolkenschicht sichtbar geworden, und indem er, scheinbar zitternd, mehr und mehr hervortrat, überströmte er mit magischem bläulichem Licht das umfangreiche Hafenbecken und dessen malerische Einfassung, hier gigantische Schatten, dort auf allen hervorspringenden Punkten wunderbare Reflexe bildend. Die Sterne erbleichten und verschwanden theilweise, als ob sie beschämt gewesen wären; ein langer Streifen silbern schillernder Strudel und kleiner tändelnder Wellen zog sich über die ganze Wasserfläche bis dicht an die Corvette hin; der vergoldete Leopard unter dem Bugspriet blitzte und schien Leben erhalten zu haben, und eben so blitzten das Bayonnet und der Musketenlauf der auf und ab schreitenden Schildwache.

»Wie wunderbar schön,« flüsterte Hertha kaum vernehmbar, und zwei Thränen rollten über ihre im Mondlicht bleich schimmernden Wangen. »Ich gedachte meiner Heimath, und dort ist sie. Gerade so entstieg der Mond den wild ausgezackten und zerklüfteten Gebirgen, während auf der andern Seite die Wogen des Meeres zwischen den Klippen und Scheren unheimlich tosten und brandeten. O mein schönes, theures Heimathsland! wie weit, wie weit entfernt bin ich von Dir! – Vom Scheiden und Nimmerwiedersehen sprach ich, als das milde Licht freundlich grüßend und tröstend durch die Wolken brach,« fuhr das noch schmerzlich erregte junge Mädchen heiterer fort; »es soll mir dies ein gutes Zeichen sein. Ich will denken, es sei mir bestimmt, meine Heimath wiederzusehen, auch den braven Leoparden und seine brave Bemannung, unter der Ihr obenan steht. Nun, vielleicht begegnen wir einander dereinst am Salzsee,« fügte sie unter einem fröhlichen Lachen hinzu; gleich darauf wurde sie aber wieder ernst, als ob sie die eben gesprochenen Worte bereut hätte. »Mißversteht mich nicht,« sagte sie so herzlich, so gutmüthig, daß es Weatherton rührte; »es ist durchaus nicht meine Absicht, Euch zu belehren; ich wollte damit nur andeuten, wie ich mich freuen würde, mit Euch noch öfter im Leben zusammenzutreffen, denn unvergeßlich werden mir Eure freundlichen, Zutrauen erweckenden Worte sein. Ich habe dergleichen noch nicht viel in meinem Leben vernommen, und wenn auch Niemand mich mit Härte behandelte, so sah ich doch, seit meine Schwester ihrem ernsten und heiligen Berufe als Gattin folgte, nur wenig andere, als ernste Gesichter um mich.«

So lange Hertha sprach, lauschte Weatherton mit ungetheilter Aufmerksamkeit. Das volle, ungebundene Vertrauen, welches ihm in so hohem Grade erwiesen wurde, wie vielleicht keinem Zweiten, erfüllte ihn mit wehmüthiger Freude. Um so schmerzlicher berührte es ihn dagegen, aus den Ausbrüchen schwesterlicher Anhänglichkeit und dem plötzlich erwachten Heimweh des jungen Mädchens schließen zu dürfen, daß man in der That künstliche und wohldurchdachte Mittel angewendet habe, dasselbe seinem Geburtslande zu entfremden.

Ihre freundliche Bitte: nicht mehr auf einen Gegenstand zurückzukommen, der ihr peinlich zu werden schien, ließ er nicht unbeachtet, obgleich es ihn drängte, ihr mit den grellsten Farben ein Bild ihrer Zukunft zu entwerfen, wie diese beständig seinem Geiste vorschwebte. Er sah daher nur noch einen einzigen Weg vor sich offen, sie möglicherweise einem traurigen Geschick zu entreißen, nämlich, sie nach ihrer Trennung nicht aus den Augen zu verlieren und selbst in weiter Ferne, wenn auch nur einen brieflichen Verkehr mit ihr aufrecht zu erhalten.

»Und wenn wir uns nicht wiedersehen sollten,« fragte Weatherton, sobald Hertha geendigt, »und Eure freundliche Theilnahme für den Leoparden würde im Drange der Ereignisse nicht erstickt, würdet Ihr dann vor dem Gedanken zurückschrecken, denjenigen, die Ihr durch Eure Gegenwart so sehr erfreutet, Nachricht von Euch zu geben?«

»Warum sollte ich vor einem solchen Gedanken zurückschrecken?« fragte Hertha unbefangen und treuherzig; »fühle ich doch, daß es für mich eine sehr, sehr große Freude sein würde, durch Euch Nachricht über den getreuen Leoparden zu erhalten, dem ich mein Leben verdanke. Einen andern Eurer Schiffsgenossen wage ich nicht darum zu bitten; sie stehen mir Alle zu fremd gegenüber,« fügte sie entschuldigend hinzu.

Dieses süße Geständniß, gegeben mit der natürlichen Offenherzigkeit eines Kindes und der edlen Einfachheit eines reinen Herzens, machten Weatherton erbeben. Es fehlten ihm die Worte, irgend etwas darauf zu entgegnen, ohne zu viel von seinen Gedanken zu verrathen, er kam deshalb noch einmal auf seinen eigenen Vorschlag zurück.

»Die Tage, die hinter uns liegen, kennen wir genau,« sagte er ernst, fast feierlich; »dagegen bleibt uns verborgen, ob nicht Ereignisse auf uns einstürmen, die es vielleicht als ein Glück erscheinen lassen, selbst in der Ferne einen Freund zu wissen, dem wir uns vertrauensvoll nähern dürfen. Möget Ihr nie in die Lage kommen, Miß Hertha, Euch von Fremden Rath einholen zu müssen; sollten indessen Verhältnisse widriger Natur, oder, nennen wir es beim rechten Namen, Unglück Euch mit Mißtrauen gegen Eure Umgebung erfüllen und das Gefühl des Alleinstehens, der Verlassenheit in Euch zum Durchbruch kommen, dann, ja dann vor Allem erinnert Euch Eurer Freunde auf dem Leoparden und des Versprechens, welches Ihr ihnen aus freiem Willen gegeben habt.«

»Ich verspreche es, ich verspreche es noch einmal,« versetzte Hertha tief ergriffen, indem sie sich erhob und Weatherton zum Abschied die Hand reichte. »Eure Güte und Eure Theilnahme sollen unvergessen bleiben, und nicht auf traurige Tage will ich harren, um zu beweisen, wie getreulich ich das Andenken an – an den Leoparden bewahre. Wollte Gott, ich wäre vor unserer Abreise noch im Stande, Euch durch neue Briefe von meiner Schwester diejenige Beruhigung zu geben, die Ihr so aufrichtig zu wünschen scheint.«

 

Weatherton war gleichzeitig mit Hertha aufgestanden. Die Hand, welche sie ihm in ihrer lieben, treuherzigen Weise ruhig ließ, führte er an seine Lippen. Zu sprechen vermochte er nicht, aber er fühlte, daß sie ganz leise und vorübergehend zitterte, als wenn plötzlich ein nie gekanntes, nie geahntes Gefühl ihr Herz erbeben gemacht und ihre hohe schlanke Gestalt erschüttert habe.

»Gott segne Euch für diese Worte,« sagte er endlich, indem er mit ihr der Kajütentreppe zuschritt, »denn aus dem tiefsten Grunde meiner Seele wünsche ich mir eine Beruhigung, welche Eure glückliche Zukunft gewissermaßen gewährleistet. Ich darf daher hoffen, Euch noch wiederzusehen, ehʼ Ihr die Reise nach dem fernen Westen antretet, und Ihr gestattet mir, nachdem Ihr von dem Leoparden geschieden, Euch in der Stadt aufzusuchen?«

»Ich hoffe Euch wiederzusehen, wo es auch immer sei,« antwortete Hertha, als sie sich am Fuß der Treppe von Weatherton verabschiedete. »Gute Nacht,« rief sie ihm noch einmal zu, und im nächsten Augenblick war sie hinter der Kajütenthür verschwunden.

Weatherton begab sich wieder nach dem Quarterdeck hinauf. Ein Midshipman hatte daselbst während seiner kurzen Abwesenheit die Wache bezogen. Unter dem Vorwande, selbst noch einige Stunden die milde Abendluft genießen zu wollen, sendete er ihn hinab zu seinen Gefährten, deren fröhliche Stimmen noch immer, je nachdem die Thüren geöffnet wurden, in leiseren oder geräuschvolleren Pausen aus dem Innern des Schiffes hervordrangen.

Der junge Mann leistete dem Befehl militärisch grüßend Folge, und Weatherton war wieder allein. Langsam, gesenkten Hauptes und die Hände auf dem Rücken verschlungen, schritt er auf den festen Planken auf und ab. Während manchen Sturmes hatte er von denselben Planken auf die Bewegungen des Leoparden und die Handhabung der Segel geleitet; gegen die Stürme aber, die jetzt in seiner Seele tobten, kämpfte er vergeblich an; er war zu wenig vorbereitet auf dieselben, nachdem sein ganzes früheres Leben in jugendlichem Frohsinn und ungetrübter Ruhe verflossen.

Die Schiffsglocke meldete das Entrinnen der Zeit; die klingenden Doppelschläge wuchsen von halber Stunde zu halber Stunde an Zahl, bis sie, nachdem sie viermal ertönt und Mitternacht bezeichnet hatten, wieder mit einem einzelnen Schlage begannen; doch Weatherton achtete nicht darauf. Die Wachen wurden abgelöst, der Gesang und das Gelächter der nächtlichen Schwärmer verstummte; Weatherton dagegen setzte noch immer seinen einsamen Spaziergang fort. Nur gelegentlich stand er still, um seine Blicke spähend auf den Punkt zu richten, wo, wie er wußte, Raft mit den Mormonen gelandet war, oder um irgend ein Boot, welches in dem unbestimmten Mondlicht eine entfernte Aehnlichkeit mit der Jolle des Leoparden trug, aufmerksam zu betrachten.

Sein Forschen blieb vergeblich, und je länger die Rückkehr des abwesenden Bootsmannes sich verzögerte, um so häufiger und ungeduldiger schaute er nach ihm aus.

Die Glocke meldete ein Uhr, halb zwei, da weilte ihn plötzlich das bekannte »Boot ahoi!« auf dem Vordercastell aus dem Brüten, in welches er versunken war.

»Leute vom Leoparden!« lautete die tiefe, fast knurrende Antwort, welche als die Raftʼs gar nicht zu verkennen war.

Die Jolle schoß heran, die zur Seite gelegten Riemen klapperten und gleich darauf schwangen sich die vier Ruderer, wie flüchtige Schatten, einer hinter dem andern über die Schanzverkleidung.

Raft war der letzte, der erschien. Er gab den Matrosen, die ihn begleitet hatten, noch einige Befehle, namentlich mit Rücksicht auf den versprochenen Grog, worauf er sich nach dem Quarterdeck hinbegab, auf welchem er schon längst Weathertonʼs Gestalt entdeckt hatte.

»Von der Stadt zurück, Herr!« meldete er, die Hand grüßend an seinen Hut legend, sobald er sich seinem Vorgesetzten gegenüber befand.

»Es ist gut,« antwortete Weatherton in strengem dienstlichen Tone. »Sonst nichts zu rapportiren, Jim?« fragte er gleich darauf eben so zutraulich, wie er kurz vorher gemessen gewesen.

Der Bootsmann verlor augenblicklich die straffe dienstliche Haltung, und nachdem er sich überzeugt, daß keine unberufenen Lauscher in der Nähe weilten, trat er dicht zu Weatherton heran.

»Lieutenant Dickie!« sagte er halb flüsternd, halb grunzend, denn wenn er auch, wo es immer die Umstände erlaubten, sich des Namens »Dickie« bediente, so versäumte er doch nur in ganz besonderen Ausnahmefällen den Titel vor denselben zu setzen; »verdammt guten Ausguck gehalten, hinter den Piraten —«

»Piraten?« fragte Weatherton überrascht.

»Piraten, Lieutenant Dickie, das ist originell!« antwortete Raft, indem er Weatherton nach der nächsten Deckkaronade hin folgte, auf welche sie sich dann Beide niedersetzten.

»Ja, Piraten,« wiederholte er noch einmal mit bestimmtem Ausdruck; »habe hinter ihnen gekreuzt, wie der Walfisch hinter einem Zug Häringe; dabei angesegelt, habe einen Maler gebrait, ʼs war aber ein Gentleman, der auch Seeschlachten malt – aber verdammt! ich habe das unrechte Ende des Garns gefaßt!« —

»Laß Dir Zeit, Jim,« unterbrach Weatherton seinen alten Freund, dessen Schwächen er genau kannte, »es giebt gar keinen Wind, der zugleich vorwärts und rückwärts zu blasen vermöchte.«

»Das ist originell!« versetzte Raft, und nachdem er sich sodann noch einmal ordentlich geräuspert, begann er in der ihm eigenthümlichen umständlichen Weise Alles mit der größten Genauigkeit zu erzählen, was er, seit er den Leoparden verlassen, gesehen und erlebt hatte.

Weatherton hörte ihm aufmerksam zu; was er vernahm, schien ihn, zu Raftʼs Mißvergnügen, immer tiefer in Gedanken zu versenken; und als der Bootsmann sein Garn schon längst abgesponnen, da saß er noch immer, das Haupt schwer auf die Hand gestützt, regungslos auf der Lafette.

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